Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 4 (1858), ab Seite: 75. (Quelle)
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Ernst, Leopold (Architekt und Restaurateur des St. Stephansdomes in Wien, geb. in Wien 1808).[BN 1] Sohn eines Victualienhändlers, der später ein Wirthsgeschäft übernahm, aber verarmte. Mannigfache Unfälle bezeichnen die Kindheit des spätern Künstlers; 4 Jahre alt, brach er den Arm, später das linke Bein, und die häutige Bräune, der er kaum entging, ließ bis in’s 16. Jahr empfindliche Spuren zurück. Früh zeigte sich seine Liebe zum Zeichnen und Malen. Zur Zeit, als sein Vater das Wirthshausgeschäft betrieb, entwickelte sich insbesondere sein Trieb zu plastischen Gestalten, welchem sich viele Hindernisse in seiner nächsten Umgebung entgegenstellten. Doch alles dies hinderte ihn nicht in seiner Weise zu schaffen. Er erhielt nun Unterricht im Zeichnen, lernte italienisch und französisch und kam, 14 Jahre alt (1822), in die Architektur-Schule der Akademie der bildenden Künste, wo er sich unter Peter Nobile bildete. Die Ferien benützte er zu Ausflügen in Wiens Umgebung und zeichnete nach der Natur. Zwei Preise, welche er in der Akademie erhielt, hoben seinen Muth und Eifer. Ein kleines Stipendium und ein Geldbetrag eines seiner Oheime setzten ihn in die Lage, die Reise nach Italien anzutreten. Sein Reisegefährte war Ammerling (s. d. I. Bd. S. 29), mit diesem besuchte er Venedig, Florenz und Bologna. In Rom verweilte er längere Zeit und arbeitete fleißig in den dortigen Museen. 1832 reiste er nach Neapel und Sicilien. An dem österr. Gesandten in Rom, dem Grafen Lützow, fand E. einen hoch- und kunstsinnigen Mäcen. 1833 kehrte er über Florenz nach Wien zurück, wo er anfänglich im Porträtmalen sich versuchte, aber bald, seiner inneren Stimme folgend, zur Architektur zurückkehrte und bei derselben blieb. 1835 erhielt E. beim Grafen Breuner über Ammerlings Empfehlung eine Anstellung mit ansehnlichem Gehalte. Mit Vorliebe wendete er sich dem deutschen Style zu und baute im deutsch-mittelalterlichen das Schloß Grafenegg, wodurch er seinen Ruf begründete. Im J. 1841 unternahm er eine neue Reise nach [76] Istrien, Dalmatien und kehrte über Oberitalien und Süddeutschland nach Wien zurück. Nun baute er für den Grafen Strachwitz die gothische Capelle in Mähren; auch übertrugen ihm die niederösterr. Landstände die Decorirung ihres großen Sitzungssaales. Solche Aufträge genügten, um die Zahl der Auftraggeber zu mehren. Im J. 1845 begann E. die Herausgabe eines großen architektonischen Werkes „Oesterreichs Baudenkmale“, wovon 4 Hefte erschienen sind. Das Jahr 1848 unterbrach die Fortsetzung. Auch war es Ernst, welcher den Entwurf zur Gründung einer permanenten Kunstausstellung ausarbeitete und dadurch die Begründung des neuen österr. Kunstvereins veranlaßte. Im J. 1849 faßte E., da sich ihm bei völligem Mangel an Kunstsinn und Baulust in der Heimat wenig Aussichten boten, mit einem Male den Entschluß nach England und dann nach Amerika auszuwandern und stellte zu diesem Zwecke seine Kunstleistungen aus. In Folge dessen machte ihm Freih. v. Bruck (s. d. II. Bd. S. 165) den Antrag, in den östr. Staatsdienst zu treten, welchen E. mit Freude annahm, darin aber nur so lange verblieb, bis ihm der Giebelbau des St. Stephansdomes übertragen wurde (1853), da er bei diesem Geschäfte dem Staate nicht noch nebenbei in künstlerischer Verwendung dienen konnte. In diese Zeit aus gleichem Anlaß fällt auch die Restauration der Liechtenstein’schen Capelle in St. Stephan, und in neuester Zeit (März 1858) begann er die äußere Restauration des Stephansdomes, welche nunmehr in ihrem ganzen Umfange durch die Hand des bewährten Künstlers vollendet werden soll. Auch war es E., der unter Mitwirkung mehrerer gleichgesinnter Freunde, darunter des verstorbenen Melly (s. d.), Heider u. A. die Begründung eines Vereins zur Erhaltung der Baudenkmale im Erzherzogthum Oesterreich anregte, worauf der noch bestehende Alterthumsverein in Wien in’s Leben trat. Im J. 1853 besuchte E. die Rheingegenden und fand insbesondere in Cöln reichen Stoff für seine künstlerischen Ideen. 1855 reiste er nach London zur Weltausstellung, und die Ausstellung der vaterländischen Kunsterzeugnisse daselbst brachten ihn auf den von segensreichen Folgen für die Zukunft begleiteten Gedanken, einen entsprechenden Unterricht für das Manufacturzeichnen auf Grundlage selbständiger Schöpfungen und Benützung heimischer Natur-Elemente anzubahnen, welcher Gang bereits in der niederösterr. Gewerb-Vereins-Zeichnenschule eingeführt ist, und zu den schönsten Hoffnungen berechtigt. Als zeichnender Künstler hat E. in der Periode, als er sich durch die Verhältnisse genöthigt viel mit Zeichnen beschäftigte, mehre Arbeiten, Oelgemälde u. d. m. vollendet u. ausgestellt. Diese sind: „Innere Ansicht des Empfangsaales im Dogenpalaste zu Venedig“; – „Ansicht eines Theils des Palastes Kaiser Diokletian in Spalato“; – „Klostergang“; – „Ruine der Veste Sorrento bei Neapel“; – „Innere Ansicht des Zwettelhofes in Wien“ (alle fünf, Wiener-Ausstellung 1842); – „Innere Ansicht der Burgcapelle zu Merkenstein“; – „Das Innere der Stephanskirche um die Mitte des 16. Jahrhunderts“; – „Innere Ansicht der Freysinger Capelle im Stifte zu Klosterneuburg“ (Alle drei, Ausstellung 1844); – „Innere Ansicht eines Chores“; – desgl. einer „Brunnenhalle“; – eines „Zimmers in der herzogl. Burg zu Klosterneuburg“; – des neuerbauten „Prunksaales im Schlosse zu Grafenegg“; – eines „Klosterhofes“ (alle 5 im östr. Kstv. 1853, der „Prunksaal“ Eigenthum des Grafen von Breuner); – ferner „Die Werkpläne, Details und Modelle zum Giebelbau an der St. Stephanskirche in Wien“ (Ausstellung 1855, Jänner). Die Modelle waren nach E.’s Zeichnungen von dem Bildhauer Schönthaler ausgeführt und zuletzt das Gypsmodell [77] zu seinen Plänen der Votivkirche (Ausstellung 1855, Juni). Angriffe kritischer Seits gegen dieses Modell, welche aber auch gegen E.’s künstlerische Thätigkeit gerichtet waren, wies Ernst in seiner Schrift: „Architektonische Erörterungen“ (Wien 1855, Sommer, 8°.) entschieden aber würdevoll zurück. Das schönste und zwar ein bleibendes Denkmal schuf er sich durch die Vollendung der Giebel am St. Stephan, dem sich die bereits begonnene Restauration des prächtigen Gotteshauses durch dieselbe Meisterhand anschließt. Um aber die ganze Bedeutung dieser Leistung zu ermessen, muß bemerkt werden, daß Ernst, als er an diese Riesenarbeit ging, keine nur halbwegs seinem Zwecke entsprechenden Arbeiter vorfand, sondern sich alle erst heranbilden mußte.

Erscheint bald als J., als Ludwig und Leopold, oft allein mit seinem Namen ohne Vornamen. Letzterer Taufname ist richtig. – Faust (ein Wiener Blatt, 4°.) 1855, Nr. 18, S. 156. – Frankl (Ludwig August), Sonntagsblätter 1842, Beilage zu Nr. 5, S. 360. –1844, Kunstblatt Nr. 7, S. 572. – 1845, S. 563. Besprechungen der Kunstausstellungen von Dr. Ed. Melly [in allen diesen werden E.’s Arbeiten als tüchtig verstanden, durch genaue Zeichnung, große Wirkung und die Ideen ausgezeichnet gerühmt und namentlich auch der Fleiß und Geschmack anerkannt, mit dem das kleinste Detail ausgeführt ist]. – Müller [Fr.), Die Künstler aller Zeiten u. Völker (Stuttgart 1857, Ebner und Seubert, gr. 8°.) I. Bd. S. 576. – Die Kataloge des österreichischen Kunstvereins. – Porträt. Unterschrift: J. Ernst (in Kupfer geschabt von Christian Mayer, Wien, gr. 4°.) ein zwar schönes, aber nicht ähnliches Blatt.

Berichtigungen und Nachträge

  1. E Ernst, Leopold (Architekt und Dombaumeister zu St. Stephan in Wien [s. d. Bd. IV, S. 75], gest. zu Wien am 17. October 1862. Es war ihm nicht gegönnt, den von ihm begonnenen Ausbau des Stephansdom-Thurmes zu vollenden. Mitten im Werke entriß ihn der Tod im Alter von 52 Jahren einem von Kabalen und Intriguen jeder Art verbitterten Leben. – Sein ältester Sohn Hugo hat sich unter des Vaters Leitung für dessen Kunst gebildet und während des Vaters Abwesenheit von Wien – er hatte nämlich die Londoner Ausstellung besucht – längere Zeit den Thurmbau selbstständig geleitet und ist bei demselben – nachdem der berühmte Kirchenbaumeister Schmidt zu Ernst’s Nachfolger ernannt worden – in Verwendung.
    Presse (Wiener polit. Blatt) 1861, Nr. 199 und Nr. 206: „Die Restauration des Stephansdomes in Wien“ [dieser Aufsatz läßt einen Blick thun in das Kabalennetz, welches Neid und Scheelsucht um den edlen und tüchtigen Künstler zu schlingen suchten]; und dieselbe 1862, Nr. 292. – Fremden-Blatt (Wien, 4°.) 1862, Nr. 287, 288 u. 292. – Illustrirte Zeitung (Leipzig, J. J. Weber, Fol.) 1857, Nr. 721, S. 343; „Der St. Stephansdom in Wien und seine Restauration“ [auf S. 344 Ernst’s Porträt im Holzschnitt]. [Band 11, S. 402]