BLKÖ:Dembiński, Heinrich
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich | |||
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Band: 3 (1858), ab Seite: 230. (Quelle) | |||
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[BN 1] Sein Vater Ignaz war Landbote auf dem großen Reichstage 1788/91 und legte in seinem Testamente seinen Söhnen die Pflicht auf, ihre Arme der Vertheidigung des Vaterlandes zu widmen. Heinrichs Mutter, eine Tochter des sächsischen Obersthofmeisters Grafen Moszyński, leitete demgemäß ihrer Söhne Erziehung. D. kam im J. 1806 mit noch zwei Brüdern in die Ingenieur-Akademie nach Wien, verließ aber dieselbe bereits 1809, mit einigen andern jungen Polen in sein Vaterland zurückkehrend, wo D. als gemeiner Soldat, den ihm angetragenen Officiersgrad ausschlagend, in’s 5. reitende Jäger-Reg. eintrat. Im Feldzuge 1812 gegen Rußland war er bereits Lieutenant, in der Schlacht bei Smolensk ernannte ihn Napoleon in Folge seiner glänzenden Tapferkeit zum Rittmeister. Der unglückliche Ausgang dieses Feldzuges, in welchem zwei seiner Brüder geblieben, brachte D., der mit der Heeresabtheilung des Generals Sokolnicki den fliehenden französischen Adlern folgte, nach Deutschland, und in [231] Leipzig erwarb er sich durch die muthvolle Vertheidigung eines wichtigen Postens das Kreuz der Ehrenlegion. Nach Napoleons Abdankung (1815), kehrte D. nach Polen zurück und vermälte sich daselbst mit Helene Turno, ohne Dienste zu nehmen. Einen dritten Bruder hatte er in den Kämpfen in Deutschland verloren. Fünf Jahre lebte er auf einem ererbten kleinen väterlichen Landgute, dann begann er, von einem unbegrenzten Credit unterstützt, verschiedene mitunter sehr gewagte Unternehmungen, welche gelangen und D. ein Vermögen von einer Million poln. Gulden (etwa 250,000 fl. unsern Geldes) einbrachten. Im J. 1825 Mitglied des polnischen Landtags, arbeitete er in der Finanzsection und entwickelte eine einflußreiche Thätigkeit, gerieth aber aus Zartsinn, um nicht einen Freund bloszustellen und gewohnt über Dinge, die er für unbedeutend hielt, kein Wort zu verlieren, in Verwicklungen, welche später noch unangenehm nachwirkten. Die Ereignisse des J. 1830 rissen D. aus der Ruhe und Behaglichkeit seines bisherigen Lebens, er erklärte sich für die Sache der Unabhängigkeit Polens, wurde Major eines Regimentes, bald aber Commandant der mobilen Nationalgarde, die er sofort organisirte. In der Schlacht von Grochow zeichnete sich D. besonders aus. Skrzynecki übergab ihm nun den Befehl über eine Cavallerie-Brigade, mit welcher er bei Kuflew [und nicht wie es an andern Orten heißt Kusow oder Kustew] der Armee des FM. Diebitsch Widerstand leistete und mit 4000 Mann ein 12mal größeres Corps einen Tag lang aufhielt. D. war es auch, welcher den Angriff auf die für unbezwingbar gehaltene Brücke bei Ostrolenka unternahm und nach 14stündigem Kampfe siegreich ausführte. Nach dem unglücklichen Ausgange der Schlacht bei Ostrolenka war D. der Einzige, welcher den Gedanken, auf preußisches Gebiet überzugehen und dort die Waffen niederzulegen, von sich wies. Mit seinem kleinen Heere – 4800 fast sämmtlich frisch geworbenen Leuten, 6 Stück Geschütz, ohne Geld und ohne Munition – schlug er sich durch das von dem 20mal überlegenen Feinde überschwemmte Land, machte, um sich mit den Vertheidigern Warschau’s zu vereinigen, einen Umweg von 300 Stunden und erschien am 5. August 1831 plötzlich mit seiner kleinen Schaar vor Warschau’s Thoren. Von diesem denkwürdigen Rückzuge erhielt er den Beinamen des „polnischen Xenophon“. Seine Ankunft glich einem Triumphe. Man ernannte ihn zum Gouverneur der Stadt, dann zum Oberbefehlshaber. Doch nicht lange behielt er diesen Posten; schon am 19. Aug. wurde er von Krukowiecki abgesetzt, der sich der höchsten Gewalt bemächtigt hatte. Bei der Vertheidigung Warschau’s hielt D. mit einer Division Infanterie die russische Hauptmacht zwei volle Tage auf; als er endlich den Untergang der polnischen Sache erkannte, suchte er – vergebens – den Tod im Kampfe; dann zog er sich zugleich mit dem Corps Rybiński’s auf preußisches Gebiet. Dort angelangt, gab er der polnischen Bank eine ansehnliche Summe, welche ihm zur Verfügung gestellt worden, zurück und borgte sich nur den mäßigen Betrag von 400 Francs, um seine Reise fortzusetzen. Aus Preußen begab er sich nach Krakau, wo seine kranke Gattin sich aufhielt. Seine Niederlassung in der Freistadt vereitelte Feldmarschall Paskiewicz, welcher dem Senate Krakau’s verbot, den General Dembiński innerhalb seiner neutralen Mauern zu beherbergen. D. begab sich nun nach Frankreich, trat 1833 in Dienste des Pascha von Aegypten, der ihn nach Syrien sendete, um die Reorganisation der ägyptischen Armee zu betreiben; [232] doch kehrte D. bald wieder nach Paris zurück, wo er sich bis zum Februar 1848 aufhielt. In jener Zeit verließ er Paris, besuchte die Slavencongresse zu Breslau und Prag und folgte 1849 einem Rufe zur Uebernahme eines Commando’s der Revolutionsarmee in Ungarn; begab sich Ende Jänner nach Debreczin, wo sich damals Kossuth und die Seinen befanden und wurde am 5. Febr. zum Obercommandanten der revolut. Hauptarmee ernannt. Die Schlacht von Kapolna (26–28. Febr. 1849) ward von D. angeordnet und geleitet. Als er beim Rückzuge hinter die Theiß aus Terrain-Unkenntniß schlechte Anordnungen traf, dankte D. in Folge der Aufforderung der ungarischen Officiere ab; arbeitete dann mehrere Monate in der Operationskanzlei zu Debreczin, bis er im Juni 1849 beim Herannahen der Russen das Commando der ungarischen Nordarmee erhielt. Als sein Plan in Galizien einzufallen verworfen wurde, legte er das Commando nieder. Nachdem das Commando von Görgey auf Meszaros übergegangen war (2. Juli 1849), ward D. Letzterem als Generalquartiermeister beigegeben und leitete als solcher den Rückzug der Theißarmee bis Szegedin und die Schlacht bei Szöreg (5. August). D. konnte nun nach zwei Seiten den Rückzug bewerkstelligen: nach dem von Ungarn besetzten Arad, oder nach dem von Oesterreichern und Russen besetzten Temesvár; er wählte das letztere, wurde vor den Thoren Temesvárs von den tapfern Oesterreichern aufs Haupt geschlagen, und seine Armee zersprengt. D. flüchtete sich nun mit Kossuth und andern Häuptern der Revolution auf türkisches Gebiet, ging zuerst nach Widdin, von da nach Schumla, wo er sich, nachdem insbesondere Rußland die Auslieferung D.’s verlangte, als nationalisirter Franzose von der franz. Gesandtschaft reclamiren ließ. Er schiffte sich nun auf dem „Mentor“ nach Frankreich ein, begab sich nach Paris, wo er seitdem weilt, sich mit der Ausarbeitung seiner Memoiren beschäftigt und nur mit seinem alten Freunde, dem Fürsten Czartoryski verkehrt, für die Besuche der Demokraten aber geradezu unzugänglich ist. D. hat deutsche Memoiren über den ungarischen Feldzug verfaßt (vergl. Hamburger Nachrichten 1856, Nr. 68 im Feuilleton), worin er viele Briefe von Kossuth, Batthyany, Szemere, Görgey u. A. mittheilt und dafür 1856 einen Verleger suchte. Ueber seine früheren Feldzüge veröffentlichte er: „Mémoires sur la campagne de Lithuanie“ (Strassburg 1832, Heitz, 8°., mit 1 Karte und Facsimile); ein Bruchstück dieser Memoiren erschien schon früher in deutscher Sprache unter dem Titel: „Mein Feldzug nach und in Lithauen und mein Rückzug von Kurszany nach Warschau. Nach den mündlichen Diktaten des Generals Dembiński herausgegeben von Dr. K. O. Spazier“ (Leipzig 1832, Dyk, 8°., mit 1 Karte). – In polnischer Sprache gab er heraus: „Rzut oka na ostatne wypadki rewolucyi polskieh. Jako odpowiedź na dzieło K. A. Hof, pod tytułem „Cztery Powstania““, d. i. Ein Blick auf die letzten Ereignisse der polnischen Revolution. Als Antwort auf das Werk von K. A. Hof, betitelt „Vier Aufstände“ (Paris 1837, impr. de Maulde, 8°.). – Noch erschien von D.: „Quelques mots sur les derniers évènements de la Pologne pour servir de réponse à l’article du Journal la „Tribune“ du 3. Dicembre 1832“ (Paris 1833) – und „Réponse du Général Henri Dembiński à l’article de M. Pagès de l’ Ariège, sur l’occupation d’Algier“. D. spricht mehrere Sprachen, darunter auch die deutsche rein und geläufig, wird als in seinem Wesen offen, rücksichtslos und heftig geschildert; für einen der besten polnischen Officiere gehalten, der das Terrain [233] geschickt zu benützen und bei allen Unternehmungen bis auf die rechte Minute auszuharren versteht.
Dembiński, Heinrich (General in der poln. Armee u. Insurgentenführer in der ungar. Revolution 1849, geb. im Krakauer Gebiete 16. Jänn. 1791).- Straszewicz, Les Polonais et les Polonaises de la Révolution du 29 Novembre 1830 (Paris 1832, Pinard, Lex. 8°.). – Zur Geschichte des ungarischen Freiheitskampfes. Authentische Berichte (Leipzig 1851, Arnold, 8°.) I. Bd. S. 228. – Steger, Ergänzungsblätter IV. Bd. S. 190. – Ujabb kori ismeretek tára, d. i. ungar. Conversations-Lexikon der neueren Zeit (Pesth 1850, Heckenast) II. Bd. S. 357. – Levitschnigg (Heinrich Ritter von), Kossuth und seine Bannerschaft (Pesth 1850, Heckenast, 8°.) I. Bd. S. 143–154. Charakterisirt ihn folgendermaßen: „Fähig bei ruhiger Muse (sic) einen schönen Operationsplan zu entwerfen, schwach in der Ausführung, fester Theoretiker, betagter Militär, eingegangene strategische Sonne, großer Schachspieler bei Eröffnung einer kriegerischen Parthie, nicht geschaffen zum sweet heart der Soldaten. Seine Rolle: Anfangs Juli 1849 Ottavio Piccolomini vor Komorn Sein Feldruf: Libertad sagrosanta, nuestro numen tu siempre saras, por te la muerte es gloria, la muerte es gloria per te.“ – Allgemeine (Augsburger) Zeitung 1849, Nr. 79: „Dembiński’s Denkschrift zur Wiederherstellung Polens.“ – Deutsche Zeitung 1849, Nr. 103 u. 108. Zweite Beilage: „Lebensbild.“ – Hamburger Nachrichten (gr. Fol.) 1856, Nr. 68 im Feuilleton; „Deutsche Vorlesungen in Paris. General Dembiński.“ – Nouvelle Biographie générale … publiée sous la direction de M. le Dr. Hoefer (Paris 1853) XIII. Bd. Sp. 525. – Conversations-Lexikon der neuesten Zeit und Literatur. In vier Bänden (Leipzig 1832, Brockhaus, gr. 8°.) I. Bd. S. 584. – Wigands Conversations-Lexikon für die gebildeten Stände (Leipzig 1847 u. f., gr. 8°.) III. Bd. S. 864. – Szöllösy (Joh. Nep.), Tagebuch gefeierter Helden (Fünfkirchen in Ungarn 1837, bisch. Lyceal-Druckerei, gr. 8°.) S. 85. – Meyer (J.), Das große Conversations-Lexikon für gebildete Stände (Hildburghausen 1845, Bibl. Inst., Lex. 8°.) VII. Bd. 4. Abtheil. S. 113. – II. Suppl. Bd. S. 1323. – (Brockhaus) Conversations-Lexikon (10. Auflage) IV. Bd. S. 680. – Schlesinger, Aus Ungarn. – Leipziger Charivari. Redig. von E. Maria Oettinger 1850, S. 486: „Ein bekannter[WS 1] Unbekannter“ [eine Episode aus dem Leben des Generals, seine Ankunft in Ungarn zu Anbeginn des Februars 1849]. – Wanderer (Wiener Blatt, Fol.) 1851, Nr. 157: „D.’s Anlauf in Frankreich.“[BN 2] – Porträt. Facsimile der Unterschrift: Henri Dembiński und darunter der Name mit römischen Buchstaben wiederholt (Lith. de Villain). [Auch im Werke von Straszewicz „Les Polonais etc.“) – Dembiński’s Ehrensäbel. Die Officiere seines Corps überreichten ihm im J. 1830 aus eigenem Antrieb einen Ehrensäbel. Der goldene Griff wies die Wappen von Polen und Lithauen, darauf standen ferner die Namen der Regimenter, aus denen D.’s Corps zusammengesetzt war; über denselben blitzte ein Stern aus Diamanten mit der Umschrift: „Les corps de la Lithuanie à son chef.“ Die Damascener Klinge trug folgende Aufschrift: „Dembiński, w twey dzielney dłoni | Ten oręż zyska hart nowy; | Błynie; a spadną okowy, | Orła i pogoń zasłoni.“ | d. i. Dembiński, dein unerschrockener Arm, er kräftigt diesen Stahl auf’s neu, | Er blitzt, die Fessel sinkt; er beschirmt den Adler und den Reitersmann. | [Pogon: der Reiter im Lithauischen Wappen.] Dembiński verlor diesen Säbel und der FM. Paskiewicz, in dessen Besitz er gelangte, schickte denselben nach St. Petersburg, wo er sich gegenwärtig befindet.
Berichtigungen und Nachträge
- ↑ † Dembiński, Heinrich [s. d. Bd. III, S. 230], gest. zu Paris 13. Juni 1864, wo er seit mehreren Jahren, gerade nicht in den glänzendsten Verhältnissen lebte.
- Národ, d. i. das Volk (Prager polit. Parteiblatt) 1864, Nr. 156. – Didaskalia (Frankfurter Unterh. Blatt, 4°.) 1864, Nr. 175. – Correspondent von und für Deutschland (Nürnberg, kl. Fol.) 1864, Nr. 310. [Band 14, S. 423]
- ↑ E Dembiński, Heinrich [Bd. III, S. 230; Bd. XIV, S. 423].
- Oesterreichisch -ungarische Wehr-Zeitung (Wien, gr. 4°.) 1872, Nr. 116 [mit dieser Nummer beginnen im Feuilleton die Memoiren Dembiński’s, deutsch bearbeitet von Alphons Danzer, und erschienen bis zum Schlusse mehrere Monate hindurch]. [Band 26, S. 372]
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Vorlage: bekanter.