BLKÖ:Carli, Johann Rinaldo Graf von
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich | |||
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Band: 2 (1857), ab Seite: 281. (Quelle) | |||
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Muratori fällt. Im J. 1744 berief ihn der Senat von Venedig an die eigens für ihn creirte Lehrkanzel der Nautik und Astronomie, und nun wirkte er nicht nur als Lehrer, sondern praktisch bei den Arbeiten im Arsenal, wo er Verbesserungen einführte, mit Zustimmung der Regierung eine neue Art von Kriegsschiffen bauen ließ, und zwar nach dem von ihm verfertigten Modell eines Kriegsschiffes von 74 Kanonen, welches der Analogie seines Namens wegen S. Carlo genannt wurde. Zugleich schrieb er Abhandlungen aus der Literaturkunde, Numismatik, Archäologie u. a., und zwar: „Lettera intorno ad alcune monete che nelle Provincie del Friuli e dell’ Istria correvano ne’ tempi del dominio de’ Patriarchi Aquilejesi“, im 25. Bde. der „Raccolta Cologeriana“ (Venedig 1741 u. f., 12°.); – „Delle Antichità di Capodistria“, ebenda, im 28. Bde.; – „Osservazione sulla musica antica e moderna“ im 14. Bde. seiner Gesammt-Werke; – „La Teogonia [282] ovvero la generazione degli Dei d’Esiodo, tradotta per la prima volta in versi italiani ec. ec.“ (Venedig 1744, 8°.), auch im 15. Bde. seiner Gesammtwerke [doch ist dies nicht die erste italienische Uebersetzung der Hesiodischen Theogonie. Ant. Mar. Salvinio hat schon früher eine in Versen ausgeführt, obgleich erst 1747 zu Padua durch den Druck veröffentlicht]; – „Ifigenia in Tauride, tragedia imitata di Euripide“ (Venedig 1744, 12°.), im 17. Bde. seiner Gesammtwerke; – „Dell’ Indole del teatro antico e moderno“ im 35. Bde. der „Raccolta Calogeriana“, worin C. die später von Schlegel u. Manzoni aufgestellten Theorien in der die Freiheit in der Tragödie, gegenüber den durch Aristoteles festgesetzten strengen Regeln der griechischen Kunst vertheidigt; – „Della Spedizione degli Argonauti in Colco in cui dilucidano vari punti intorno alla navigazione, astronomia, cronologia e geografia degli antichi“ (Venedig 1745, 4°.). Darin bestimmt C. den Zeitpunkt des Argonautenzuges; – „Dissertazione sulle streghe e sulii stregoni“ (Venedig 1746, 4°.). Carli gibt darin ganz im Gegensatze zu Tartarotti, weder Hexen noch Zauberer zu; Tartarotti ließ diese Abhandlung zugleich mit der seinigen drucken, und C. wurde der Ketzerei beschuldigt. Der lächerliche Streit wurde durch Maffei’s Schrift: „La magia annihilata“ zum Schweigen gebracht; – „Lettera sull’ uso dell’ argento al Sign. Maffei“ (Venedig 1747, 4°.); – „Lettera al sign. Gori intorno alla costruzione delle antiche triremi armate di torre“ (Venedig 1748, 4°.), worin C. neben Mittheilung von vielen interessanten nautischen Notizen, die Erfindung des sogenannten nautischen Alphabets für Venedig in Anspruch nimmt, wo dasselbe zwei Jahrhunderte früher, ehe es unter Jakob II. in England in Gebrauch kam, angewendet wurde; – „Dissertazione in cui si tratta della geografia primitiva e delle carte geografiche degli antichi“ (Venedig 1748, 8°.); – „L’antropologia o sia della società e della felicità; poema filosofico in tre canti“ (Venedig 1748, 8°.), im 16. Bande seiner Gesammtwerke; eine Nachahmung des Gedichtes von Pope. – Der Tod seiner Gattin, die er nach zweijähriger Ehe verlor, unterbrach seine Arbeiten; um die Verwaltung ihres großen Vermögens zu übernehmen, mußte er sein Lehramt niederlegen (1749) und sich nach Istrien begeben. Seine Muße widmete er aber, wie ehedem seine ganze Zeit, der Fortsetzung seiner wissenschaftlichen Arbeiten. Mit dem Naturforscher Vitalian Donati, dessen „Saggio della storia naturale marina dell’ Adriatico“ der Graf auch nach Donati’s Tode herausgab (Venedig 1750, 4°.), bereiste er Istrien und erforschte dessen Alterthümer. Als Vorläufer eines großen und wichtigen Werkes erschienen nun: „Relazione delle scoperte fatte nel Anfiteatro di Pola nell’ anno 1750“ (Venedig 1750, 4°.); – „Dissertazioni due sull’ origine e sul commercio delle monete“ (Venedig 1751, 4°.), worauf sein berühmtes Werk: „Delle monete e dell’ istituzione delle Zecche d’Italia, dell’ antico e presente sistema di esse ... dalla decadenza dell’ impero fino al secolo XVII.“ (Venedig 1754–60, 3 Bde., 4°.) folgte. Dieses verschaffte seinem Namen in Italien großen Ruhm, es wurde davon amtlicher Gebrauch gemacht, und sich in Entscheidungsfällen darauf berufen. Die Höfe von Turin und Mailand nahmen die darin ausgesprochenen Ansichten an. Es enthielt eine Darstellung des italienischen Münzwesens vom 5.–17. Jahrhundert, vom 11. Jahrhundert nach den Münzstädten. C. hatte dazu große Reisen unternommen, u. viele [283] Kosten daran gewendet; die Uebertragung einer großartigen, in Venedig in Verfall gerathenen Wollenmanufactur auf eines seiner Güter in der Nähe von Capo d’ Istria hatte ihn, da große Ueberschwemmungen zweimal dieselbe ganz vernichteten, um einen beträchtlichen Theil seines Vermögens gebracht. Seine philosophischen und archäologischen Studien vertauschte er nun mit nationalökonomischen, und es erschienen von ihm: „Saggio politico ed economico sulla Toscana ...“ (Venedig 1757, 8°.); – „Ragionamento sopra i Bilanci economici delle nazioni“ (1759, 8°.); – „Relazione sul censimento [in der Biographie générale irrig: concimento] dello Stato di Milano“ (1760, 8°.); – „Sul libero commercio dei grani“ (1771, 8°.), worin er sich für ein gemäßigtes Schutzsystem ausspricht. Diese Arbeiten hatten die Aufmerksamkeit der Regierung auf ihn gerichtet, und als der Wiener Hof in Mailand ein höchstes Staatswirthschafts- und Handlungscollegium u. einen Oberstudienrath errichtet hatte, wurde C. zum Präsidenten beider Institute ernannt. Bei dieser Gelegenheit (1765) verfügte sich C. nach Wien, wo ihm von Seite seiner Kaiserin und des Fürsten Kaunitz viele Beweise der Achtung und des Vertrauens zu Theil wurden. Als im J. 1769 Kaiser Joseph II. Mailand besuchte, wohnte er 13 Sitzungen des Handels-Collegiums bei, in denen Graf Carli Bericht erstattete, Pläne entwickelte und Vorschläge in Antrag brachte, denen der Kaiser seinen Beifall schenkte. Bedeutende Gehaltserhöhung, Ernennung zum geheimen Staatsrath, und als im J. 1771 in Mailand ein neues Finanzcollegium errichtet wurde, auch die Erhebung zu dessen Präsidenten waren die Folgen davon[WS 1]. C.’s Thätigkeit als Präsident des Oberstudienrathes beschränkt sich auf die namenlos erschienene Schrift: „Nuovo metodo per le scuole pubbliche d’Italia“ (angeblich zu Lyon, wirklich in Florenz 1771, 8°. gedruckt), welche ihn zum Verfasser hat, und auf die Abhandlung: „Dissertazione sulla memoria artifiziale“. Wie vordem die archäologischen Arbeiten den nationalökonomischen gewichen, so traten in den spätern Jahren diese vor den philosophischen zurück, und bezeichnen in Verbindung mit ein paar naturwissenschaftlichen Abhandlungen, so zu sagen die letzte Periode der schriftstellerischen Thätigkeit C.’s. Vorerst erschien sein: „L’uomo libero ossia ragionamento sulla libertà naturale e civile dell’ uomo“ (1772–1773), worin C. gegen Hobbes, Rousseau und Montesquieu in die Schranken tritt; diesem folgten die „Lettere americane“, anfangs 2, dann 3 Bde. (Cosmopoli [Florenz], und Cremona 1780–81). Es ist dies C.’s vertrauter Briefwechsel mit seinem Neffen dem Grafen von Gravisi aus den J. 1777–79. Im 1. Theile bestreitet C. die von Pauw in seinen „Recherches sur les Américains“ aufgestellten Ansichten, im zweiten sucht er seine scharfsinnige Hypothese, daß Amerika von der Insel Atlantis aus bevölkert worden sei, zu begründen. Der dritte ist gegen die Hypothesen Bailly’s und Buffons gerichtet. Die naturwissenschaftlichen Arbeiten C.’s sind: „Ragionamento sopra alcune curiosità fisiologiche in risposta alle lettere di cav. Mich. Rosa“,worin C. über die Circulation und Farbe des Blutes handelt, und eine Abhandlung: „Sull’ elettricità animale e l’apoplessia“, worin C. das elektrische Princip als den Hauptfactor in allen physischen Verrichtungen des Körpers betrachtet; eine Theorie die mit andern Worten von den neuern Physiologen verfochten wird. Auch ordnete er in den letzten Lebensjahren seine, in früheren über Italiens Alterthümer und Verona’s Geschichte angestellten Untersuchungen, und [284] gab erstere unter dem Titel heraus: „Delle antichità italiche tomi IV. con appendice de’ documenti“, 5 Bde. (Mailand 1788–1791, 4°., mit K. K., Ebert), worin sich viele vorher unbekannte Inschriften befinden, und welche so beifällig aufgenommen wurde, daß schon nach ein paar Jahren (1793–95) eine neue Auflage veranstaltet werden mußte; letztere unter dem Titel: „Storia di Verona fino al 1519“, 7 Bde. (Verona 1796), welche aber erst nach seinem Tode erschien. Auch besorgte er noch selbst eine Gesammtausgabe seiner Werke, unter dem Titel: „Opere del Signor commendatore D. Gian Rinaldo Conte Carli“, 18 Bde. (Mailand 1784–95, 8°.), wovon die 6 ersten das Werk über die Münzen „Deile monete ec. ec., die 3 folgenden die amerikanischen Briefe, die übrigen 9 die angeführten historischen, archäologischen, philologischen und nationalökonomischen Abhandlungen enthalten. Sein Briefwechsel, den er ein halbes Jahrhundert hindurch mit den bedeutendsten Männern seiner Zeit unterhalten hatte, bildet den kostbarsten und leider noch unbenutzt gebliebenen Theil seines literarischen Nachlasses. In vier Richtungen spaltet sich C.’s wissenschaftliche Thätigkeit, in die literarische, die archäologisch-geschichtliche, die nationalökonomische und philosophische, und in seinem Nekrologe heißt es von ihm: „Era certamente l’erudito, che unisse più universalità con maggiore profondità di questi viventi in Italia e pochi eguali n’ avra avuto anche per Italia“.
Carli, auch Carli-Rubbi nach seiner zweiten Gemalin genannt, Johann Rinaldo Graf von (Staatsmann, Nationalökonom und Gelehrter, geb. zu Capo d’Istria 11. April 1720, gest. zu Mailand 22. Febr. 1795). Entstammt einer altadeligen Familie Istriens. Frühzeitig entwickelten sich seine seltenen Talente, so daß er mit 12 Jahren schon ein Drama schrieb, mit 18 Jahren eine Abhandlung über das Nordlicht und einige Gedichte drucken ließ. Noch nicht 20 Jahre alt, war er bereits Mitglied der Ricoverati zu Padua, in welche Zeit seine Polemik mit Fontanini und- Bossi (Luigi), Elogio storico del Conte G. R. Carli (Venedig 1797, 8°.). – Dizionario di Economia politica, sotto la direzione di Carlo Coquelin e Guilaumin (Mantua 1855, Caranenti, Lex. 8°.) I. Bd. Sp. 453. – Il Caffè. Gazzettino di lettere, arti ec. (Mailand, Folio) Anno I. 1855, Nr. 69: „Domini utili. Rinaldo Carli.“ – Diavoletto (Triester Zeitung, 4°.) 1855, Nr. 243. – Porta orientale, Strenna per l’anno 1857 (Triest, Schubert, 12°.) S. 153. – Oestr. National-Encyklopädie (von Gräffer und Czikann), (Wien 1835, 6 Bde.) I. Bd. S. 469. – Tipaldo, Biografia degli Italiani illustri. – Saxii Onomasticon. tom. VII. S. 87, 276. – Biographie universelle (von Guingené) VII. Bd. – (Brockhaus) Conversations-Lexikon (10. Aufl.) III. Bd. S. 656. – Adelung, Suppl. zu Jöchers Allgemeines Gelehrten-Lexikon. – [Von C.’s lettere americane erschien eine deutsche Uebersetzung der ersten zwei Bände von C. G. Hennig, des dritten von einem Unbekannten (Gera 1785, 8°.); – eine französische mit Anmerkungen und Zusätzen des Uebersetzers Lefebure de Villabrune (Boston und Paris 1788, 2. Aufl., Paris 1793, 2 Bde.), und auch eine englische. Als ein Anhang dazu sind zu betrachten: Osservazioni critiche e cosmologiche sull’ inondazione dell Atlantide in risposta al supplemento delle lettere americane (Tortona 1787, 8°.). Vergl. darüber die allg. deutsche Bibliothek, LXVIII. Bd. S. 187. – Göttinger gel. Anzeigen, 1781, Zugabe 693; 1785, S. 399, 1269. – Allgem. Literatur-Ztg. 1785, Nr. 201–203.]
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Vorlage: dovon.