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Autor: Friedrich Hofmann
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Titel: Auch ein Jubiläum
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aus: Die Gartenlaube, Heft 6, S. 104, 106, 107
Herausgeber: Ernst Keil
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1876
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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Auch ein Jubiläum.


Erinnerung von Friedrich Hofmann.


Heute, am 1. Februar 1876, sind es fünfundzwanzig Jahre, daß Wilhelm Bauer im Kieler Hafen mit seinem ersten Brandtaucher versank, und die Schilderung dieses Ereignisses war der erste Artikel der „Gartenlaube“ über den „deutschen Erfinder“. Wir dürfen diesen „Jubiläumstag“ nicht vorübergehen lassen, ohne noch einmal des Mannes zu gedenken, für welchen die Leser dieses Blattes seit jener Zeit bis zu seinem Ende ihre Theilnahme bethätigt haben. Wilhelm Bauer ist, wie seiner Zeit alle Zeitungen berichteten, nach sechsjährigen Leiden im vorigen Jahre heimgegangen. Noch am 10. Juni 1875 hatte er sich zum Grabe seines letzten Kindes, seines Töchterchens Constanze – es würde ihr zehnter Geburtstag gewesen sein – fahren lassen. Dort weinte er sich noch einmal in den Armen seiner Gattin recht aus und verließ die Stätte mit dem Wehrufe: „Hier liegen unsere Freuden begraben!“ – Zehn Tage später, gegen die Mittagszeit des Sonntags, ahnte er bei voller Geistesklarheit seine nahe Auflösung. Auf die Frage eines Freundes nach seinem Befinden antwortete er: „Es geht gut, bald wird es zum Allerbesten gehen.“ Da schlug’s zwölf Uhr, und auf der Straße marschirte eine Regimentsmusik vorüber. Sichtlich erregt lauschte er den altbekannten Klängen; der alte Soldatengeist wachte noch einmal auf und folgte den ferner und ferner verklingenden Tönen, und mit dem Verhallen des letzten Tones war der letzte Lebensfunke Wilhelm Bauer’s verglommen.

Der vielbewegte Lebensgang des seltenen Mannes ist den Lesern der „Gartenlaube“ aus einer langen Reihe von Artikeln bekannt. Für sie bedürfte es kaum eines Rückblickes auf denselben, wenn nicht die Zeitungen bei Bauer’s Tode eine ziemlich gleichlautende biographische Skizze gebracht hätten, welche Berichtigungen und Ergänzungen nothwendig macht. Wahr erzählen alle bis zum Beginne der Hebung des Dampfschiffes „Ludwig“. Von hier an lauten die Berichte: Bauer habe bei der Ludwigshebung sich seine Gichtkrankheit zugezogen, und dann erst sei durch die „Gartenlaube“ dem deutschen Volke die Veranlassung gegeben worden, „seinem genialen Sohne eine Ehrengabe zu widmen, die ihm das Leben soviel zu versüßen vermocht, wie es bei seinem Zustande eben ging.“

Es wäre übergroße Bescheidenheit, die zu einer Fälschung der Geschichte des Lebens und der Erfindungen Wilhelm Bauer’s führte, wollten wir zu jenen Zeitungsnotizen für immer schweigen, und selbst das Mißliche, daß der Verfasser dieser „Erinnerungen“ seinen Antheil an Bauer’s Streben und Kämpfen dabei ausdrücklich mit hervorheben muß, darf ihn von der Veröffentlichung des Nachstehenden nicht abhalten.

Nicht erst, als es mit Wilhelm Bauer zu Ende ging, trat die „Gartenlaube“ für ihn ein, sondern mit ihrem Auftreten für ihn begann der zweite Abschnitt seiner Laufbahn. Der erste Lebensabschnitt Bauer’s beginnt mit dem Baue und Untergange des ersten Brandtauchers im Kieler Hafen, umfaßt die Odysseus-Fahrten des „deutschen Erfinders“ nach Wien und Triest, nach Berlin, nach London und Paris und schließlich nach Petersburg und Kronstadt, wo die Submarine ihre Erprobung feierte, und schließt mit der Heimkehr Bauer’s nach Baiern und seinen ersten Versuchen der Ludwigshebung im Bodensee.

Durch fremde, nachgewiesene Schuld stand hier sein Erfinderruf, die mit Mühen und Todesgefahren erkämpfte Errungenschaft seines Lebens, auf dem Spiele. Er mußte das Schiff heben, oder er verlor Ehre und Vertrauen für immer. – In dieser Noth befand sich Wilhelm Bauer, als ich durch Dr. L. Hauff’s Broschüre über dessen Erfindungen auf das außerordentliche Talent des verkannten und unterdrückten Mannes aufmerksam gemacht wurde. Ich veröffentlichte sofort in dem von mir damals redigirten Payne’schen „Panorama des Wissens und der Gewerbe“ mehrere Artikel mit trefflichen Stahlstich-Illustrationen über den außergewöhnlich fesselnden Gegenstand und trat dadurch mit Bauer in directe Verbindung. Auf einer Heimreise von London suchte kurz nachher Bauer mich in Leipzig auf und weihete mich in das Wesen, die bisherigen Schicksale und die mögliche Tragweite seiner Erfindungen ein. Von diesem Augenblick an wurde ich, von dem edlen Ernst und unerschöpflichen Geist Bauer’s und der Wichtigkeit seiner Ziele überzeugt und gefesselt, des Mannes Freund und Vertreter in der Presse. Aber erst als ich bald darauf (im Herbste 1861) zur ständigen Mitarbeiterschaft an der „Gartenlaube“ berufen wurde und die Redaction die Spalten derselben für die Bauer’sche Sache öffnete, konnte, bei deren schon damals sehr großem Leserkreis und der Empfänglichkeit desselben für patriotische Anregungen, ein Rettungsversuch für Bauer’s Unternehmen mit der Hoffnung auf glückliche Durchführung gewagt werden.

Nachdem die Theilnahme für die Person Bauer’s durch die Schilderung der Kieler Niederfahrt erregt und das Publicum durch eine illustrirte Darstellung über die Schiffhebungsweise Bauer’s unterrichtet war, erfolgte die Gründung des „Centralcomité für Wilhelm Bauer’s deutsches Taucherwerk“ in Leipzig. Es galt nun nicht mehr, das versunkene Schiff blos auf die billigste Weise zu heben, denn das hätte Bauer mit Hülfe der erprobten Benutzung der Fässer statt seiner Ballons und Kameele bei gesichertem Bergedampfer bewerkstelligen können: jetzt galt es, Bauer’s Apparate, die vor Allem auf Hebung versunkener Schiffe und Güter aus Meerestiefen berechnet waren, auf das Gründlichste zu erproben. Diese Erprobung war weder billig noch leicht. Sie machte trotz der glücklichen Sammlungen der „Gartenlaube“ und dem Eifer des Leipziger Comités die Hülfe von Männern nöthig, deren Namen in den Zeitungsberichten ebenfalls verschwiegen worden sind. Sie waren F. Streit, der Industrielle Moser und, in der höchsten Noth, als alle Mittel erschöpft waren, Herzog Ernst von Coburg-Gotha, welcher ein bedeutendes Capital für die Ehrenrettung der deutschen Erfindung zur Verfügung stellte. Alle belohnte am 21. Juli 1863 der glänzende, erhebende, unvergeßliche Triumphzug des gehobenen „Ludwig“, als dessen Schiffsglocke zum ersten Male nach zwei Jahren und vier Monaten wieder über die Wellen des Bodensees zu den Ufern hinübertönte.

Deutschland war leider, trotz des nationalen Festaufschwungs des Volks, damals noch nicht der Staat, in welchem ein solcher Erfolg dem Erfinder goldene Früchte hätte tragen können. Wie würde amerikanischer Unternehmungsmuth eine solche Erfindung ausgebeutet haben! Bauer selbst hatte zu bittere Erfahrungen im Auslande gemacht, um für sein Wirken wieder einen ergiebigeren Boden auswärts zu suchen, und das Gefühl der Dankbarkeit, das ihn für die ihm von der Nation zu Theil gewordene Unterstützung erfüllte, würde ihn auch ohne das rege Vaterlandsgefühl, das ihn früher mit Schmerz erst aus Deutschland scheiden ließ, als die letzte Hoffnung für die Ausführung seiner ersten Erfindung im Vaterlande verschwunden war, von einem solchen abermaligen Schritte abgehalten haben. Außerdem war es zunächst nicht der Mangel an gutem Willen, sondern ein unvorhergesehenes Zeitereigniß, woran die so allgemein gehoffte und gewünschte Verwerthung der Schiffhebung und der unterseeischen Schifffahrt für Deutschland scheiterte.

In Bremen schien die Schiffhebung feste Hand zu finden. Während aber die Unterhandlungen über eine dafür zu gründende [106] Actiengesellschaft noch schwebten, kam das Jahr 1864 und der neue dänische Krieg, der jedes Unternehmen zur See unmöglich machte. Dieser Krieg führte den rastlosen Erfinder wieder zu seinem Brandtaucher, dem er nun in dem „Küstenbrander“ (Gartenlaube 1864, Nr. 35) eine neue Gestalt und praktischere Bestimmung gab. Sofort trat auf meine Anregung in Leipzig ein neues Comité „für Wilhelm Bauer’s unterseeische Kriegsfahrzeuge“ zusammen. Allein trotz der glänzenden Gutachten, mit welchen polytechnische Vereine und Versammlungen dafür auftraten, trotz des warmen Eifers der patriotischen Presse und der noch immer regen Theilnahme des Volkes für W. Bauer, mußte bald die Befürchtung aufsteigen, daß die Beschaffung einer so bedeutenden Summe, wie sie der Bau und die kampffertige Ausrüstung eines Küstenbranders erforderte, nicht rasch genug für den begonnenen Krieg und wohl erst nach Jahren zu ermöglichen sei. Allgemeine Freude erregte es daher, als plötzlich die preußische Regierung sich der Erfindung annahm. Am 9. September 1864 stand Bauer vor einer vom Kriegs- und Marine-Ministerium eingesetzten Commission, welche nach „gründlichster Prüfung und Erörterung aller irgend möglichen Einwürfe das Project des Submarine-Ingenieurs W. Bauer als in seinen Principien richtig, als wohlausführbar und als aller Voraussicht nach überaus werthvoll einstimmig anerkannte“. Wirklich wurde Bauer zu Anfang des folgenden Jahres nach Stettin berufen, um dort den Bau eines Küstenbranders zu leiten.

Bauer zog mit seiner Familie nach Arthursberg bei Stettin und trat vom Januar 1865 an in preußischen Sold. Die Freude dauerte nicht lange. Bauer hatte zur Vervollständigung des Küstenbranders die Erprobung eines unterseeischen, rückstoßfreien Geschützes und einer neuen Motionskraft für unerläßlich erklärt, und drei Fachmänner-Commissionen waren einstimmig dafür eingetreten, indem sie die Anweisung von dreitausend Thaler für die Motionsmaschine und vierzehnhundert Thaler für das Geschütz befürworteten, weil ohne praktische Versuche kein bestimmter Schluß über deren unter- und überseeische Verwendung gezogen werden könne, während andererseits weder theoretische noch technische Motive gegen die Sache sprächen, wobei sie die Genialität und die Vielseitigkeit des Gesammtprojectes noch besonders hervorhoben. Alle dem entgegen verlangten die Admiralitätsräthe auf den dem Marine-Ministerium von den Fach-Commissionen, mit welchen Bauer mündlich verhandelt hatte, erstatteten Bericht hin von Bauer, „daß, bevor auf kostspielige Experimente mit ihm eingegangen werden könne, von ihm zunächst präcise, verständliche und wissenschaftlich begründete Projecte vorzulegen bleiben“.

Dieses Ansinnen, ohne vorhergegangenes Experiment über die Wirkung noch unerprobter Naturkräfte eine wissenschaftliche Abhandlung zu schreiben, mußte für Bauer, den genialen Praktiker, aber ungelehrten Mann, einer Ablehnung des ganzen Unternehmens gleichkommen. Er beschloß daher, auf eigene Faust diese Experimente durchzuführen und dann, wo möglich, den ganzen Küstenbrander fix und fertig auf dem Bodensee herzustellen. Zu diesem Behufe zog er, da er von der badischen Regierung den nöthigen Schutz erhoffte, mit seiner Familie nach Constanz.

Wieder konnte nun nur durch nationale Hülfe der abermals mittellos dastehenden Erfindung aufgeholfen werden. Die lange Unterbrechung der Comité-Thätigkeit hatte die öffentliche Theilnahme für die Sache eingeschläfert. Es galt, alle Hebel für deren Wiedererweckung in Bewegung zu setzen. Nächtelang arbeitete ich damals an Aufrufen, Bitten und Ermahnungen an die Flotten-Comités, Schützengesellschaften,[WS 1] Landesversammlungen (Erlangen), polytechnische Gesellschaften, den Nationalverein und alle damaligen Turner-, Schützen- und Sängerfeste, um mit der einen Erfindung den vielen anderen unschätzbaren und mit ihr sämmtlich[WS 2] verlorenen Erfindungen wieder aufzuhelfen, während Bauer selbst persönlich in Volks- und Nationalversammlungen und selbst in der Naturforscherversammlung zu Hannover (27. Sept. 1865) erschien und durch seine kunstlose Beredsamkeit dem Volke zu Herzen sprach und selbst die Männer der Wissenschaft für sich und sein Streben begeisterte. Alle diese Mühen würden dennoch nicht einmal zum nächsten Ziele, der Geschütz-Erprobung, geführt haben, wenn nicht Bauer die Generalversammlung des Nationalvereins im October 1865 zu Frankfurt am Main zu dem Beschlusse vermocht hätte, zweitausend Thaler ihm als Ehrengabe zu bestimmen, und wenn nicht sein König, Ludwig der Zweite von Baiern, ihn in der Ausführung des Experiments wesentlich unterstützt hätte. So erlebte denn endlich, nach unsäglichen Sorgen und Anstrengungen, Bauer abermals einen Triumph seines Genies: die glänzend gelungene Durchschießung zweier mehrere Zoll dicker Eisenplatten in vierundzwanzig und sechsunddreißig Fuß Tiefe des Starnberger Sees. Diesem Probeschießen, am 18. April 1866, wohnten eine k. bairische Artillerie-Commission und die Herzöge Karl Theodor und Max Emanuel von Baiern bei. Bauer selbst schilderte es in der Gartenlaube (Nr. 21, 1867). Eisenplatten und Geschoß, die einzigen unvergänglichen Zeugnisse des gelungenen Experiments, habe ich bis jetzt noch in Verwahrung.

Trotz des anerkannten und bewunderten Erfolges dieser Schießversuche bot kein Staat Bauer die Hand zur Erprobung des zweiten und letzten Erfordernisses zur Vollendung der Selbstständigkeit der Submarine: seiner Petroleumsgasmaschine. Ein Versuch, durch Anwendung derselben für Luftschifffahrt, als deren Haupthinderniß Bauer den stets unlenkbar bleibenden Ballon erklärte, die nun einmal unerläßlichen Experimente durchzuführen, scheiterte an Erlahmung der Theilnehmer der dazu gebildeten Gesellschaft. Bei diesen Versuchen aber, die im Winter von 1867 auf 68 in der Pfalz stattfanden, kam Bauer’s Gichtleiden zum Ausbruch. Er war von Constanz nach Rorschach gezogen, wohin er aus der Pfalz im Sommer 1868 zurückkehrte. Im Herbst zog er wieder nach München. Immer neu aufsteigende Hoffnungen milderten nur wenig seinen tiefen Gram darüber, daß die Vollendung der zwei größten Erfindungen seines Genies, der unterseeischen und der Luft-Schifffahrt durch seine „Petroleumgas-Wasserprall-Maschine“, wie er sie nannte, ihm nicht vergönnt sein sollte.

Welch verhältnißmäßig geringes Opfer für die von wissenschaftlichen Akademien und praktischen Fachmännern als, wenn gelungen, unberechenbar wichtig anerkannte Erfindung war nöthig, – und weder Staat noch Capital regten eine Hand dafür! Wie wahr, wie gerecht, wie schneidend ist W. Bauer’s Klage: „So stehe ich wieder nur um ein Kleines vorgeschritten in Erfahrung und Leistung vor Deutschland, sehe tief bewegt mich zur Thatlosigkeit verurtheilt, während die Rüstungen zu Land und See ganz Deutschland beschäftigen. Die Nation kann ich nicht um so große Opfer bitten; die Regierungen wollen an mir keinen Dreyse zur See erkennen, ich selbst aber bin machtlos dem Geschick überantwortet. Mein Urtheil, daß die Monitors nur der Uebergang zu Submarine sind, wird belacht. Meine Behauptung, daß ‚Lissa‘ den Beweis geliefert hat, daß sich Kriegsschiffe dem Widderstoß durch Untertauchen entziehen müssen, erscheint heute noch kindlich oder zu kühn, und meine Fernsicht, daß die Handelsschiffe den Gefahren des Sturmes, des Strandens, Scheiterns etc. durch Untertauchen unter die Wellentiefe während eines Sturmes wie eine Qualle sich entziehen müssen und noch werden – erscheint der Gegenwart noch zu grau. Die Sache ist noch in deutscher Hand, kommt noch nicht aus England ober Amerika und kostet darum noch nicht Millionen! Das sind die Mängel, an denen sie zu Grunde geht.“

Zu diesem Seelenschmerz trat nun noch körperliches Leiden. Bauer’s Riesennatur, welche so oftmals Winter- und Wasserkälte und stechende Feuergluth im wildesten Wechsel ertragen hatte, war gebrochen, und alle Kunst und Liebesmühe heilte sie nicht wieder zusammen, – und dieses letzte Schicksal mußte ihn erreichen, als sich ihm endlich eine königliche Rettungshand bot. Wiederum eine Commission, diesmal bestehend aus den Münchener Autoritäten und Professoren Jolly, dem Physiker, Pettenkofer, dem Chemiker, Beilich, dem Mathematiker, und dem Vorstand des Polytechnischen Vereins, Obermünzmeister v. Haindle, prüfte Bauer’s Plan und bisherige Versuche seiner neuen Motionsmaschine, und auf deren Gutachten erhielt Bauer den Auftrag, ein unterseeisches Versuchsboot für den Starnbergersee zu bauen. Das Glück war endlich da, aber es fand einen Glied um Glied der gichtischen Erlahmung und dem unaufhaltsamen Absterben preisgegebenen Mann. Selbst die Cur in Wildbad (1869 und 1870) half nicht mehr, wie wohl auch die treue Sorge des edlen Arztes Dr. Renz und die Hochachtung und Theilnahme aller Gäste für den „fahrenden Ritter vom [107] Meeresgrund“, den nun seine Gattin im Rollwagen durch die Anlagen fuhr, seinem Herzen that. Zur vollständigen Lähmung der Füße kam 1870 die der Finger; das Schreiben wurde ihm zur Pein und endlich unmöglich. Er dictirte nun seinem Töchterlein Constanze. Da mußte ihm auch dieses sterben, und ein Schlaganfall lähmte ihm (1871) sogar die Sprechorgane, während der unerschütterte Geist fortarbeitete, immer das große Ziel vor Augen, mit aller Qual der Hoffnungslosigkeit. – Auch ein letzter Cur-Versuch in Partenkirchen blieb erfolglos.

Wilhelm Bauer’s letzte Sorge wandte sich nunmehr der Rettung seiner Erfindungen für die Zukunft und das Vaterland zu, und abermals winkte ihm ein Lichtblick von Hoffnung. Eine letzte Commission von Professoren des Polytechnicums besichtigte seine Modelle und Zeichnungen und fand, daß dieselben für die kaiserliche Kriegsmarineschule in Kiel zu empfehlen sein möchten und daß wohl das königlich baierische Ministerium des Aeußeren die weitere Vermittelung übernehmen werde. Diese Aussicht war dem armen Kranken ein erhebender Trost. Er hoffte auf die Erfüllung seines dringendsten Wunsches: daß aus dem Marinedepartement von Kiel oder Danzig ein guter Techniker zu ihm beordert werde, damit er diesem die zu den Zeichnungen und Modellen nöthigen Beschreibungen dictiren und unter seinen Augen die noch nöthigen Zeichnungen zu dem Küstenbrander und dem Unterwassergeschütz anfertigen lassen, kurz, seinem geistigen Nachlasse die Möglichkeit praktischer Verwerthung sichern könne. Auch hoffte er, daß dann die Reichsregierung ihm wohl ein kleines Capital oder auch eine Pension werde zu Gute kommen lassen; denn Bauer wurde nicht, wie die Zeitungen berichten, durch eine „Ehrengabe der Nation“, sondern durch eine Pension seines Königs vor Noth bewahrt. Aber auch diese letzte Hoffnung scheiterte. Der betreffende Herr Minister „ersah keine Veranlassung, an das preußische Ministerium hierüber zu berichten, und in Baiern seien weder Studienanstalten noch Museen, worin die Submarine irgendwie vertreten wäre.“

Das war die Art, wie Wilhelm Bauer’s fünfundzwanzigjähriges Jubiläum seiner Erfinderthätigkeit – er hatte sie 1850 in Kiel begonnen – in München gefeiert wurde. In England hatte man längst Bauer’s Portrait in die Sammlung berühmter Erfinder im Kensington-Museum eingereiht; ebenso ist es im Belvedere zu Wien. In seinem Heimathlande hat man nicht einmal eine öffentliche Aufbewahrungsstätte für seine Modelle und Zeichnungen. – Wahrlich, man braucht nur sämmtliche Gutachten der wissenschaftlichen und Fachmännercommissionen von 1850 bis 1874 über W. Bauer’s Erfindungen zusammen drucken zu lassen, um die Nachwelt in das gerechteste Erstaunen zu versetzen, daß ein solches Leben in unserer Zeit so enden mußte.

Auf seinem Sterbebette noch um die Rettung seiner Erfindungen für Deutschland besorgt, bestimmte er seinen Nachlaß an Modellen, Zeichnungen und Beschreibungen derselben zu einer Stiftung, welche jungen Talenten technische Aufgaben stellen, die beste Lösung belohnen und auf diesem Wege auch seine eigenen Erfindungen der Ausführung und Ausbeute preisgeben soll. Es war sein letzter Gruß für mich, daß er dieselbe „Bauer-Hofmanns-Stiftung“ benannte. Da jedoch dies eine rein technische Angelegenheit ist, so will die „Gartenlaube“ sie auch den Fachmännern und Fachblättern allein überlassen.

Möchte man auch gern glauben, daß das Zeugniß der vielen Zeitgenossen, welche den Bestrebungen Bauer’s ihre Theilnahme zuwandten, hinreichend sei, um das Einzige, was er in seinem mühevollen Leben erworben, seine Erfinderehre, gegen ungerechte Angriffe oder Todtschweigung zu schützen, so haben wir doch jetzt schon gesehen, wie kurz in dieser Beziehung oft das Gedächtniß der Tagespresse ist. In Nr. 42 von 1865 veröffentlichte die „Gartenlaube“ den illustrirten Artikel „Das unterseeische Kabel im Bunde mit der unterseeischen Schifffahrt und versenkbaren Kabelstationen“ – und 1870 verkünden deutsche Zeitungen denselben Plan als den eines Mr. Hall und preisen ihn als einen „kühnen amerikanischen Gedanken“. Von Bauer’s Taucherapparaten sind die Taucherkammer patentirt, das unterseeische Schiff erprobt und der „Polyp“ bekannt schon seit 1862; trotzdem wird 1871 bei der Schilderung von Toselli’s Versuch mit einem neuen Tauchapparat der Bauer’schen Vorarbeiten mit keiner Silbe gedacht. Für die neuen Torpedo-Boote wird der Mangel eines „ganz unter Wasser gehenden Fahrzeugs“ beklagt, als ob W. Bauer nie gelebt habe; ebenso wenig kennt man bei der Anpreisung eines neuen submarinen „Dampf“-Schiffs, das unter Wasser mit Gußstahlhinterladern schießen soll, Bauer’s Küstenbrander und seine Schießerprobung im Starnbergersee. Im Jahre 1860 brachte Payne’s „Panorama“ in trefflicher Stahlstich-Illustration eine „schwimmende Revolver-Batterie“, die den Beifall des Prinzen Adalbert von Preußen ganz besonders gefunden hatte; im Jahre 1870 bringt ein Münchener Blatt Illustration und Beschreibung einer soeben in England ausgeführten „schwimmenden Dreh-Batterie“, aber von der W. Bauer’s weiß es nichts.

Diese Beispiele genügen wohl, um den Wunsch zu rechtfertigen, daß die vielen zerstreuten Mittheilungen über Wilhelm Bauer’s Leben und Erfindungen in ein Buch zusammengefaßt und daß die vorhandenen Illustrationen demselben beigegeben werden möchten. Bauer selbst hat dazu bereits das Beste geliefert: in seinem Nachlaß fand sich eine ausführliche Selbstbiographie, zum Theil von seiner Hand geschrieben, zum Theil dictirt, vor; dieser würden sämmtliche Gutachten über seine Erfindungen und von den Hunderten seiner Briefe an mich diejenigen beizudrucken sein, welche eingehende Aufschlüsse, oft mit erklärenden Federzeichnungen, zu einzelnen Maschinentheilen und dergleichen enthalten. Ein solches Buch würde ein Denkmal und Ehrenschutz zugleich für Wilhelm Bauer sein. Möchte die alte Theilnahme für ihn wieder erwachen und es ermöglichen, daß wenigstens dieser Wunsch des unvergeßlichen Todten in Erfüllung gehe.




Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Schutzengesellschaften
  2. Vorlage: sämmtlch