Album der Schlösser und Rittergüter im Königreiche Sachsen V. Section/H12

Heft 11 des Voigtländischen Kreises Album der Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen von Gustav Adolf Poenicke
Heft 12 der Section Voigtländischer Kreis
Heft 13 des Voigtländischen Kreises
Die Beschreibungen sind auch als Einzeltexte verfügbar unter:
  1. Oberlosa
  2. Schloditz
  3. Untermarxgrün
  4. Stöckigt



[89]
Oberlosa.


Oberlosa im Gerichtsamte Plauen, liegt in coupirter Gegend, am Anfang des Stöckigter Bächlein, 1 Stunde südlich von Plauen und 1 Stunde von Oelsnitz, unmittelbar an der Oelsnitzer-Plauenschen Chaussee, welche früher von Plauen aus über die alte Landstrasse und somit über die höchsten Berge gebaut war, jetzt aber durch einen schönen Grund bei dem anmuthigen, in früheren Zeiten zur Ebersteinschen Besitzung und Herrschaft gehörigen Rittergute Reinsdorf vorüberführt, so dass man die 2 Stunden Wegs von Plauen nach Oelsnitz zu Wagen bequem in einer halben Stunde zurücklegen kann.

Das Rittergut und Dorf mit Einschluss des Stöckigter Antheils und der Ferbismühle zählt über 300 Einwohner und zum Gute gehört der sogenannte Hübschmannsche Hof, das sogenannte Freigut und drei Stücken von dem sogenannten Görnitzwald bei Voigtsberg.

Oberlosa ist eine Tochterkirche von Plauen, wohin Brandt, Stöckigt und Unterlosa eingepfarrt sind, die früher zu dem sogenannten Dobenauer Archidiaconate gehörten, und zu der sogenannten Frühmesse[1] ihre sogenannten Prämissarii hatte, woraus später die Landdiaconate entstanden. Ihrem Ursprunge zufolge ist heutigen Tages noch der Superintendent von Plauen, Collator über das Landdiaconat Oberlosa. Das Amt wird jetzt vom Mag. Steinhäuser, dem Bruder des verstorbenen Dr. Steinhäuser in Plauen verwaltet, einem ausgezeichneten Canzelredner. Derselbe war vorher Conrector an dem früheren Lyceum zu Plauen.

Oberlosa ist eine sehr schöne und reiche Kirche und manchen Armen ist aus ihrem Vermögen schon geholfen worden. Deshalb gehört auch die Schulstelle von Oberlosa zu den besser dotirten des Landes und die Inhaber derselben waren nicht undankbar dafür, sondern suchten mit allen Kräften die ihnen anvertraute Jugend zu nützlichen Menschen zu bilden und zu erziehen. Namentlich muss man dies von dem früheren und dem jetzigen Lehrer, Herrn Köhler, der seinem würdigen Vater nicht ohne Ruhm im Amte gefolgt ist, anerkennen. Herr Köhler ist ein durch und durch wissenschaftlich gebildeter tüchtiger Schulmann, der seinem Stande nur Ehre macht. Wohl dem Vaterlande, wohl der Gemeinde die solche Männer besitzen. Die Collatur über die Schulstelle ist mit dem Besitze des Rittergutes Oberlosa verbunden, da solche von Moritz, Herzog zu Sachsen im Jahre 1677 gegründet und aus dem Rittergute dotirt worden ist.

Oberlosa ist sehr alten Ursprungs und wurde früher in den Urkunden [90] blos Losa genannt. Seine Entstehung mag es den Sorbenwenden verdanken, die dann die Voigte von Plauen sich unterwürfig machten.

Im 12. Jahrhundert gehörten die beiden Losa, Zobes, Theuma, Tauschwitz, Dobeneck, Taltitz, Kürbitz, Messbach (früher Spick), Possig, Reusa, Crieschwitz, Möschwitz zum Dobenauer Gau.

Im 15. Jahrhundert war Herr Heinze von Milow damit beliehen, dessen Familie im Hussitenkriege untergegangen sein muss, da sie nirgends wieder vorkommt.

Zu Ende des funfzehnten Jahrhunderts war es Eigenthum derer von Jössnitz, die bis in die neuesten Zeiten Jugelsburg und Freiberg besessen haben. Von diesen Herren kam im 16. Jahrhundert Oberlosa an die von Tettau. Ein gewisser Marquard von Tettau besass es zunächst. Es war dies eine sehr weitverzweigte Familie. Apel von Tettau war Hauptmann von Plauen und Herr von Kauschwitz und Syrau; ebenso gehörte Mechelgrün mit Theuma den Herren von Tettau. In diese Zeit fällt der unglückliche Bauernkrieg, wobei Theuma, Ober- und Niederlosa eine bedeutende Rolle spielten. Plauen, wohin die gesammte Ritterschaft der Umgegend sich geflüchtet hatte, wurde von den Bewohnern dieser Ortschaften bloquirt und sie mögen die Stadt sehr in Angst und Schrecken versetzt haben, indem von dieser Zeit her, um einen grossen Lärm anzuzeigen, im Voigtlande noch das Sprichwort existirt: – „es ist Theuma und Losa auf.“ – Vor den anrückenden Truppen zogen die Bauern sich zurück, wurden jedoch unweit der Possig eingeholt und 7000 der letztern erschlagen. Theuma verlor zur Strafe seine Marktgerechtigkeit, die es früher gehabt hatte.[2]

Später im Jahre 1612 wurde ein Wilhelm von Tettau von Herzog Johann Georg mit dem Rittergute Oberlosa belehnt. In der Mitte des 17. Jahrhunderts lebte zu Oberlosa der Kreissteuereinnehmer Hans Adam von Köckeritz, welcher im Jahre 1652 der Kirche ein Legat vermacht hat mit der Bestimmung, dass alljährlich den 1. Nov. am Tage aller Heiligen eine Predigt gehalten und Spendebrod unter die Hausbesitzer daselbst, sowie Semmeln unter die Schulkinder vertheilt werden sollen; eine Stiftung, die jetzt noch fortbesteht.

Im Jahre 1663 ist das Rittergut Oberlosa ein Kammergut des Herzogs Moritz von Sachsen zu Zeitz. Später wurde im Jahre 1682 Christoph Carl Reitzenstein vom Herzog Georg III. mit dem Rittergute beliehen, und im Jahre 1699 sind die Gebrüder Adam Liebmann und Joachim Friedrich von Beust beliehene Besitzer von Oberlosa vermöge Lehnbriefs vom Herzog Moritz Wilhelm von Sachsen zu Zeit, von welchen es an die Freiherrlich Müffling’sche Familie gekommen ist. Der erste Besitzer war der General Heinrich Ferdinand von Müffling, der Erbauer vom Schlosse zu Reusa und der dabei befindlichen Beräbnisscapelle. Derselbe liess auch links beim Eingange des Dorfes Oberlosa von Plauen her unmittelbar an der alten Landstrasse einen Wittwen und Fräuleinsitz für die Familie erbauen.

Dieses Gebäude ist erst nach dem Aussterben der Müffling’schen Familie wegen seiner Baufälligkeit weggerissen und zu bäuerlichen Besitzungen umgeschaffen worden. In den Jahren 1827 und 1828 wohnte eine merkwürdige Persönlichkeit in diesem Hause, ein gewisser Kaufmann Brux, bekannt durch sein Glück bei Frauen. Er lebte hier zum 4. Male verheirathet mit einer Freifrau von Kress von Kressenstein aus Bayern.

Nach dem General von Müffling kam das Gut an den Geheim-Rath Friedrich Wilhelm Gottlieb von Müffling und von diesem an den Lieutnant Carl Friedrich Alexander von Müffling; nach dessen im Jahre 1804 erfolgtem Tode seine hinterlassene Tochter, Fräulein Ida von Müffling, dasselbe ererbte. Unter der Vormundschaft der letzteren wurde das Gut im Jahre 1819 subhastirt und vom Kaufmann Hartenstein aus Plauen erkauft, nachdem schon früher durch den Aufschwung der Plauenschen Mouselin-Manufacturen begünstigt, ein Kaufmann Friedrich Haussner das Gut Kauschwitz; ein Kaufmann Eichhorn in Liebau; ein Kaufmann Gottlob Schmidt Schneckengrün und Untermarxgrün; ein Kaufmann Merz Reusa durch Kauf an sich gebracht hatten. Viele von diesen Gütern sind wieder in andere Hände gekommen, wogegen Herr Kaufmann Hartenstein die Freude noch erleben konnte, solches sein Gut an einen [91] seiner talentvollen Söhne[3], den Oeconom Ferdinand Hartenstein im Jahre 1842 käuflich abzutreten. Leider wurde diese Freude nach einen 11jährigen Besitz des Sohnes durch dessen Tod getrübt und da die Wittwe, eine geborene Zetsche aus Oelsnitz – bei der Unmündigkeit ihrer Kinder – das Gut nicht übernehmen, der gebeugte Vater aber wegen vorgerückten Alters nicht von Neuem solches acquiriren wollte, so wurde Oberlosa anderweit an den Rittergutsbesitzer von Netzschau, Herrn Opitz und dessen Schwager, Herrn Zeidler, früher auf Ruppertsgrün, verkauft, zwei im Voigtlande rücksichtlich ihres Unternehmungsgeistes, ihrer Uneigennützigkeit sehr geachtete Männer.

Oberlosa zählt 73 Feuerstätten mit 452 Seelen. Es hat sehr wohlhabende Bauern und die Kleinhäusler finden auf dem Rittergute und in der Stadt Plauen hinlängliche Beschäftigung und Unterhalt für sich und ihre Familien.

Das in Oberlosa erbaute Getreide wird zu den besseren Arten des Voigtlandes gerechnet und die Kartoffeln sind vorzüglich hier.

Obschon der Boden selbst nicht der beste genannt werden kann, so ersetzt Fleiss und Betriebsamkeit, was Natur nur spärlich zugetheilt hat.

Unweit Oberlosa nach Plauen, hin ist ein sehr hoher Berg, der Kemmler Berg genannt, von wo aus man auf Plauen und weiter hinaus eine liebliche Fernsicht hat und bei ungetrübten Himmel sogar die Ueberbrückung des Elsterthales bei Joketa genau erblicken kann.

Moritz Grimmel.     




 

[92]
Schloditz.


Schloditz, wozu auch Jucheh gehört, liegt 11/2 Stunde von Plauen, 1 Stunde von Voigtsberg am alten Schönecker Wege, sehr hoch und rauh.

Schloditz in den Urkunden Slotitz, nannte man wohl von der Göttin Slota, die auch Zelota Baba hiess und eine Göttin der Lutizierwenden war. Schloditz ist demnach sehr alten Ursprungs. Im 12. Jahrhundert gehörte es unter die Dobenauer Herrschaft. Eigentlich wird es Ober- und Unterschloditz genannt, obschon das Rittergut stets vereinigt in den Urkunden vorkommt, auch blos ein Schloss existirt. Das Gut hat 335 Acker 175 □Ruthen mit 4962 Steuereinheiten, 170 Einwohner mit 34 Haushaltungen und 27 Gebäuden. Das Rittergut und Dorf ist nach Theuma eingepfarrt, welches sammt dem ersteren im Jahre 1633 durch Krieg und Krankheiten viel zu leiden hatte. Durch Krieg und Pest kam es auch, dass ein unfern Theuma gelegenes und ebenfalls mit Schloditz dahin eingepfarrtes Dorf, Namens Frösseg dergestalt verheert wurde, dass jetzt davon blos noch geringe Spuren vorhanden sind. Die Felder und Wiesen, welche zu diesem Dorfe gehörten, sind der Pfarre und dem Diaconate zu Theuma, sowie dem ebenfalls eingepfarrten Dorfe Grossfriessen zugefallen. Theuma ist überhaupt eine der grössern Parochieen des Voigtlands. Ausser den genannten Ortschaften sind auch noch Zschokau und Mechelgrün, Obermarxgrün, Altmannsgrün, Lottengrün, Drosdorf und Tirpersdorf, in welchem letzteren Orte vom Diaconus zu Theuma alle 14 Tage Nachmittagsgottesdienst gehalten wird, wogegen die Taufen und Trauungen in der Hauptkirche stattfinden. Ausserdem gehören zur Theumaer Parochie 4 Schulen, 1) Theuma, 2) Grossfriessen, 3) Zschokau mit Mechelgrün, 4) Tirpersdorf mit Lottengrün.

Die Collatur über die Kirchen und Schulstellen der Parochie stehen dem Superintendenten zu Plauen zu.

Die geistlichen Gebäude in Theuma sind sehr alt, aber geräumig; die Schule ist seit dem Jahre 1829 reparirt.

Die Kirche von Theuma war vor dem Jahre 1834 sehr finster. Seit dem gedachten Jahre ist solche durch die milde Stiftung eines gewissen Chirurg Fuchs verschönert und restaurirt worden. Dieser Chirurg Fuchs, der zu seiner Zeit sehr berühmt durch seine Kuren gewesen ist und dadurch sein grosses Vermögen erworben hat, sich auch um die Armen sehr verdient gemacht, welche mit den jährlichen Zinsen eines Capitales von 2000 Thaler unterstützt werden. Sowie der hiesige Schullehrer beauftragt ist, am Jahrestage des Todes des verewigten Fuchs mit den Theumaischen Chorknaben vor seinem damaligen Wohnhause zu singen; sowie Sonntags darauf am Schlusse des Vormittagsgottesdienstes eine Gedächtnissrede vom Pastor gehalten wird.

Der jetzige Pastor ist Herr Mag. Börner welcher früher in Elsterberg als Diaconus fungirte und der Bruder des Herrn Pastor Börner in Zwenkau, welcher in den frühern Jahren als Diaconus zu Theuma angestellt war. Letzteres Amt wird jetzt von einem Sohn des frühern Rector Wimmer in Plauen, Emil Wimmer verwaltet. In dem Zeitraume von 350 Jahren hat Theuma überhaupt 18 Pastoren und 32 Diaconen gehabt. Im Jahre 1533 wurde der Praemissarius abgeschafft, an dessen [93] Stelle 1565 das Diaconat trat. Die Schulstelle in Theuma gehörte von jeher zu den besten im Voigtlande. Herr Lehrer Vogel früher in Strassberg, hat hier sein 50jähriges Amtsjubiläum gefeiert, dessen Schwiegersohn G. Hallbauer sein Nachfolger geworden ist. Die Zahl der Schulkinder beläuft sich jetzt beinahe auf 250. Schloditz schickt seine Kinder ebenfalls dahin in die Schule. Theuma hatte vor der neuen Gerichtseintheilung verschiedene Gerichtsbarkeiten. Ein Theil gehörte unter das Patrimonialgericht von Mechelgrün, der andere Theil sogar nach Reusa und der dritte Theil nach Schloditz, die übrigen Bewohner aber unter das Amt Plauen. –

Zu Schloditz gehörten auch einige Häuser von Drosdorf, Obermarxgrün und Thiergarten. Schloditz hat, wie Theuma, eine bedeutende Viehzucht und viel Ackerbau, welcher leider der hohen Lage wegen nicht sehr ergiebig ist. In den neueren Zeiten findet man in Schloditz und Theuma die meisten Näherinnen für Plauens Fabrikanten und die Frauenzimmer dieser Orte finden daher Jahr aus Jahr eine hinreichende und lohnende Beschäftigung.

Die einige Minuten über Schloditz liegende Jucheh ist ein sehr schöner Punct zur Fernsicht über einen grossen Theil des Voigtlandes und weiter hinaus. Im dasigen Wirthshause finden sich zu schöner Jahreszeit von Nah und Fern viel Gäste ein und gestärkt durch ein gutes Glas Bier, nach angenehmer Unterhaltung zieht ein Jeder am Abend befriedigt von dannen.

Im 16. Jahrhundert besassen die Herren von Rabe das Gut, dann kam es an die Familie von Tettau.

Zu Anfang des 19. Jahrhunderts wurde Herr Kaufmann Uebrig damit belehnt, welcher es nicht lange besessen hat, da ihm viel Unglück traf, wodurch er in Schulden gerieth und das Gut seinen Gläubigern überlassen musste. Arm und verlassen von allen Freunden musste derselbe im Auslande einen Aufenthalt sich aufsuchen. Doch scheint die Vorsehung über gute Menschen, wozu Herr Uebrig zu zählen ist, immer ihre Hand zu halten: Derselbe gewann im hohen Alter noch 10,000 Thaler in der Lotterie. Er verlebte die letzten Jahre seines Lebens froh und heiter im Familienkreise seiner Tochter, der verehel. Frau Pastor Neidhardt in Pausa. Im Jahre 1826 besass Schloditz Herr Golle, von welchem es an den dermaligen Besitzer Herrn Adler übergegangen ist, einen ausgezeichneten Oekonomen, der viel zur Verbesserung des Rittergutes Schloditz aufgewendet hat.

Oberhalb von Schloditz, unmittelbar an der Jucheh geht die von Reichenbach nach Oelsnitz und weiter nach Böhmen hin führende Chaussee vorüber, eine Strasse, die vor dem Baue der Sächsisch-Baierschen Eisenbahn sehr belebt war, weil alle Badereisende, alle Frachtfuhrleute dieselbe befuhren, da solche weniger Steigerungen hatte, als die Reichenbacher-Plauen-Oelsnitzer Chaussee. Die früher durch Schloditz nach Schöneck führende Strasse ist gänzlich liegen geblieben, da der Weg über Voigtsberg vorgezogen wird.

M. G.     



[94]
Untermarxgrün.


Untermarxgrün liegt in und an einem südwestlich nach Raschau laufenden Bachgrunde, 1/4 Stunde von Oelsnitz und 13/4 Stunde von Plauen, unmittelbar an der Plauen-Oelsnitzer-Chaussee. Im Norden erheben sich der Salzhügel und der alte Berg; in Süd-Osten der Johannisberg. Vom Schlosse aus, vor welchem ein herrlicher parkähnlicher Garten sich ausbreitet, hat man eine schöne unmittelbare Aussicht auf das alte Voigtsberg.

Untermarxgrün ist früher blos ein Vorwerk gewesen, sowie auch Voigtsberg anfänglich unter diesen Namen vorkommt. Die frühern Nachrichten darüber sind durch die Zerstörung der Archive von den Hussiten verloren gegangen und es sind blos nach Beendigung dieses unheilvollen Verheerungskrieges einzelne Ueberlieferungen geblieben.

Nach dem Hussitenkriege hat dieses Vorwerk ein gewisser Joseph von Engelschall besessen, welcher es im Jahre 1567 an den Rath von Oelsnitz verkaufte. Derselbe besass es bis zur Zeit des dreissigjährigen Krieges. In diesem Kriege wurde durch General Holk Oelsnitz mit Sturm genommen und zwar am 13. August 1632. Was den Händen der Soldaten durch die Flucht im Keller entflohen war, musste dort einen kläglichen Tod der Erstickung sterben: denn der Feind zündete nach Einnahme der Stadt solche an allen Enden an. So wurde auch das erst 1616 erbaute prächtige Rathhaus ein Raub der Flammen, wodurch die Stadt so verarmte, dass sie sich genöthigt sah, ihre sämmtlichen Güter Unter-Marxgrün, Schönbrunn und Zöbern zu verkaufen.

Im 17. Jahrhundert hat dieses Gut Carl Heinrich Höfer besessen, welcher ein Vermächtniss der Kirche zu Oelsnitz machte, zu Folge dessen 2 Thlr. dem Geistlichen für eine alljährliche Gedächtnisspredigt gewährt und 5 Thaler unter die Armen vertheilt werden müssen. Im 18. Jahrhundert kaufte Untermarxgrün der Kaufmann Gottlob Schmidt in Plauen, welcher bei seinem Tode seinen 3 Kindern ein sehr grosses Vermögen hinterliess, so dass der eine Sohn, Herr Doctor Jur. Schmidt in Plauen das in der Königsgasse zu Plauen gelegene prächtige Wohnhaus, in welchem Kaiser Napoleon und Friedrich August der Gerechte einst logirten, nebst Garten vor dem Strassberger Thore und mehrern Feldgrundstücken und Wiesen, sowie 100,000 Thaler baares Geld; der andere Sohn Herr Förster Schmidt das Rittergut Schneckengrün und die Tochter, die verehel. Frau Förster Kretzschmar, (der nachherige Kammer-Commissionsrath Kretzschmar) Untermarxgrün im Jahre 1821 aus dem Erbe erhielten. Dieser Herr Besitzer von Untermarxgrün liess dasselbe prächtig restauriren und die Gastfreundschaft desselben verschaffte dem benachbarten Oelsnitz und der Umgegend manchen heitern Abend. Im Jahre 1826 entstand des Nachts im Hauptgebäude auf eine unerklärliche Weise Feuer und wurde ein Theil des Schlosses eingeäschert. Bald erhob sich dasselbe prächtiger und schöner als zuvor und so steht es heute noch.

Rühmend muss es Herrn Kretzschmar heute noch bekannt werden, [95] dass er im Jahre 1832 seinen Fröhnern die Frohnleistungen ohne alle Entschädigung erliess. Die Veranlassung zu diesem Acte der Liberalität war zwar der Gewinn eines Theiles des grossen Looses in unserer Landeslotterie; dessen ungeachtet bleibt es ein stets hochzuschätzendes Geschenk. Leider ist zu beklagen, dass der Glücksstern dieses Mannes bald hierauf verbleichte, um nie wieder zu glänzen. Vom Untermarxgrün zog Kammer-Commissionsrath Kretzschmar nach Lützelburg bei Coburg, nachdem derselbe vorher sein Gut an Herrn Förster Gottfried auf Mittelhöhe im Jahre 1840 verkauft hatte, welcher solches noch besitzt.

Untermarxgrün ist mit Voigtsberg, Hartmannsgrün, Zaulsdorf, Hundsgrün, Ebersbach, Ober- und Unterhermsgrün, Süssebach und Triebelbach, Lauterbach, Schönbrunn und Raschau nach Oelsnitz eingepfarrt.

Das Gut selbst hat rücksichtlich seiner Lage einen leichten und guten Absatz aller Naturalien. In der neuere Zeit ist es durch die Umsicht und Betriebsamkeit seines jetzigen Besitzers ein gutes Getreidegut geworden, während es früher ein blosses Holzgut war.

Untermarxgrün besitzt einen schön eingerichteten Gasthof und grosse Ziegeleien. Ein schöner Fussweg führt von diesem Gute nach dem 1/4 Stunde davon gelegenen Oelsnitzer-Schiesshaus und ein andrer Fussweg nach dem benachbarten Raschau, welches zur Ostenschen Waisenstiftung nach Plauen gehört.

Untermarxgrün zählt 19 bewohnte Gebäude mit 33 Haushaltungen, worinnen 148 Seelen sich befinden.

M. G.     



[96]
Stöckigt.


Stöckigt liegt 1 Stunde von Plauen, 1 Stunde von Oelsnitz am alten Schönecker Wege mit Schloditz rainend – am Loser Nebenbächlein des Friesenbaches.

Stöckigt wozu auch Brand gehört, ist nach Oberlosa eingepfarrt und sein Ursprung eben so alt, wie der von Oberlosa. Ueber die Entstehung des Orts hat man keine sicheren Quellen. Der Name lässt ebenfalls auf die Ansiedlung der Wenden schliessen und es gehörte im 13. Jahrhundert wie Oberlosa zum Dobenauer Gau.

Zu Anfang des 15. Jahrhunderts besassen Stöckigt die Tosso, dieselben die in dem Dorfe Thossen, welches 21/2 von Plauen und 1/4 Stunde von Rodersdorf entfernt unmittelbar an der Oelsnitz-Schleizer Strasse liegt, ihren Stammsitz hatten, und schon zu Anfang des 14. Jahrhunderts existirten. Denn als Heinrich der ältere und Heinrich der jüngere, Vögte von Plauen im Jahre 1302 dem Hospital zu Hof zwölf Acker schenkten, war in die Schenkungsacte ein Dominus Tosso, miles als Zeuge mit unterschrieben. In der Thossner Kirche, welche im Hussiten- und im 30jährigen Kriege verschont blieb und ein Alter von über 560 Jahren hat, befindet sich ein liegendes Männchen, welches ein Schild im goldenen Felde hält, in welchem sich zween quer über einander gelegte schwarze Wurfpfeile befinden. Dossany bedeutet aber in der wendischen Sprache so viel als fassend, nämlich ein Gewehr, siegerisch, siegreich. Daher kam es auch, dass diese Tosse als tapfere Kämpen in den ältesten Zeiten die Herren des Altarlehnes waren, welche Ehre erst später auf die deutschen Herren zu Plauen und die Herren von Feilitzsch und von Schlegeler auf Kürbitz in Gemeinschaft überging. Nach dem Hussitenkriege finden wir die Herren Thosse nicht mehr auf Stöckigt, vielmehr ist nun ein Herr von Wiedersberg – der sich auch von Wirsberg geschrieben – damit belehnt. Hernach kam es an die Herren von Tettau, welche Oberlosa, Unterlosa, Planschwitz, Bösenbrunn, Dobeneck, Taltitz besessen haben und auch bis zum 17. Jahrhundert im Besitze geblieben sind. Später finden wir die Familie Geigenmüller im Besitze von Stöckigt. Herr Gottlob Geigenmüller war beliehener Eigenthümer bis auf die neuesten Zeiten und hat durch seine rationelle Bewirthschaftung das Gut selbst sehr verbessert und den Werth dadurch vermehrt. Nach dessen vor 3 Jahren erfolgten Tode ist solches auf seine Kinder, als gesetzliche Erben übergegangen, die noch jetzt im Besitze desselben sich befinden.

Stöckigt ist wie Oberlosa ein guter Getreideboden und die Bewohner von Stöckigt und Brandt, wo es sehr viel Häusler-Nahrungen giebt, finden auf dem Rittergute und in der Stadt Plauen durch Tagelohnarbeit stets hinlängliche Beschäftigung und so mit reichlichen Unterhalt. In der Familie Geigenmüller haben die Gerichtsuntergebenen, stets treue, gute Rathgeber gefunden.

Stöckigt mit Brandt hat 77 Haushaltungen, 54 bewohnte Gebäude mit 318 Einwohnern.

M. G.      




[Ξ]
[Ξ]
[Ξ]
[Ξ]



  1. Die Frühmessen hiessen im lateinischen praemissae und die Frühmesser selbst Praemissarii. Jene waren entweder temporariae oder perpetuae. Die erstere beruhte auf der Willkühr der Plebanen. Die andere Gattung hiess praemissa perpetua, hatte ihre Stiftung und Einkünfte, ward auch vi juris Patronatus verliehen.
  2. Die Veranlassung und Ursache des Bauernkrieges war, dass die Schwerbelasteten von ihren Gutsherren die Befreiung der Zinsleistungen verlangten, weshalb sie auch aus Rache das Schloss Dobenau mit zerstörten, wohin sie die meisten Abgaben zu entrichten hatten. Es war dies im Jahre 1525, also in demselben Jahre wo durch den Schwäbischen Städtebund die Schlösser Waldstein, Sparneck u. s. w. zerstört wurden.
  3. Herr Kaufmann Hartenstein hatte 5 Söhne, wovon 4 sich noch am Leben befinden: 1) Herr Professor Moritz Hartenstein in Leipzig; 2) Herr Assessor Herrmann Hartenstein in Oschatz; 3) Herr Kaufmann Hartenstein in Plauen; 4) Herr Kaufmann Hartenstein in Hamburg.
Heft 11 des Voigtländischen Kreises Nach oben Heft 13 des Voigtländischen Kreises
{{{ANMERKUNG}}}
  Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.