Album der Schlösser und Rittergüter im Königreiche Sachsen IV. Section/H17
← Heft 16 des Erzgebirgischer Kreis | Album der Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen von Gustav Adolf Poenicke Heft 17 der Section Erzgebirgischer Kreis |
Heft 18 des Erzgebirgischer Kreis → |
Die Beschreibungen sind auch als Einzeltexte verfügbar unter: |
Auf der höchsten Spitze des zwischen dem Zschopau- und Flöhastrome eingezwängten, gegen die Vereinigung dieser Flüsse hin unweit des Dorfes Flöha in eine reizende Thalebne sich abflachenden Felsenkegels, thronet in einer Höhe – von fast 1539 Pariser Fuss über der Nordsee – gar herrlich und prächtig das Schloss Augustusburg.
Die Aussicht von demselben gehört unstreitig zu den schönsten Panoramen des herrlichen Sachsenlandes.
Wer den an der nordöstlichen Ecke des Schlosses sich erhebenden Thurm besteigt, beschaut ein vor den Augen sich ausbreitendes Gemälde, welches von dem heiteren Glanze der Frühlingssonne beleuchtet, an Schönheit, Fülle und Abwechselungen nichts zu wünschen übrig lässt.
Gegen Südost begrenzen die Altenberger, Frauensteiner und Seydaer Gebirge den Horizont, weiter südwärts ragen der Fichtelberg und der böhmische Keilberg hervor, am näher liegenden Pöhlberg zeigt sich die Stadt Annaberg und mehr rechts der Greifenstein bei Ehrenfriedersdorf; gegen Westen erscheinen die Rabensteiner und Hohensteiner Höhen, weiter rechts die Rochlitzer Steinbrüche und die Berge bei Hartha, bis zuletzt tief im Norden der Colmberg bei Oschatz sein Haupt erhebt. Nordöstlich hemmen die Börnicher Gebirge, an deren Fusse die Stadt Oederan sich ausbreitet, die Aussicht. Aber auch der Anblick der nähern Umgebungen ist wegen seiner Mannigfaltigkeit nicht weniger angenehm. Unter lachenden Feldern und Wiesen mit Waldungen untermischt sieht man Oederan und Börnichen, und noch näher die Dörfer Grünberg, Hohenfichte, Metzdorf, Dorf Schellenberg und Teubsdorf[VL 1], so wie das Zschopauthal mit den Fabrikdörfern Plaue und Flöha und in der Waldung das Schloss Lichtenwalde.
In der allernächsten Umgebung des Schlosses zieht sich westlich und südlich nichts als dichter Wald, während nördlich und östlich sich am Berge herum das Städtchen Schellenberg ausbreitet, dessen Erbauung in die graue Vorzeit fällt.
Auf diesem Berge stand früher ein uraltes Schloss, welches mit dem Berge gleichen Namen führte und nach Einigen schon von Karl den Grossen, nach Anderen unter Kaiser Otto I. im zehnten Jahrhunderte, wahrscheinlich aber ein Jahrhundert später unter Heinrich IV. erbaut worden ist. Die alte Burg Schellenberg bildete den Centralpunkt der Pflege oder Herrschaft Schellenberg, die den grössten Theil des erzgebirgischen Amtes Augustusburg begriff bis in die Nähe von Zethau reichte, und meist den meissnischen Markgrafen gehörte. Doch gab Schellenberg auch einem adlichen Geschlechte den Namen; 1234 war Heinrich von Schellenberg an Heinrich des Erlauchten Hofe. Auch schon im Jahre 1206 kommen die Brüder Wolfram und Peter von Schellenberg, wahrscheinlich als dasige Burgmänner vor. Im Jahre 1292 wurde das alte Schloss, welches in jener Zeit in ein Raubnest ausgeartet war, von dem Markgrafen Friedrich belagert und erobert. Im Jahre 1332 wurde von Friedrich dem Ernsthaften der Ritter Friedrich von Honsberg damit beliehen. Zu Zeiten Georg des Bärtigen scheint es als Staatsgefängniss gedient zu haben.
Die Markgrafen von Meissen hielten sich der Jagd wegen hier oft auf. Im Jahre 1547 wurde dieses alte Schloss durch den Blitz völlig zerstört. Kurfürst August, liess die Ruine im Jahre 1567 völlig abtragen, legte am 31. März 1568 den Grundstein zu dem jetzigen Schlosse und vollendete dasselbe ins Jahre 1572 unter Leitung von 3 berühmten Architekten des Hieronymus Lotter (Erbauer des Leipziger Rathhauses) Günthers von der Mohr[VL 2] und des Grafen Rochus von Lynar; und unter Verwendung von täglich 100 Mann zu Handlangerdiensten und 1000 Mann zu Mauer und Zimmerarbeit.
Das Schloss bildet ein regelmässiges Viereck, ist genau nach den vier Himmelsgegenden gebaut und gewährt noch jetzt nach drittehalb Jahrhunderten einen wirklich majestätischen Anblick, obgleich es durch die Zeit vielfach gelitten hat und zu seiner Erhaltung noch in neuerer Zeit so manches ehemaligen Schmuckes beraubt werden musste. Ehemals war es vier Stockwerk hoch und es lief sowohl auf der innern Seite nach dem Schlosshofe zu, als auch auf der äusseren Seite rings herum eine mit Blei gedeckte Gallerie, welche jedoch, da man sie nicht mehr ohne Lebensgefahr betreten konnte, im Jahre 1776 abgetragen werden musste. Das Schloss zählte im Ganzen 5 grosse Säle, 76 Zimmer und 93 Kammern und die Sage geht, dass es so viel Fenster gehabt habe, als Tage im Jahre, so viel Feueressen, als Wochen, und so viel Wetterfahnen, als Monate. Noch jetzt unterscheidet man vier Flügel, Häuser genannt, nämlich das Lindenhaus gegen N. O., das Sommerhaus gegen N. W., das Hasenhaus gegen S. W. und das Küchenhaus gegen S. O. gelegen.
Im Lindenhaus war ein prächtiger Huldigungssaal und früher zeigte man auch das Zimmer, wo Kurfürst August zu drechseln pflegte. Im Sommerhause war der Fürstensaal mit den Bildnissen von 35 Sächsischen Fürsten, von Herzog Rudolph I. bis Kurfürst Johann Georg I. Im Hasenhause fand man im sogenannten Hasensaale an den Wänden lauter Hasen abgebildet in allen menschlichen Verrichtungen, als Kaufleute, Maler, Buchdrucker, ja sogar als Jäger.
Im Erdgeschoss befinden sich gut angelegte, geräumige und trockne Keller. Nur theilweise sind diese Räume zu den Wohnungen mehrer königlichen Officianten, so wie zu dem Locale eines geselligen Vereins eingerichtet.
Das mit einem schönen Portal verzierte, an der Nordseite befindliche Schlossthor, zu welchem man auf einer steinernen Brücke gelangt, führet in den innern Schlosshof ein, und stehet mittels einer Lindenallee [130] in Verbindung mit dem gegenüber an der Mittagsseite angebrachten Hinterthor. Durch letzteres tritt man in einen zweiten Hof ein, welcher links die ehemaligen Gebäude des Königl. Justiz- und Rentamtes, rechts ein grosses Stallgebäude, in der Mitte aber das Brunnenhaus enthält. Die Mittagsseite dieses Hofes umschliesst, den auf einer Terrasse angelegten, einen Belvedere tragenden Garten des Rentamtmanns.
In dem an dem Schlosshof stossenden Stallhofe befindet sich der 700 Ellen tiefe Brunnen, ein Meisterstück bergmännischer Baukunst, welcher theils gemauert, theils 286 Ellen tief in Felsen gehauen ist. Er ist zugleich mit dem Schlosse angelegt worden und die Kosten seines Baues schätzt man über 40,000 Thlr., eine für das 16. Jahrhundert ungeheure Summe. Das Wasser steht darinnen gewöhnlich 12 bis 16 Ellen hoch und hat daher erst einmal, in dem trocknen Sommer des Jahres 1800, wirklich versagt, wo der Brunnenwärter hinabsteigen musste. Binnen 8 Tagen wurden mehre alte Kübel und andere Geräthschaften herausgefördert, der Brunnen von allen Unrath befreit, und derselbe gab sein Wasser wie zuvor. Wenn Fremde den Brunnen besehen, wird gewöhnlich ein Kreuzholz mit 4 Lichtern hinuntergelassen, und man sieht das klare Wasser in seiner fürchterlichen Tiefe. Ein Pistol in den Brunnen geschossen, giebt ein Donner ähnliches Getöse. Ganz ausgeschöpft wurde dieser Brunnen ein Mal im Jahre 1651, wo Johann Georg mit grossem Gefolge zur Hirschjagd sich hier aufhielt. Ausser dem Bedarf für den Menschen mussten für 1000 Pferde täglich 150 Eimer Wasser geschafft werden, eine Quantität, welche der Brunnen 22 Tage beschaffte.
In dem Schlossgarten steht eine sehr grosse alte Linde, welche im Jahre 1421 gepflanzt wurde. Die Höhe derselben ist nicht beträchtlich, allein der Umfang des Stammes beträgt 19 Fuss und ihre Aeste breiteten sich sonst gegen 350 Fuss in der Runde, und ruheten auf einem eichnen Roste, den 77 steinerne Pfeiler trugen. Die Zeit und viele harte Winter haben dieser ehrwürdigen Linde manchen kräftigen Ast genommen und so hat sie jetzt nur 18 bis 20 Stützen nöthig.
In dem am westlichen Abhange des Schlosses angelegt gewesenen Bärengarten wurden noch zu den Zeiten August II. Bären gehalten, die zu den Jagden nach Dresden gebracht und nach deren Beendigung hier wieder aufbewahrt wurden. Obgleich die diesen Garten umgebende Mauer 12 Ellen hoch war, so statteten diese ungeleckten Thiere doch zu wiederholten Malen den ehrsamen Bürgern Schellenbergs ihre Besuche ab und betrugen sich dabei so unmanirlich, dass man im Jahre 1757 sich genöthigt sah, den letzten Sprössling der Bewohner dieses Gartens zu erschiessen. Der frühere Bärengarten ist an einen Privatmann vererbt. Die „dem Herrn Jesu Christo“ gewidmete Schlosskirche, unstreitig das erste nach Einführung der Reformation erbauete evangelische Gotteshaus, ist am 30. Januar, 1. und 2. Februar 1572 in Gegenwart Churfürst Augusts von dessen Hofprediger M. Philipp Wagner eingeweihet worden. Sie befindet sich an der Morgenseite, zwischen dem Linden- und Küchenhause, hat aber ihre Eingänge auf dem Schlosshofe und ist 28 Ellen hoch, 45 Ellen lang und 30 Ellen breit. Die Decke bestehet aus einem halbrunden, getieften, durchbrochenen Gewölbe, und die an den innern Wänden auf der Morgen-, Mitternacht- und Abendseite angebrachten, theils grösseren, theils kleineren Schwibbögen dienen zu Emporkirchen. Der Altar, an der Mittagsseite befindlich und um 3 Stufen gegen das Schiff der Kirche erhöhet, ist von Werkstücken zusammengesetzt und trägt zunächst der horizontalen Altartafel ein von hölzener Bildschnitzarbeit eingefasstes, in verticaler Richtung stehendes Postament, auf dessen blauen Grunde 3 Reihen mit vergoldeten Buchstaben eingeätzter lateinischer, von Dr. Georg Major, ehemaligen Professor der Theologie zu Wittenberg (von 1502–1574) verfasster Distiichen zu lesen sind, deren Inhalt das auf dem Postament ruhende Altargemälde erläutert. Dieses stellt den Erlöser am Kreuze in Lebensgrösse dar; zur Rechten ist Churfürst August mit seinen 8 Prinzen, zur Linken die Mutter Anna mit 6 Prinzessinnen, alle knieend mit zum Kreuz emporgehobenen Händen abgebildet. Tiefer im Hintergrunde rechts erscheint der leidende Christus im Garten von Gethsemane, links der von den Todten Auferstehende. Alle einzelne Parthieen dieses von Lucas Cranach verfertigten Gemäldes sind so vortrefflich, dass man nicht weiss, was man zu erst darin bewundern soll. Namentlich gilt dies von den churfürstlichen Eltern und Kindern; die allen gemeinsame Familienphysiognomie erhält durch die feinen, in den Gesichtszügen der Einzelnen angebrachten Nüancen ein besonderes Gepräge und einen unbeschreiblich lieblichen Ausdruck. Ueber diesem Gemälde, welches von zwei nach Alabaster-Art verzierten Säulen eingefasst wird, grenzen die in Holz geschnizten Churfürstl. Sächs. und Königl. Dänischen Wappen; dazwischen befindet sich das Bild der heil. Dreieinigkeit, auf dessen oberem Rahmen ein ebenfalls aus Holz geschnitzter Engel mit der Posaune ruht. Die an einem mittleren Pfeiler befestigte Kanzel, zeigt in 6 Feldern die Verkündigung, Geburt, Taufe, Kreuzigung, Grablegung und Auferstehung Christi auf Holz herrlich gemalt und mit vortrefflicher Schnitzarbeit eingefasst. Auf der innern Seite der Kanzeldecke erblickt man eine Abbildung Gottes des Vaters und des Sohnes Jesu Christi, der in jenes Schoosse ruht. Erwähnung verdient noch das prächtige von der Churfürstin Anna gestickte Messgewand. Es ist eine Stola von carmoisinrothem Sammet, mit kostbarer Stickerei in Seide, Gold und Perlen.
An dieser Kirche, in welcher jetzt noch alle Sonn- und Festtage Gottesdienst gehalten wird, ist der Pfarrer zu Schellenberg Schlossprediger und beziehet als solcher eine Besoldung vom Rentamte Augustusburg.
Augustusburg war der Lieblingsaufenthalt vom Churfürst August, welcher öfters zu sagen pflegte:
„Ich bin nirgends gesünder als auf meiner Augustusburg.“
Auch die Nachfolger Augusts haben hier sehr häufig Hof gehalten, z. B. Johann Georg I. im Juli 1617, ferner 1628, 1650. Unter diesen Fürsten trafen die Drangsale des 30jährigen Krieges auch Augustusburg: Es wurde am 22. Aug. 1632 von den Kaiserlichen Soldaten ausgeplündert.
Der Blitz hat in das Schloss eingeschlagen 1678 den 4. Juli, und den 19. Juni 1713 am ersten Pfingstfeiertag während des Vespergottesdienstes.
Im Jahre 1721 beabsichtigte man im Schlosse ein Fräuleinstift nach [131] der Weise des Altenburgischen anzulegen, und stellte zu dessen Förderung allhier, unter des bekannten Generals von. Kyau Direction die erste sächsiche Lotterie an: doch kam das Stift nicht zu Stande.
Im Kriegsjahr 1813 diente das Schloss zum Lazareth für die Franzosen.
Die Localien des sogenannten Stallhofs werden von den Behörden, die hier ihren Sitz haben, benutzt. Es befindet sich ein aus dem früheren Justizamt verwandeltes Gerichtsamt, ein Bezirksgericht, ein Rent- und Steueramt und eine Bezirkssteuereinnahme hier.
Das Gerichtsamt Augustusburg umfasst jetzt nur noch eine Stadt und 22 Landgemeinden mit 20931 Gerichtsbefohlenen.
Die einzige zum Gerichtsamte Augustusburg gehörige Stadt ist Schellenberg, welche sich um die Morgen- und Mitternachtsseite des Berges gleiches Namens ziehet, worauf die Augustusburg steht.
Schellenberg liegt 3 Stunden östlich von Chemnitz, 1¾ südwestlich von Oederan, 2½ Stunden nördlich von Zschopau, ¼ Stunde von dem rechten Ufer der Zschopau, ½ Stunde vom linken der Flöha, seine Lage ist eine der höckerigsten, die ein Ort haben kann, und beweiset allein schon, dass der Ort keinen andern Ursprung hat, als von Dienstleuten, welche sich unterm Schlosse Augustusburg ansiedelten, weshalb man annehmen kann, dass Schellenberg zugleich mit dem Schlosse im Jahre 968 entstanden ist. Jetzt zählt solcher 120 Häuser mit 1454 Einwohnern, welche letztre sich meist von der Weberei nähren. Die zur Stadt gehörigen Felder und Fluren betragen 536 Scheffel 14½ Metzen. Seit dem 11. Mai 1833 wird die Verwaltung der städtischen Angelegenheiten von einem Stadtrath besorgt, welcher auch das Besetzungsrecht über eine Freistelle auf der Landesschule Grimma ausübt. Die mehrfachen Brände, die Schellenberg betroffen haben, sind schon bei der Beschreibung vom Rittergute Höhenlichte erwähnt worden, so dass also hier eine Wiederholung für überflüssig erscheint.
Es bestehet hier, ausser einem Königl. Unter-Steueramte, eine Sparkasse, ein Gewerbeverein und eine Sonntagsschule, nicht minder auch eine sehr ansehnliche Cantoreigesellschaft.
Unter den Häusern zeichnen sich die Kindermannschen, Gottschaldschen und Thümerschen aus. Auch ist hier ein Erbgericht.
Die Nahrungszweige des Orts sind nicht bedeutend. Die Landwirthschaft wirft wegen des rauhen Klimas und wegen der ohnedies nicht starken, steinigten Flur wenig ab.
Er nährt sich daher nur theils mit Spinnerei von Flachs, Wolle und besonders Baumwolle, theils mit Cattun und andrer Weberei für die Handelshäuser zu Chemnitz und Oederan, auch Zschopau.
Das evangelische Jungfrauenstift, welches die Königin Christiane Eberhardine, Augusts II. Gemahlin, einige Jahre vor ihrem Tode stiftete, kam bei ihren Lebzeiten nicht völlig zu Stande, und unterblieb nach ihrem Tode gänzlich. Früher hies der Augustusburger Amtsbezirk das Amt Schellenberg und reichte bis Brand- und Purschenstein.
Eine Stunde von Schellenberg und Augustusburg liegt ein zu dem Letzteren ehedem gehöriges Fischhaus an der Flöha.
Dieses Lust-Fischhaus lies Christian II. in den Jahren 1608 bis 1610 anlegen; es hatte 5 Fischbehälter oder Teiche mit Ständern und Gerinnen. Im grossen Kreuzbehälter standen noch im Jahre 1770 Goldforellen. Sie wurden oft sehr gross und wogen 5 bis 6 Pfund. Die Fleischhauer zu Zschopau und Oederan mussten zur Fütterung dieser Fische eine bestimmte Zahl von Rindslebern liefern. Dieses Fischhaus ist in späteren Zeiten in Privatbesitz übergegangen.
in Urkunden Tretebag, Dratbach, Trebach geschrieben, erstreckt sich über 1 Stunde lang in südwestlicher Richtung auf eine hochliegende Niederung hinauf und wird nur am niederen Ende von bedeutenden Höhen eingeschlossen, die ein freundliches Thal bilden. Es wird von einem kleinen Bache durchflossen, der mit seinen Krümmungen vielleicht dem Orte seinen Namen gegeben hat, wiewohl eigentlich in den frühern Urkunden Drebach nicht vorkommt. Der Ort selbst liegt 3 Stunden von Annaberg; 1¼ Stunde von Thum und 1¼ Stunde von Wolkenstein. Die Gründung des Ortes ist unbekannt: Er wird wegen seiner Lage und Grösse in Ober- und Nieder-Drebach getheilt und gehörte vor Einführung der neuen Gerichtsorganisation unter 5 verschiedene Obrigkeiten. Ein Theil, und zwar der grösste, gehörte zum dasigen Rittergute; der andere zu dem Rittergute Venusberg; der dritte zu dem Rittergute Thum, das letzte Bauergut im Oberdorfe zu dem Justizamte Wolkenstein und das demselben zunächst liegende Gut zu der Gerichtsbarkeit von Ehrenfriedersdorf. 11 Häuser, die in einer kleinen Entfernung vom Dorfe an dem Fusssteige liegen, der von Nieder-Drebach nach Herold führt, und erst in neurer Zeit angebaut worden
[132] sind, werden die neuen Häuser genannt. Der Gesammtflächenraum des Dorfes beträgt 3107 Acker und 239 Q.-R. mit einem Boden, welchem immer ein bedeutender Ertrag abgewonnen wird, da die rauhen Nordwestwinde, welche die Gegend um Annaberg und Freiberg häufig treffen, nur theilweise die Ober-Drebacher Fluren berühren, welche 200 Fuss höher liegen und auf denen in der Regel auch 14 Tage später geerndtet wird. Die Zahl der Steuereinheiten beläuft sich auf 40,811.
Das hiesige neuschriftsässige Rittergut, zu welchem auch der obere Hof, der nur als Vorwerk betrachtet wird, gehört, zeichnet sich durch seine Gebäude, wie die Abbildung besagt, höchst vortheilhaft aus, da das alte Schloss am 12. Mai 1823 gänzlich abbrannte. Zum Rittergute gehören ausser der Schäferei und dem Jägerhause, eine Mahlmühle mit 2 Gängen, ein Brau- und Malzhaus, eine Schmiede, ein Kalkbruch und eine Kalk- und Ziegelbrennerei.
Als die frühesten bekannten Besitzer erscheinen die Herren von Wiedebach, welche vom 12. bis zum 14. Jahrhundert dasselbe behaupteten. Dann kam es an die Herren von Stange und bei diesen blieb es bis zum Jahre 1604[VL 3], wo der letzte, Christoph Heinrich von Stange, als Erbherr auf Venusberg, Drebach, Hilmersdorf, Naundorf, Streckewalde und Haselbach starb. Schon am 12. August 1602 hatte Churfürst Christian dem Hofrathe Gödelmann und dem geheimen Kammersecretair Moser wegen ihrer treugeleisteten Dienste das Versprechen gegeben: dass, wenn Hans Christoph von Stange ohne Lehnserben verstürbe, ihnen diese Güter zufallen sollten. Da nun mit Hans Christophs von Stange Tode das Geschlecht erlosch, so fiel Drebach mit den übrigen Gütern an die obengenannten Gödelmann und Moser. Diese theilten am 3. September 1647 die Güter unter sich durch’s Loos, wo die beiden Brüder Rudolph und David Gödelmann Ober- und Nieder-Drebach erhielten. Durch eine zweite Theilung fielen Ober- und Nieder-Drebach und Haselbach an David Gödelmann, der 1657 starb. Von diesem kamen die Güter an seine hinterlassenen Töchter, von denen die eine sich mit Hans Heinrich von Spielhausen vermählte. Im Jahre 1665 fiel das Gut dessen einzigem Sohne Heinrich Sigismund von Spielhausen zu. Von diesem kam es an Sigismund von Spielhausen, der 1741 starb. Nach dem Tode seiner Gemahlin fiel es im Jahre 1766 an August Sigismund von Zeutzsch, welcher im Jahre 1771 starb und das Gut seiner Gemahlin hinterliess, welche es im Jahre 1783 an Amalie Sophie von Schönberg verkaufte. Im Jahre 1790 brachte Christiane Christliebe Knechtel das Gut durch Kauf an sich und trat die Hälfte desselben an ihre Schwägerin Christiane Concordie Dietze ab. Nach dem Tode der letztgenannten fiel diese Hälfte an ihren Ehemann, den Bürgermeister Dietze in Annaberg. Dieser kaufte im Jahre 1802 auch die andere Hälfte und verkaufte das Gut im Jahre 1804 an Carl Heinrich von Elterlein. Der nachfolgende Besitzer war der Königl. Sächs. Hauptmann Freiherr Ferdinand von Hausen, zugleich Erbherr auf Lorch im Rheingau. Jetzt ist Herr K. W. Huschke damit beliehen.
In früherer Zeit zeichnete sich Drebach, vorzüglich durch Klöppelzwirnfabrikation aus und dieser Erwerbszweig erhob es zu einem blühenden Orte. Alt und Jung beschäftigte sich mit dem Zurichten des Flachses, mit dem Spinnen und Bleichen des Zwirns.
Beiderlei Geschlechts sponn vom 4. Jahre an, und besonders im Winter den selbst erbauten oder fremden Flachs. Der hierzu nöthige feine Flachs wurde theils hier erbaut und zugerichtet, theils auch von andern benachbarten Dörfern, z. B. Schönbrunn, Falkenbach, Wildenau, Gehringswalde und Hilmersdorf und die feinste Sorte von Grossrückerswalde bezogen. Die Vorrichtung geschah nicht allein durch die Garnhändler, sondern auch durch jene, welche mit dem Flachshandel sich beschäftigten.
Die Zurichtung des Strähnelzwirns erfolgte in Drebach auf holländische Art.
Der Strähnelzwirn wurde 1. von einigen auf einer kleinen Winde, die sich aufrecht um eine hölzerne Spindel drehte, ab, und in eine Schüssel geweift, oder 2. von andern sogleich an Zwirnspulrädchen von 2 Personen auf Papierspulen einfach geweifet, wo er durch einige Drähte, die an der Stubendecke angebracht waren, durchging, ehe er an die Spule kam, damit er wieder auseinander gemacht werden konnte, wenn er sich durch das Aufwinden aus der Schüssel durch die Drähte verfitzt hatte. Hierauf wurde er 3. auf dem grossen 12spindeligen Zwirnrade nochmals gezwirnt; war dieses geschehen, so wurden 4. auf der holländischen Weife, die im Umfange 40 Zoll haben sollte, 100 Fäden, jeder zu 40 Zollen, zu einem Strähn (Strähnel) geweift. Sodann wurde derselbe 5. in Seite ausgewaschen, rein ausgespühlt, damit keine Seite darinnen zurück blieb, geblauet, von der blauen Farbe durch starkes Auswinden gereinigt, zum Trocknen an Ellenlangen runden Stäben von 1 und einem halben Zoll im Durchmesser aufgehängt und durch Gewichte oder Steine, die an den unten durchgezogenen Stäben befindlich waren, ausgestreckt und straff gemacht. War derselbe nun völlig an der Sonne oder der Luft getrocknet, so wurde er 6. nach Strähneln ausgewogen und in die Nummer gesetzt.
In der neuern Zeit liegt dieser Nahrungszweig ganz darnieder, da die Spitzen von Baumwolle die von Zwirn ganz verdrängt haben.
Mit dem Bergbau, der früher sehr ergiebig gewesen sein soll, sind in der neuern Zeit verschiedene Versuche, aber ohne sonderlichen Erfolg gemacht worden. Jetzt gehören Fabrikarbeit, Klöppeln und Strumpffabrikation zu den reichlicheren Erwerbsquellen.
Unter der Zahl der hiesigen Einwohner befinden sich ein praktischer Arzt und Geburtshelfer, 4 concessionirte Krämer, 5 Fleischhauer, 4 Schmiede, 2 Wagner, 2 Seiler, 2 Tischler, 3 Korbmacher, 1 Brauer, 1 Sattler, 1 Glaser, mehrere Schneider, Schuhmacher, viele Strumpfwirker, Zimmerleute und 135 Maurer, von denen Viele während des Sommers in entfernten Gegenden Arbeit finden.
Ferner sind hier 5 Mahlmühlen, 2 Oelmühlen, 1 Schneidemühle und 1 Gasthof.
Die Kirche ist seit dem Jahre 1825 neu, geräumig und schön. In der Nacht von 11. zum 12. Mai 1823 brach nämlich in der von der Kirche gegen 500 Schritte entfernt liegenden sogenannten Bretmühle Feuer [133] aus, welches zuerst 2 nahgelegene Häuser, dann fast zu gleicher Zeit die Rittergutsscheune und das Schulhaus durch Flugfeuer entzündete und zuletzt die Kirche ergriff. Der wüthende Sturm, der sich, nach dem die Mühle fast niedergebrannt war, erhob, das Schrecken der Nacht und die Höhe des Feuers machten das Löschen der Glut unmöglich und sämmtliche Gebäude nebst Kirche und Thurm wurden in wenigen Stunden ein Raub der Flammen.
Die jetzige Kirche liegt mit ihrem schönen 96 Ellen hohen Thurme am Ende des Niederdorfes, 1500 Pariser Fuss über der Meeresfläche, auf einer kleinen Anhöhe und ist 53 Ellen lang, 29 Ellen tief, 20 Ellen hoch und hat 17 Fenster.
Das Innere der Kirche ist geräumig, hell und einfach, den Altar, über dem die Kanzel erbaut ist, ziert ein Oelgemälde, die Stiftung des heiligen Abendmahls vorstellend, und 2 Kronleuchter von Glas tragen zum Schmucke des Ganzen bei. Es kostet Kirche und Thurm, mit Ausschluss der Fuhren, welche die Begüterten unentgeldlich zu leisten hatten 20,612 Thlr. – gr.
An milden Gebern zur innern Ausschmückung der neuen Kirche fehlte es ebenfalls nicht.
Die Kirchengemeinde schenkte der Kirche eine silberne Hostienschachtel mit Luthers Brustbild; die Frau Stadtrichter Walther in Annaberg einen silbernen, inwendig vergoldeten Sieblöffel; der Kaufmann Schubert daselbst ein zinnernes Taufbecken; der Königl. Bettmeister Treuwitz in Pillnitz 2 zinnerne Vasen mit künstlichen Blumen; der Mühlenbesitzer Helbig in Wiltzsch eine vollständige Altarbekleidung von blauem Sammtmanchester mit gelben, seidenen Franzen. Die 2 Kronleuchter von Glas sind ein Geschenk des Mauermeister Drechsel in Drebach und Ellor in Venusberg und dem Hufschmiedemeister Schenk in Drebach.
Nach Drebach sind eingepfarrt, Dorf und Rittergut Venusberg, Griesbach, Herold und das Dörfchen Wiltzsch.
Die Pfarrwohnung ist zum Theil alt, aber sehr geräumig. Zur Pfarre gehören 2 Güter, welche mit Einschluss der Wiesen und Gärten, 39 Acker und 10 Q.-R. enthalten.
Der hiesige Pfarrer ist zugleich mit dem Pfarrer in Wolkenstein Verwalter eines von dem Forstl. Anhaltischen Amtmanne Friedrich Graube zu Zerbst gestifteten Legats, welches 564 Thlr. beträgt und dessen Zinsen als Stipendium (jährlich 10 Thlr.) an einen Geschlechtsverwandten, und in dessen Ermangelung als Lehrgeld und Ehesteuer an Vettern und Muhmen verwendet werden.
Die Kirch-Schule zu Drebach besuchen 190 Kinder. Zur Schule gehört ein Garten, welcher 48 Q.-R. und ein Stück Feld, welches 2 Acker und 15 Q.-R. enthält.
Die Schule zu Ober-Drebach wird von 166 Kindern besucht.
Collator über Kirche und Schulen ist der jedesmalige Besitzer des Rittergutes von Venusberg. Drebach mit seinen 230 bewohnten Gebäuden und 441 Familienhaushaltungen zählt 2442 Einwohner und ist dem Gerichtsamte Wolkenstein und dem Bezirksgerichte Annaberg zugetheilt und der Amtshauptmannschaft Niederforchheim im Regierungsbezirke Zwickau unterworfen.
in der richtigern Aussprache des gemeinen Mannes Fensberg, oder Fenysberg, in Urkunden Feinigsbergk, Fengsberg, Feunisbergk geschrieben, liegt 2 Stunden nordwestlich von Wolkenstein, an der Strasse nach Chemnitz, so wie an jener von Gelenau nach Lengefeld, 1½ Stunde von Ehrenfriedersdorf, 1¼ Stunde von Thum, 2¼ Stunde von Zschopau in einer bergigen, hohen Lage: denn der hier in nordöstlicher Richtung fliessende Dorfbach bildet nur einen sanften Grund, welcher erst unter dem ⅜ Stunden langen Dorfe zu einem schönen tiefen Thale wird, und unter Drehbach in den Drehbachgrund ausgeht.
Das Dorf hat 16 Bauern und 8 Gärtner, eine schöngebaute Mehl- und Bretmühle, eine zweite kleinere Mühle, und ausser der Schule ein grosses Erbgerichtsgut und ein Flachsdörrhaus. Am südöstlichen Ende des Dorfes steht die Rittergutsschäferei.
Das Rittergut selbst wurde mit 1½ Ritterpferd verdient. Es hat noch ein ältliches Schloss, grosse und zum Theil schöne Wirthschaftsgebäude und daran einen mässig grossen Teich. Vorzüglichen Werth giebt ihm der herrliche Buchenwald, der sich südwestlich von Venusberg längs dem Rechten Ufer der Wiltzsch verbreitet und die ganze Gegend ziert. Zum Gute gehört auch ein grosser Kalkofen. Der Gerichtsbarkeit von Venusberg waren früher noch einverleibt das Dörfchen Wiltzsch, welches deshalb auch mit Venusberg nur eine Gemeinde bildet, 9 Häuser von Niederdrehbach, 16 Häuser in Oberdrehbach.
Die Erbauung des Schlosses lässt sich nicht mit Bestimmtheit angeben. In der frühesten Zeit gehörte diese Besitzung zur Herrschaft Thum und 1440 wurde vom Anarch von Waldenburg Georg von Wiedebach damit beliehen, von welchem es im Jahre 1467 an dessen Söhne kam.
Heinrich von Wiedebach brachte durch Kauf vom Herzog Georg zu Sachsen den Buchwald sammt der Mühle zum Rittergute Venusberg und wurde zuerst damit belehnt. Georg von Wiedebach verkaufte 1572 das Gut an Sebald von Hünerkopf und dieser 1591 an Haubold von Einsiedel. [134] Nach dessen Tode fiel Venusberg an dessen dritten Sohn Heinrich Abraham von Einsiedel, der es an Christoph von Stange auf Drehbach verkaufte.
Nach seinem Ableben kam Venusberg an Hans Christoph von Stange, und sodann an Christoph Heinrich von Stange. Mit ihm erlosch das von Stange’sche Geschlecht und es fiel nun das Gut an die Gödelmannsche und Moser’sche Familie, von welchen es 1654 auf Dr. Volkmar überging. Nach Volkmar’s Tode wurde das Gut an den Freiherrn Joachim von Schwan auf Thum verkauft und nach dessen Tode fiel das Gut an seinen Sohn Hans Ernst von Schwan, welcher um Kirche, Schule und Gemeinde sich grosse Verdienste erwarb. Nach ihm wurde sein einziger Sohn, Carl Ernst von Schwan, Besitzer. Bis 1751 besass das Gut der Oberforstmeister von Leubnitz auf Münchenbernsdorf und nach ihm die Kammerherrin von Bünau auf Wensenstein. Hierauf hatten das Gut die Familien von Leubnitz und von Polenz gemeinschaftlich im Besitz. Im Jahre 1815 kam das Gut an den Kaiserl. Russischen Rittmeister Heinrich August Gottlob von Leubnitz und dieser veräusserte dasselbe im Jahre 1819 an den Rittmeister von der Armee, Moritz Friedrich von Reitzenstein auf Mittelfrohne. Nach dessen am 14. Febr. 1821 erfolgtem Tode fiel das Gut an seine hinterlassene Wittwe Frau Christiane Henriette von Reitzenstein, welche am 10. Juli 1839 starb und das Gut ihren Töchtern hinterliess, wovon Agnes an den Rittmeister von Gersdorf, und Ida an den Doctor Beyer verheirathet sind. Diese beiden Schwestern verkauften wieder das Gut, und so ist der derzeitige Besitzer Herr K. W. Wunderlich in Meerana.
Nahe beim Orte Venusberg in Südwest erhebt sich der Steinberg, welcher steil ansteigt, um noch steiler und tiefer in’s Wiltzschthal wieder abzufallen. Seine Meereshöhe wird auf 1450 pariser Fuss geschätzt. Seine Form ist halbkugelartig und er zeichnet sich sehr vor andern Bergen der Gegend aus, wozu auch der treffliche Buchenwald, den er trägt, welcher der Stangenwald heisst, viel beiträgt. Von diesem Berge hat man besonders nach Augustusburg hin (dieses giebt in der Richtung von hier aus seine schönste Ansicht) eine treffliche Aussicht, weshalb auch ein Pavillon darauf erbaut ist.
Die zum Dorfe gehörigen Fluren haben einen Flächenraum von 1156 Ackern mit 18,702¼ Steuereinheiten.
Der Ort nährte sich, wie Drehbach früher mit Anbau und Verspinnen des Flachses zu feinem und gemeinerm Klöppelzwirn, mit Zwirn- und Garnbleicherei. Jetzt gehören, nächst der Feldwirthschaft und Viehzucht, Fabrikarbeit, Klöppeln und Strumpffabrikation zu den wichtigeren Erwerbsquellen.
Venusberg hat seine eigene Schule, wohin auch die Kinder des Dörfchens Wiltzsch gehen, so dass im Ganzen 109 schulfähige Kinder gezählt werden. Wegen Baufälligkeit und Mangel an Raum verkaufte die Gemeinde das alte Schulhaus und kaufte ein in der Mitte des Dorfes gelegenes, fast neues Haus und erweiterte und verbesserte dasselbe auf eine sehr zweckmässige Weise. Bei der Weihe des neuen Schulhauses im Jahre 1841 den 16. Nov. wurde Wilhelm Robert Schirmer als Schullehrer eingewiesen. Ueber die dasige Schule und die Kirche zu Drehbach, wohin Venusberg eingekircht ist, übt die Gerichtsherrschaft zu Venusberg das Besetzungsrecht.
Der frühere Gutsbesitzer von Venusberg, Hans Ernst von Schwan, hat sich um die frühere Kirche zu Drehbach insoferne grosse Verdienste erworben, als derselbe die Zierde dieser Kirche, den frühern massiven hohen Thurm an selbige anbauen liess, welcher aber im Jahre 1823 der grossen Gluth nicht genug Widerstand leisten konnte und ebenfalls ein Raub der Flammen wurde. Der Grundstein dazu wurde am 26. April 1717 gelegt und der Bau den 10. September 1719 vollendet.
Bemerkenswerth ist noch der ½ Stunde nördlich von Venusberg gelegene Wiltzschberg, wo man einen sehr grossen und festen Kalkstein in grosser Menge bricht, welcher im herrschaftlichen Kalkofen gebrannt wird.
Venusberg mit Wiltzsch hat 110 bewohnte Gebäude, 222 Familienhaushaltungen mit 1111 Einwohnern und gehören beide Orte zum Gerichtsamt Wolkenstein, zum Bezirksgericht Annaberg, zur Amtshauptmannschaft Niederforchheim, zum Regierungsbezirk Zwickau.
an den Freyberg-Hainicher und Oederan-Siebenlehner Strassen, 1½ Stunde westlich von Freiberg, 1¾ Stunde nordöstlich von Oederan, 2¼ Stunde südöstlich von Hainichen gelegen, südlich und östlich von bedeutenden Waldungen umgeben, welche zum Theil zum dasigen Rittergute gehören. Oestlich steigt, grösstentheils mit Klippen besetzt, der Kemnitzberg an, welcher die Thäler der Kenmitz und Striegis theilt, nördlich aber der Galgenberg, an dessen südwestlichem Abhange die Schäferei des Rittergutes abgesondert steht.
Das alt schriftsässige von Schönbergische Majorats-Rittergut hat zwar keine ansehnlichen Gebäude, auch nur mässig starke Oeconomie, und ein ältliches Schloss mit kleinem Thurme, welches dessenungeachtet einen herrlichen Anblick, wie dies die Abbildung näher darthut, gewährt.
[135] Dessenungeachtet ist dieses Gut von Bedeutung, theils wegen der guten Schäferei, theils wegen der grossen Waldungen und rücksichtlich seiner früheren Gerichtsbefohlenen konnte es zu den grössten Gütern im Lande gerechnet werden. Denn ausser den Dörfern, Frankenstein und Wingendorf, besass es noch die Stadt Hainichen, im Ganzen wenigstens an 6000 Unterthanen.
Die Geschichte und Gründung von Hainichen und Wingendorf hängt unstreitig mit der Stiftung des Klosters Alten-Zelle zusammen.
Im Jahre 1162 hat Markgraf Otto von Meissen, genannt der Reiche, des grossen Conrads vortrefflicher Sohn, das Kloster Alten-Zelle zur Ehre der heiligen Maria und des heiligen Johannes gestiftet. Der Klosterbau wurde 1175 beendigt, worauf das Kloster von Cisterzienser Mönchen bezogen wurde.
Otto beschenkte die neue Stiftung gleich anfänglich mit 800 im Burgwardo Mochaw[1] gelegenen Hufen Landes und wies ihr die Nutzungen von Dörfern und Flecken in einem Bezirke von mehr als 4 Meilen an, für die mit angewiesenen Dörfer Christiansdorf und Costnitz gab er ihr jedoch später die Stadt Rosswein.
Hainichen aber wurde kurze Zeit nach dieser Schenkung angebaut, und Einwandrern von den 800 Hufen Landes eine Strecke zur Urbarmachung angewiesen. Denn Hainichen soll viel früher entstanden sein, als Freiberg, weshalb die Geschichtsschreiber sehr irren, welche die Entstehung von Hainichen erst in das 14. Jahrhundert versetzen. In dieser Zeit war Hainichen schon mit Mauern umgeben, und gehörte unter die Gerichtsbarkeit des Klosters, welche erst nach der Säcularisation desselben zu Wingendorf gekommen ist.
Wingendorf selbst scheint nicht zum Kloster gehört, sondern schon damals seine eignen Besitzer gehabt zu haben, die mit dem Kloster selbst befreundet waren. Vielleicht gehörte es auch den früheren Burggrafen selbst. Denn ums Jahr 1400 hatte Burggraf Berthold den Freiberger Bürgermeister Hans Hartusch d. i. Hartitzsch mit Wingendorf belehnt. Wingendorf selbst war mit einem Ritterpferd belegt.
Von der Hartitzsch’schen Familie ist Wingendorf dann an die Herren von Schönberg gekommen.
Im Jahre 1600 kommt als Besitzer von Börnichen, Oberschöna und Wingendorf Moritz von Schönberg als erster dieses Namens vor. Derselbe begründete von der Linie Schönberg-, Sachsenburg-, Neusorge-Oberschöna, den zweiten oder Wingendorfer Zweig (im Gegensatze des Pulsnitzer oder französischen Zweigs), starb 1612 und von seinen hinterlassenen 4 Söhnen folgte ihm im Besitz von Wingendorf und Hainichen, Hans Georg von Schönberg, welcher im Jahre 1618 als Obersteuereinnehmer erblos verstarb. Die Brüder des Bruders Nicol von Schönberg übernahmen nun die Güter Wingendorf und Börnichen und stifteten so die Wingen-Börnicher Linie (im Gegensatz der Auerswaldischen). Hans Georg von Schönberg besass damals Wingendorf zur Hälfte, erbte aber auch die andere Hälfte von seinem Bruder, denn Kreissteuereinnehmer und Amtshauptmann Nicol von Schönberg, und starb, nachdem er auch Wiesa bei Annaberg durch Kauf an sich gebracht hatte, im Jahre 1676. Sein Sohn, der Geheime Rath, Kammerherr, Bergrath und Obersteuereinnehmer, Adam Friedrich von Schönberg, nachmaliger Besitzer von Wingendorf, verliess das Irdische im Jahre 1707, worauf Wingendorf an dessen Sohn, den Kammerjunker Joh. Tham von Schönberg überging, welchem 1748 ebenfalls sein 1761 verstorbener Sohn, der Oberberghauptmann Curt Alexander von Schönberg beerbte, und so hat denn die Familie von Schönberg seit länger als 2 Jahrhunderten ihren Sitz auf Wingendorf gehabt, bis es auf seinen gegenwärtigen Besitzer, den Major von Schönberg auf Börnichen und Wingendorf übergegangen ist.
Im Niederdorfe befindet sich die grosse und schön gebaute Schaafwollspinn-Fabrik. Das aus 5 über einander befindlichen Arbeitssälen bestehende Hauptgebäude derselben wurde 1817 errichtet, welchem 1830 noch ein zweites angebaut wurde. Diese Fabrik lieferte im Durchschnitt wöchentlich 24,000 Strähn Garn, zu dessen Bereitung ein einziges, oberschlächtiges Wasserrad von 16 Ellen Höhe die dazu nöthigen Maschinen in Bewegung setzte.
Da aber in trocknen Jahren das Wasser mangelte, so wurde im Jahre 1837 ein drittes Gebäude angebaut, und sämmtliche Maschinen durch Dampf in Bewegung gesetzt.
Den Bergbau von Wingendorf anlangend, so ist dieser nie von grosser Bedeutung gewesen, und die sonst hier bebaute Grube „Neue Gabe Gottes“ ist schon längst nicht mehr gangbar.
Der jedesmalige Besitzer von Wingendorf ist auch Collator über Kirche und Schule zu Frankenstein und über die beiden geistlichen Stellen zu Hainichen, wogegen über die Schulen zu Hainichen der dasige Stadtrath das Besetzungsrecht ausübt.
Frankenstein ist ein sehr alter Kirchort, zu welchem vor dem 30 jährigen Kriege noch 4 Dörfer gehört haben, die in jenem Kriege zerstört worden sind, als: das Dorf Ailitz, seitwärts von Memmendorf – Naundorf, von Memmendorf nach Schönerstadt zu gelegen – Althartha, am Langenstriegiser Holz, und – Kuhra unter Wingendorf.
Die Kirche hat mehrere Reparaturen erfahren; die letztere geschah 1821, wo der Thurm in seiner jetzigen Gestalt von dem Zimmermeister Walther in Rochlitz erbaut wurde. Schenkungen, Vermögen noch sonst Merkwürdigkeiten hat diese Kirche nicht aufzuweisen. Ausser einer Silbermann’schen Orgel besitzt dieselbe ein vorzüglich starkes, wohlklingendes Geläute, aus 3 Glocken bestehend, das weit und breit gehört wird. Eingepfarrt sind noch Hartha und Memmendorf, bekannt durch seinen an der Dresdner Chaussee gelegenen Gasthof, welcher von keinem Reisenden früher unbesucht gelassen wurde, da von Oederan, so wie von Oberschöna her, die Strasse immer bergauf geht. In der Parochie Frankenstein [136] befinden sich 3 Schulen. Die Kinder von Wingendorf werden in der Schule zu Frankenstein unterrichtet.
In Frankenstein befindet sich auch das von Schönberg’sche Erbbegräbniss. Ein Filial von Frankenstein ist in Kirchbach.
Das andere dem Rittergute Wingendorf zustehende Collaturrecht über die Geistlichen Stellen in Hainichen beweiset am besten, dass solches mit der Gerichtsbarkeit erst nach der Säcularisation des Klosters zu Altzelle erworben worden ist. Mit der Uebergabe des Klosters im Jahre 1543 an den Churfürsten Moritz, hörte die weltliche und geistliche Gerichtsbarkeit des ersteren auf und in dieser Zeit kam auch Hainichen zu Wingendorf.
Der Wandrer, wenn er die flache, zweistündige Anhöhe von Mittweida daherkommt, sieht von Hecken, Gebüschen und Saaten umgeben, verborgen im Grunde des Thales eine Gruppe röthlicher Dächer und leuchtender Giebel, seitwärts auf grünen Matten ausgebreitet eine Menge zarten Gewebes, bleichend im Sonnenschein und an der gegenüberliegenden Thalwand terrassenförmig übereinander in langen Streifen aufgespannt eine Staffirung von bunten Gewändern. Er kommt näher und näher, hört ein Schnurren des Spuhlrades und das Klappern des Webstuhls, um sich her bemerkt er ein reges Leben und die grösste Geschäftsthätigkeit. Das ist Hainichen, gewiss eine der ersten unter den gewerbreichen Städten des Sächsischen Erzgebirges.
Hainichen in Vergleich gegen alle umliegende Städte hat sich in kurzer Zeit unglaublich gehoben und aus seiner Verborgenheit emporgearbeitet. Es kann dies lediglich dem Aufschwunge des Fabrikwesens zugeschrieben werden, welches die Hauptquelle ihres Wohlstandes und ihrer mercantilischen Berühmtheit ist, während weder ihre Lage, noch Bauart, noch ihre Geschichte den Namen Bedeutung gegeben hätte. Nur in der Geschichte der deutschen Literatur ist Hainichen ebenfalls berühmt geworden.
Hier in Hainichen erblickte am 4. Juli 1715 Christian Fürchtegott Gellert das Licht der Welt, der als Gelehrter, als Dichter in der deutschen Literatur so enorme Epoche gemacht und besonders durch seine geistlichen Oden und Lieder, wie durch seine Fabeln und Erzählungen so wohlthätig auf das deutsche Volk eingewirkt hat. Früher als er, nämlich am 11. Aug. 1713 wurde auch hier dessen Bruder Christlieb Ehregott Gellert geboren, der am 18. Mai 1795 als Bergrath zu Freiberg starb. Durch das neue Rettungshaus für verwahrloste Kinder wird in Hainichen des Ersteren Andenken jetzt von Neuem verherrlicht.
In Hainichen erfand auch Christian Adolph Balduin den hermetischen Phosphorus.
Seit dem grossen Brande im Jahre 1831 ist Hainichen neu und massiv, auch regelmässiger erbaut. Unter den öffentlichen Gebäuden zeichnet sich die Kirche und das neue Rathhaus, welches die ganze südliche Fronte des Marktes einnimmt, vortheilhaft aus.
An der erstern sind ein Pfarrer und ein Diaconus angestellt, zu deren Parochie, ausser der Stadt, noch Berthelsdorf, Cunnersdorf, Schlegel, Krumbach, Falkenau und Gersdorf gehören.
In der Stadt sind 6 Schulen, 3 für die Knaben und 3 für die Mädchen, mit einer Zahl von circa 900 Kindern.
In der neuern Zeit hat man in der Nähe von Hainichen Bohrversuche auf Steinkohlen nicht ohne Erfolg gemacht. Das hiesige Kohlenbasin war schon früher bekannt, wurde aber immer nicht für bauwürdig gehalten.
Merkwürdig in naturhistorischer Hinsicht ist das über demselben lagernde Conglomeratgebirge, welches durch seine Versteinerungen und andern Merkmale auf eine vorzeitliche gewaltige Erdrevolution hinweist. Aber dasselbe Element, welches Wälder und Gebirge zermalmte und einen Coloss verschiedenartiger Gesteine von verschiedenen Felsen, vermengt mit Baumstämmen einer südlichen Zone wild durcheinander geworfen, hier zusammenführte und in den Abgrund begrub, hat auch zugleich diesen Trümmerhaufen dergestalt überdeckt und so alle Spuren jener gewaltigen Revolution in ihren obern Regionen wieder verwischt, dass sie in der gegenwärtigen Oberfläche hiesiger Gegend ohne Aufgrabung nicht mehr geahnt, geschweige erkannt werden kann.
Hainichen, wo vor der neuen Gerichtsorganisation auf dem dasigen Rathhause der jedesmalige Justitiar von Wingendorf, die Gerichtssitzungen hielt, bildet jetzt selbst ein eignes Gerichtsamt und ist dem Bezirksgerichte Mittweyda zugetheilt. Wingendorf dagegen gehört zum Gerichtsamte Oederan, zum Bezirksgericht Augustusburg, zur Amtshauptmannschaft Chemnitz, zum Regierungsbezirk Zwickau und zählt in seinen 32 bewohnten Gebäuden, und 60 Familienhaushaltungen 318 Einwohner.
Im Orte befinden sich 2 Mühlen, von welchen die Neumühle am untern Ende steht. Der Feldbau ist gering. Das Gut grenzt mit den Börnicher Fluren.
[Ξ] [Ξ] [Ξ] [Ξ]
Anmerkungen der Vorlage
← Heft 16 des Erzgebirgischer Kreis | Nach oben | Heft 18 des Erzgebirgischer Kreis → |
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext. |
- ↑ Die erste Veranlassung der Erbauung von Burgen gaben die unruhigen Sorben-Wander und Daleminzier. Diese im Zaume zu halten wurden feste Schlösser erbaut, dieselben vom Landesfürsten an Burggrafen zur Aufsicht mehrerer Orte übergeben, woraus später die Lehngüter entstanden. Ein solches Burggrafthum oder alte Landvoigtei war Mochau oder Mochowe.