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in Verbindung mit dem gegenüber an der Mittagsseite angebrachten Hinterthor. Durch letzteres tritt man in einen zweiten Hof ein, welcher links die ehemaligen Gebäude des Königl. Justiz- und Rentamtes, rechts ein grosses Stallgebäude, in der Mitte aber das Brunnenhaus enthält. Die Mittagsseite dieses Hofes umschliesst, den auf einer Terrasse angelegten, einen Belvedere tragenden Garten des Rentamtmanns.

In dem an dem Schlosshof stossenden Stallhofe befindet sich der 700 Ellen tiefe Brunnen, ein Meisterstück bergmännischer Baukunst, welcher theils gemauert, theils 286 Ellen tief in Felsen gehauen ist. Er ist zugleich mit dem Schlosse angelegt worden und die Kosten seines Baues schätzt man über 40,000 Thlr., eine für das 16. Jahrhundert ungeheure Summe. Das Wasser steht darinnen gewöhnlich 12 bis 16 Ellen hoch und hat daher erst einmal, in dem trocknen Sommer des Jahres 1800, wirklich versagt, wo der Brunnenwärter hinabsteigen musste. Binnen 8 Tagen wurden mehre alte Kübel und andere Geräthschaften herausgefördert, der Brunnen von allen Unrath befreit, und derselbe gab sein Wasser wie zuvor. Wenn Fremde den Brunnen besehen, wird gewöhnlich ein Kreuzholz mit 4 Lichtern hinuntergelassen, und man sieht das klare Wasser in seiner fürchterlichen Tiefe. Ein Pistol in den Brunnen geschossen, giebt ein Donner ähnliches Getöse. Ganz ausgeschöpft wurde dieser Brunnen ein Mal im Jahre 1651, wo Johann Georg mit grossem Gefolge zur Hirschjagd sich hier aufhielt. Ausser dem Bedarf für den Menschen mussten für 1000 Pferde täglich 150 Eimer Wasser geschafft werden, eine Quantität, welche der Brunnen 22 Tage beschaffte.

In dem Schlossgarten steht eine sehr grosse alte Linde, welche im Jahre 1421 gepflanzt wurde. Die Höhe derselben ist nicht beträchtlich, allein der Umfang des Stammes beträgt 19 Fuss und ihre Aeste breiteten sich sonst gegen 350 Fuss in der Runde, und ruheten auf einem eichnen Roste, den 77 steinerne Pfeiler trugen. Die Zeit und viele harte Winter haben dieser ehrwürdigen Linde manchen kräftigen Ast genommen und so hat sie jetzt nur 18 bis 20 Stützen nöthig.

In dem am westlichen Abhange des Schlosses angelegt gewesenen Bärengarten wurden noch zu den Zeiten August II. Bären gehalten, die zu den Jagden nach Dresden gebracht und nach deren Beendigung hier wieder aufbewahrt wurden. Obgleich die diesen Garten umgebende Mauer 12 Ellen hoch war, so statteten diese ungeleckten Thiere doch zu wiederholten Malen den ehrsamen Bürgern Schellenbergs ihre Besuche ab und betrugen sich dabei so unmanirlich, dass man im Jahre 1757 sich genöthigt sah, den letzten Sprössling der Bewohner dieses Gartens zu erschiessen. Der frühere Bärengarten ist an einen Privatmann vererbt. Die „dem Herrn Jesu Christo“ gewidmete Schlosskirche, unstreitig das erste nach Einführung der Reformation erbauete evangelische Gotteshaus, ist am 30. Januar, 1. und 2. Februar 1572 in Gegenwart Churfürst Augusts von dessen Hofprediger M. Philipp Wagner eingeweihet worden. Sie befindet sich an der Morgenseite, zwischen dem Linden- und Küchenhause, hat aber ihre Eingänge auf dem Schlosshofe und ist 28 Ellen hoch, 45 Ellen lang und 30 Ellen breit. Die Decke bestehet aus einem halbrunden, getieften, durchbrochenen Gewölbe, und die an den innern Wänden auf der Morgen-, Mitternacht- und Abendseite angebrachten, theils grösseren, theils kleineren Schwibbögen dienen zu Emporkirchen. Der Altar, an der Mittagsseite befindlich und um 3 Stufen gegen das Schiff der Kirche erhöhet, ist von Werkstücken zusammengesetzt und trägt zunächst der horizontalen Altartafel ein von hölzener Bildschnitzarbeit eingefasstes, in verticaler Richtung stehendes Postament, auf dessen blauen Grunde 3 Reihen mit vergoldeten Buchstaben eingeätzter lateinischer, von Dr. Georg Major, ehemaligen Professor der Theologie zu Wittenberg (von 1502–1574) verfasster Distiichen zu lesen sind, deren Inhalt das auf dem Postament ruhende Altargemälde erläutert. Dieses stellt den Erlöser am Kreuze in Lebensgrösse dar; zur Rechten ist Churfürst August mit seinen 8 Prinzen, zur Linken die Mutter Anna mit 6 Prinzessinnen, alle knieend mit zum Kreuz emporgehobenen Händen abgebildet. Tiefer im Hintergrunde rechts erscheint der leidende Christus im Garten von Gethsemane, links der von den Todten Auferstehende. Alle einzelne Parthieen dieses von Lucas Cranach verfertigten Gemäldes sind so vortrefflich, dass man nicht weiss, was man zu erst darin bewundern soll. Namentlich gilt dies von den churfürstlichen Eltern und Kindern; die allen gemeinsame Familienphysiognomie erhält durch die feinen, in den Gesichtszügen der Einzelnen angebrachten Nüancen ein besonderes Gepräge und einen unbeschreiblich lieblichen Ausdruck. Ueber diesem Gemälde, welches von zwei nach Alabaster-Art verzierten Säulen eingefasst wird, grenzen die in Holz geschnizten Churfürstl. Sächs. und Königl. Dänischen Wappen; dazwischen befindet sich das Bild der heil. Dreieinigkeit, auf dessen oberem Rahmen ein ebenfalls aus Holz geschnitzter Engel mit der Posaune ruht. Die an einem mittleren Pfeiler befestigte Kanzel, zeigt in 6 Feldern die Verkündigung, Geburt, Taufe, Kreuzigung, Grablegung und Auferstehung Christi auf Holz herrlich gemalt und mit vortrefflicher Schnitzarbeit eingefasst. Auf der innern Seite der Kanzeldecke erblickt man eine Abbildung Gottes des Vaters und des Sohnes Jesu Christi, der in jenes Schoosse ruht. Erwähnung verdient noch das prächtige von der Churfürstin Anna gestickte Messgewand. Es ist eine Stola von carmoisinrothem Sammet, mit kostbarer Stickerei in Seide, Gold und Perlen.

An dieser Kirche, in welcher jetzt noch alle Sonn- und Festtage Gottesdienst gehalten wird, ist der Pfarrer zu Schellenberg Schlossprediger und beziehet als solcher eine Besoldung vom Rentamte Augustusburg.

Augustusburg war der Lieblingsaufenthalt vom Churfürst August, welcher öfters zu sagen pflegte:

„Ich bin nirgends gesünder als auf meiner Augustusburg.“

Auch die Nachfolger Augusts haben hier sehr häufig Hof gehalten, z. B. Johann Georg I. im Juli 1617, ferner 1628, 1650. Unter diesen Fürsten trafen die Drangsale des 30jährigen Krieges auch Augustusburg: Es wurde am 22. Aug. 1632 von den Kaiserlichen Soldaten ausgeplündert.

Der Blitz hat in das Schloss eingeschlagen 1678 den 4. Juli, und den 19. Juni 1713 am ersten Pfingstfeiertag während des Vespergottesdienstes.

Im Jahre 1721 beabsichtigte man im Schlosse ein Fräuleinstift nach

Empfohlene Zitierweise:
Gustav Adolf Pönicke (Hrsg.): Album der Schlösser und Rittergüter im Königreiche Sachsen IV. Section. Expedition des Ritterschaftlichen Album-Vereins, Leipzig 1856, Seite 130. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Album_der_Schl%C3%B6sser_und_Ritterg%C3%BCter_im_K%C3%B6nigreiche_Sachsen_IV.djvu/204&oldid=- (Version vom 3.6.2018)