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Augustusburg.


Auf der höchsten Spitze des zwischen dem Zschopau- und Flöhastrome eingezwängten, gegen die Vereinigung dieser Flüsse hin unweit des Dorfes Flöha in eine reizende Thalebne sich abflachenden Felsenkegels, thronet in einer Höhe – von fast 1539 Pariser Fuss über der Nordsee – gar herrlich und prächtig das Schloss Augustusburg.

Die Aussicht von demselben gehört unstreitig zu den schönsten Panoramen des herrlichen Sachsenlandes.

Wer den an der nordöstlichen Ecke des Schlosses sich erhebenden Thurm besteigt, beschaut ein vor den Augen sich ausbreitendes Gemälde, welches von dem heiteren Glanze der Frühlingssonne beleuchtet, an Schönheit, Fülle und Abwechselungen nichts zu wünschen übrig lässt.

Gegen Südost begrenzen die Altenberger, Frauensteiner und Seydaer Gebirge den Horizont, weiter südwärts ragen der Fichtelberg und der böhmische Keilberg hervor, am näher liegenden Pöhlberg zeigt sich die Stadt Annaberg und mehr rechts der Greifenstein bei Ehrenfriedersdorf; gegen Westen erscheinen die Rabensteiner und Hohensteiner Höhen, weiter rechts die Rochlitzer Steinbrüche und die Berge bei Hartha, bis zuletzt tief im Norden der Colmberg bei Oschatz sein Haupt erhebt. Nordöstlich hemmen die Börnicher Gebirge, an deren Fusse die Stadt Oederan sich ausbreitet, die Aussicht. Aber auch der Anblick der nähern Umgebungen ist wegen seiner Mannigfaltigkeit nicht weniger angenehm. Unter lachenden Feldern und Wiesen mit Waldungen untermischt sieht man Oederan und Börnichen, und noch näher die Dörfer Grünberg, Hohenfichte, Metzdorf, Dorf Schellenberg und Teubsdorf[VL 1], so wie das Zschopauthal mit den Fabrikdörfern Plaue und Flöha und in der Waldung das Schloss Lichtenwalde.

In der allernächsten Umgebung des Schlosses zieht sich westlich und südlich nichts als dichter Wald, während nördlich und östlich sich am Berge herum das Städtchen Schellenberg ausbreitet, dessen Erbauung in die graue Vorzeit fällt.

Auf diesem Berge stand früher ein uraltes Schloss, welches mit dem Berge gleichen Namen führte und nach Einigen schon von Karl den Grossen, nach Anderen unter Kaiser Otto I. im zehnten Jahrhunderte, wahrscheinlich aber ein Jahrhundert später unter Heinrich IV. erbaut worden ist. Die alte Burg Schellenberg bildete den Centralpunkt der Pflege oder Herrschaft Schellenberg, die den grössten Theil des erzgebirgischen Amtes Augustusburg begriff bis in die Nähe von Zethau reichte, und meist den meissnischen Markgrafen gehörte. Doch gab Schellenberg auch einem adlichen Geschlechte den Namen; 1234 war Heinrich von Schellenberg an Heinrich des Erlauchten Hofe. Auch schon im Jahre 1206 kommen die Brüder Wolfram und Peter von Schellenberg, wahrscheinlich als dasige Burgmänner vor. Im Jahre 1292 wurde das alte Schloss, welches in jener Zeit in ein Raubnest ausgeartet war, von dem Markgrafen Friedrich belagert und erobert. Im Jahre 1332 wurde von Friedrich dem Ernsthaften der Ritter Friedrich von Honsberg damit beliehen. Zu Zeiten Georg des Bärtigen scheint es als Staatsgefängniss gedient zu haben.

Die Markgrafen von Meissen hielten sich der Jagd wegen hier oft auf. Im Jahre 1547 wurde dieses alte Schloss durch den Blitz völlig zerstört. Kurfürst August, liess die Ruine im Jahre 1567 völlig abtragen, legte am 31. März 1568 den Grundstein zu dem jetzigen Schlosse und vollendete dasselbe ins Jahre 1572 unter Leitung von 3 berühmten Architekten des Hieronymus Lotter (Erbauer des Leipziger Rathhauses) Günthers von der Mohr[VL 2] und des Grafen Rochus von Lynar; und unter Verwendung von täglich 100 Mann zu Handlangerdiensten und 1000 Mann zu Mauer und Zimmerarbeit.

Das Schloss bildet ein regelmässiges Viereck, ist genau nach den vier Himmelsgegenden gebaut und gewährt noch jetzt nach drittehalb Jahrhunderten einen wirklich majestätischen Anblick, obgleich es durch die Zeit vielfach gelitten hat und zu seiner Erhaltung noch in neuerer Zeit so manches ehemaligen Schmuckes beraubt werden musste. Ehemals war es vier Stockwerk hoch und es lief sowohl auf der innern Seite nach dem Schlosshofe zu, als auch auf der äusseren Seite rings herum eine mit Blei gedeckte Gallerie, welche jedoch, da man sie nicht mehr ohne Lebensgefahr betreten konnte, im Jahre 1776 abgetragen werden musste. Das Schloss zählte im Ganzen 5 grosse Säle, 76 Zimmer und 93 Kammern und die Sage geht, dass es so viel Fenster gehabt habe, als Tage im Jahre, so viel Feueressen, als Wochen, und so viel Wetterfahnen, als Monate. Noch jetzt unterscheidet man vier Flügel, Häuser genannt, nämlich das Lindenhaus gegen N. O., das Sommerhaus gegen N. W., das Hasenhaus gegen S. W. und das Küchenhaus gegen S. O. gelegen.

Im Lindenhaus war ein prächtiger Huldigungssaal und früher zeigte man auch das Zimmer, wo Kurfürst August zu drechseln pflegte. Im Sommerhause war der Fürstensaal mit den Bildnissen von 35 Sächsischen Fürsten, von Herzog Rudolph I. bis Kurfürst Johann Georg I. Im Hasenhause fand man im sogenannten Hasensaale an den Wänden lauter Hasen abgebildet in allen menschlichen Verrichtungen, als Kaufleute, Maler, Buchdrucker, ja sogar als Jäger.

Im Erdgeschoss befinden sich gut angelegte, geräumige und trockne Keller. Nur theilweise sind diese Räume zu den Wohnungen mehrer königlichen Officianten, so wie zu dem Locale eines geselligen Vereins eingerichtet.

Das mit einem schönen Portal verzierte, an der Nordseite befindliche Schlossthor, zu welchem man auf einer steinernen Brücke gelangt, führet in den innern Schlosshof ein, und stehet mittels einer Lindenallee

     Erzgebirgischer Kreis, 17tes Heft od. 89tes der ganzen Folge.

Anmerkungen der Vorlage

  1. handschriftliche Korrektur: Leubsdorf
  2. handschriftliche Korrektur: Erhard van der Meer
Empfohlene Zitierweise:
Gustav Adolf Pönicke (Hrsg.): Album der Schlösser und Rittergüter im Königreiche Sachsen IV. Section. Expedition des Ritterschaftlichen Album-Vereins, Leipzig 1856, Seite 129. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Album_der_Schl%C3%B6sser_und_Ritterg%C3%BCter_im_K%C3%B6nigreiche_Sachsen_IV.djvu/203&oldid=- (Version vom 3.6.2018)