Album der Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen II. Section/H26

Heft 25 des Meissner Kreises Album der Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen von Gustav Adolf Poenicke (Hrsg.)
Heft 26 der Section Meissner Kreis
Heft 27 des Meissner Kreises
Die Beschreibungen sind auch als Einzeltexte verfügbar unter:
  1. Lohmen
  2. Pesterwitz
  3. Berbisdorf
  4. Naunhof


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Lohmen


in Urkunden Lohmen, Chlom, Clum, Cluhmen, Clomen genannt, liegt auf der rechten Seite der Elbe, 1 Stunde nordöstlich von Pirna, am Wege nach Hohenstein.

Seinen Namen selbst verdankt der Ort wahrscheinlich den Erbauern oder ältesten Besitzern des Schlosses, den Herren von Chlumen, (Lohem Clomen).

In Urkunden wird blos eines Johannes de Lom gedacht, welcher in einem von dem Provinzialrichter des Meissner Landes (Günther von Crimmitzschau) im Jahre 1223 zu Altenburg ausgestellten Bestätigungsbriefe als Zeuge genannt wird.

Dies beweiset indessen bloss das hohe Alter des Geschlechts. Ein Johannes von Lohme kommt auch im Jahre 1413 als Zeuge vor.

Diese Herren waren Anhänger der Hussiten und lebten dieserhalb mit den benachbarten meissnischen Bischöffen in beständiger Fehde. Ein Johann von Cluhmen begleitete mit dem Besitzer von Hohenstein, einem Wenzel von Dubra,[VL 1] Hussen auf das Concilium zu Costnitz.

Im 15. Jahrhundert verschwinden diese Herren von Cluhmen, indem sie vom Markgraf Wilhelm dem Einäugigen ihrer Güter entsetzt und in’s Elend geriethen.

In den Jahren 1457–80, wo der letzte Hans von Clomen die ganze Herrschaft Wehlen besass, wozu Lohmen gehörte, hatte letzteres schon einen eignen Besitzer, nämlich in der Person des Landvoigts von Meissen, Nickel von Köckeritz. Es ist dies derselbe, welcher im Jahre 1464 die Pfarre zu Sturze stiftete und Hochburkersdorf dazuschlug, während beide vorher zur Hohnsteiner Kirche gehört hatten. Herr von Köckeritz kaufte dann auch dem Hans von Clomen die ganze Herrschaft Wehlen ab.

Dieser Nickel von Köckeritz verkaufte die ganze Herrschaft Wehlen mit Lohmen an den Schneeberger Berghauptmann Heinrich von Starschedel mit allen Nutzungen.

Im Jahre 1504 nahmen die von Starschedel die Herrschaft beim meissnischen Bischof mithin so, als wäre es ein Zubehör von Stolpen, in Lehn. Kurze Zeit darauf und zwar 1513 kam die Herrschaft an die Gebrüder Hans, Friedrich und Wolf von Saalhausen auf Tetschen, wovon der Letztere auch Lauenstein besass.

Doch auch diese veräusserten sie bald wieder, vielleicht 1523 an die Herren Wolff und Ernst von Schönburg, die die Nutzungen derselben sehr verbesserten; bei der Theilung übernahm Wolff 1524 Wehlen ausschliesslich.

Dieser erbaute das Hintergebäude des Schlosses Lohmen, nachdem von Ernst schon vorher das eigentliche herrschaftliche Wohnhaus aufgeführt worden war.

Nach Wolffs Tode fiel die Herrschaft an Ernst zurück, dessen Söhne es nebst Hohenstein gegen Tausch dem Herzog Moritz im Jahre 1543 überliessen. Lohmen hatte also von der Zeit des letzten von Köckeritz bis zu ebengenanntem Jahre keinen besondern Besitzer gehabt, aber Moritzens Nachfolger, der Kurfürst August, schenkte es im Jahre 1567 als Lohn treuer Dienste seinem Geheimsekretär Johann Jenitz.

Nach dessen, im Jahre 1590 erfolgten Tode, kaufte es der Churfürst Christian I. von den Erben zurück, und Christian II. verschenkt es an Hans Georg Wehse, Hauptmann der Aemter Stolpen und Radeburg.

Von diesem kaufte es 1611 Rudolph von Bünau auf Radoschütz, dem es 1620 Churfürst Johann Georg I. wieder abkaufte. Dessen Sohn und Nachfolger schenkte es seiner Gemahlin zum Wittwensitze, welche nach seinem Tode zu Lohmen residirte.

Von dieser Zeit wurde das Schloss Lohmen nicht mehr verschenkt, sondern man wandelte die ganze Besitzung in ein Königl. Kammergut um.

Das hiesige Schloss steht auf einem hohen, in der Mitte geborstenen Sandsteinfelsen, unter welchem die Weiseritz[VL 2] fliesst.

Erwartungsvoll zwar, ein Denkmal des alten Ritterthums zu finden, tritt man in den Schlosshof. Stall eines engen mit halbverfallenen Thürmen umgebenen Hofes, breitet sich aber ein weiter Wirthschaftshof aus, wo Scheunen und Ställe und ein langes modernes Wohngebäude den Beschauer schnell enttäuschen, und das ihm entgegenstehende alte Gebäude und ein Gleiches zur linken Hand, beide Schüttböden ähnlich, geben ihm noch eine kleine Hoffnung, er müsse doch Alterthümliches noch hier finden.

Doch die schlanken Gestalten der in moderner Tracht von der Hausthür des Schlosses ihn begrüssenden Frauen, die aufgeschürzten hin- [202] und herlaufenden Mägde führen ihm die Täuschung nicht zurück: Keine Spur ist von Alterthum zu finden.

Missmuthig vielleicht, das nicht Gefundene[VL 3] zu haben, was der Beschauer suchte, geht er zurück über den Hof. Plötzlich aber steht er an einer Pforte, die er öffnet und auf ein Mal eröffnet sich seinen Blicken eine Ansicht, die in das grösste Erstaunen, in die grösste Verwunderung versetzt.

Der Schritt aus der Thüre führt den Beschauer in eine ganz andere Welt. Er befindet sich auf einem mit blühenden Sträuchern bewachsenen Feldhange, wo schattige Plätze ihn zu rasten einladen und hohe Tannen, die aus kahlem Gestein sich hervordrängen, ihre zarten Wipfel emporheben.

Duftende Blüthen erfüllen die Luft, schlängelnde Wege führen in die Höhe hinauf oder in das Thal hinab und unter sich in grausiger Tiefe erblickt er den rauschenden Bergstrom der Weiseritz zu ihren Felsen hindurch stürzend, er hört das Klappern der Mühlen, das Brausen des Flusses und ist er nun unten im Feldthale, so sieht er sich plötzlich wie mit Zauberschlag von Felsen umgeben und auf schroffer Höhe das Gemäuer eines alten Schlosses, das noch in seiner ersten Gestalt dem Zahn der Zeit widerstanden hat.

Schreitet der Besucher hiesiger Gegend über eine kleine Brücke, geht dann längs dem Flusse der in der Ferne klappernden Mühle zu, umgeht er den steilen Felsvorsprung, auf welchem der eine Theil des Schlosses steht, so zeigt sich seinem Auge der grössere Theil des alten Gebäudes, der das neue Schlossgebäude vom Hofe aus ganz zu übersehen hindert.

Die beiden nachstehenden Reste des alten Schlosses sind durch einen Altan verbunden, von welchem man eine herrliche Aussicht nach Mühldorf, Liebethal und dem Porsberge geniesst. Von diesem Altane stürzte 1784 am 18. August der Hofknecht Hartmann im Schlafe, 33 Ellen tief hinunter und brach beide Beine, wurde aber glücklich wieder hergestellt.

Auf dem Schlosse zu Lohmen starb die Wittwe des Churfürsten Johann Georg II. und zwar 1687. Noch wird ihre Stube und das Bett gezeigt, worauf sie starb.

Bei dem Schlosse befindet sich ein mit engl. Parthien versehener Garten.

Zu dem hiesigen Kammergute, welches eine wahre Musterwirthschaft besitzt, gehören 2 Mühlen mit 8 Gängen, eine Schäferei und das Dorf Zeichen unter Wohlstädel, an der Elbe.

Das Brauhaus hat eine Heizung, die sehenswerth ist, die Brauerei überhaupt aber einen bedeutenden Umfang.

Zur Verbesserung der Pferdezucht ist hier eine eigne Stüterei, und die spanische Schäferei hat mit der Stolpner gleiche Einrichtung. In Ansehung der Justiz hatte das Kammergut und der Flecken Lohmen, so wie das Dorf Zaichen eine eigene Gerichtsdirektion in der Person des Justizbeamten von Hohnstein und war von dem Niederamt Lohmen ganz getrennt. Jetzt gehörten die sämmtlichen Orte zum Gerichtsamte von Hohnstein.

Der Flecken Lohmen, ohngeachtet er fast nur ländliche Gewerbe betreibt, hat in Militär und Innungs-Angelegenheiten Stadtrecht, liegt theils an der Brausenitz, so heisst der hintere Theil des Weiseritzthals, theils an der Weiseritz selbst, oder zieht sich längs der Strasse nach Hohnstein und der Bastei auf der Höhe hin.

Eine schöne, mit einem Kreuze geschmückte Brücke führt über die Weiseritz und verbindet die verschiedenen Theile des Fleckens, der einen bedeutenden Flächenraum einnimmt.

Hier herrscht der auffallende Gebrauch, dass jeder Bewohner während der 6 Wochen seiner Frau Bier schenken darf.

Der Flecken selbst besteht aus 140 Häusern mit circa 1000 Einwohnern, drei Mühlen und einem Forsthause.

Sehenswerth ist die freundliche, achtseitige Dorfkirche, die mit ihren drei Emporkirchen einen wohlthuenden Anblick gewährt und wohl eine der schönsten Landkirchen Sachsens ist.

Ausser dem Feldbau wird auch viel Hopfenbau hier getrieben; eine Nebenbeschäftigung ist das Bleichen und Spinnen des selbst erbauten Flachses.

Der sogenannte Lohmer Grund ist bekannt geworden bei dem In- und Auslande. Eng ist der Grund, oft aber durch die auf beiden Seiten so häufigen Steinbrüchen wohl auf 50 Ellen erweitert.

Durch die vielen herabgerollten Felsstücken, über welche zum Theil die Weiseritz in verschiedenen Krümmungen schäumend brausst, ist er unwegsam geworden und die glatt gearbeiteten Wände der so häufigen Brüche unterbrechen unfreundlich das Romantische dieses Grundes, der auch wohl nur deshalb sehenswerth ist, weil hier die ersten Felsparthieen des romantischen Gebirges beginnen. Der Anblick der Steinbrüche hat etwas das Gemüth niederschlagendes, das mühsame Lösen der Steine, die gefahrvolle Arbeit, die schwachen Stützen, auf welchen oft ein ungeheurer Felsblock ruht, erfüllen das Herz mit banger Sorge und der Gedanke an die schwere Arbeit zu dem verhältnissmässig geringen Gewinn ist eben nicht geeignet, Zufriedenheit in die Seele zu rufen.

(M. G.)     



[203]
Pesterwitz.


Eine der ältesten alten Burgwarten stand hier in diesem Orte, welcher 1½ Stunde südwestlich von Dresden, links ab von der Strasse nach Freiberg gegen 800 Pariser Fuss über dem Meere ziemlich hoch, aber sehr angenehm gelegen ist.

Als blosse Burgwarte kommt Pesterwitz unter dem Namen Buistrizzi und Bustrizi vor, von deren ehemaligem Dasein noch einige Ueberreste auf einem Berge in der Nähe des Dorfes Zeugniss geben. Sie wurde mit Meissen und Scharfenberg gleichzeitig von Heinrich I. zum Schutze der deutschen Colonien im Plauen’schen Grunde angelegt.

Das Dorf entstand erst später, wurde damals Besterwicz geschrieben und war ein Küchengut des Meissner Bischof, deren er fünf hatte. Die Verleihung erfolgte einer Uebereinkunft des Papstes Sixtus IV. mit den sächsischen Fürsten Ernst und Albert zufolge jedesmal besonders.

Die alte Burg wurde zur Zeit des Hussitenkrieges gänzlich zerstört, wo es Eigenthum eines Johann von Miltitz war und unter das bischöfliche Amt Priessnitz und unter das Dresdner Amt gehörte.

Erst im Jahre 1651 wurde erst das eigentliche Rittergut gegründet und zwar vom Freiherrn[VL 4] von Schwendendorf[VL 5], welcher früher Christian Reichbrod hiess und 1646 unter obigem Namen geadelt wurde.

Die Bildung des Ritterguts erfolgte durch Dazuschlagung von 4 Bauergütern. Nach dem Geschlechte derer von Schwendendorf kam es 1752 an die Kammerherrin von Nimtsch geb. von Haustein und 1820 an den Baron von Thümen, von welchem es der Freiherr von Burgk erkaufte, der es jetzt noch besitzt.

Das Schloss mit seinem hohen Thurme ist eine Zierde der Gegend und steht fast mitten im Orte. Bis zur Einführung der neuen Gerichtsorganisation gehörten die Dörfer Altfranken und Dölzschen dazu.

Zum Gute gehören vortreffliche Fluren und ausgezeichnete Obstplantagen, berühmt aber ist es durch seine unterirdischen Schätze, seine Kohlen, welche durch einen Hirten im 16. Jahrhundert entdeckt wurden. Ein Hirt legt auf den Kohlsdorfer Fehlern Feuer an und umbaut dasselbe, weil der Wind heftig webt, mit schwarzen Steinen, welche ein Pferd aus der Erde gestampft hatte, das zugleich mit den Kühen weidet. Der Hirt sieht mit Verwunderung, dass die schwarzen Steine zu brennen anfangen, erzählt es am Abend seinem Herrn, welcher zwar keinen Glauben beimessend, doch neue Versuche macht und so der Schöpfer des Steinkohlenbaues wird.

Die hiesigen Steinkohlenflötze ziehen sich von Burgk am Windberge unter der Weiseritz weg, bis hin nach Zaukerode, Kleinhermsdorf, Kohlsdorf und Pesterwitz und liegen da nicht selten 3- und 4fach übereinander mit dazwischen grenzendem Sandstein und Schieferthon von 15 bis 12 Ellen Stärke. Die Kohlen werden kunstmässig in Grab-, in Schiefer-, in Pech- und in Blätterkohle oder in Schiefer (Kalk) Kohle, in Hausschiefer und Schmiedekohle abgetheilt.

Der ersteren Sorte bedient man sich hauptsächlich zum Kalkbrennen, der zweiten zur Zimmerheizung. Der ganze hiesige Lagergrund ist, wie deutliche Spuren beweisen, durch Ueberschwemmungen gebildet, was für die vegetabilische Entstehung der Kohlen spricht. Vitriolsäure Körper, wie Gyps, Alaun und Schwefelkies findet man, so wie selbst Vitriol häufig in [204] den Werken; alle Grubenwasser sind damit geschwängert. Abdrücke von Wald und Sumpfkräutern, von Schilf und Baumblättern sind auch nicht selten; im Pesterwitzer Revier hat man selbst immer halbverkohlende Holzstücke gefunden; die Heuer nennen das Sprieselholz.

Die Weiseritz theilt die Flötze in zwei Haupt-Reviere, dies- und jenseits. Das diesseitige Revier trennt den Zaukeroderbach und den Sauberg wieder in zwei Reviere; deren eins von Pesterwitz und Kohlsdorf bis an den Sauberg, das andere aber von der Höhe dieses Berges nach dem Zauberthale, nach Döhlen und Niederhermsdorf streicht.

Die Dampfmaschinen, die Hüttenarbeiter hiesiger Gegend machen das Verweilen des Reisenden hier angenehm und reizend. Stundenlang kann man dasitzen und in dem Beschauen des regen Lebens vergehen die Stunden wie Minuten.

Es giebt wohl keine schöneren Partien Sachsen, als die des Plauen’schen Grundes, wozu Pesterwitz zu zählen ist.

Vor unsern Augen breiten sich weite Wiesenflächen aus, ringsum von verschieden gestalteten Bergen eingefasst.

Der 310 Ellen hohe Windberg gewährt einen grossartigen Anblick, in dessen Hintergrund sich Burgk zeigt. Die Ansicht vom Burgkberge, von Pesterwitz, dem Nimtschen Weinberge und von Neunimptsch sind im höchsten Grade interessant, und stehst du Besucher dieser Gegend auf den Fluren von Pesterwitz, so überschauest du 15 Kirchthürme, in welche über 100 Kirchthürme eingepfarrt sind. An einem schönen Sonntags-Morgen stelle Dich her, beschaue diese Gegend und höre auf das Lauten der Glocken der Umgegend und dein Herz wird sich heben und rufen: Ach! wie schön ist diese Welt, wenn nur auch deren Bewohner verstanden, das Leben auf derselben angenehm und zufrieden zu machen.

Die Lage von Neunimptsch ist darum ausgezeichnet, weil es auf der Ecke desjenigen Gebirges liegt, das den Plauen’schen Grund auf der Westseite und den Zaukeroder auf der Nordseite einschliesst.

Eine Viertelstunde davon liegt Pesterwitz. Das Dorf Neunimptsch ist erst nach und nach seit 1791 auf dem zum Rittergute Rossthal gehörenden Grund und Bodeb erbaut worden und die Gründung dazu hat der Geheimerath von Nimptsch veranlasst, welcher Pesterwitz damals besass.

Neunimptsch wird auch sehr häufig „der Kukuk“ oder „Juchhe“ genannt.

Nach neuerm Ursprung ist Niederpesterwitz, welches erst seit einigen 50 Jahren aufgebaut ist und von Berg- und Hüttenarbeitern bewohnt ist.

Niederpesterwitz, Neunimptsch, Potschappel, Rossthal, Saalhausen, Zaukerode sind in die Kirche nach Pesterwitz eingepfarrt. Die gesammte Kirchfahrt besteht aus 2000 Einwohnern und 300 schulfähigen Schulkindern.

Das Patronat über Kirche und Schule steht der Gerichtsherrschaft von Pesterwitz zu. Pesterwitz, auch Oberpesterwitz genannt, gehört jetzt zum Gerichtsamte Döhlen.

(M. G.)     



[205]
Berbisdorf


1 Stunde südlich von Radeburg am Promnitzbache, eine Stunde nördlich von Moritzburg, an einem grossen Teiche, auf der Strasse von Dresden nach Radeburg, zwischen den Dörfern Beerwald, Boden, Gross-Dittmannsdorf und Medingen gelegen.

Berbisdorf ist der Stammort der Herren von Berbisdorf, die durch den Freiberger Bergbau grosse und reiche Besitzungen erworben haben und in allen Kreisen Sachsens mit Rittergütern beliehen waren.

Im Jahre 1486 kam das Gut an Reinhardt Marschall und im darauf folgenden Jahrhundert erkaufte dasselbe Christoph von Ziegler, ein Sohn des gelehrten Doctors der Theologie, Bernhardt von Ziegler, welcher unbeerbt starb.

Gegen Mitte des 17. Jahrhunderts besass es Herr Siegismund von Zeidler, Oberster, dann dessen Sohn und Schwiegersohn.[VL 6] Der General Carl Dietrich von Zeidler, später Herr auf Ragewitz mit Grubnitz ist in Berbisdorf geboren.

Der Schwiegersohn von diesem Herrn von Zeidler, der Geh. Rath von Trützschler, kam in den Besitz des Gutes im Jahre 1720, von welchem es dessen Herr Sohn Heinrich Ernst von Trüzschler erbte, dem es, als ehemaligen Merseburger Hofmarschall, noch im Jahre 1752 gehörte, der es bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts noch behauptete.

Erst 1819 acquirirte es der Kammerherr Johann Georg Friedrich von Zaug, von welchem es an die Familie Bassenge gekommen ist, die es jetzt noch besitzt.

Das Rittergutsgebäude ist nicht von grossem Umfang, dagegen können die dazugehörigen Felder und Wiesen nicht schlecht genannt werden, so wie überhaupt Ackerbau und Viehzucht nicht unbeträchtlich sind.

In dasiger Gegend wird reichlich das bekannte Haidekorn gebaut, welches die Grützhändler zu sogenannter polnischer Grütze verarbeiten.

Merkwürdig ist, dass das Rittergutsgebäude zugleich als Kirche dient.

In einem unter dem Dache eingerichteten Beetsaale, zu welchem 46 Stufen führen, werden die gottesdienstlichen Handlungen durch den Pastor von Radeburg verrichtet, von welchem letzterer Ort es Filial ist.

Dagegen ist seit ungefähr 20 Jahren ein ganz neues Schulhaus in Berbisdorf erbaut, in welchem einige 80 Kinder unterrichtet werden.

Vor dem Rittergutshofe befindet sich ein kleiner Thurm, wie solcher in der Abbildung zu sehen ist, wo das Geläute von 2 Glocken sich befindet.

Unser Berbisdorf darf weder mit Berbisdorf oder Berbersdorf im Erzgebirge im frühern Amte Nossen, welches ebenfalls seine Entstehung [206] den Herren von Berbisdorf verdanken soll, noch auch mit Berbisdorf bei Chemnitz verwechselt werden.

In den frühesten Zeiten war unser Berbisdorf nach Radeburg eingepfarrt und erst 1612 wurde Berbisdorf eine selbständige Kirchengemeinde, welcher Carl Dietrich von Zeidler ein Legat von 400 Thlr. hinterliess mit der Bestimmung, dass von den Zinsen dieses Capitals dem Pfarrer jährlich 6 Thlr., dem Schulmeister daselbst 2 Thlr. gegeben und das Uebrige unter die bedürftigsten Armen vertheilt werden solle.

Ausser Berbisdorf sind der Kirche zu Radeburg noch 2 Filiale einverleibt Bärwalde und Würschnitz mit Kleinnaundorf.

Alle diese Orte mögen wohl in früher Zeit zum Kloster in Radeburg gehört haben, woher dieser Kirchenverband noch stammt. Die Schicksale des Ortes anlangend, so litt derselbe vorzüglich stark im Jahre 1400[VL 7] durch die Hussiten, welche unter der Anführung des Procopius hieher kamen, und den Ort in Feuer aufgehen liessen, nachdem vorher schon Radeburg ein Raub der Flammen geworden war.

Wenn Radeburg durch ähnliche Schicksale im 18. Jahrhundert mehrmals noch heimgesucht worden ist, so blieb Berbisdorf bis heutigen Tages davon befreit.

Berbisdorf hat eine schöne freundliche Lage und überall wechseln lachende Fluren mit schönen Obstplantagen ab. Sehr viel zur Verschönerung des Ortes ist von den früheren Besitzern, den Herren von Zeidler geschehen, welche damals auch noch das nahe Rittergut „Boden“ besassen.

Die öde und wüste Capelle in Grossdittmannsdorf, welches schriftsässig zum Orte gehörte, haben ebenfalls diese Herren von Zeidler im Jahre 1605 in eine freundliche, schöne Kirche umgewandelt.

Berbisdorf hat einige 80 Häuser mit 550 Einwohnern, welche jetzt zum Gerichtsamte Radeburg geschlagen sind, während es früher und also vor der neuen Gerichtsorganisation seine eigenen Ober- und Untergerichte hatte.

Die Filialkirche von Berbisdorf steht unter der Inspektion von Grossenhain und unter Collatur der hiesigen Gerichtsherrschaft, so dass der designirte Pastor in Radeburg jedes Mal auch die Probepredigt in Berbisdorf halten muss.

Ausser den Rittergutsgebäuden hat Berbisdorf keine nennenswerthen Gebäude, wenn man nicht noch die dasige Mühle mit 2 Gängen als bemerkenswerth bezeichnen will.

(M. G.)     



[207]
Naunhof,


2½ Stunden südlich von Grossenhain gegen Moritzburg, 1⅝ Stunde westlich von Radeburg, ⅜ Stunden vom nordöstlichen Ende des Friedewaldes gelegen, am Baiersdorfer Bache in nordwestlicher Richtung hinab lang ausgestreckt.

Das Schloss, welches wir in der Abbildung sehen, ist mehr in neuerem Geschmack erbaut und wahrhaft prächtig zu nennen.

Seine Entstehung ist frühzeitig erfolgt, und hat seine eigenen Ritter gehabt, die von dem Orte dem Namen entlehnten, später mag Naunhof eine Zeit lang zu Moritzburg gehört haben.

Deshalb hatte auch das Rittergut längere Zeit der jedesmalige Moritzburger Jägermeister zum Genusse, ein Verhältniss, welches lange Zeit existirte. Daher kommt es auch, dass die Oekonomie des Guts eine vorzügliche zu nennen ist. Namentlich hat der Amtsverwalter Neitzsch sich grosse Verdienste um die Oeconomie des Gutes erworben.

Im Jahre 1800 kam das Gut an Herrn Boudré,[VL 8] worauf es an das von Egydische Geschlecht kam, bei welchem Geschlechte es sich auch jetzt noch befindet.

Zum Rittergute gehören grosse Schäfereien und grosse Teiche, wogegen unter der frühern Jurisdiction von Naunhof kein anderer Ort, als das Dorf Naunhof selbst stand.

Dagegen stellt der jedesmaligen Herrschaft von Naunhof das Collaturrecht über die dasige Kirche und Schule, und über die Nachbarkirche in Steinbach zu. Der Gottesdienst wird in beiden Kirchen wechselsweise gehalten und gemeinschaftlich besucht.

An Festtagen nur findet in jeder Kirche eine Predigt statt.

Bis Naunhof und Steinbach erstreckt sich die Moritzburger Haide, der Friedewald genannt.

Dieser in früheren Zeiten weit grössere Wald hiess sonst die Burggrafen-Haide und war das Wald- und Jagdrevier der Burggrafen zu Meissen, welches diese, nebst anderen Pertinenzien des Burggrafthums, bis zum Jahre 1429 als unmittelbares Reichslehn besassen, dann aber nebst ihren übrigen Besitzungen an den Chorfürsten abtraten.

Ein grosses Jagdschloss, wie später die Dianenburg mitten im Friedewalde erbaut wurde, hatten die Burggrafen noch nicht; aber ihre Jagden waren glänzend, die ganze benachbarte Ritterschaft mit Fräuleins und Knappen war dazu eingeladen und nahm daran Theil.

Und wenn das Signal zum Ende der Jagd gegeben, dann kam die glänzende Gesellschaft zusammen und ein Rittersmann trat hervor und lud alle Versammelte ein auf seine Burg zu einem Festgelage, wo an reicher [208] Tafel das Lob der Jägerinnen gefeiert und manch Minnelied gesungen wurde.

Doch auch Raubgesindel und Zigeunerbanden beherbergte die Burggrafenhaide und folgender Vorfall soll sich zu einer grossen Jagd zugetragen haben.

Ein Edelfräulein war von dem übrigen Jagdgefolge abgekommen und ward plötzlich von einem alten Mütterchen angesprochen, welches um eine Gabe flehte. Das Edelfräulein wies sie ab, da sie keine Börse bei sich habe.

Allein das alte Mütterchen wich nicht von der Stelle, vielmehr kamen noch mehre Männer dazu, umringten das Edelfräulein und machten Miene sie fortzuführen, wenn sie nicht gutwillig sich zu irgend einem Geschenk verstehen werde.

Jetzt blies die Geängstigte in ihr Jagdhorn, worauf von allen Seiten plötzlich Hülfe herbei eilte, so dass das Diebesgesindel vertrieben wurde. Aber noch ehe die Jagdgesellschaft auf ihre Rittersitzen wieder ankam, erfuhr man schon, dass die jüngste Schwester des Edelfräuleins von Zigeunern geraubt sei.

Aus Rache waren die Zigeuner nach dem Vorfalle im Walde sofort auf das benachbarte, ihnen wohlbekannte Ritterschloss jenes Edelfräuleins gezogen und wussten sich in dem Schlossgarten einzuschleichen, wo die Schwester mit ihrer Wärterin allein sich befand. Sofort wurde Jagd auf das ganze Diebesgesindel gemacht und der grösste Theil desselben eingefangen, aber das alte Mütterchen befand sich nicht unter den Gefangenen, ebenso wenig die Geraubte.

Nach allen Seiten wurden Kundschafter ausgeschickt, keine Spur war zu finden und schon gab man das Kind verloren.

Eines schönen Morgens reitet der Rittersmann allein durch seine Fluren und Holzungen; ein treuer Jagdhund war sein Begleiter. Plötzlich bleibt der Hund vor eine Felsenhöhle stehen und ist nicht von der Stelle zu bringen.

Der Hund läuft hinein in die Höhle, kommt wieder heraus, springt freudevoll an seinen Herrn herauf und will denselben so gleichsam bewegen, ihm in die Höhle zu folgen.

Endlich fasste der Ritter den Entschluss, selbst in die Höhle zu gehen, und Himmel, was erblicken seine Augen! An einem spärlichen Lampenlichte sitzt die alte Zigeunerin und neben ihr, mit weiblicher Arbeit beschäftigt, sein Kind, die sich ziemlich an die Alte gewöhnt zu haben schien und sie Mutter Steinbach nannte. Die Alte erzählte nun, dass sie ganz verlassen hier lebe und schon lange ihre That bereut habe. Der Ritter verzieh ihr, nahm sein Kind und zum Andenken an die glückliche Rettung des Kindes soll derselbe das Dorf Steinbach erbaut haben, welches nahe am Friedewalde und von Moritzburg 1 Stunde entfernt liegt.

Steinbach hat daher auch eine Nachbarkirche von Naunhof und die Collatur steht dem Rittergute Naunhof zu, weshalb man auch auf die Vermuthung gekommen ist, dass der Erbauer von Steinbach ein Besitzer von Naunhof war.

In der Nähe von Steinbach befinden sich mächtige Torflager und dasselbe hat auch einigen Weinbau.

In Steinbach wie in Naunhof befinden sich je eine Windmühle.

Bemerkenswerth ist auch, dass zum Rittersitze von Naunhof noch 13 Häuser und eine Ziegelhütte gehören, was zusammen der neue Anbau genannt wird.

Naunhof mit seinen 380 Einwohnern gehört jetzt zum Gerichtsamte Radeburg, Steinbach mit 319 Insassen zum Gerichtsamte Moritzburg.

(M. G.)     




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Anmerkungen der Vorlage

  1. handschriftliche Korrektur: Duba
  2. handschriftliche Korrektur: Wesenitz
  3. handschriftliche Korrektur: Gefunden
  4. handschriftliche Korrektur: gestrichen
  5. handschriftliche Korrektur: Schrenkendorf
  6. handschriftliche Korrektur: und Schwiegersohn gestrichen
  7. handschriftliche Korrektur: 1430
  8. handschriftliche Korrektur: Boufé
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