Album der Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen I. Section/H25

Heft 24 des Leipziger Kreises Album der Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen von Gustav Adolf Poenicke (Hrsg.)
Heft 25 der Section Leipziger Kreis
Heft 26 des Leipziger Kreises
Die Beschreibungen sind auch als Einzeltexte verfügbar unter:
  1. Leisnig mit Mildenstein
  2. Lobstädt
  3. Thierbach
  4. Gestewitz


[193]
Leisnig mit Mildenstein.


Nördlich von der Stadt, welche 6 Meilen südöstlich von Leipzig zwischen Döbeln, Kolditz und Grimma gelegen ist, auf einem zu dem Berge, worauf Leissnig erbaut ist, gehörigen steilen und pralligen Felsen erblickt man das in der Abbildung befindliche Schloss Mildenstein, (Muldenstein genannt) welches durch das, aus einigen Häusern vor der Stadt bestehende sogenannte Burglehn, worinnen sonst die Burgvögte wohnten, fast mit der Stadt zusammenhängt, besonders seit dem die Zugbrücken und vormaligen Festungswerke abgetragen worden sind.

Der Schlossberg liegt etwas niedriger als der südliche Theil der Stadt; schon die Sorbenwenden hatten hier ein Schloss erbaut, welches nicht mehr existirt. Das spätere Schloss auf derselben Stelle hat Heinrich I. im Jahre 922 erbaut, welcher Aufseher hierher setzte und solche nach dem Orte benannte. Schon im Jahre 933 half ein Johannes von Leissnigk die Hunnen mit überwinden.

Im Jahre 1053 finden wir zuerst in den Urkunden die Namen des Schlosses erwähnt, auf welchem die gedachte Familie von Lisnik residirte. Doch bald darauf und zwar im Jahre 1085 gehörte Leissnig, Stadt und Schloss, der Familie Wieprechts von Groitzsch, welcher es für treugeleistete Dienste in Italien von Heinrich IV. erhielt. Graf Robodo von Aversberg, Gemahl der Enkelin Wieprechts überliess es für 500 Mark Silbers an Friedrich I. Darauf wurde es im Jahre 1158 zu einem Burggrafenthum erhoben, und die Burggrafen residirten auf dem Schlosse Mildenstein, die nach und nach gleich den Meissnischen und andern Würde und Bezirk erblich machten. Diese Leissniger Burggrafen waren zugleich Herren von Strehla, Penig und besassen auch Güter in Böhmen. Im Jahre 1455 nahm ihnen Friedrich der Sanftmüthige Stadt und Burg Leissnig, weil sie sich, in Verbindung mit andern unruhigen Rittern gegen ihn aufgelehnt hatten. Erst später kamen sie wieder durch Kauf in diese ihre Besitzung. Einer der letztern Burggrafen Eustachius von Leissnig, Domherr zu Magdeburg, Halberstadt, und Naumburg, starb am 3. Oct. 1524 zu Penig, an den Folgen eines Faustschlages, den er das Jahr zuvor, in einem Tumulte zwischen den Katholiken und Lutheranern zu Magdeburg erhalten hatte. Er war ein persönlicher Freund der Kurfürsten von Sachsen und Mainz, besonders aber des Papstes Leo X., der ihn zur Unterdrückung der Reformation in Sachsen brauchen wollte, weshalb er auch im Jahre 1518 eigenhändig an ihn schrieb.

Ihm folgte nach seinem Tode der Burggraf Hugo von Leissnig, mit welchem im Jahre 1538 die Burggrafen ausstarben und Leissnig das Burggrafenthum fiel als eröffnetes Lehn Meissen anheim und wurde den unmittelbaren Landen einverleibt.

Das Schloss wurde von Wilhelm dem Einäugigen fast ganz neu erbaut, aber im Jahre 1592 stürzte ein Theil desselben ein und beschädigte Häuser und Menschen.

Es theilt sich in das Vorder- und Hinter-Schloss und war sonst von Gräben und Wällen umgeben. Auch war es mit einer Zugbrücke versehen, die 1722 in eine steinerne verwandelt wurde.

In der Mitte des Schlosses steht ein sehr grosser, fester, runder Thurm, welcher im Umfang 75 in der Höhe 70 Ellen und eine 9 Ellen dicke Mauer hat. Dieser Thurm, so wie der auf dem Burglehn stehende, mag wohl um ein ziemliches älter sein als das Schloss.

Dieses Schloss war nach der von Wilhelm dem Einäugigen unternommenen neuen Herstellung ein sehr festes Schloss, so dass es im Hussitenkriege nicht eingenommen werden konnte.

Im 30jährigen Kriege war das Schloss fast 3 ganze Jahre mit schwedischen Truppen besetzt. Späterhin wurde es der Sitz des Justiz- und Rentamtes und ist es geblieben bis auf die neuesten Zeiten.

Die Schicksale des Ortes anlangend, so sind solche mannigfacher Art gewesen.

Auf dem Heereszuge, Kaiser Karl V., nach Mühlberg musste Leissnig die Last der Einquartierung hart empfinden.

Am 20. April 1547 gelaugte der Prinz von Salmonien, General des Kaisers unter dem Oberbefehl des Herzogs von Alba, in Leissnig an. Den folgenden Tag am 21. April zog Kaiser Karl V. persönlich mit dem vom König Ferdinand durch die Stadt und lies jenseits der [194] Mulde, bei den Dörfern Zollschwitz und Görniz, ein Lager aufschlagen, in welchem auch Herzog Moritz und dessen Söhne, Herzog August und Herzog Heinrich mit zu Felde lagen.

Der Kaiser aber und der römische König kamen nebst hohem Gefolge, wobei viele vornehme Spanier waren, in die Stadt zurück, wo sie übernachteten und fast die ganze Stadt inne hatten. Beim Eingange selbst war ein solches Gedränge von Spaniern, Mönchen, Pferden und Mauleseln, dass die beiden Bürgermeister: Ilgen Körbber und Wolf Schönberg und der Rathsverwande Wolf Koppe, nebst dem Stadtschreiber Schmied, dem Kaiser die Schlüssel zu den Thoren nicht übergeben konnten, sondern sie mussten vor dem Zimmer in des Kaisers Quartier warten, bis nach Ankunft des Dolmetzschers der Kaiser aus dem Gemach trat und dann die vorgenannten Personen auf die Knie nieder fielen und nach einer Anrede des Stadtschreibers Schmied, dem Kaiser die Schlüssel zu den Stadtthoren übergaben, welche auch der Dolmetzscher auf des Kaisers Wink annahm. Der Kaiser versprach auch, auf des Stadtschreibers Fürbitte, dass er die Stadt mit ihren Bürgern, Weibern und Kindern zu Gnaden und in Schutz und Schirm auf- und annehmen und vor arme Unterthanen erkennen wolle, dafern sich Johann Friedrich, Herzog zu Sachsen zuvor mit Sr. königl. Majestät vertrage.

Hierauf reichte der Kaiser den 4 vorgenannten Personen die Hand und entliess sie in Gnaden, nachdem er noch zuvor versichert hatte, dass er ein Geschenk von 50 Scheffeln Hafer, welches man ihm anbot von den armen Leuten in Gnaden annehmen wolle.

Ob nun schon innerhalb der Stadt weder Plünderung noch andere Grausamkeiten geübt wurden, ausser, dass die Soldaten 400 Fass Bier theils tranken, theils in die Keller laufen liessen, so soll doch der Kaiser, auf Antrieb der Spanier, beschlossen haben, wegen einiger Misshandlungen der Einwohner an seinen Soldaten, beim Aufbruch die Stadt, sammt den umliegenden Dörfern plündern und in Brand stecken zu lassen. Der Kaiser nahm jedoch den gefassten Entschluss zurück und liess bei seinem Abzuge eine Garde von 10 Trabanten beim Bürgermeister Körbber zurück.

Dazu war die Veranlassung folgende: Einer von den deutschen Offizieren, welche von dem gefassten Entschlusse des Kaisers Kenntniss hatte, erblickte von ohngefär in seinem Quartiere das Bildniss des berühmten Mathematikers Petri Apiani, sonst Bärenwitz genannt, – welcher in Leissnig im Jahre 1493 geboren war – Lehrers des Kaiser Karl V. in der Astronomie.

Als nun der Offizier von seinem Wirth erfuhr, dass dieses das Bild seines (des Wirths) Bruders Bildniss sei und dass Petrus Apianus in diesem Hause geboren, berichtet der Offizier sogleich dem Kaiser, die Mittheilung, die ihm von seinem Wirthe gemacht worden war.

Auf diesen Bericht liess der Kaiser sich dahin vernehmen: „Es sollte ihm leid thun, dass er den vornehmen Petrum Apianum also betrüben und seine Vaterstadt in Unglück hätte setzen sollen.

Auch wurde auf Befehl des Kaisers harte Leibes- und Lebensstrafe angeordnet, dass kein Soldat einen Menschen in der Stadt beleidigen oder das Geringste nehmen solle.

So ward Petrus Apianus, welcher 1541 vom Kaiser in den Adelstand erhoben worden war, der Retter der Stadt. Apianus aber ist im Jahre 1552 in Ingolstadt gestorben.

Nach Johann Friedrichs Gefangennehmung, als Moritz die Chur Sachsen erhielt, hat der Römische König Ferdinand die Stadt Leissnig und Burggrafschaft, und etliche andere Graf- und Herrschaften des Landes, so böhmisch Lehn waren zur Entschädigung der aufgelaufenen Kriegskosten an sich gezogen; wurden aber den 19. Juli 1549 vom Churfürst Moritz, gegen Abtretung des Fürstenthums Sachsens in Schlesien, wieder zum Lande gebracht.

Im 30jährigen Kriege hat Leissnig aber am schrecklichsten gelitten. Denn der Oberst Schönickel, der Oberst Döbitz beehrten die Stadt mit ihrem Besuche und waren nicht allenthalben die freundlichsten Gäste.

Der schwedische Oberst Schlange glaubte seinen Vorgängern nicht nachstehen zu müssen, und verheerte die Stadt durch Feuer und Schwerdt. Auch der schwedische General-Major von Banner, der Oberst Lampe und Graf Kynsky haben in den Jahren 1640, 1644 und 1643 keine Denkmale der Güte und Liebe sich hier errichtet. Der General Königsmark folgte den vorhergenannten, liess das Schloss beschiessen und drang am 9. Aug. 1645 in selbiges ein.

Nach dem westphälischen Frieden suchte die Stadt sich wieder emporzuraffen und blieb bis zum Jahre 1800 von besondern Unglüksfällen frei. Allein mit dem Jahre 1803 brach wieder das Unglück über [195] Leissnig herein. Eine grosse Feuersbrunst verzehrte einen grossen Theil der Stadt mit dem massiven Rathhaus, welches früher mitten auf dem Markte stand.

Bei dem Wiederaufbau der Stadt wurde das Rathhaus nicht wieder an seine alte Stelle gebracht, sondern in die Reihe der Häuser am Markte auf die Stelle des mit abgebrannten Gasthofes zum goldenen Engel gebaut, wodurch der Marktplatz neu gewonnen hat, was deshalb zu wünschen war, weil die bedeutenden hiesigen Getreidemärkte einen grossen Raum verlangen.

Ausser jenem grossen Brandte sind Stadt, Vorstädte und Scheunen öfters auch durch kleine Feuersbrünste heimgesucht worden.

Die Stadt Leissnig besitzt ausser dem beschriebenen Schlosse und dem Rathhause noch 2 erwähnenswerthe Kirchen.

Die eine ist die Haupt- und Pfarrkirche zu St. Matthiä und die im Jahre 1400 erbaute Nicolaikirche oder Gottesackerkirche.

Der Pfarrsprengel zu Leissnig und die Kirche zu St. Matthiä waren schon zu Ende des 12. Jahrhunderts vorhanden.

Nach einer Urkunde vom Jahre 1192 wurde die Pfarrei von Leisenik mit allen Zubehörungen, Kappellen, Dörfern, Mühlen, Aeckern und Wiesen, Weiden und Bergen, dem damals neugestifteten Kloster Buchau oder Buch zugeeignet. Der Abt von Buchau erbte das Patronatrecht. Noch im 14. und 15. Jahrhundert hatte das Kloster Buch über die Stadt Leissnig und dessen Schloss grosse Gewalt, welche erst in 16. Jahrhundert gebrochen wurde, wo die Stadt mehre Güter und die eigne Jurisdiction sammt Patronatrecht erworben hat.

Eingepfarrt nach Leissnig sind Brösen, Groschwitz mit Rittergut, das Gut Hasenberg, Meinitz, Minkwitz, Neu- und Neuneudörfchen, Röde, Tautendorf, sowie die Liebchens- die Kürsten- und die Schanzenmühle[WS 1].

An der Hauptkirche ist ein Superintendent und 2 Diaconen angestellt, wovon erstere unter Collatur eines hohen Ministeriums des Cultus und öffentlichen Unterrichts stehen, die Stellen der Diaconen und die wirklichen Schullehrerstellen aber von Stadtrathe besetzt werden.

Die Superintendur ist ein grosses feststehendes Gebäude in altem Klosterstil. Das Diaconat ist auf die Stadtmauer erbaut, aus welcher man eine romantische Aussicht in das herrliche Muldenthal nach Kloster Buch hin hat ganz so, wie in der Superintendur.

Von ihren Ursprunge weis man so viel dass es eine Terminey der Brüder zu Oschatz war. Jobst Marschalk, der wegen eines Todschlages von seinem Gute Döschitz von dem Herzog Georg zu Sachsen vertrieben worden war, hat sie den Barfüsser-Mönchen zu Oschatz abgekauft. Nach dem er sie einige Jahre besessen hatte und keinen Geschoss darauf bezahlen wollte, verkaufte er selbige. Florian von Könneritz kaufte nun das Haus 1547 und liess es seinem Weibe in Lehen geben. Nachher wurde es zur Diaconats-Wohnung erkauft und im Jahre 1656 neu erbaut.

Die jetzige Bürgerschule ist ein in den Jahren 1820 und 1821 von Grundaus neu erbautes Gebäude, auf dessen Platze früher die Knabenschule und die Kirchen vorstanden. An der Schule sind 7 Lehrer angestellt, welche 4 Knaben und 3 Mädchenclassen unterrichten.

Die Zahl der Schulkinder beträgt über 800. Für Kirche und Schule und Universität sind in Leissnig mehre wohlthätige Stiftungen vorhanden, worunter die Wagner’sche und die Hoffmann’sche nennenswerth ist; letztere bezieht sich auf 12 Freistellen am Convicte in Leipzig für Leissniger und Freiberger Kinder, die Theologie studiren. Die Grafen von Vitzthum und Eckstädt haben von diesen Convictstellen 4 zu besetzen, die übrigen werden vom Stadtrathe zu Freiberg vergeben.

Von der Quell’schen Familie, deren Stammvater Gottlob Leonhard war, ist durch ein Legat für arme Schulkinder in der Maasse gesorgt, das viele derselben den Schulunterricht unentgeldlich geniessen können.

Leissnig hat eine vortreffliche Lage und ist rücksichtlich seines guten Kornbaues als die Meissner Schmelzgruben bekannt, wie Melanchthon Leissnig zu nennen pflegt.

Oestlich, südlich und westlich ist die Stadt von einer äusserst üppigen Obstpflege, nicht nur in Gärten, sondern auch auf den Communplätzen gleichsam wie von einem grossen Baumgarten umgeben, und die Aussicht auf das nahe Muldenthal ist eine sehr romantische zu nennen.

Die schönste Fernsicht bietet sich dem Auge auf dem Schlossberge, auf dem sognannten Kessel, auf dem Dreihügelberge, wo vor Heinrich I. Zeiten die Sorbenwenden eine Burg erbaut gehabt haben sollen, welche aber schon 933 geschleift worden ist. Jedem Fremden ist aber noch der Besuch des sogenannten Mirus’schen Garten zu empfehlen. Wenn man in diesem Garten durch das Gartenhaus auf den Balkon hinaus tritt, breitet sich dem Auge des Beschauers das schönste Panorama dar. [196] Ausser den gewöhnlichen städtischen Nahrungszweigen, unter welchen die Tuchmanufactur die bedeutendste ist, sonst auch Kammsetzerei welche jedoch durch die Maschinenspinnerei so gut als verschwunden ist, wird hier natürlich auch Ackerbau getrieben. In der Nähe befinden sich auch mehre Schaafwollspinnmaschinen, wozu auch in der neuern Zeit Tuch-Appreturen, nach niederländischer Art eingerichtet, gekommen sind.

Aus den böhmischen Wäldern auf der Mulde anher, aus den Obergebirgswäldern von der Zschopau werden viele Breter geflösst, was für die Stadt ebenfalls einen guten Nahrungszweig gewährt.

Leissnig hat jetzt 585 bewohnte Gebäude mit 5506 Einwohnern welche unter dem Gerichtsamte Leissnig stehen, dessen vorgesetzte Behörden das Bezirksgericht Rochliz, die Amtshauptmannschaft Döbeln, und die Kreisdirection Leipzig bilden.

M. G.     




Lobstädt


Lobschitz, Lobschwitz genannt, liegt ¾ Stunde von Borna und 5 Stunden von Leipzig am rechten Ufer der Pleisse, von Westen begrenzt durch eine herrliche Aue, die weithin von Süden nach Norden führt und auf vielen Punkten von schattigen Buschwerk umgeben und mit freundlichen Dörfern besäet ist. Die fruchtbaren Wiesen, welche durch jährliche Ueberschwemmungen des Flusses immer reiche Nahrung empfangen, bewirken den Reichthum seiner Bewohner. Zur Zeit der Heuerndte weilet man hier gern, denn der Wandrer wird unwillkührlich gefesselt an die reich beladenen Wagen.

Die Gründung des Ortes ist von den Sorbenwenden erfolgt, wie dies die Endung des Namens auf itz deutlich an die Hand giebt.

Ein Schloss muss ebenfalls schon frühzeitig hier erbaut gewesen sein, da Lobschitz oder Lobschwitz, das spätere Lobstädt schon 1229 vom Kaiser Friedrich II. an den Burggrafen Albert von Altenburg vererbt wurde, weil Letzterer für ihn vorher 95 Mark verwendet hatte. Dessen Sohn verkaufte es aber im Jahre 1269 an Heinrich von Zeschau, bei welcher Familie es lange Zeit blieb. Durch Verwandschaft kam dann Lobschitz oder Lobschwitz an die von Kuneritz, von Konneritz oder von Könneritz, welche es noch zu Ende des 15. bis Mitte des 16. Jahrhunderts besassen. – Im Jahre 1530 lebte Florian von Könneritz oder Konneritz, welcher die im Jahre 1432 von den Hussitten zerstörte Abtsdorfer Kapelle abbrechen und zu Privatgebäuden verwenden liess. Das Dorf Abtsdorf richtete Windolf II. als Abt des Benedictiner Klosters zu Pegau im Jahre 1101 auf und mit demselben die Abtsdorfer Kapelle. Diese genoss seit dem Jahre 1106 mit dem Pegauer Kloster gleiche Rechte, nach dem Graf Wieprecht sein Kloster dem Römischen Stuhle unterwürfig gemacht hatte, um es nicht in die Hände weltlicher Personen kommen zu lassen. Das Dorf Abtsdorf lag zwischen Borna und Lobstädt. Im Jahre 1551 starb Heinrich von Konneritz, welcher mit Barbara von Breitenbach vermählt war und in dieser Ehe 6 Söhne erzeugte, von welchen der spätere Besitzer von Lobstädt Erasmus von Konneritz berühmt geworden ist, dessen Lebensgeschichte wir schon bei der Beschreibung von Gross-Zössen erwähnt haben.

Mit Laurentia von Gablenz, gebürtig aus Wendischleuba, vermählt, zeugte Erasmus von Konneritz 3 Töchter und 1 Sohn. Er starb 1562 im November und liegt zu Lobstädt begraben. Sein Leichenstein, der ihn als geharnischten Ritter darstellt; steht jetzt in der Vorhalle der Kirche. Die älteste Tochter dieses einflussreichen Mannes, Anna von Konneritz heirathete späterhin den Herrn Abraham von Einsiedel auf Syhra und Hopfgarten, wodurch Lobstädt an dieses perühmte Geschlecht übergegangen ist.

Unter ihnen ist auch Hans von Einsiedel bekannt geworden, dessen Leben wir aber bei Gross-Zössen näher beschrieben haben. Derselbe starb im Jahre 1695 unverehelicht. In seiner Besitzzeit fällt die Erwerbung des Stadtrechtes, von wo an der Name Lobschwitz nicht mehr vorkommt. Wenige Jahrzehnte nach seinem Tode und zwar im Jahre 1724 verfiel Lobstädt in Sequestration und blieb in solcher über 100 Jahre.

Nach der Sequestration zu Ende der 20 ger Jahre kaufte Lobstädt der Oberbürgermeister Scholber, von welchem es an dessen Frau Wittwe kam, deren Sohn es jetzt noch besitzt.

Das Rittergut, das sich mit seinem grossen Garten und mit seinen erneuerten Gebäuden an die Pleisse lehnt, hat 100 Acker Feld, viel Wieswachs und bedeutende Fischerei, dazu gehören grosse Schäfereien, und eine gute Ziegelei.

Lobstädt, mit seiner geseegneten Gegend, hat von jeher viel Kriegsungemach zu ertragen gehabt.

Schrecklich war die ganze Umgegend und auch der Ort Lobschwitz oder später Lobstädt in dem schweren Kriege verwüstet, den Adolf von Nassau, der Kaiser, gegen die Markgrafen Friedrich und Dietzmann führte weil diese ihr, als künftiges Erbe ihnen zugehöriges Land, dass ihr Vater, Albrecht der Unartige, hinterlistig für 12,000 Mark Silber verkauft [197] hatte, nicht in fremde Hände kommen lassen wollten. Im Jahre 1295 rückte Adolph mit einem grossen Heere in Thüringen und später auch im Pleissnerlande ein. Leipzig ergab sich. Borna wurde niedergebrannt und manche schwere Gewaltthat in der eroberten Gegend ausgeübt. Friedrich floh, aber im Jahre 1308 kam er, nachdem er mit eigner Hand zwischen Altenburg und Borna den Philipp von Nassau, einen Bruder des Kaisers Adolph im Zweikampf getödtet hatte (der wahrscheinlich den Markgrafen Dietzmann den 25. Nov. 1307 in der Thomaskirche zu Leipzig während der Christmetten ermorden liess) in den ungestörten Besitz von Thüringen, Meissen und dem Osterlande.

Auch im Hussittenkriege ist Lobstädt von den wilden Kriegern heimgesucht worden. Noch bezeugen übrig gebliebene Namen von untergegangenen Dörfern hiesiger Gegend, deren Stätte man kaum mehr mit Gewissheit anzugeben vermag, mit welcher Wuth diese aufgereizten Haufen ihre Gräulscenen in jedem Orte widerholten. Ein einfaches Kreuz auf einem freien Platze des Ortes, der sogenannten Schlossgasse soll aus dieser traurigen Zeit herstammen und auf sie hindeuten.

Der 30jährige Krieg brachte ebenfalls über Lobstädt Noth und Elend. Bald wurden die Häuser geplündert, bald schreckten die Schwerdter durch ihre Cräuelthaten die Bewohner.

Viele Güter wurden ganz verlassen, und gross war die Anzahl derer, die den ansteckenden Seuchen erlagen.

Nur der langjährige Frieden, der hierauf folgte und nur durch einzelne Scenen des 7jährigen Kriegs unterbrochen wurde, konnte die tiefgeschlagenen Wunden nach und nach wieder heilen.

Doch wurde Lobstädt mehrmals durch Feuerunglück heimgesucht, welches hier und da wieder grossen Verlust und Nachtheil mit sich führte.

Der französische Krieg brachte später neue Drangsale über den Ort.

Die ganze Hauptmacht der Russen und Preussen, an der Spitze der Kaiser Alexander und der König Friedrich Wilhelm ging vor der Lützner Schlacht im Jahre 1813 durch Lobstädt. Noch zeigt man die Felder, wo 70,000 Mann Russen eine Nacht hindurch bibouakirten und das Haus, wo Alexander das zweite Mal abstieg.

Während der Leipziger Schlacht im October desselben Jahres standen die Oesterreicher mit ihrer Bagage in und um Lobstädt, und Brod und Fleisch musste von hier aus dem vorrückenden Heere nach gesendet werden. Mit bangen Erwartungen waren die Herzen erfüllt; aber das schwere Gewitter entlud sich über Leipzig und in dessen Nähe und nur der ferne Donner des Geschützes erschütterte die Häuser der geängsteten Einwohner von Lobstädt.

Seit dem ist der Friede Deutschlands auch seegnend über die Fluren von Lobstädt gezogen und der Wohlstand hat sich hier allenthalben wieder gehoben.

Der Gutsherr von Lobstädt ist seit 1838 auch Patron der sonst von Ministerium des Cultus besetzten Pfarrstelle. Die Kirche ist im 13. oder 14. Jahrhundert hier gegründet worden, wie wohl sie lange Zeit noch nur als Kapelle bestanden hat.

Erst im Jahre 1610 hat sie ihre jetzige Grösse erhalten, und im Jahre 1829 unterlag sie einer bedeutenden Restauration.

Von der Gutsherrschaft dem Herrn Oberbürgermeister Scholber nebst Frau Gemahlin, ward ihr ein treffliches Oelgemälde, nach Quergino 1836 in Rom von einem jungen Maler, Namens Rösler aus Altenburg, copirt, welches den Altar schmückt. Es stellt die Scene dar, wo Thomas, der Ungläubige, seine Finger in die Nägelmale Christi legt, und enthält somit ein schönes Zeugniss für die Auferstehung des Herrn.

Das Innere der Kirche ist lichtvoll und geräumig, seit dieser Restauration, welche durch ein besonderes Kirchenfest am 1. Septbr. 1813 gefeiert wurde. Noch ist die grosse Liberalität der Gutsherrschaft von Lobstädt von jenem Jahr in Aller Andenken und nie werden Lobstädter Bewohner vergessen, welchen Dank sie derselben schuldig sind.

Lobstädt hat übrigens unter seinen 97 Feuerstätten 2 schöne Gasthöfe, 3 Anspänner-Güter, 62 Nachbarhäuser und 21 Häusler. Die Einwohner, deren Anzahl gegen 685 beträgt, nähren sich gröstentheils von Feldbau, wie wohl auch viele Handwerker hier ihr Brod gefunden haben. Lobstädt, welches früher seine eigne Gerichtsbarkeit hatte, gehört jetzt zum Gerichtsamte Borna.

M. G.     




Thierbach.


1½ Stunde nördlich von Borna in einer flachen, jedoch wegen der angrenzenden Gehölze und benachbarten halb versteckten Dörfer, fürs Auge nicht unangenehm gelegen.

Der Boden hiesiger Gegend ist lehmig und nass, aber fruchtbar, und in trocknen Jahren besonders ergiebig.

Das Rittergut ist durch besondere Grundstücksankäufe noch weit umfangreicher geworden gegen früher.

Das in der Abbildung befindliche Schloss ist nach dem 30jährigen Kriege erbaut und also schon ein Gebäude im neuern Stile. Von dem frühern alten Schlosse sind keine Spuren mehr vorhanden.

Ueber die Entstehung des Orts, desgleichen über den Ursprung und die Bedeutung des Namens, fehlen die ältern Urkunden. Nur so viel ist gewiss, dass als die frühesten Besitzer von Thierbach die Herren von Kitzscher genannt werden, deren Stammschloss das von Borna 1 Stunde entfernt gelegene [198] Kitzscher war. Georg von Kitzscher besass Thierbach 14 Jahre. Dessen 7 Söhne hiessen: Georg, Hans, Caspar, Hildebrand, Wolf, Carl und Friedrich. Nach seinem Tode wurde sein Sohn Wolf mit Thierbach beliehen. Doch blieb das Gut blos bis ins 17. Jahrhundert in dieser Linie. Im Jahre 1645 kam es an Vettern, an Christoph und Carl von Kitzscher auf Zöpen und Kesselshain, nach dem es vorher Wolf Christoph von Kitzscher besessen hatte. Während der Besitzzeit der beiden letzteren Herren, wüthete der 30jährige Krieg. Thierbach war in diesem Kriege ganz verödet, weshalb das Dorf zu Kitzscher gezogen worden war, später wurde der Ort für 2000 Mfl. an einen Herrn von Cramer abgetreten, der es jedoch nicht lange behauptet haben mag.

Denn 1650 wurde Heinrich von Clausbruch mit Thierbach beliehen, welcher für den Aufbau der Kirche und des Dorfes sorgte, und sie möglichst unterstützte, welche sich zur Beschlagnahme ihrer Häuser wieder fanden.

Ihm folgten im Besitze des Ritterguts Sohn und Enkel, worauf es an einen Herrn von Zehmen und endlich an die Familie von Nostiz Rothenburg kam.

Der derzeitige Besitzer ist Herr Carl Wilhelm Martin.

Thierbach hat schlossähnliche herrschaftliche Gebäude mit vortrefflichen Gartenanlagen, guter Schäferei und ausgezeichneter Viehzucht und grosse Torfkohlenwerke, und den einzelnen Gerichtsherrschaften verdankt Thierbach seine Wiedererstehung und sein Aufblühen.

Denn schon im Hussitenkriege wurde Thierbach wie andere Dörfer hiesiger Gegend fast ganz verwüstet. Es lag in Asche und viele seiner Einwohner waren ermordet. Das verödete Dorf wurde an das Rittergut Kitzscher überwiesen, von welchem es gegen 2000 Mfl. später an einem Herrn von Cramer käuflich abgetreten wurde.

Dieser baute das Dorf wieder auf.

Im 30jährigen Kriege wurde Thierbach wieder ein ödes Dorf. Es brannte gänzlich mit dem nahe gelegenen Russdorf ab und hatte mit mehreren andern Dörfern, die jetzt noch wüste liegen, gleiches Schicksal zu ertragen.

In einem unweit Thierbach gelegenem Holze der „Lindhof“ will man Spuren von einem verödeten Dorfe gefunden haben und man zeigt noch den Ort, wo die Kirche gestanden haben soll, so wie den Kirchhof mit seinen Grabhügeln. Einen Beweis dazu soll ein aufgefundener Kirchenschlüssel und ein Glockenklöppel geben, welche Gegenstände man 1793 in der Erde auffand.

Während des 30jährigen Kriegs konnten nur einige der zerstörten Rittergut- und Ortsgebäude aufgebaut werden, bis 1650 Heinrich von Clausbruch mit Thierbach beliehen wurde, der für den Aufbau der Kirche und des Dorfs sorgte.

Bis zum 19. Jahrhundert war dann Thierbach von Kriegsdrangsalen und andern Leiden befreit.

Aber im Jahre 1813 brachte die Völkerschlacht Leipzig, auch dem Dorfe Thierbach und seinen Nachbarorten neues Ungemach.

Mürat kam am 10. Oct. mit seinen Schweden, schlug in Thierbach das Hauptquartier auf und formirte eine dreifache militärische Linie östlich in der Richtung nach Grimma und westlich nach Zöpen zu. Die Russen und Preussen besetzten die Dörfer Kitzscher, Dittmannsdorf, Brausewig, Eyla und Kesselshain, pflanzten auf dem Lorchenberge bei Dittmannsdorf Kanonen auf, beschossen die französische Linie und nöthigten die Franzosen zum Abzuge. Mürat marschirte in der Nacht des 12. Oct. ab.

Am Morgen des folgenden Tages beunruhigten fortwährend russische und preusische Truppen das Dorf, bis endlich ein Schwarm Kosaken anstürmte, das Dorf rein ausplünderten und Alles demolirten. Die Bewohner Thierbachs hatten sich in die benachbarten Holzungen geflüchtet. Die Stille des Sonntags wurde in der Dämmerungsstunde unterbrochen, denn Fürst Colloredo rückte an. Sein Heer lagerte sich zwischen Borna und Espenhain, bivouaquirte bis zum folgenden Tage früh 2 Uhr und zog dann in aller Stille ab. Am Montag erschallte aber des Geschützesdonner auf Leipzigs Fluren. Am 19. Oct. flohen noch alle Einwohner von Thierbach, weil man in dem Wahne stand, dass die Kriegsschaaren sich wieder hierher zurückziehen würden. Doch bald kamen die Friedensboten, der Geschützesdonner schwieg und die geängsteten Einwohner kehrten in ihre zerstörten Wohnungen zurük, richteten solche nach Möglichkeit wieder ein und erfreuten sich nach wenigen Jahren der Früchte des angewendeten Fleisses. Man pflegte die Obstbaumcultur, friedigte die einzelnen Besitzungen ein und lies kein Mittel unversucht um zu Wohlstand zu gelangen.

Das hiesige Rittergut hatte früher nur die Erbgerichte und da das Dorf blos Filialdorf von Eyla ist, so steht über die dasige Kirche auch nicht der hiesigen Gerichtsherrschaft, sondern dem Gerichtsherrn von Kesselshain das Collaturrecht zu, dagegen hat die hiesige Gerichtsherrschaft mit der Gemeinde das Präsentationsrecht der Lehrerstelle des Ortes.

Die Kirche des Ortes ist klein und gewöhnlich doch das Innere derselben hell. Es enthält wenige Gemälde und mehre Grabsteine, Gliedern der herrschaftlichen Familie zum Andenken gesetzt. Am Altare und an der Kanzel befinden sich alte Holzschnittwerke. Der Gottesdienst in Thierbach beginnt das ganze Jahr hindurch früh 7 Uhr und wird vom Pfarrer und Lehrer zu Eyla geleitet.

Die Kirche besitzt auch einiges Vermögen.

Die Zinsen des beim Kirchenärar mit verrechneten sogenannten Weissenbrecher Legats werden zur Hälfte zum Bücherankaufe für arme Schulkinder verwendet, während die andere Hälfte der Kirche und dem Lehrer überlassen wird. Seit dem Jahre 1837 sind die Dörfer Thierbach und Kleinzössen von Eyla ausgeschult. Thierbach hatte zwar früher auch schon seinen eignen Lehrer, musste aber doch wenigstens im letzten Jahre seine schulpflichtigen Kinder solches nach Eyla schicken.

Dieses Verhältniss hat mit dem Jahre 1839 seine Endschaft erreicht. Thierbach zählt jetzt 60 schulpflichtige Kinder. Der Ort selbst hat 47 bewohnte Gebäude mit 295 Einwohnern, welche unter dem Gerichtsamte Borna jetzt stehen.

M. G.     



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Gestewitz


auch Gästewiz, Göstewiz genannt, 1 Stunde von der Stadt Borna entfernt, an der frühern Hauptstrasse von Altenburg nach Leipzig gelegen.

Nach Morgen hin erhebt sich, einige Minuten von Gestewiz, eine Anhöhe, auf welcher wir das, in der Abbildung befindliche Rittergut, das Schlösschen genannt, erblicken. Dasselbe bietet in der oberen Gegend einen sehr angenehmen entzückenden Punkt. Von Süd-Osten bis nach Westen hat man in das ganz nahe südlich gelegene mit Ortschaften, Wiesen und bewaldeten Anhöhen decorirte Eylathal eine herrliche Aussicht. Bei heiterem Horizont erblickt man in der Ferne einen grossen Theil der Berge des Erzgebirges und in der Nähe viele benachbarte Dörfer und Städte.

Das Schlösschen ist, wie die Abbildung besagt, mit einem kleinen Thurm versehen, von welchem man ebenfalls eine prächtige Fernsicht geniesst.

Dieses Schlösschen mit seinen herrlichen Gartenanlagen erhebt sich weit gesehen über die Spitzen des nahe liegenden zugänglich gemachten Wäldchens.

Die zu diesem Rittergute gehörigen Fluren, rechnet man zu den ausgezeichnetsten der Umgegend.

Früher hat das Gut unten mitten im Dorfe gelegen, welches ein sehr altes Gebäude war und seine Entstehung den alten Sorbenwenden verdankt. Dagegen befand sich die Schäferei, eine Scheune und die Jägerwohnung schon oben, wo jetzt die im Jahre 1692 durch den damaligen Besitzer, den Dr. jur. Falkner dahin verlegten sämmtlichen Gutsgebäude stehen.

Als die ältesten Besitzer dieses Gutes werden uns die Herren von der Jane oder Jahne, (nicht wohl Than) genannt. Im Jahre 1516 verkaufte Martin von der Jahne das Gut an Heinrich von Koneriz oder Könneriz.

Im Jahre 1530 finden wir hier als Erb-, Lehn- und Gerichtsherrn Rudolph von Zehmen, von welchem es 1554 Georg Maneith acquirirte. Dann kam es 1555 an die Stadt Borna, welche jedoch nach dem 30jährigen Kriege gezwungen war, solches wieder zu verkaufen. Dann ungefähr ums Jahr 1670 acquirirte es der Dr. jur. Johann Friedrich Falkner, welcher das Gut aus Mannlehn in Mann- und Weiberlehn umwandeln lies. Nach seinem Ableben folgten im Besitze seine Söhne, die Doctoren der Rechte, Friedrich Michael und Abraham Friedrich Falkner. Von der Wittwe des letzteren kaufte es im Jahre 1735 Tobias Ludolph von Zehmen, dessen Nachfolger sein Sohn gleichen Namens war. Nach seinem Tode wurden die Erben des Gutes Gestewiz Johann Friedrich von Zehmen, Ferdinand Ludwig von Haussen und Christiane Friederike von Griesheim, denen das Erbe Frau Charlotte Margarethe von Zehmen geb. Breukessel abkaufte. Es ist dies dieselbe, welche das von dem Dr. Falkner erbaute, aber baufällig gewordene Wohnhaus wieder neu aufbaute, aber durch ihr Ableben an der Vollendung desselben gehindert wurde. Ihr Nachfolger im Besitze Ferdinand Ludwig von Zehmen, setzte den bis zum Parterre gelangten Bau nicht fort, weil derselbe sich mehr auf seinen Gütern in Thüringen aufhielt oder lieber, wenn er ja in der Leipziger Gegend verweilte, auf seinem Gute Brauswig wohnte. Später jedoch und zwar im Jahre 1806 hatte Herr von Haussen zum Ausbau des Gutes und zur Anlegung eines Gartens 1000 Stück Friedrichsd’ore bestimmt und dieselben eingepackt in seinem Pulte liegen. Die Schlacht bei Jena brachte Marodeurs in die Nähe seiner Wohnung. Von diesen wurde das Pult erbrochen und die Geldtasche ansich genommen, als sei es ihr Eigenthum.

Nun unterblieb der Ausbau bis 1823, wo der neue Besitzer Herr Johann Gottlob Zschammer es ziemlich vollendete und das Weinbergsfeld am Wohnhause, den früheren Weinberg, in Garten verwandelte. Von dieser Zeit an wurde nun Gestewitz bis auf die neuesten Zeiten von seinen Besitzern immer bewohnt.

Nach dem Tode des vorgedachten Besitzers kam es im Jahre 1832 durch Kauf an dessen Tochter, welche an den dermaligen Besitzer Herrn Johann August Schade verheirathet war, und welche noch bei ihren Lebzeiten das Gut in Allodium verwandeln lies.

Seit 1838 hat Gestewitz durch seinen dermaligen Herrn Besitzer seine jetzige vergrösserte Gestalt erlangt und zwar in Folge von Umwandlung von Wald in Felder und durch Erwerbung von Grundstücken.

An Zubehörungen hat Gestewitz mit den circa 100 Acker betragenden Beistücken 333 Acker Areal mit über 8000 Steuereinheiten.

Diejenigen Grundstücke, welche zu der Zeit, wo die Stadt Borna Besitzerin von Gestewitz war, und zwar in Folge des 30jährigen Krieges davon verkauft werden mussten, sind nun alle fast wieder mit dem Gute vereinigt.

Merkwürdig ist es, dass Gestewitz, welches bis zum Jahre 1516 nach den vorhandenen alten Lehnbriefen sonst alle Rechte und Eigenschaften der andern Rittergüter (z. B. Ober- und Untergerichte, Lehnen [200] und Erbzinsen, Frohnen, Jagd, Fasanerie, Beleihung durch den Landesherrn, Stellung eines Pferdes zum Kriegsdienste u. s. w.) hatte, nicht auf den Kreistagen der Rittergutsbesitzer erscheint. Es giebt zwar im Lande noch 20 Rittergüter, welche sich in derselben Lage befinden; allein der Grund dafür, konnte bis jetzt von Niemandem genau angegeben werden. Es kann dieses Recht blos durch ein Versehen des einen oder andern früheren Besitzers verloren gegangen sein.

Das Dorf Gestewitz hat ausser dem Rittergute noch 31 bewohnte Gebäude. Die Felder der Bewohner gehörten ehedem zu der Mark Krossen. Dieses Krossen war ehedem ein, zu dem damaligen Kloster Mölbis gehörendes Dorf, welches im Hussitenkriege schon zerstört wurde.

Der grösste Theil der Grundstücke blieb wüste liegen und wurde unter dem Namen der Mölbisser Heide von dem Rittergute und Dorfe Mölbis, sowie von den angrenzenden Dörfern zur Koppelhuthung benutzt.

Die Grundstücke, die an Bauern in Hain, Klein-Zössen und Gestewitz verliehen wurden und früher dem Kloster Mölbis zinsbar waren, erhielten die Besitzer später von der Kirche zu Mölbis in Lehn.

Zu Anfang des 19. Jahrhunderts wurden die wüste gebliebenen Stücke urbar gemacht und dergestalt vertheilt, dass jedes dahin zu hüten berechtigte Individuum einen Acker von 300 □ R. bekam, der übrige 200 Acker betragende Theil aber dem Rittergute Mölbis anheim fiel, dessen Besitzer der Rittmeister von Hopfgarten ein Vorwerk anlegte und demselben den Namen des früheren Dorfes Krossen beilegte.

Der Gasthof in Gestewitz, der nahe an der obwegten Haide liegt, wird deshalb heute noch die Haide genannt. – Dieser Gasthof liegt an der Borna-Altenburger Chausse, und war früher von Fuhrleuten stark besucht.

Gestewitz gehört ebenfalls zu denjenigen Orten, welches die Schrecken des Jahres 1813 mit erleben musste.

Im neuerbauten Parterre des Schlosses wohnte im October 1813 auf dem Marsche zur Leipziger Schlacht der Vicekönig Mürat und beobachtete vom Schlossthurme aus, mit Marschall Victor die nachrückenden Russen. Letztere hatten diese Recognoscirung bemerkt und beschossen nun die französische Linie besonders nach dem Schlosse Gestewitz hin. Ein Einwohner von Kesselshain büsste bei diesem Scharmützel das Leben ein. Während derselbe einem Soldaten Feuer reichen wollte, riss ihm eine Kanonenkugel den Kopf ab. Nach Abzug der Franzosen quartierten sich die Russen ein, welche durch Fahrlässigkeit die Veranlassung zu dem in den Wirthschaftsgebäuden ausgebrochenen Feuer waren. Obgleich die Russen auf Befehl ihrer Officiere das Wasser in den Czako’s aus dem unten gelegenen Teiche tragen mussten, so war das Feuer doch nicht zu bewältigen, da es an andern Rettungswerkzeugen fehlte, und die Wirthschaftsgebäude und eine Scheune wurden ein Raub der Flammen.

Gestewitz ist mit Kesselshain, Brauswig, Kleinzössen nach Eyla eingepfarrt, welches früher den Namen Yla führte.

Eyla war früher ein besonderes Lehngut, woran wenigstens ein Thimo von Yla erinnert, welcher im Jahre 1312 vorkommt.

Später gehörte das Dorf erbgerichtlich unter das Rittergut Kesselshein, dem auch das Patronat über Kirche und Schule zusteht.

Im westlichen Theile des Dorfes Eyla ragt die alte, von Wieprecht von Groitzsch ums Jahr 1106 durchaus massiv erbaute Kirche empor.

Diese Kirche liegt auf dem höchsten Punkte Eyla’s, welcher eine angenehme Aussicht nach den südlichen Auen und Fluren, sowie theilweise nach dem Rittergute Gestewitz hin bietet.

Dicht an der Kirche, am Abhange der kleinen Anhöhe, liegt der Todtenacker, seiner Lage nach so recht geeignet, auf das Erstehen oder Absterben der Natur hin zu deuten.

Nach Eyla schickt Gestewitz seine schulpflichtigen Schulkinder ebenfalls in die Schule.

Der Ort Gestewitz mit seinen 198 Bewohnern gehört jetzt ebenfalls zum Gerichtsamte Borna.

M. G.     




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Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Schanzenmüthe
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