Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen: Gestewitz

Textdaten
<<< >>>
Autor: M. G.
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Gestewitz
Untertitel:
aus: Leipziger Kreis, in: Album der Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen. Band I, Seite 199–200
Herausgeber: Gustav Adolf Poenicke
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1860
Verlag: Expedition des Albums Sächsischer Rittergüter und Schlösser
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer: {{{ÜBERSETZER}}}
Originaltitel: {{{ORIGINALTITEL}}}
Originalsubtitel: {{{ORIGINALSUBTITEL}}}
Originalherkunft: {{{ORIGINALHERKUNFT}}}
Quelle: Commons = SLUB Dresden
Kurzbeschreibung:
{{{SONSTIGES}}}
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite
[Ξ]
[199]
Gestewitz


auch Gästewiz, Göstewiz genannt, 1 Stunde von der Stadt Borna entfernt, an der frühern Hauptstrasse von Altenburg nach Leipzig gelegen.

Nach Morgen hin erhebt sich, einige Minuten von Gestewiz, eine Anhöhe, auf welcher wir das, in der Abbildung befindliche Rittergut, das Schlösschen genannt, erblicken. Dasselbe bietet in der oberen Gegend einen sehr angenehmen entzückenden Punkt. Von Süd-Osten bis nach Westen hat man in das ganz nahe südlich gelegene mit Ortschaften, Wiesen und bewaldeten Anhöhen decorirte Eylathal eine herrliche Aussicht. Bei heiterem Horizont erblickt man in der Ferne einen grossen Theil der Berge des Erzgebirges und in der Nähe viele benachbarte Dörfer und Städte.

Das Schlösschen ist, wie die Abbildung besagt, mit einem kleinen Thurm versehen, von welchem man ebenfalls eine prächtige Fernsicht geniesst.

Dieses Schlösschen mit seinen herrlichen Gartenanlagen erhebt sich weit gesehen über die Spitzen des nahe liegenden zugänglich gemachten Wäldchens.

Die zu diesem Rittergute gehörigen Fluren, rechnet man zu den ausgezeichnetsten der Umgegend.

Früher hat das Gut unten mitten im Dorfe gelegen, welches ein sehr altes Gebäude war und seine Entstehung den alten Sorbenwenden verdankt. Dagegen befand sich die Schäferei, eine Scheune und die Jägerwohnung schon oben, wo jetzt die im Jahre 1692 durch den damaligen Besitzer, den Dr. jur. Falkner dahin verlegten sämmtlichen Gutsgebäude stehen.

Als die ältesten Besitzer dieses Gutes werden uns die Herren von der Jane oder Jahne, (nicht wohl Than) genannt. Im Jahre 1516 verkaufte Martin von der Jahne das Gut an Heinrich von Koneriz oder Könneriz.

Im Jahre 1530 finden wir hier als Erb-, Lehn- und Gerichtsherrn Rudolph von Zehmen, von welchem es 1554 Georg Maneith acquirirte. Dann kam es 1555 an die Stadt Borna, welche jedoch nach dem 30jährigen Kriege gezwungen war, solches wieder zu verkaufen. Dann ungefähr ums Jahr 1670 acquirirte es der Dr. jur. Johann Friedrich Falkner, welcher das Gut aus Mannlehn in Mann- und Weiberlehn umwandeln lies. Nach seinem Ableben folgten im Besitze seine Söhne, die Doctoren der Rechte, Friedrich Michael und Abraham Friedrich Falkner. Von der Wittwe des letzteren kaufte es im Jahre 1735 Tobias Ludolph von Zehmen, dessen Nachfolger sein Sohn gleichen Namens war. Nach seinem Tode wurden die Erben des Gutes Gestewiz Johann Friedrich von Zehmen, Ferdinand Ludwig von Haussen und Christiane Friederike von Griesheim, denen das Erbe Frau Charlotte Margarethe von Zehmen geb. Breukessel abkaufte. Es ist dies dieselbe, welche das von dem Dr. Falkner erbaute, aber baufällig gewordene Wohnhaus wieder neu aufbaute, aber durch ihr Ableben an der Vollendung desselben gehindert wurde. Ihr Nachfolger im Besitze Ferdinand Ludwig von Zehmen, setzte den bis zum Parterre gelangten Bau nicht fort, weil derselbe sich mehr auf seinen Gütern in Thüringen aufhielt oder lieber, wenn er ja in der Leipziger Gegend verweilte, auf seinem Gute Brauswig wohnte. Später jedoch und zwar im Jahre 1806 hatte Herr von Haussen zum Ausbau des Gutes und zur Anlegung eines Gartens 1000 Stück Friedrichsd’ore bestimmt und dieselben eingepackt in seinem Pulte liegen. Die Schlacht bei Jena brachte Marodeurs in die Nähe seiner Wohnung. Von diesen wurde das Pult erbrochen und die Geldtasche ansich genommen, als sei es ihr Eigenthum.

Nun unterblieb der Ausbau bis 1823, wo der neue Besitzer Herr Johann Gottlob Zschammer es ziemlich vollendete und das Weinbergsfeld am Wohnhause, den früheren Weinberg, in Garten verwandelte. Von dieser Zeit an wurde nun Gestewitz bis auf die neuesten Zeiten von seinen Besitzern immer bewohnt.

Nach dem Tode des vorgedachten Besitzers kam es im Jahre 1832 durch Kauf an dessen Tochter, welche an den dermaligen Besitzer Herrn Johann August Schade verheirathet war, und welche noch bei ihren Lebzeiten das Gut in Allodium verwandeln lies.

Seit 1838 hat Gestewitz durch seinen dermaligen Herrn Besitzer seine jetzige vergrösserte Gestalt erlangt und zwar in Folge von Umwandlung von Wald in Felder und durch Erwerbung von Grundstücken.

An Zubehörungen hat Gestewitz mit den circa 100 Acker betragenden Beistücken 333 Acker Areal mit über 8000 Steuereinheiten.

Diejenigen Grundstücke, welche zu der Zeit, wo die Stadt Borna Besitzerin von Gestewitz war, und zwar in Folge des 30jährigen Krieges davon verkauft werden mussten, sind nun alle fast wieder mit dem Gute vereinigt.

Merkwürdig ist es, dass Gestewitz, welches bis zum Jahre 1516 nach den vorhandenen alten Lehnbriefen sonst alle Rechte und Eigenschaften der andern Rittergüter (z. B. Ober- und Untergerichte, Lehnen [200] und Erbzinsen, Frohnen, Jagd, Fasanerie, Beleihung durch den Landesherrn, Stellung eines Pferdes zum Kriegsdienste u. s. w.) hatte, nicht auf den Kreistagen der Rittergutsbesitzer erscheint. Es giebt zwar im Lande noch 20 Rittergüter, welche sich in derselben Lage befinden; allein der Grund dafür, konnte bis jetzt von Niemandem genau angegeben werden. Es kann dieses Recht blos durch ein Versehen des einen oder andern früheren Besitzers verloren gegangen sein.

Das Dorf Gestewitz hat ausser dem Rittergute noch 31 bewohnte Gebäude. Die Felder der Bewohner gehörten ehedem zu der Mark Krossen. Dieses Krossen war ehedem ein, zu dem damaligen Kloster Mölbis gehörendes Dorf, welches im Hussitenkriege schon zerstört wurde.

Der grösste Theil der Grundstücke blieb wüste liegen und wurde unter dem Namen der Mölbisser Heide von dem Rittergute und Dorfe Mölbis, sowie von den angrenzenden Dörfern zur Koppelhuthung benutzt.

Die Grundstücke, die an Bauern in Hain, Klein-Zössen und Gestewitz verliehen wurden und früher dem Kloster Mölbis zinsbar waren, erhielten die Besitzer später von der Kirche zu Mölbis in Lehn.

Zu Anfang des 19. Jahrhunderts wurden die wüste gebliebenen Stücke urbar gemacht und dergestalt vertheilt, dass jedes dahin zu hüten berechtigte Individuum einen Acker von 300 □ R. bekam, der übrige 200 Acker betragende Theil aber dem Rittergute Mölbis anheim fiel, dessen Besitzer der Rittmeister von Hopfgarten ein Vorwerk anlegte und demselben den Namen des früheren Dorfes Krossen beilegte.

Der Gasthof in Gestewitz, der nahe an der obwegten Haide liegt, wird deshalb heute noch die Haide genannt. – Dieser Gasthof liegt an der Borna-Altenburger Chausse, und war früher von Fuhrleuten stark besucht.

Gestewitz gehört ebenfalls zu denjenigen Orten, welches die Schrecken des Jahres 1813 mit erleben musste.

Im neuerbauten Parterre des Schlosses wohnte im October 1813 auf dem Marsche zur Leipziger Schlacht der Vicekönig Mürat und beobachtete vom Schlossthurme aus, mit Marschall Victor die nachrückenden Russen. Letztere hatten diese Recognoscirung bemerkt und beschossen nun die französische Linie besonders nach dem Schlosse Gestewitz hin. Ein Einwohner von Kesselshain büsste bei diesem Scharmützel das Leben ein. Während derselbe einem Soldaten Feuer reichen wollte, riss ihm eine Kanonenkugel den Kopf ab. Nach Abzug der Franzosen quartierten sich die Russen ein, welche durch Fahrlässigkeit die Veranlassung zu dem in den Wirthschaftsgebäuden ausgebrochenen Feuer waren. Obgleich die Russen auf Befehl ihrer Officiere das Wasser in den Czako’s aus dem unten gelegenen Teiche tragen mussten, so war das Feuer doch nicht zu bewältigen, da es an andern Rettungswerkzeugen fehlte, und die Wirthschaftsgebäude und eine Scheune wurden ein Raub der Flammen.

Gestewitz ist mit Kesselshain, Brauswig, Kleinzössen nach Eyla eingepfarrt, welches früher den Namen Yla führte.

Eyla war früher ein besonderes Lehngut, woran wenigstens ein Thimo von Yla erinnert, welcher im Jahre 1312 vorkommt.

Später gehörte das Dorf erbgerichtlich unter das Rittergut Kesselshein, dem auch das Patronat über Kirche und Schule zusteht.

Im westlichen Theile des Dorfes Eyla ragt die alte, von Wieprecht von Groitzsch ums Jahr 1106 durchaus massiv erbaute Kirche empor.

Diese Kirche liegt auf dem höchsten Punkte Eyla’s, welcher eine angenehme Aussicht nach den südlichen Auen und Fluren, sowie theilweise nach dem Rittergute Gestewitz hin bietet.

Dicht an der Kirche, am Abhange der kleinen Anhöhe, liegt der Todtenacker, seiner Lage nach so recht geeignet, auf das Erstehen oder Absterben der Natur hin zu deuten.

Nach Eyla schickt Gestewitz seine schulpflichtigen Schulkinder ebenfalls in die Schule.

Der Ort Gestewitz mit seinen 198 Bewohnern gehört jetzt ebenfalls zum Gerichtsamte Borna.

M. G.