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Gestewitz


auch Gästewiz, Göstewiz genannt, 1 Stunde von der Stadt Borna entfernt, an der frühern Hauptstrasse von Altenburg nach Leipzig gelegen.

Nach Morgen hin erhebt sich, einige Minuten von Gestewiz, eine Anhöhe, auf welcher wir das, in der Abbildung befindliche Rittergut, das Schlösschen genannt, erblicken. Dasselbe bietet in der oberen Gegend einen sehr angenehmen entzückenden Punkt. Von Süd-Osten bis nach Westen hat man in das ganz nahe südlich gelegene mit Ortschaften, Wiesen und bewaldeten Anhöhen decorirte Eylathal eine herrliche Aussicht. Bei heiterem Horizont erblickt man in der Ferne einen grossen Theil der Berge des Erzgebirges und in der Nähe viele benachbarte Dörfer und Städte.

Das Schlösschen ist, wie die Abbildung besagt, mit einem kleinen Thurm versehen, von welchem man ebenfalls eine prächtige Fernsicht geniesst.

Dieses Schlösschen mit seinen herrlichen Gartenanlagen erhebt sich weit gesehen über die Spitzen des nahe liegenden zugänglich gemachten Wäldchens.

Die zu diesem Rittergute gehörigen Fluren, rechnet man zu den ausgezeichnetsten der Umgegend.

Früher hat das Gut unten mitten im Dorfe gelegen, welches ein sehr altes Gebäude war und seine Entstehung den alten Sorbenwenden verdankt. Dagegen befand sich die Schäferei, eine Scheune und die Jägerwohnung schon oben, wo jetzt die im Jahre 1692 durch den damaligen Besitzer, den Dr. jur. Falkner dahin verlegten sämmtlichen Gutsgebäude stehen.

Als die ältesten Besitzer dieses Gutes werden uns die Herren von der Jane oder Jahne, (nicht wohl Than) genannt. Im Jahre 1516 verkaufte Martin von der Jahne das Gut an Heinrich von Koneriz oder Könneriz.

Im Jahre 1530 finden wir hier als Erb-, Lehn- und Gerichtsherrn Rudolph von Zehmen, von welchem es 1554 Georg Maneith acquirirte. Dann kam es 1555 an die Stadt Borna, welche jedoch nach dem 30jährigen Kriege gezwungen war, solches wieder zu verkaufen. Dann ungefähr ums Jahr 1670 acquirirte es der Dr. jur. Johann Friedrich Falkner, welcher das Gut aus Mannlehn in Mann- und Weiberlehn umwandeln lies. Nach seinem Ableben folgten im Besitze seine Söhne, die Doctoren der Rechte, Friedrich Michael und Abraham Friedrich Falkner. Von der Wittwe des letzteren kaufte es im Jahre 1735 Tobias Ludolph von Zehmen, dessen Nachfolger sein Sohn gleichen Namens war. Nach seinem Tode wurden die Erben des Gutes Gestewiz Johann Friedrich von Zehmen, Ferdinand Ludwig von Haussen und Christiane Friederike von Griesheim, denen das Erbe Frau Charlotte Margarethe von Zehmen geb. Breukessel abkaufte. Es ist dies dieselbe, welche das von dem Dr. Falkner erbaute, aber baufällig gewordene Wohnhaus wieder neu aufbaute, aber durch ihr Ableben an der Vollendung desselben gehindert wurde. Ihr Nachfolger im Besitze Ferdinand Ludwig von Zehmen, setzte den bis zum Parterre gelangten Bau nicht fort, weil derselbe sich mehr auf seinen Gütern in Thüringen aufhielt oder lieber, wenn er ja in der Leipziger Gegend verweilte, auf seinem Gute Brauswig wohnte. Später jedoch und zwar im Jahre 1806 hatte Herr von Haussen zum Ausbau des Gutes und zur Anlegung eines Gartens 1000 Stück Friedrichsd’ore bestimmt und dieselben eingepackt in seinem Pulte liegen. Die Schlacht bei Jena brachte Marodeurs in die Nähe seiner Wohnung. Von diesen wurde das Pult erbrochen und die Geldtasche ansich genommen, als sei es ihr Eigenthum.

Nun unterblieb der Ausbau bis 1823, wo der neue Besitzer Herr Johann Gottlob Zschammer es ziemlich vollendete und das Weinbergsfeld am Wohnhause, den früheren Weinberg, in Garten verwandelte. Von dieser Zeit an wurde nun Gestewitz bis auf die neuesten Zeiten von seinen Besitzern immer bewohnt.

Nach dem Tode des vorgedachten Besitzers kam es im Jahre 1832 durch Kauf an dessen Tochter, welche an den dermaligen Besitzer Herrn Johann August Schade verheirathet war, und welche noch bei ihren Lebzeiten das Gut in Allodium verwandeln lies.

Seit 1838 hat Gestewitz durch seinen dermaligen Herrn Besitzer seine jetzige vergrösserte Gestalt erlangt und zwar in Folge von Umwandlung von Wald in Felder und durch Erwerbung von Grundstücken.

An Zubehörungen hat Gestewitz mit den circa 100 Acker betragenden Beistücken 333 Acker Areal mit über 8000 Steuereinheiten.

Diejenigen Grundstücke, welche zu der Zeit, wo die Stadt Borna Besitzerin von Gestewitz war, und zwar in Folge des 30jährigen Krieges davon verkauft werden mussten, sind nun alle fast wieder mit dem Gute vereinigt.

Merkwürdig ist es, dass Gestewitz, welches bis zum Jahre 1516 nach den vorhandenen alten Lehnbriefen sonst alle Rechte und Eigenschaften der andern Rittergüter (z. B. Ober- und Untergerichte, Lehnen

Empfohlene Zitierweise:
Gustav Adolf Pönicke (Hrsg.): Album der Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen I. Section. Expedition des Albums Sächsischer Rittergüter und Schlösser, Leipzig 1860, Seite 199. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Album_der_Schl%C3%B6sser_und_Ritterg%C3%BCter_im_K%C3%B6nigreiche_Sachsen_I.djvu/306&oldid=- (Version vom 7.1.2019)