Album der Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen I. Section/H14

Heft 13 des Leipziger Kreises Album der Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen von Gustav Adolf Poenicke (Hrsg.)
Heft 14 der Section Leipziger Kreis
Heft 15 des Leipziger Kreises
Die Beschreibungen sind auch als Einzeltexte verfügbar unter:
  1. Wechselburg
  2. Imnitz obern Theils
  3. Zehmen
  4. Deutzen


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Wechselburg.


Wechselburg, mit einem stattlichen Schlosse, der Residenz der Vorderglauchauischen Linie des gräflichen Hauses Schönburg, liegt eine Stunde von Rochlitz, am Fusse des, wegen seiner herrlichen und weiten Aussichten berühmten, Rochlitzer Berges, am rechten Ufer der Zwickauer Mulde. Der Ort liegt auf einer Anhöhe, von welcher sich in südlicher Richtung eine Reihe von Hügeln hinzieht, wird von der Mulde in einem Halbkreise umschlossen und hat nach Norden hin an den schroffen Felsenufern eben so wildromantische als gegen Süden, der breiten Thalebene entlang, liebliche und fruchtbare Parthieen; in dieser nahen Begrenzung und vielfachen Abwechselung beider Charaktere aber liegt der eigenthümliche Reiz der Gegend. Das linke Ufer der Mulde ist hier aus schroffen Abhängen gebildet und enge zusammengedrängt in ein schmales Bett rauscht der Strom vorüber, worauf er allmälig breiter und ruhiger durch das unbeschreiblich liebliche Silberthal sich nach der Rochlitzer Ebene hinschlängelt. Der Bogen, welchen die Mulde bei Wechselburg bildet, umgrenzt den herrschaftlichen Park, dessen schattige Parthieen am Ufer hin ebensosehr den Geist dieser romantischen Gegend repräsentiren, wie die höher befindlichen Gartenanlagen durch schöne und geschmackvolle Abwechselung und Ausstattung den Kunstfreund vollständig befriedigen. Auf der Eulenkluft, dem höchsten Punkte des schroffen Muldenufers, befindet sich ein grosses, schwarzes Kreuz mit der Jahreszahl 1823, das S. Erlaucht Graf Alban von Schönburg-Wechselburg errichten liess, welchem Herrn denn überhaupt nicht nur die ganze Gegend, sondern auch das Schloss, der Park und die Kirche ungemeine Verschönerungen zu verdanken haben. Am rechten Ufer des Stromes, dem Kreuze schräg gegenüber, steht auf vier steinernen Unterlagen eine achtseitige, ungeheure Porphyrplatte, ohne Zweifel ein tausendjähriger slavischer Opferaltar, auf dem man dem Gotte Crodo Opfer schlachtete, denn der Stein wurde bei Crodenlaide, einer dem Crodo geheiligten Stätte, nahe bei Meerane, gefunden. Weiter abwärts befindet sich eine Fähre, durch welche man auf die jenseitige, mit Wald und Wiesen abwechselnde, Traschke genannte Flur gelangt. Höher und entfernter ist eine Einsiedelei mit schöngemalten Fenstern angebracht, und fast am östlichen Ende der Gänge steht auf einer steilen Höhe ein 1824 von Penig hierhergebrachtes Gebäude, Burgstall genannt, von dem man eine bezaubernde Aussicht auf den in schwindelnder Tiefe ruhig dahinziehenden Fluss, die gegenüberliegenden Waldriesen und die hohen Rochlitzer Steinbrüche geniesst. Hier mag in grauer Vorzeit eine kleine feste Burg gestanden haben, von der noch einzelne Ruinen und Gräben Zeugniss geben. Ueber einem entfernter liegenden Hügel führt der Weg nach Rochlitz, und hier erblickt man, aus den Gipfeln alter Bäume hervorragend, die Spitze der Wechselburger Kirche.

Schlägt man die Richtung nach Südosten ein, so gelangt man auf einen trefflichen von Pappeln eingefassten Fahrweg, der nach dem Dorfe Nöbeln und gegen Süden am Schiesshause vorbei nach Göritzhain führt. Jenseits der Brücke leitet ein Fussweg rechts über die Selichbach nördlich nach dem Rochlitzer Berge, ein Fahrweg westlich über Mutzscheroda nach Geithain, ein anderer über Altzschillen südlich nach Göhren und südwestlich über Korba nach Penig. Von der Mühle an ziehen sich auf dem rechten Ufer der Mulde, mit dem Parke zusammenhängend, trefflich unterhaltene englische Anlagen hin, in denen herrliche alte Eichen stehen, und zwar bis nahe an die eine halbe Stunde entfernte Mündung der Chemnitz, wo beide Flüsse abermals sehr romantische Ufer bilden. An allen diesen Punkten schwelgt das Auge in den herrlichsten Landschaftsbildern, sowol vom Orte selbst auf die das Muldenthal umfassenden Berge mit ihren immergrünen Nadelholzwaldungen, auf die gesegneten Fluren, [106] auf den oben ziemlich breiten Strom, auf die überall hervorblickenden Dörfer, wie auch von den herrlichen Spaziergängen und Wegen aus nach Wechselburg mit seinem weissen Schlosse und der hübschen Kirche, umgeben von fruchtbaren Aeckern, Wiesen und Waldungen, Gärten und Anlagen und dem breiten Silberbande des Muldenspiegels. – Bei dem reichen Wechsel von Licht und Färbung, erzeugt durch die verschiedenen Jahreszeiten, bietet die Gegend um Wechselburg unaufhörlich neue köstliche Bilder und es ist kein Wunder, wenn Paul Flemming Wechselburgs heimische Fluren durch seine Dichtungen zu verherrlichen suchte.

Die hiesige Gegend gehörte vor einem Jahrtausend zu der Grafschaft Rochlitz und es mochten die Mönche der damaligen Wildniss wol manche künftige Annehmlichkeiten abgelauscht haben, denn sie veranlassten den Grafen von Groitzsch und Rochlitz Dedo IV., oder den Feisten, nach dem Beispiele seines Vaters, Conrads des Grossen, Grafen von Wettin und Markgrafen von Meissen, Osterland und Niederlausitz, dem sein Schwager Kaiser Conrad III. 1143 die Grafschaft Rochlitz geschenkt hatte, sowie seiner beiden älteren Brüder, ein Kloster zu gründen, wozu sie ihm diese Gegend vorschlugen. Dedo folgte dem frommen Rathschlage und stiftete 1174 das Kloster Zschillen, das er mit adeligen Chorherren besetzte. – Es darf hier nicht unerwähnt bleiben, dass einige Geschichtsschreiber behaupten es sei schon im Jahre 968 durch Kaiser Otto I. zu Zschillen ein Kloster gestiftet worden, jedoch später so herabgekommen, dass Graf Dedo IV. sich auf Zureden seiner geistlichen Freunde entschlossen habe solches zu renoviren. Wie dem auch gewesen sein mag, so viel ist geschichtlich erwiesen, dass der Graf das Kloster Zschillen zu Ehren der heiligen Jungfrau mit regulirten Chorherren des Augustinerordens besetzte und 1184 durch Ehrhard, Probst auf dem Petersberge bei Halle, einweihen liess. Der Stifter des neuen Klosters soll hier im Jahre 1190 oder 1191 auf eine jämmerliche Art gestorben sein. Kaiser Heinrich hatte nämlich gewünscht, dass Graf Dedo ihn nach Italien begleiten sollte und dieser begab sich nach Kloster Zschillen, um sich von seinem starken Enbonpoint, welches ihn zu solcher Reise sehr ungeschickt machte, dadurch zu befreien, dass er das Fett ausschneiden liess. Die Operation missglückte, denn der Graf starb unter den Händen des Wundarztes und wurde in der hiesigen Kirche begraben. – Das Kloster hatte indessen keinen langen Bestand. Die Chorherren, lauter lebenslustige, muthwillige Herren, fühlten wenig Lust streng nach den Regeln des Ordens zu leben und als 1278 ihre Oberen gegen das wüste Leben der Mönche Vorstellungen wagten, schlugen diese dem Prior mit einem Hammer die Hirnschale entzwei, hieben dem Probste ein Bein ab und stürzten dann den Unglücklichen in die Mulde, und zwar auf der Stelle die noch jetzt der Probsttümpel oder die Mönchstaufe heisst In Folge dieser Excesse wurde das Kloster mit seinem sämmtlichen Einkommen von Heinrich dem Erlauchten und mit Bewilligung Dietrichs III., oder des Dicken, Markgrafen des Osterlandes, Herrn des nördlichen Pleissnerlandes und der Grafschaften Groitzsch und Rochlitz, durch Bischof Witigo I. von Meissen dem Orden der Deutschherren zu Altenburg übergeben, dessen Hochmeister, Hartmann von Heldrungen, 1280 Zschillen in einen Comthurhof umwandelte, und der Balley Thüringen einverleibte. Nach einem Verzeichnisse von 1503 war Zschillen eine der grössten von den achtzehn Comthureien der Balley Thüringen, denn es hatte zwölf Priesterbrüder, ohne die Ritterbrüder, zwei Vorwerke wovon eins in Wiederau (der Wetra) Aecker, Wiesen, Schäfereien, zweihundertfunfzehn Scheffel Feld, alle Jahre in das dritte Feld zu säen, an Wiesewachs die Spittelwiese, Chemnitzwiese, Meusauer Wiese und Hartherwiese, an Waldungen die Eichen, die Selich, Draschka, Chemnitz, den Burgstadel, Robberg, Hosch, Mannswald, Eltrich, Königshainer Wald und Korbaer. Ausserdem besass das Kloster vier kleine Teiche und ein Stück Wasser in der Mulde. – Dem Probste zu Zschillen stand das Recht zu, die Pfarre zu Rochlitz und einigen anderen Orten mit Ordensgeistlichen zu besetzen, und am Dienstag nach Ostern und Pfingsten sowie am Kirchweihtage wurde den Wallfahrern im Kloster Ablass ertheilt, wodurch die beiden noch jetzt an diesen Tagen stattfindenden Jahrmärkte entstanden sind. Ueber das Bestätigungsrecht der Zschillener Pröbste existirt noch eine vom Burggrafen Albert von Leissnig 1406 ausgestellte Urkunde, worin er den Propst Petrus um Investitur des, an die Stelle des verstorbenen Geistlichen Johann zu Rochsburg vocirten, Plebans Albertus bittet. –

Als Pröpste des Klosters Zschillen werden aufgeführt: Uno oder Bruno 1164–1174; Theodorich 1182, Udo oder Otto 1218; Heinrich 1263, Rainer oder Werner 1274. Als 1280 das Kloster in einen Comthurhof umgewandelt wurde war der erste Hochmeister Hartmann von Heldrungen. Ihm folgten: Burkhard von Schwenden 1283; Conrad von Feuchtwangen 1290; Gottfried Graf von Hohenlohe 1297; Siegfried von Feuchtwangen 1307; Conrad Peffert 1313; Werner von der Orsela 1326; Lotharus Herzog von Braunschweig 1329; Theodor Graf von Altenburg 1333; Ludwig König 1346; Heinrich von Thusomer 1346; Heinrich von Knopfenroth 1351; Carl Zöllner von Rothenstein 1361, Conrad von Waldenroth 1391; Conrad von Jungingen 1395; Ulrich von Jungingen 1407; Heinrich Reuss von Plauen 1410; Michael von Sternberg 1420; Paul von Russdorf 1420; Conrad von Erlingshausen 1450; Heinrich Reuss von Plauen 1467, Heinrich Reichenberg 1469; Martin Truchsess von Wetzhausen 1480; Johannes von Triffen 1480, Andreas von Herda 1489. [107] Diese Edelleute waren indessen nicht Pröpste, sondern Comthure oder auch zum Theil Hochmeister, doch befand sich in dem Comthurhofe auch eine Propstei, welcher gewisse sedes archipresbyterii untergeben waren, die wieder gewisse niedere Geistliche unter sich hatten. Der Propst zu Zschillen war einer der neun Archidiakonen des Bisthums Meissen und sein Sprengel begriff die sechsundzwanzig Pfarreien Zettlitz, Seelitz, Milkau, Krossen, Beerwalde, Erlau, Frankenau, Topfseifersdorf, Schweikershain, Hohenkirchen, Rochsburg, Burgstädt, Hartmannsdorf, Mühlau, Taura, Wiederau, Clausnitz, Altmittweida, Ottendorf, Auerswalde, Lichtenau, Ebersdorf, Wiesa, Eupa, Oberelsdorf, Zschopau. Im Jahre 1433 wurde vom Zschillener Propst Johannes und dem Schösser zu Rochlitz zwischen dem Pfarrer zu Seelitz und der Gemeinde daselbst ein Vergleich abgeschlossen, und 1500 wird Cocus oder Koch, ein Doctor der Rechte, als Offizial des Klosters genannt. Die letzten Pröpste waren Conrad Jäger, der sich in einem Schreiben an den Rath zu Mittweida von 1522 Propst und Archidiakonus zu Zschillen nennt, alsdann Laurentius Seiffert und endlich Antonius Tüchel, der letzte Propst, welcher noch 1536 hier war und auch im Kloster gestorben ist.

Das Jahr 1539 brachte dem Kloster Zschillen den Untergang, indem nach dem Tode Herzog Georgs des Bärtigen Heinrich der Fromme in den ererbten Sächsischen Landen die Reformation einführte. Dessen Söhne Moritz und August entschädigten nach des Vaters Tode den alten Comthur Andreas von Herda (Hartha?) mit einigen Dörfern, welche bis dahin dem Kloster Pforta gehört hatten und säkularisirten die Comthurei. Da nun diese sich verpflichtet hatte keine Gelder aus dem Lande zu schicken, sondern die Ueberschussgelder nur zu Käufen anzuwenden, war sie so reich geworden, dass zwölf Priesterbrüder ein höchst splendides Leben führen konnten. Die Zschillener Propstei versorgte ihre Unterthanen mit Mittweidaischem Biere, anderes durften sie nicht kaufen und ebenso durfte an den Jahrmärkten nur Mittweidaer oder Rochlitzer Bier ausgeschenkt werden, und als die drei Schenken zu Wiederau, Topfseifersdorf und Zschoppelshain Erlaubniss bekamen an diesen drei Tagen Bier zu verzapfen, mussten auch sie sich auf diese beiden Sorten Bier beschränken. – Bemerkenswerth ist, dass der Kellermeister des Markgrafen Dietzmann von Meissen, Heinrich von Hohenstede, die Fischerei zu Leipzig nebst der dazu gehörigen Gerichtsbarkeit 1305 dem Probst Otto zu Zschillen verkaufte, der jedoch beides noch in demselben Jahre an das Thomaskloster in Leipzig abtrat. Für dieses Geschenk sollte nach des Markgrafen Bestimmung der Todestag Otto’s, sowie die Sterbetage des Grafen Dedo, Stifters des Klosters (16. August) und seiner Gemahlin Mathilde (28. Januar) feierlich begangen, gleichwie auch aller verstorbenen Augustiner Chorherren zu Zschillen Gedächtnissfeier abgehalten werden. –

Die Herzöge Moritz und August von Sachsen hatten nach Heinrichs des Frommen Tode Zschillen in eine Domaine verwandelt, vertauschten dieselbe aber, nebst Penig und Zinnberg, durch einen zu Annaberg Mittwoch nach Palmarum 1543 abgeschlossenen Vergleich an die vier Söhne Ernst’s III. von Schönburg, die Herren Hans Ernst, Hugo, Georg und Wolf von Schönburg und zwar nicht blos gegen deren Vortheil, sondern auch gegen deren Wunsch. Ernst III. von Schönburg war der einzige Sprosse des alten ehrwürdigen Dynastengeschlechts der Schönburge, Herr von Glauchau, Waldenburg und Lichtenstein, als Böhmischer Lehen, der Grafschaft Hartenstein als Sächsischen Afterlehns und der Herrschaft Geringswalde als Reichslehns, sowie Besitzer von Wehlen, Hohnstein und Lohmen, Geheimer Rath und Minister Herzog Georgs des Bärtigen und ursprünglich streng katholisch. Als aber Ernst von Schönburg 1533 zur Lutherischen Lehre übertrat, verlor er die Gnade seines Fürsten und starb 1534 als Stammvater aller jetzt noch lebenden Fürsten und Grafen von Schönburg. Seine Gemahlin war die Burggräfin Amalie von Leissnig, der letzte Sprosse dieser Familie, deren letzter männlicher Zweig bereits 1538 mit dem Burggrafen Hugo abgestorben war. Amalie Gräfin von Schönburg starb 1569. Die Vormundschaft der vier Söhne führten die Grafen Hans Georg von Mannsfeld und Günther Graf von Schwarzburg, sowie der Leipziger Ordinarius Dr. Ludwig Fachs. Diese Herren scheinen ihr Privatinteresse nicht ganz aus den Augen gelassen zu haben. Ihre Vormundschaft währte von 1534 bis 1549 und während dieser Zeit wurden mehrere Käufe und Tausche abgeschlossen, welche durch den listigen Juristen Fachs wahrhaftig nicht im Interesse der Schönburg’schen Söhne stattfanden. So vertauschte dieser Mensch die grossen Schönburg’schen Besitzungen Wehlen, Lohmen und Hohnstein gegen 4000 Thaler baar, Zinnberg mit Penig und zehn Dörfern, acht Dorfantheilen, zwei Vorwerken und die säkularisirte Comthurei Zschillen mit dreiundzwanzig Dörfern und einem Vorwerke als Sächsisches Ritterlehn, aber mit allen bisherigen Herrlichkeiten und Gerechtigkeiten, es sei an Zinsen, Renten, Zöllen, Getreide, Fleisch- und anderen Zehnten, Ober- und Untergerichten, Gehölzen, Jagden u. dgl., Vorwerken, Aeckern, Wiesen, Lehden, Viehzucht, Schäfereien, Mühlen und Frohnen und sonst mit allen ihren Ehren und Zubehörungen wie sie Namen haben mögen, nichts davon ausgeschlossen. Seit jener Zeit wurde der Name des alten Klosters Zschillen in Wechselburg verändert.

Von den vier Brüdern Hans Ernst, Georg, Hugo und Wolf von Schönburg starb Ersterer schon 1545 und die übrigen drei Brüder regirten [108] gemeinschaftlich bis 1556, wo eine Theilung der Güter stattfand, in welcher Wolf Penig, Rochsburg und Wechselburg und nach Georgs 1610 erfolgtem Tode auch Glauchau und Remsa erhielt, wodurch er Stammvater der unteren oder Glauchauischen Hauptlinie geworden ist. Ihm folgte im Besitze Wechselburgs Wolf II. und diesem Wolf Heinrich, gestorben 1657, Stammvater der Vorderglauchauischen oder Wechselburger Linie. Der Reichsgraf Samuel Heinrich von Schönburg starb 1683 und dessen zwei Söhne waren Carl Heinrich, von 1677 bis 1708, und Franz Heinrich, von 1682 bis 1746. Des letzteren zwei Söhne hiessen Albert Heinrich, geboren 1732 und Carl Heinrich, der 1800 starb und zwei Söhne Wilhelm Albrecht Heinrich (1762–1815) und Carl Heinrich (1757–1815) hinterliess. Der jetzige Besitzer ist des erstgenannten Herrn Sohn, Sr. Erlaucht Carl Heinrich Alban, Graf und Herr von Schönburg, Glauchau und Waldenburg, wie auch der niederen Grafschaft Hartenstein, der Herrschaft Lichtenstein mit Stein, der Recessherrschaft Vorderglauchau und der Lehnsherrschaften Wechselburg und Penig, geboren 1804 und vermählt mit der Gräfin Christiane Marie Emilie Gräfin von Jenison-Walworth.

Weit über die Grenzen unseres Vaterlandes hinaus kennt man die Kirche des Wechselburger Schlosses, ein herrliches Denkmal mittelalterlicher, deutscher Baukunst. Dieses Gotteshaus, die ehemalige Klosterkirche, ist in Byzantinischem Style aus dem rothen Sandstein erbaut, welcher in den tausendjährigen Steinbrüchen des Rochlitzer Berges gebrochen wird. Ganz besonders bemerkenswerth sind die Skulpturen an der Kanzel, biblische Figuren darstellend, die architektonische und plastische Gestaltung des Altars, die köstliche Regelmässigkeit der Theile bei der allgemeinen Grossartigkeit und die reiche Mannigfaltigkeit der Verzierungen, namentlich an den Schaften und Knäufen der Säulen und Pfeiler. Die geschichtlichen Beziehungen der verschiedenen Figuren und ihre Zusammenstellung deuten offenbar auf den Sieg des Christenthums über Judenthum und Heidenthum. Vor dem Altarplatze befinden sich zwei Standbilder, von denen das eine, die Gestalt eines Ritters, ohne Zweifel den Grafen Dedo, das andere im Ornate eines Geistlichen, den Propst Ehrhardt vom Lauterberger Kloster zum Petersberge, welcher die Kirche einweihte, vorstellen soll. Vor der Kanzel liegt des Grafen Dedo und seiner Gemahlin Leichenstein. Das Steinbild des Grafen hält im rechten Arme das Modell der Kirche und in der linken Hand ein Banner. Die Grüfte der Kirche verwahren die Gebeine des Grafen Dedo, seiner Gemahlin und seiner vier Söhne, Goswin, Heinrich, Dietrich und Konrad. Die beiden Ersteren starben in zarter Jugend, Dietrich († 1207) war erst Propst zu Magdeburg und später Graf von Sommerschenburg, Konrad († 1210) Markgraf der Lausitz. Auch Konrads Gemahlin Elisabeth, Herzog Mieskos von Polen Tochter, liegt hier begraben. Als die Vorderglauchauische Linie des Hauses Schönburg 1666 in Wechselburg ihre Residenz aufschlug wurde in der Schlosskirche ein Erbbegräbniss angelegt und noch jetzt wird bei Sterbefällen in der Familie hier die Gedächtnisspredigt gehalten. Der erste Herr aus dem Stamme der Schönburge welcher hier seine letzte Schlummerstätte fand war Graf Samuel Heinrich, gestorben 1706 zu Carlsbad.

Ausserhalb der Kirche, jedoch nicht fern von dem Eingange an der Mauer des ehemaligen Klosterkirchhofs, jetzt des mittleren Schlosshofes, bemerkt man das steinerne Bild eines Geistlichen. Es gilt dem Andenken Konrads von Bellersheim, Provinzial der Balley Thüringen und um das Jahr 1440 Propst des Klosters Zschillen, 1494 Suffragan des Meissner Stiftes und Bischof von Cythera, welcher in Freiberg die Tuchmacherkapelle stiftete und 1500 in dieser Stadt starb. Er hiess ursprünglich Peter Heller und war eines Tuchmachers aus Neustadt an der Orla Sohn.

In der Mitte des sechszehnten Jahrhunderts brach in dem Kloster Zschillen eine Feuersbrunst aus, welche fast sämmtliche Gebäude in Asche legte, doch blieb zum Glück die alte, schöne Kirche von den Flammen verschont Die letzten Ueberbleibsel der Klostergebäude wurden 1746 beim Bau des jetzigen Schlosses abgetragen, das mit drei Seiten und der Kirche den Hofraum umschliesst. Ein Theil der klösterlichen Nebengebäude ist noch vorhanden mit der Inschrift: Anno dm. 1505 her. domus . . . . . domino conrado Ibeger p p. . rm.e. erecta, auch ist noch der tiefe alte Klosterbrunnen da, und die Volkssage erzählt von unterirdischen Gängen, deren einer nach dem Rochlitzer Schlosse, der andere nach Seelitz führen soll. Als am 7. August 1582 das Schloss zu Rochsburg abbrannte siedelte Wolf II. von Schönburg auf einige Zeit nach Wechselburg über, im Jahre 1604 aber brach durch Unvorsichtigkeit eines Schneiders, der in dem Pfarrhause arbeitete, hier Feuer aus, das Schloss, Ortskirche, Pfarre und Schule einäscherte, welches Schicksal einen Theil des Schlosses, Pfarre und Schulhaus am 3. Juni 1721 wiederum betraf. Am Gründonnerstage 1640, als eben in der Ortskirche der letzte Vers des Glaubens gesungen wurde, fielen Banner’sche Soldaten in Wechselburg ein, jagten die Leute aus der Kirche, misshandelten und plünderten und marterten den greisen Pfarrherrn, Abraham Flemming, den Vater des bekannten frommen Liederdichters Paul Flemming, dessen Nachkommen noch jetzt in Wechselburg gefunden werden.

Wechselburg ist ein Marktflecken und zählt in etwa hundertundneunzig Häusern über zwölfhundert Einwohner, die 733 Acker Flur besitzen. Die Strassen sind in Folge verschiedener starker Feuersbrünste [109] gerade und regelmässig gebaut, auch hat der Ort einen hübschen Marktplatz mit sehr stattlichen Häusern, einen neuen Gasthof und ein Reithaus. Besonders zeichnen sich die herrschaftlichen Oekonomiegebäude am Schlosse, die Schäferei, die sogenannte Sophieenburg und die Mühle aus. – Die 1728 neuerbaute Ortskirche erhielt 1765 einen Thurm, besitzt einen alten interessanten Abendmahlskelch und eine uralte, wahrscheinlich aus dem zwölften Jahrhundert herstammende Taufschüssel. – Das Collaturrecht über Pfarre und Schule steht Sr. Erlaucht dem Grafen Alban von Schönburg zu. – Eingepfarrt nach Wechselburg sind: Meusen mit 310 Ackern, 10 Bauergütern, einem Gartengute und 90 Einwohnern; Nöbeln mit 254 Ackern, 8 Bauergütern, 3 Gärtnergütern, einem Hause und 90 Einwohnern; Göppersdorf mit 384 Ackern, 9 Bauergütern, 7 Gärtnern, 3 Häuslern und 120 Einwohnern; Seitenhain, mit Wasserleitungen die Wechselburg das Trinkwasser zuführen, mit 543 Ackern, 15 Bauergütern, 9 Gärtnernahrungen, 12 Häusern und 250 Einwohnern; Hartha mit 214 Ackern, 12 Bauergütern, 5 Gartennahrungen, 3 Häusern und 130 Einwohnern; Altzschillen mit 332 Ackern, einer schönen Mühle, 10 Bauergütern, 2 Gärtnernahrungen, 8 Häusern und 170 Einwohnern, Altzschillen ist ohne Zweifel der hier zuerst entstandene Ort. Korba hat 403 Acker, 12 Bauergüter, 2 Gartennahrungen, 3 Häuser und 110 Einwohner; Mutzscherode 475 Acker, 12 Bauergüter, 2 Häuser und 150 Einwohner, und endlich die Bachmühle und Bleiche von Göritzhain 33 Acker und 13 Bewohner. – Göhren ist Filial. –

O. M.     




Imnitz
obern Theils.


Imnitz, eine Stunde von dem Städtchen Zwenkau gelegen, befindet sich an der Strasse von Leipzig nach Zeitz, am östlichen Rande der Pleissenaue unweit des Flossgrabens in recht hübscher Lage, und verdankt seine Entstehung den Sorben-Wenden, welche fast alle Ortschaften der hiesigen Gegend angelegt haben. Der Ort zählt in etwa vierzig Häusern gegen zweihundertdreissig Einwohner, hat einen hübschen Gasthof, eine starke Ziegelei und zwei Rittergüter. In frühester Zeit war jedoch in Imnitz nur ein Rittergut, das schon im Jahre 1186 genannt wird, wo es dem Ritter Swidegarde von Imnitz gehörte, welcher den Mönchen des Klosters Pegau zu Gunsten der Seele seiner verstorbenen Gemahlin Edith einen Hof zu Imnitz mit etlichen Unterthanen verschrieb, damit ihr dafür Seelenmessen gelesen werden möchten. Bis zum sechszehnten Jahrhundert war das jetzige Rittergut Unter-Imnitz nur ein Vorwerk, das zu dem Rittergute Kötzschbar gehörte; als aber 1654 Valten von Schlegel aus dem Herzogthum Anhalt das Vorwerk an sich gekauft hatte, begnadigte Churfürst August dasselbe mit Rittergutsgerechtigkeit, so dass es mit Ober-Imnitz zusammen 2¼ Ritterpferd stellen musste. Das ursprüngliche Gut, Ober-Imnitz, war seit mehreren Jahrhunderten eine Besitzung der adeligen Familie von Zehmen, aus der Hans von Zehmen das Gut Kötzschbar zugleich mit dem genannten Vorwerke an Valten von Schlegel verkaufte. Bei der Musterung der Ritterpferde, welche 1612 stattfand, war auch Georg von Schlegel auf Unter-Imnitz gegenwärtig; Ober-Imnitz gehörte damals Hansen von Zehmen. Die Familie Schlegel besass Imnitz oberen Theils bis in die neuere Zeit, während das Untergut an die Herren von Minkwitz, von diesen an einen Kammerrath Crayen, dann an einen Herrn Rummel und endlich an dessen Erben gelangte, die selbiges an einen Herrn Liebster verkauften, dessen Wittwe und Töchter es noch jetzt besitzen. Imnitz oberen Theils ist jetzt Eigenthum des Herrn Platzmann zu Leipzig.

Imnitz raint mit Döhlen, Rüssen, Löbschütz, Kötzschbar und Zwenkau [110] und erhielt durch die Güte des Kammerrath Crayen eine eigene Schule. Als 1815 König Friedrich August von Sachsen aus der Gefangenschaft zurückkehrte, errichtete der damalige Besitzer des Obergutes, Amtshauptmann von Schlegel, ein tempelähnliches Gebäude, das auch 1818 bei des Königs Jubelfeste wieder herrlich geschmückt wurde, jetzt aber wol nicht mehr vorhanden ist. Ueber die Schicksale welche Imnitz im Laufe der Jahrhunderte erlitten, haben wir schon im 11. Hefte des Albums bei der Beschreibung des Rittergutes Imnitz untern Theils, Bericht erstattet, ebenso über die Kirche und ihre Merkwürdigkeiten.

† † †     




Zehmen.


Zehmen liegt zwei und eine halbe Stunde von Leipzig nahe an der alten Poststrasse nach Borna und Altenburg, begrenzt von der so anmuthigen Pleissenaue, 375 Pariser Fuss über der Nordsee. Hart an der genannten Landstrasse befindet sich ausser dem Gasthofe und der Schmiede auf einer kleinen Anhöhe ein Friedhof. Der Ort zählt ausser dem Rittergute und den geistlichen Gebäuden zweiundvierzig Hausnummern, nämlich vierzehn Güter und achtundzwanzig Gartennahrungen oder Häuser, mit zweihundertachtzig Bewohnern.

Das hübsche Rittergut Zehmen wurde früher mit zwei Ritterpferden verdient und hat eine treffliche Schafzucht, gute Brauerei und, wie alle Güter der Aue, sehr fruchtbare Felder, auch gehört dazu ein beträchtlicher Theil der nahen Waldung. Die Gebäude desselben stehen an der Pleisse und das Herrenhaus ist ebenso geschmackvoll als geräumig. Hinter demselben befindet sich ein hübscher Garten, auch hat man daselbst Gänge, Alleen und andere Anlagen geschaffen, die mit den üppigen Auenwiesen in angenehmer Verbindung stehen. Das Rittergut ist das Stammhaus der ehemals sehr begüterten und weitverbreiteten adeligen Familie von Zehmen, die das Gut schon im 13. Jahrhundert besass. Ritter Conrad von Zemyn war 1291 Rath am Hofe des Markgrafen Dietrich mit dem Wangenbiss und Henrich von Zemyn wird 1351 in einer Urkunde des Thomas-Klosters zu Leipzig als Zeuge erwähnt. Bei der Niederlage der sächsischen Edelleute durch die Hussiten, welche 1429 am Colmberge geschah, war auch Dietrich von Zehmen, der auf dem Schlachtfelde seinen Tod fand. Hermann von Zehmen wird 1489 und Hans von Zehmen 1533 genannt. Um das Jahr 1552 gehörte das Rittergut Zehmen Dietzen von Zehmen und 1590 Hansen von Zehmen, welcher der letzte Besitzer aus dieser Familie gewesen zu sein scheint. Zu Anfang des siebzehnten Jahrhunderts besass Zehmen die reiche Leipziger Patrizierfamilie Rothhaupt, und zwar bis 1658 Hieronymus Rothhaupt, der in Leipzig den jetzigen Stieglitzischen Hof besass und in seiner jetzigen Gestalt neu erbaute. Hieronymus Rothhaupt starb am 4. September 1658 und wurde in der Kirche zu Zehmen vor dem Altare beigesetzt, wo sein Grabstein noch jetzt vorhanden ist. Von den Rothhaupt’s kam Zehmen an den Dr. Meyer in Leipzig und von diesem an den königlich Polnischen und churfürstlich Sächsischen Hauptmann Carl Heinrich von Trützschler. Dessen Gemahlin Caroline Sophie von Kötteritz starb hier am 6. December 1733 siebenundzwanzig Jahre alt und wurde in der Kirche begraben. Hans Georg von Trützschler, chursächsischer Obristleutnant der Infanterie starb zu Zehmen am 9. Juni 1737 und fand ebenfalls in der Ortskirche seine letzte Ruhestätte. Ihm folgte als Besitzer des Rittergutes [111] August Albrecht Bollmann aus Grossenottensleben[VL 1] bei Magdeburg, der am 16. Mai 1754 mit Tode abging und in der Erbgruft des Edelsitzes begraben liegt. Im Jahre 1756 erkaufte Zehmen der französische Emigrant Pierre Mauru, nach dessen 1768 erfolgtem Tode es bis 1770 Eigenthum von dessen Wittwe, Marie Therese Mauru, geborne Sechlage, blieb. Von 1770 bis 1779 besass das Rittergut Johann Peter Leplay, und von 1799 bis 1815 dessen Tochter, Frau Antonie Schmiedel, Gemahlin des königlich Sächsischen Hof- und Justizraths Dr. Christian Schmiedel. Bis zum Jahre 1817 gehörte das Gut den Gebrüdern Theodor und Eduard Schmiedel, von da an aber bis jetzt ist dessen alleiniger Besitzer Herr Dr. Christian Theodor Schmiedel, dem auch das Haus zur grossen Feuerkugel in Leipzig gehört. Seit dem Jahre 1772 besitzt die Familie auch das nahe Rittergut Kötzschwitz, welches Peter Leplay von Friedrich von Karstädt erkaufte.

Neben den Gebäuden des Rittergutes, die an dem Ufer der Pleisse stehen, erhebt sich auf einem freien Platze die Kirche. Dieselbe ist im Spitzbogenstyle erbaut und wurde am 24. August 1620 von dem Leipziger Superintendenten Dr. Schmuck eingeweiht, erhielt aber erst 1747 ihren Thurm, auf dem sich nur zwei Glocken befinden. Im Jahre 1711 war die Kirche zu Zehmen so baufällig geworden, dass zu ihrer Erneuerung Collecten in der Leipziger und anderen Ephorieen ausgeschrieben werden mussten um sie nur wieder herstellen zu können. Das Innere des Gotteshauses ist lichtvoll und freundlich. – In früher Zeit befand sich um die Kirche herum ein Friedhof, zu Anfang des siebzehnten Jahrhunderts aber wurde derselbe – vielleicht wegen des die Kirche umgebenden engen Raumes, oder auch wegen der unmittelbar daranstossenden Pleisse, oder wol auch aus Gesundheitsrücksichten – an dem oben bezeichneten Orte im freien Felde angelegt und am 20. Juni 1604 durch den Superintendenten Dr. Weinrich eingeweiht. Die geistlichen Gebäude befinden sich zur Zeit in dem bessten Zustande. Die Pfarrwohnung sammt den dazu gehörigen Wirthschaftsgebäuden ist im ersten Viertel des vorigen Jahrhunderts erbaut worden, erlitt aber mehrere Hauptreparaturen, namentlich in den Jahren 1776, 1784 – wo eine Feuersbrunst einige Wirthschaftsgebäude verzehrte – 1791, 1839 und 1840. Das Schulhaus erbaute im Jahre 1807 die Frau Hof- und Justizräthin Schmiedel von Grund aus, wozu die Ortsbewohnerschaft Hand- und Spanndienste leisten musste.

Zehmen bildet mit dem Filial Rüben eine combinirte Parochie, und zwar muss dieser Verband schon in sehr früher Zeit stattgefunden haben, da in der Visitationsurkunde von 1574 beide Dörfer bereits in kirchlichem Verbande standen, Zehmen als Hauptpfarre und Rüben als Filial. Die Collatur des Pfarramtes zu Zehmen steht abwechselnd einmal dem Besitzer des Rittergutes Zehmen und alsdann dem Herrn auf Rüben zu. Die Zehmen-Rübener Schulstelle wird nur von dem Rittergute Zehmen besetzt.

O. M.     



[112]
Deutzen.


Am linken Ufer des westlichen Armes der Pleisse, 420 Pariser Fuss über dem Meere, am Rande einer üppigen Wiesenaue, aus welcher sich das Gelände gegen Westen hin ganz allmälig hoch erhebt, liegt das Dorf Deutzen. Dasselbe raint mit Görnitz, Rödgen, Grosshermsdorf und Bergesdorf und hat zehn Anspännergüter, fünfzehn Hintersässergüter und zwanzig Häuslerwohnungen mit circa zweihundertfunfzig Einwohnern, die sich nur mit Ackerbau und Viehzucht beschäftigen. – Die Entstehung verdankt der Ort den Sorben und die Sage behauptet, dass vor einem Jahrtausend bei dem nahen Dorfe Görnitz eine heidnische Kapelle gestanden habe, in denen die Slaven die Göttin des Pleissenstromes verehrten. Der Pleissenstrom aber, der in vielfachen Krümmungen durch die grosse, reichgesegnete Aue dahinzieht, mag diese gar oft in einen ungeheuren See verwandelt haben, nach dessen Ablauf immer eine ungemein reiche Erndte stattfindet. Diese Ueberschwemmungen konnten jedoch die fleissigen Sorben nicht abhalten sich hier anzusiedeln und so entstand die lange Reihe freundlicher und wohlhabender Dörfer, welche sich an beiden Ufern des Flusses, bis Leipzig herab, erstreckt.

Deutzen hat, wie die meisten nahen Ortschaften, im Hussitenkriege, namentlich aber im dreissigjährigen Kriege schwere Drangsale erlitten. Im Jahre 1630 herrschte hier eine furchtbare Pest, die in Deutzen und dem dahin eingepfarrten Dorfe Röthgen 130 Personen in das Grab stürzte und 1637 brach abermals eine Seuche aus die in beiden Dörfern 73 Menschen tödtete, so dass zuletzt in Deutzen nur noch in vier Häusern Leute anzutreffen waren, die jedoch ebenfalls das vergiftete Dorf verliessen und auf dem Felde eine Hütte bauten. Als 1645 der General Montaigni Pegau eingenommen hatte kamen eine Anzahl schwedischer Reiter vom Fritzleben’schen Regimente hierher, plünderten, zertrümmerten und misshandelten, quartirten sich in die Bauerhäuser und hausten nach einer alten Nachricht: wie die Teufel. – Die Einwohner hatten den grössten Theil ihres Viehes in die untersten Auwiesen geflüchtet und namentlich in die Görnitzer Aue, wo viele Gebüsche, Dornengestrüppe, Hecken, Hügel und Lachen ein gutes Versteck boten. Gleich grosse Angst erduldeten die Bewohner Deutzens im letzten französischen Kriege, wo vor der grossen Völkerschlacht bei Leipzig in der Nähe drei Lager aufgeschlagen waren, wohin alle noch vorhandenen Lebensmittel, Geräthschaften und Vieh geschafft werden mussten.

Nahe bei der Kirche steht das mit Mauer und Graben umgebene schöne herrschaftliche Schloss. Von hier aus zieht sich zwischen Teichen hin eine herrliche Pappelallee, so dass das Ganze von Süden her einen wahrhaft malerischen Prospekt bildet. Das Rittergut wird schon 1318 als Besitzthum eines Ritters Ewald von Dizzin genannt, und gehörte in der Mitte des funfzehnten Jahrhunderts einem Herrn von Pflugk. Wer Deutzen bis zum Jahre 1580 besessen habe ist nicht mit Bestimmtheit zu ermitteln gewesen (die Familie von Schönberg?) von dieser Zeit aber gehörte Deutzen Abraham von Fitzscher oder Fischer, der 1612 zum Defensionswerke ein Ritterpferd stellte. Dessen Söhne, Georg Asmus und Hans Christoph von Fischer besassen die Rittergüter Görnitz und Deutzen gemeinschaftlich, 1659 aber Georg Asmus Deutzen allein. Er war ein sehr heftiger Mann, der mit allen Leuten Händel anfing. Auch mit seinem Pfarrer, Caspar Oberdorf, lebte der Junker Asmus in stetem Unfrieden, und als einst bei einem Streite der Edelmann dem Pfarrer die Thüre wies, mit den Worten: „so ich das thue soll mich der Satan holen!“ antwortete der erboste Pastor: „ei, Herr Junker, da entzieht Ihr mir ja auch noch meine Accidentien!“ – Im Jahre 1718 gehörte Deutzen Georg Christoph von Braun, der auch Ramsdorf und Grosshermsdorf besass und 1753 dem Landkammerrath von Braun. Zu Ende des vorigen Jahrhunderts wird ein Herr Querner als Eigenthümer des Rittergutes Deutzen genannt, und nach ihm ein Herr von Holläufer, der das Gut bis 1822 besass, wo es Herr Günther aus Lössnitz für 49,000 Thaler erkaufte. Später gehörte Deutzen Herrn Meinhold auf Schweinsburg. Der jetzige Besitzer ist Herr Franke.

Nahe beim Rittergute steht die 1729 neuerbaute Kirche. Das alte Gotteshaus war in der Nacht des 26. Juni 1719, bei einem schweren Wetter vom Blitze getroffen, in Flammen aufgegangen. Die Pfarre ist 1743 erbaut und der Gottesacker, mit einer herrschaftlichen Begräbnisskapelle, befindet sich am südwestlichen Ende des Dorfes. – Das Patronatrecht über Kirche und Schule ruht auf dem Rittergute.

O. M.     




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Anmerkungen der Vorlage

  1. handschriftliche Korrektur: Grossottersleben
Heft 13 des Leipziger Kreises Nach oben Heft 15 des Leipziger Kreises
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