Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen: Zehmen

Textdaten
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Autor: O. M.
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Titel: Zehmen
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aus: Leipziger Kreis, in: Album der Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen. Band I, Seite 110–111
Herausgeber: Gustav Adolf Poenicke
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Erscheinungsdatum: 1860
Verlag: Expedition des Albums Sächsischer Rittergüter und Schlösser
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Commons = SLUB Dresden
Kurzbeschreibung:
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Zehmen.


Zehmen liegt zwei und eine halbe Stunde von Leipzig nahe an der alten Poststrasse nach Borna und Altenburg, begrenzt von der so anmuthigen Pleissenaue, 375 Pariser Fuss über der Nordsee. Hart an der genannten Landstrasse befindet sich ausser dem Gasthofe und der Schmiede auf einer kleinen Anhöhe ein Friedhof. Der Ort zählt ausser dem Rittergute und den geistlichen Gebäuden zweiundvierzig Hausnummern, nämlich vierzehn Güter und achtundzwanzig Gartennahrungen oder Häuser, mit zweihundertachtzig Bewohnern.

Das hübsche Rittergut Zehmen wurde früher mit zwei Ritterpferden verdient und hat eine treffliche Schafzucht, gute Brauerei und, wie alle Güter der Aue, sehr fruchtbare Felder, auch gehört dazu ein beträchtlicher Theil der nahen Waldung. Die Gebäude desselben stehen an der Pleisse und das Herrenhaus ist ebenso geschmackvoll als geräumig. Hinter demselben befindet sich ein hübscher Garten, auch hat man daselbst Gänge, Alleen und andere Anlagen geschaffen, die mit den üppigen Auenwiesen in angenehmer Verbindung stehen. Das Rittergut ist das Stammhaus der ehemals sehr begüterten und weitverbreiteten adeligen Familie von Zehmen, die das Gut schon im 13. Jahrhundert besass. Ritter Conrad von Zemyn war 1291 Rath am Hofe des Markgrafen Dietrich mit dem Wangenbiss und Henrich von Zemyn wird 1351 in einer Urkunde des Thomas-Klosters zu Leipzig als Zeuge erwähnt. Bei der Niederlage der sächsischen Edelleute durch die Hussiten, welche 1429 am Colmberge geschah, war auch Dietrich von Zehmen, der auf dem Schlachtfelde seinen Tod fand. Hermann von Zehmen wird 1489 und Hans von Zehmen 1533 genannt. Um das Jahr 1552 gehörte das Rittergut Zehmen Dietzen von Zehmen und 1590 Hansen von Zehmen, welcher der letzte Besitzer aus dieser Familie gewesen zu sein scheint. Zu Anfang des siebzehnten Jahrhunderts besass Zehmen die reiche Leipziger Patrizierfamilie Rothhaupt, und zwar bis 1658 Hieronymus Rothhaupt, der in Leipzig den jetzigen Stieglitzischen Hof besass und in seiner jetzigen Gestalt neu erbaute. Hieronymus Rothhaupt starb am 4. September 1658 und wurde in der Kirche zu Zehmen vor dem Altare beigesetzt, wo sein Grabstein noch jetzt vorhanden ist. Von den Rothhaupt’s kam Zehmen an den Dr. Meyer in Leipzig und von diesem an den königlich Polnischen und churfürstlich Sächsischen Hauptmann Carl Heinrich von Trützschler. Dessen Gemahlin Caroline Sophie von Kötteritz starb hier am 6. December 1733 siebenundzwanzig Jahre alt und wurde in der Kirche begraben. Hans Georg von Trützschler, chursächsischer Obristleutnant der Infanterie starb zu Zehmen am 9. Juni 1737 und fand ebenfalls in der Ortskirche seine letzte Ruhestätte. Ihm folgte als Besitzer des Rittergutes [111] August Albrecht Bollmann aus Grossenottensleben[VL 1] bei Magdeburg, der am 16. Mai 1754 mit Tode abging und in der Erbgruft des Edelsitzes begraben liegt. Im Jahre 1756 erkaufte Zehmen der französische Emigrant Pierre Mauru, nach dessen 1768 erfolgtem Tode es bis 1770 Eigenthum von dessen Wittwe, Marie Therese Mauru, geborne Sechlage, blieb. Von 1770 bis 1779 besass das Rittergut Johann Peter Leplay, und von 1799 bis 1815 dessen Tochter, Frau Antonie Schmiedel, Gemahlin des königlich Sächsischen Hof- und Justizraths Dr. Christian Schmiedel. Bis zum Jahre 1817 gehörte das Gut den Gebrüdern Theodor und Eduard Schmiedel, von da an aber bis jetzt ist dessen alleiniger Besitzer Herr Dr. Christian Theodor Schmiedel, dem auch das Haus zur grossen Feuerkugel in Leipzig gehört. Seit dem Jahre 1772 besitzt die Familie auch das nahe Rittergut Kötzschwitz, welches Peter Leplay von Friedrich von Karstädt erkaufte.

Neben den Gebäuden des Rittergutes, die an dem Ufer der Pleisse stehen, erhebt sich auf einem freien Platze die Kirche. Dieselbe ist im Spitzbogenstyle erbaut und wurde am 24. August 1620 von dem Leipziger Superintendenten Dr. Schmuck eingeweiht, erhielt aber erst 1747 ihren Thurm, auf dem sich nur zwei Glocken befinden. Im Jahre 1711 war die Kirche zu Zehmen so baufällig geworden, dass zu ihrer Erneuerung Collecten in der Leipziger und anderen Ephorieen ausgeschrieben werden mussten um sie nur wieder herstellen zu können. Das Innere des Gotteshauses ist lichtvoll und freundlich. – In früher Zeit befand sich um die Kirche herum ein Friedhof, zu Anfang des siebzehnten Jahrhunderts aber wurde derselbe – vielleicht wegen des die Kirche umgebenden engen Raumes, oder auch wegen der unmittelbar daranstossenden Pleisse, oder wol auch aus Gesundheitsrücksichten – an dem oben bezeichneten Orte im freien Felde angelegt und am 20. Juni 1604 durch den Superintendenten Dr. Weinrich eingeweiht. Die geistlichen Gebäude befinden sich zur Zeit in dem bessten Zustande. Die Pfarrwohnung sammt den dazu gehörigen Wirthschaftsgebäuden ist im ersten Viertel des vorigen Jahrhunderts erbaut worden, erlitt aber mehrere Hauptreparaturen, namentlich in den Jahren 1776, 1784 – wo eine Feuersbrunst einige Wirthschaftsgebäude verzehrte – 1791, 1839 und 1840. Das Schulhaus erbaute im Jahre 1807 die Frau Hof- und Justizräthin Schmiedel von Grund aus, wozu die Ortsbewohnerschaft Hand- und Spanndienste leisten musste.

Zehmen bildet mit dem Filial Rüben eine combinirte Parochie, und zwar muss dieser Verband schon in sehr früher Zeit stattgefunden haben, da in der Visitationsurkunde von 1574 beide Dörfer bereits in kirchlichem Verbande standen, Zehmen als Hauptpfarre und Rüben als Filial. Die Collatur des Pfarramtes zu Zehmen steht abwechselnd einmal dem Besitzer des Rittergutes Zehmen und alsdann dem Herrn auf Rüben zu. Die Zehmen-Rübener Schulstelle wird nur von dem Rittergute Zehmen besetzt.

O. M.     



Anmerkungen der Vorlage

  1. handschriftliche Korrektur: Grossottersleben