Textdaten
<<< >>>
Autor: Bock
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Aerztliche Strafpredigt
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 21, 24, S. 328–329, 378–379
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1864
Verlag: Verlag von Ernst Keil
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite
[328]
Aerztliche Strafpredigt.
Für die erwachsene Menschheit, insbesondere für den Geschäftsmann.

Die jetzige Menschheit steckt, trotz aller Fortschritte in der Cultur, doch immer noch so tief im Aberglauben und Unverstande, zumal in Bezug auf ihr körperliches und geistiges Wohl, daß man die meisten, auch sogenannte gebildete Menschen, gerade in solchen Beziehungen, wo sie recht sehr vernünftig sein sollten und könnten, vorzugsweise aber in gesundheitlicher Hinsicht geradezu für unvernünftig und einer höheren Freiheit, sowie eines behaglichen Wohlbefindens noch für durchaus unwerth erklären muß.

Das brauchte aber gar nicht so zu sein. Denn wenn durch die Erziehung in der Jugend – aber freilich nicht erst in der Schule, sondern schon in den ersten 4 bis 6 Lebensjahren – dem Menschengehirne anstatt naturwidrigen Aberglaubens ein auf die göttlichen, in der Natur herrschenden Gesetze gestütztes Wissen und Können so eingepflanzt würde, daß es darin für das ganze Leben festgewurzelt bliebe, dann könnte aus jedem Menschen ein vernünftiges und achtungswerthes Geschöpf ohne die sogenannten „menschlichen Schwächen“, d. h. ohne eingelebte schlechte Angewohnheiten, wie Genuß- und Habsucht, Eitelkeit, Ehr- und Herrschsucht, abergläubische Furcht und unverständige Glaubsucht etc., erzogen werden.

Wie aber zur Zeit die Erziehung des Menschen, und zwar hauptsächlich von Seiten der Eltern, in den ersten Lebensjahren bestellt ist (s. Gartenlaube 1862 Nr. 5), da werden, trotz aller Arten von Vereinen, aus erwachsenen Menschen, weil sie aus ihrer Jugend alle möglichen Untugenden, Schwächen, Schrullen, Vorurtheile und Aberglauben in das reifere Lebensalter mitbrachten, fast nie mehr wirklich vernünftige Geschöpfe zu bilden sein. Nur wo’s die Erwerbung irdischer Güter für ein behagliches Leben gilt, da allenfalls nimmt auch die erwachsene Menschheit noch Lehre an.

Und auch da nicht einmal. Denn selbst der wirklich gute Rath, welcher dem Laien zur Erhaltung seiner Gesundheit, also zur Erreichung des Nothwendigsten, was ihn für seine irdischen Güter erst genußfähig macht, gegeben wird, bleibt von den Allermeisten unbeachtet. Und wenn er Jahre lang auf die unverständigste, leichtsinnigste und frivolste Weise seine Gesundheit ruinirt hat, dann jammert und wehklagt der Feigling über seine Krankheit wie über ein unverschuldetes Unglück und klammert sich aus Angst vor dem Tode an jedes, auch dem Menschenverstande Hohn sprechende Heilverfahren.

Deshalb kann denn auch die Hoffnung, welche man auf die Wirksamkeit der zur Aufklärung der erwachsenen Menschheit gegründeten Vereine, sowie auf belehrende Vorträge und Schriften setzt, nur eine sehr schwache sein. Alle Vereine, sie mögen heißen und bezwecken was immer sie wollen, können niemals im Erwachsenen Das nachholen und ausbessern, was in der Jugend vernachlässigt und schlecht gemacht wurde. Der jetzige Mensch wird aber schon von Geburt an verhunzt.

Nochmals sei’s darum gesagt: nur erst dann, wenn eine richtige, schon von frühester Jugend an erworbene Kenntniß der Naturgesetze auf das Denken und Thun des erwachsenen Menschen den gehörigen Einfluß ausüben wird, nur erst dann werden die Zustände auf dem physischen, geistigen und sittlichen Gebiete in der Menschheit erfreulicher sein als jetzt, wo bei den meisten Menschen kindische Anschauungen zu bekämpfen und Wahn, Despotismus und Rohheit die Resultate der naturwidrigen Erziehung sind.

Und was soll nun mit dieser Klage erstrebt werden? Zuvörderst nichts Anderes, als daß die Leser dieser Zeilen ihre ganze Aufmerksamkeit auf die große Wichtigkeit einer richtigen physischen und psychischen Erziehung in den ersten Lebensjahren lenken (siehe Gartenlaube 1862 Nr. 5) und daß sie, um dem Fortschritte in Vervollkommnung und Veredelung der Menschheit auch wirklich [329] förderlich sein zu können, endlich einmal die unglückliche Idee vom „Angeborensein“ aufgeben und dafür das „Anerzogenwerden“ zum Erziehungsgrundsatze annehmen möchten.

Und warum glaubt Verfasser mit der erwachsenen Menschheit hadern zu müssen? Weil sie sich durchaus nicht von ihren schlechten, aus der Jugendzeit stammenden Angewöhnungen und von dem durch faules, ungeordnetes Denken entstandenen abergläubischen Vertrauensdusel trennen und lieber in eigennütziger Genuß- und Habsucht, in brutaler Herrsch- oder sklavischer Dienstsucht, in kindischer Ehr- und thörichter Glaubsucht schließlich an elender Schwind- oder Wassersucht vorzeitig und jämmerlich hinsiechen will, als unter dem Panier von „Frisch, fromm, fröhlich und frei“ ein nicht blos ihr selbst und ihren Angehörigen, sondern auch den Mit- und Nachweltsmenschen genuß- und fruchtbringendes, glückseliges, heiteres, langes und gesundes Leben zu leben. – Um die Wahrheit des Gesagten durch Thatsachen zu beweisen, wollen wir jetzt das Thun und Treiben der Menschen in ihren verschiedenen Berufsarten in gesundheitlicher und krankheitlicher Hinsicht beleuchten und zunächst den sogenannten Geschäftsmann (im Gegensatz zum Arbeitsmann) vornehmen. Als einen solchen könnte man vielleicht jeden betrachten, der, meistens mit einem Comptoir und angrenzenden Lagerräumen behaftet, beim Jahresabschluß seines Geschäftes sich ganz unglücklich fühlt, wenn er nur, wie die meisten übrigen Menschen (aus dem Arbeiter-, Handwerker-, Künstler- und Gelehrtenstande), gerade soviel verdient hat, um sein Wohlleben mit den verschiedenen Liebhabereien und den gehabten unabwendbaren Verlusten bestreiten zu können, und nicht auch noch ein Erkleckliches darüber zur Anschaffung von allerhand irdischem Plunder.

„Mein Geschäft erlaubt das nicht“ und „ich habe keine Zeit dazu“, das sind die Ausreden, welche ebenso der kranke wie der gesunde Geschäftsmann macht, um die zur Wiederherstellung oder zur Erhaltung seiner Gesundheit durchaus nöthigen diätetischen Verordnungen des Arztes, weil sie entweder zeitraubend oder unbequem sind, von sich abzuwehren, sogar sehr oft mit der Ueberzeugung, daß der Arzt ganz Recht hat. Leider giebt es nun gewissenlose Heilkünstler noch genug, die nicht etwa aus Ignoranz, sondern nur der Groschen wegen, solche Ausreden ruhig hinnehmen und die Anfänge schwerer und heilbarer Leiden, weil sie zur Zeit den Geschäftsmann zu seinen Geschäften noch nicht ganz unfähig machen, nach ihrem alten Curirschlendrian mit allerlei nichtsnutzigen (homöopathischen oder allopathischen) Mitteln tractiren, bis sie nach einiger Zeit dem Bemittelten ein erbärmliches Ende seiner Gesundheit und seines Geschäftes vermittelt haben. Beide, Geschäftsmann und Arzt, sind in solchen Fällen Verbrecher.

Die häufigste Klage des Geschäftsmannes, nämlich in Bezug auf seinen Körperzustand, ist die über seinen Kopf, den er schwer und eingenommen, häufig schwindlig oder schmerzend fühlt und in den er sich’s außerdem noch gesetzt hat, daß diese störenden Empfindungen durchaus von Blutandrang, oder von Hämorrhoiden, oder von versetzten Blähungen und Stuhlverstopfung herrühren müssen. Der mittelsüchtige Arzt nun, welcher auf diese dämligen Ideen des Patienten, da sie gewöhnlich auch die seinen sind, sehr gern eingeht und durch Purgirmittel die Beschwerden vom Kopfe nach dem Bauche abzuleiten trachtet, der ist dem Geschäftsmanne sein Mann, sobald dieser durch jene Ableitungscur nur nicht vom Geschäftemachen abgehalten wird. Daß sein Uebelbefinden bei einer solchen Heilmethode immer übler wird, daß der Appetit vollständig vergeht, daß das Mattigkeitsgefühl und die Mißstimmung fort und fort überhandnehmen, daß die Kraft zum Arbeiten immer mehr sinkt, das Alles bringt den Geschäftsfanatiker noch lange nicht dahin, daß er von seiner naturwidrigen Cur zu einer naturgemäßen übergeht; ist ja doch in seinem Geschäfts- wie Stuhlgange keine Stockung.

Wie ganz anders ist der rationelle Heilkünstler zu verfahren verpflichtet, wenn’s bei einem Geschäftsmanne nicht richtig im Kopfe ist! – Er wird diesem zuvörderst den Wahn, daß Congestionen vom Unterleibe aus die Schuld an dem Kopfleiden tragen, dadurch zu benehmen wissen, indem er die Anstrengungen desjenigen Organs, mit welchem der Patient seine Spekulationen überdenkt und überhaupt seine geistigen Geschäftsarbeiten betreibt, des Gehirns nämlich, mit den Strapazen der Beine bei anstrengenden Fußpartieen vergleicht. Beide Organe, Gehirn wie Beine, werden nämlich durch zu große Anstrengung (Ueberanstrengung), in Folge der starken Abnutzung ihrer Materie, matt und von widernatürlichen Empfindungen heimgesucht, versagen allmählich den Dienst und könnten sogar durch fortgesetztes gewaltsames Antreiben zum Thätigsein völlig gelähmt werden. Von den müden Beinen weiß nun jedes Kind, daß man dieselben, wenn sie nach einiger Zeit wieder ordentlich laufen sollen, gehörig ausruhen lassen muß und daß man bei diesem Ausruhen den ganzen ermüdeten Körper durch nahrhaftes Essen und Trinken wieder auf die Beine bringen kann. Dem durch’s Speculiren, Similiren, Addiren und Subtrahiren, Alteriren und Chicaniren u. s. w. müde gewordenen Gehirne des Geschäftsmannes, weil der keine Zeit hat und sein Geschäft es nicht erlaubt, geht’s nun aber nicht so gut wie den müden Beinen des Wanderers, denn dieses muß trotz seiner Ermüdung, die durch den Schlaf allerdings in Etwas gehoben wird, fort und fort geschäftig sein, oft sogar ohne durch nahrhafte und gut verdaute Nahrungsmittel richtig genährt und gekräftigt zu werden. Kommen nun gar noch jene ableitenden, schwächenden und den Appetit verderbenden Purganzen, oder die das Gehirn sammt seinen Nerven unnatürlich reizenden stärkeren Spirituosen und Kaltwasserquakeleien, sowie gesellschaftliche, gemüthliche und geschlechtliche Erregungen mit in’s Spiel, dann gute Nacht Gehirn mit deinem Denken und Urtheilen, deinem Gemüthe und Willen!

Ich hoffe, daß jeder Geschäftsmann, der in seinem Geschäfte wirklich sein eigenes und nicht seiner Leute Verstandesorgan, also das Gehirn, arbeiten läßt, einsteht, wie bei seinem Kopfleiden in Folge von langandauernden und bedeutendern Anstrengungen des Gehirns, dieses Organ auch die passende Erholung durch Ruhe braucht und daß demnach ein angegriffener Geschäftsmann, wenn er sich radical erholen will, durchaus auf einige Zeit sein Geschäft zu verlassen gezwungen ist. Aber freilich muß er gleichzeitig auch alles das noch meiden, was das ermüdete Gehirn stark erregen kann, wie Spirituosa, kalte Bäder, leidenschaftliche Unterhaltungen und unterhaltende Leidenschaften aller Art. Daneben sind zur Abkürzung und Nachhaltigkeit der Kräftigungscur noch reine sonnige Waldluft (recht tief eingeathmet), gute kräftige Kost (besonders Milch und Eier) und warme Bäder (wöchentlich eins bis zwei) von ausgezeichnetem Vortheile (s. Gartenl. 1863. Nr. 22. Rathschläge zu Sommercuren). – Die von den meisten Aerzten dem angegriffenen Geschäftsmanne als Kräftigungsmittel verschriebenen Arzneistoffe, sie mögen heißen wie sie wollen, haben alle, ebenso wie die empfohlenen Mineralwässer, meine vollste Verachtung, da sie niemals stärken, sondern fast immer die Magenverdauung ruiniren und dann, weil nicht genug guter Speisesaft mehr bereitet wird, schwächen. Nur nahrhafte Nahrungsmittel (besonders Milch, Ei und Fleisch) geben unserem Körper Saft und Kraft.

Und nun, Hand auf’s Herz, angegriffener Geschäftsmann mit dem eingenommenen Kopfe, erlaubt’s Dein Geschäft wirklich nicht, daß Du zur Erhaltung und Kräftigung Deines Gehirns mit seiner Urtheils- und Willenskraft, sowie zur Verbesserung Deiner Dir und Andern nicht gerade angenehmen Gemüthsstimmung, auf einige Zeit Dein enges Geschäftslocal mit Gottes weiter Natur vertauschen kannst? Bedenke, daß Du später mit all Deinem Mammon die zur Herstellung und Kräftigung Deiner Gesundheit verlorene Zeit nicht zurückerkaufen kannst und daß Du, wenn auch alle in der Welt bekannten medicinischen Professoren, Hof- und geheimen Räthe zu einem Consil über Deinen ruinirten Corpus zusammentreten, doch weit früher als nöthig in das von Dir gefürchtete Grab wandern mußt – worüber sich natürlich Deine Herren Schwiegersöhne auch noch freuen.

Erlaubt nun aber das Geschäft einem Geschäftsmanne eine Erholungscur fern vom Geschäfte in der That wirklich nicht, dann beobachte dieser zur Conservirung seines Gehirns wenigstens die folgenden Vorsichtsmaßregeln. Zuvörderst lasse er seinen speculirenden Kopf nicht zu langanhaltend arbeiten, sondern mache von Zeit zu Zeit im Arbeiten Pausen, sogar der Usance entgegen in den Geschäftsstunden und wo möglich im Freien. In der geschäftsfreien Zeit halte er sich so viel als möglich auch frei von Geschäftsideen, mache sein ordentliches Mittagsschläfchen, gebe sich des Abends einer leichten und angenehmen Unterhaltung hin und halte auf regelmäßigen Nachtschlaf. Wie die übrigen, besonders die Brust- und Bauchorgane, in Ordnung zu halten und zu bringen sind, wird ein späterer Aufsatz den Geschäftsmann lehren, denn fertig ist der Verf. mit selbigem Manne noch lange nicht.
Bock. 

[378]
2.

Wenn der Kopf (oder richtiger das Gehirn) des Geschäftsmannes in einem früheren Aufsatze (s. Gartenl. 1864, Nr. 21) als der Theil bezeichnet wurde, welcher sehr häufig in Folge des Geschäftslebens leidet, so will Verfasser damit ja nicht etwa behauptet haben, als ob der Geschäftsmann eben so ein Kopfarbeiter wäre wie der Gelehrte. Aber trotzdem daß der Geschäftsmann weit weniger denkt als der Gelehrte, so arbeitet sich sein Gehirn doch mehr ab als das des Gelehrten und zwar deshalb, weil ihm seine Geschäfte fortwährend im Kopfe herumgehen und dem armen Gehirne oft selbst im Schlafe keine Ruhe lassen. Und darum hat auch der Geschäftsmann noch weit mehr als der Gelehrte die Verpflichtung, seinem Gehirne die richtige Erholung zu gönnen und die Behandlung zukommen zu lassen, welche in dem früheren Aufsatze und bei der Gehirndiätetik (Gartenl.1861, Nr. 52) angegeben wurde. Bei vielen Geschäftsleuten zieht auch das aus der Hirnanstrengung hervorgegangen Kopfleiden eine allgemeine Nervosität (oft mit weibischer Nörgelsucht) nach sich, die gewöhnlich als Ursache aller Launen und Unarten, der großen Aergerlichkeit und des leichten Gereiztseins, kurz des Eklich- und Widerwärtigseins herhalten muß. Ausführliches über das „Nervössein“ findet man in der Gartenlaube 1860. Nr. 25.

Mit seinem Magen, überhaupt mit der Verdauung, ist der Geschäftsmann äußerst selten in rechter Ordnung. Das ist aber auch kein Wunder, denn man braucht nur Geschäftsleute essen zu sehen, um als Arzt das größte Mitleid für die armen Geschäfts-Mägen zu fühlen. Anstatt mit Gemüthsruhe und Behaglichkeit sich dem Essen hinzugeben, werden, weil’s das Geschäft nicht anders erlaubt, feste Nahrungsstoffe, besonders Fleischspeisen, in großen Stücken und nur wenig gekaut hastig verschluckt; zwischendurch wird nach Umständen bald über Geschäftliches gesonnen oder gestritten, bald ärgerliches Häusliches abgemacht und vielleicht auch mit Weib und Kind gehadert, und schließlich ist in aller Gemüthsunruhe der Flasche mehr zugesprochen worden, als dienlich. – Wollten sich doch die Geschäftsleute, wie überhaupt alle Menschen, endlich einmal merken, daß man die Zähne nicht etwa der Zahnschmerzen wegen, sondern dazu im Munde hat, um feste Nahrungsmittel so lange zu zerkauen, bis sie mit Hülfe des zufließenden Speichels in einen weichen Brei verwandelt sind, der alsdann im Magen (der keine Zähne zum nachträglichen Zerkauen besitzt) durch den sauern Magensaft leicht aufgelöst (verdaut) werden kann. Wie aber die meisten Menschen essen, da beschweren die verschluckten großen Stücken fester Stoffe nicht nur den Magen, sondern sie gehen auch, nachdem sie sich länger, als sie sollten, im Magen und Darmcanale aufgehalten haben, zum großen Theile unaufgelöst beim Stuhlgange mit fort. Auf diese Weise werden viele der genossenen Speisen, ohne den gehörigen Nahrungsstoff für das Blut geliefert und die für sie gemachte Ausgabe verdient zu haben, aus dem Körper wieder entfernt; sie thaten der Zunge wohl, dem Bauche weh. Menschen, lernt in der Jugend kauen, damit ihr im Alter nicht dem Magenelend verfallt! – Ist der Magen aber verdorben, dann hüte man sich um Himmels willen vor allen sogenannten magenstärkenden Arzneien und Elixiren; nur ein passendes und strenges diätetisches Verfahren macht einen schlechten Magen wieder gut (Gartenlaube 1860. Nr. 7).

Sieht man sich ferner in einem Geschäftsmanns-Bauche auch nach andern Organen als nach dem Magen um, dann entdeckt man in denselben, besonders in der Leber, Milz und am Mastdarme, als Grund der vielen und mannigfachen Unterleibsbeschwerden [379] (wie: unangenehme Empfindung von Druck und Völle in der Oberbauchgegend, besonders nach dem Essen; Appetitsstörung und unregelmäßiger Stuhlgang, Blähungs- und Hämorrhoidalbeschwerden) in den allermeisten Fällen eine krankhafte Ueberfüllung der Adern mit dunkelrothem Blut. Das ist der Zustand, den der Arzt „Unterleibsanschoppung, Abdominalplethora, Pfortaderstockungen, Hämorrhoidalleiden“ nennt und durch Purganzen, Blutegel an dem After, Schwefel mit Cremor tartari, abführenden Mineralwässern (Carlsbad, Kissingen) und dergl. zu heben sucht, während Verf., der diese Art von Cur haßt, eine Unterleibsdiätetik empfiehlt (Gartenl. 1860, Nr. 21), welche das Uebel an der Wurzel angreift und den trägen Lauf des Pfortader-Blutes durch die Leber fördert. Aber freilich diese Unterleibsdiät, zu welcher auch die gehörige Bewegung und eine zweckmäßige Athmung gehören, ist dem Geschäftsmanne nicht bequem, und es erlaubt deshalb auch sein Geschäft nicht, die nöthige Zeit darauf zu verwenden. Darum wird er aber auch später bei wachsender Unterleibsverstocktheit ein grämlicher, launenhafter, ärgerlicher, mißmutiger, hypochondrischer Philister, den schließlich nichts mehr interessirt als sein liebes nervöses Ich mit Hämorrhoiden und sein Geschäft.

Der vielsitzende Geschäftsmann wird bisweilen rechts unten im Bauche von einem Drucke oder wohl auch von heftigern Schmerzen heimgesucht, die ihren Grund in einer Anhäufung von Koth im Blinddarme haben. Diesem Zustande, der sich mitunter zu einer gefährlichen Blinddarmentzündung steigert, ist am besten mit öfteren Klystieren von warmem Wasser entgegen zu treten. Da aber in dieser Bauchgegend manch andere Leiden vorkommen, die von Bedeutung und richtig zu würdigen sind (Gartenl. 1863, Nr. 29) so ist eine genaue Untersuchung derselben von Seiten des Arztes ganz unentbehrlich.

Was die sogenannten Hämorrhoidal-Blutungen bei Geschäftsleuten betrifft, so sind diese, zumal wenn dabei viel Blut verloren wird, gar keine hämorrhoidalen, sondern stammen aus der entarteten Mastdarmschleimhaut und verlangen eine örtliche Behandlung (gewöhnlich mit Höllenstein). Einem Arzte, der bei solchen Blutungen nicht den Mastdarm untersucht (was übrigens gleich nach dem Stuhlgange geschehen muß), dem entziehe der Patient sofort sein Vertrauen. Ein Patient aber, der sich gegen eine solche Untersuchung und örtliche Behandlung wehrt, ist ein subtiler Selbstmörder.

Von einer vernünftigen Behandlung ihrer gesunden und kranken Lungen ist bei Geschäftsleuten gar keine Rede. Erst wenn die Lunge zum größten Theile ruinirt ist, erst dann wird’s dem abgezehrten und matten Herrn Geschäftsmann klar, daß nun etwas Ernstliches geschehen müsse. Aber nur ja nicht einen Respirator tragen, lieber „wohin gehen“. Und während die Herren Doctoren zu Dritt oder Viert berathschlagen, wohin der fiebernde Kranke fahren soll, fährt er in’s Jenseits. – Dieses in ein anderes Klima Schicken von Brustkranken gehört in den meisten Fällen auch zum heilkünstlerischen Schlendrian und ist gewöhnlich nicht nur nicht heilbringend, sondern sogar gefährlich und im höchsten Grade inhuman, weil dadurch der der größten körperlichen und gemüthlichen Ruhe bedürftige Kranke aus seinen dieser Ruhe förderlichen Verhältnissen herausgerissen wird. Ein Brustkranker, wenn er fiebert, darf gar nicht an eine Reise denken, sondern bleibe hübsch ruhig zu Hause, wo ihm ja auch eine gute, reine, warme Luft bereitet werden kann. Hat aber der Krankheitsproceß in seiner Lunge einen Stillstand gemacht, so wird ihm eine Reise in ein südliches Klima auch nur dann nützen, sobald er sich dort längere Zeit und bei der größten Gemüthsruhe (besonders ohne Heimweh) aufhalten kann. Uebrigens ist’s für einen Brustkranken mit dem Klimawechsel allein noch lange nicht abgethan, er muß auch im Süden, trotz der heilsamen Luft, noch alle die Schädlichkeiten ängstlich meiden, welche eine Rückkehr (Nachschub) des Brustleidens veranlassen können, wie Staub, Rauch, reizende Gasarten, Aufregungen aller Art und Erkältungen.

Die Regeln, welche ein Brustkranker, wenn er trotz seiner kranken Lunge (denn vollständig gesund wird diese niemals wieder) ein höheres Alter erreichen und auch ziemlich beschwerdelos leben will, genau zu beobachten hat, finden sich in Gartenl. 1859 Nr. 49, und 1855 Nr. 15; über den enormen Werth des Respirators bei Lungenleiden handelt ein Aufsatz in der Gartenl. 1855 Nr. 8. – Weil nun eine in ihrer Spitze (tuberculös) erkrankte Lunge niemals wieder, auch nicht durch salzige Mineralwässer und südliches Klima, ihre frühere, normale Beschaffenheit erlangen kann, darum muß ein Brustkranker die von diesen Lungenspitzen-Entartungen abhängigen Beschwerden, wie Husten, Auswurf und zeitweilige Kurzathmigkeit, ertragen lernen und nicht durch fortwährendes Mediciniren wegcuriren wollen. Eine solche Entartung kann ja gar nicht viel schaden und sollte den Kranken nur veranlassen, ein weiteres Krankwerden seiner Lunge durch richtiges Verhalten zu verhüten.

Der Geschäftsmann mit noch gesunder oder etwas angegriffener, aber das Wohlbefinden nicht störender Lunge, der hat natürlich seines Geschäftes wegen keine Zeit, ebensowenig etwas zur Erhaltung und Kräftigung seines Athmungsapparates, wie überhaupt seines Körpers zu thun; der muß, wenn er sich wirklich einmal sein Geschäft aus dem Kopfe schlägt und Zeit zur Erholung nimmt, in seiner geschäftsfreien Zeit reisen, jagen, schmaußen, spielen, bauen, politisiren u. s. f. und zwar unter Umständen, die auch die gesündeste Lunge krank zu machen im Stande sind, wie rauhe, kalte Luft, Staub, Rauch, schneller Wechsel zwischen warmer und kalter Luft, reizende und überhaupt schädliche Gasarten u. s. w. Auch sind leider Gottes die meisten Geschäftsleute so kindisch und schämen sich, ihren Lungen, selbst wenn dieselben früher schon einmal krankten, und sogar bei offenbarer Gefahr, Schutz angedeihen zu lassen, weil’s auffällt. Mit dem Respirator z. B., der ja doch Lungenleiden verhüten soll und auch kann, kommt der Arzt in der Regel nur bei Lungenschwindsüchtigen an, die schon mit einem Beine im Grabe stehen, und auch die wehren sich noch gegen diesen bravsten aller Beschützer der Lungen. In „Für Nichtraucher“ muß der hustende Geschäftsmann auf der Eisenbahn fahren; staubige und rauchige Luft und Localitäten muß er meiden; von Strapazen aller Art halte er sich fern; bei Festessen trinke er sich nicht fest und gerire sich überhaupt nicht als Gesundheitsrenommist.

Das Geschäftslocal, das in der Regel mit dem Geschäfte und Geschäftsmanne verwachsen ist, kann vielleicht manchmal das Geschäft in die Höhe, den Geschäftsmann aber gar nicht selten herunterbringen. Denn abgesehen von der hier häufig herrschenden, das Gemüth verdüsternden Dunkelheit (denn Licht ist Leben), so sind auch viele Locale so feucht und kalt, daß ebenso (besonders im heißen Sommer) die schnelle Abkühlung der erhitzten Haut hitzige (acute) Erkältungskrankheiten, wie die andauernde Einwirkung der feuchten Kälte auf die transpirirende Haut langwierige (chronische) sogen. rheumatische Uebel erzeugen kann. Die Regulirung der Luft- und Temperaturverhältnisse in den Localen, von welchen doch zum großen Theile das Wohlbefinden der Herren Principale und ihrer Mitarbeiter mit abhängig ist, wird gewöhnlich den Herren Markthelfern überlassen, und die haben so ihre eigenen Ideen über gute Luft und Wärme. Ja, wenn’s die Waaren betrifft, für die muß eine zweckmäßige Lagerstätte beschafft werden, die geschäftigen Menschen mögen aber den größten Theil ihres Lebens in menschenfeindlichen Aufenthaltsorten verkümmern. Auch für seine Pferde und Hunde trägt in der Regel ein Geschäftsmann weit mehr Sorge, als für sich und seine Leute.

Wie sich der Geschäftsmann in seinem Geschäfte beim Arbeiten verhält, ist gar nicht selten von Einfluß auf sein Befinden oder doch auf sein Empfinden. Der im Stehen Arbeitende fühlt mitunter seine Beine ermatten und meint dann, an Rückenmarksschwäche zu leiden. Sitzt einer auf hartem Sessel mit scharfer Kante, so passirt’s wohl, daß der fortwährende, wenn auch nur mäßige Druck dieser Kante auf die Nerven und Blutgefäße der hintern Fläche des Schenkels, eine dauernde Empfindung von unangenehmem Taubsein des Beines vom Knie ab erzeugt, welche den Aberglauben an Rückenmarksschwindsucht aufkommen läßt. Der beim Sitzen stark vorgebeugte, den Bauch einengende und die Brust an den Arbeitstisch andrückende Geschäftsmann zieht sich durch diesen Sitz bisweilen Brust- und Unterleibs-, Athmungs- und Verdauungsbeschwerden zu, die er natürlich durch Arznei wegcurirt haben will.

Ueberhaupt muß es die Heilkunst, wenn es nach den Anforderungen der Geschäftsleute an die Aerzte gehen soll, durchaus noch dahin bringen, daß sie durch Heilmittel den alternden, kränkelnden Menschenleib jung, käftig und womöglich niet-, nagel- und feuerfest zu machen im Stande ist.
Bock.