ADB:Wolff, Wilhelm
Rauch’s, in Berlin einen Aufschwung. W. durfte daher dort eine ersprießliche Schulung erwarten. Er fand dieselbe vor allem auf dem von Beuth geleiteten Gewerbeinstitut. Dort trat er zugleich bereits auch künstlerischen Aufgaben nahe und empfing in der Modellirclasse Ludwig Wichmann’s den ersten Kunstunterricht. Hiervon abgesehen ist er als Künstler Autodidact, und hat sich auch später keinem einzelnen Meister unmittelbar angeschlossen. In dem nächsten Jahrzehnt trieb er das Modelliren überhaupt nur als Nebenbeschäftigung, in den Mußestunden, die ihm sein technischer Beruf ließ. Als Beuth den Eleven nach dreijähriger Thätigkeit am Gewerbeinstitut ein Staatsstipendium zu einem Pariser Aufenthalte erwirkte, dachte er an den Gießer, nicht an den Künstler. Auch W. selbst suchte und fand in Paris, bei Soyer, vor allem die Vervollkommnung im Metallguß, in welchem damals Frankreich Deutschland noch wesentlich überlegen war, ebenso, als er dann von Paris nach München zog. In der Stiglmayr’schen Anstalt vollendete er seine Ausbildung und eröffnete nach seiner Rückkehr in Berlin bei der „Alten Münze“ eine Metallgießerei vorwiegend für Kunst und Kunstgewerbe, die bald in Blüthe kam. Eine ganze Reihe von Berliner Kunstwerken sind aus ihr hervorgegangen, unter anderen die Broncethüren des Alten Museums, und der nach Cornelius’ Entwurf ausgeführte silberne Glaubensschild von A. F. Fischer für den Prinzen von Wales in der Nationalgalerie. – Auch auf den Berliner akademischen Kunstausstellungen erschien Wolff’s Name im Beginne der vierziger Jahre zunächst vorwiegend als der eines Kunstgießers, der die Entwürfe Anderer – so besonders Friedrich Drake’s – ausführte. Als selbständiger Künstler wurde der schon geschätzte Bildgießer weiteren Kreisen erst 1846 bekannt, und zwar durch ein Werk, das bereits dem Specialgebiet seiner ganzen folgenden Kunstthätigkeit angehört, durch eine Thiergruppe: „Gelagerte Bulldoghündin mit zwei Jungen“. Die schlichte Naturwahrheit erinnert hier an einen Naturabguß, die ganze Auffassung, und besonders die wohlerwogene Composition jedoch bezeugen zugleich einen ungewöhnlich feinen Künstlerblick. Mit glücklichem Griff stellte W. bald [57] darauf auch den Humor in den Dienst seiner Kunst, indem er den tödtlichen Ausgang einer Staaroperation, die man an einem Bären des zoologischen Gartens versucht hatte, nach Art der Fabel von Reineke Fuchs dadurch persiflirte, daß er auch das den Bären umgebende Aerztecollegium in das Thierreich übertrug. – Die Hündin und diese parodistische Scene machten ihn schnell bekannt und lenkten auch die Aufmerksamkeit des Königs Friedrich Wilhelm IV. auf ihn. So war auch für den Künstler endlich die Zeit gekommen. Er übergab die technische Leitung der Gießerei bald seinem Bruder Albert und wandte sich ganz der Sculptur zu. Von nun an gingen aus seinen fleißigen Händen Jahr für Jahr neue Thierstücke hervor, Einzelgestalten und Gruppen, Freifiguren und Reliefs in allen Maßstäben von der Lebensgröße bis herab zur Miniaturplastik, sehr zahlreiche Arbeiten, die in Zink-, Bronce- und Silberguß und in Hausteinnachbildung eine weite Verbreitung fanden und den „Thier-Wolff“ populär machten. Von diesen Werken seien mit Angabe des Ausstellungsjahres folgende genannt: „Büffel im Kampf mit Wolfshund und Dogge“, „Panther mit Beute“ (1846); „Eber mit Hunden“, „Löwe durch Schlange erschreckt“ (1848); „Lebensgroßer Courshund“, „Löwe einen Hirsch erlegend“ (1850); „Zebu im Kampf mit Tiger“, „Erlegter Eber mit Hunden“ (im Jagdschloß Grunewald b. Berlin), „Gestürzter Hirsch“ (1854); „Lebensgroßer Reiher“ (als Brunnenaufsatz), „Wildeber“ (1856); „Stürzender Edelhirsch“ (1860); „Sauhatz“, „Fuchs im Eisen“ (1862); zwei als Pendants ungemein fein wiedergegebene Gazellen (1866) in Sanssouci. Wolff’s bekannteste Arbeit an öffentlicher Stätte in Berlin ist die im Modell 1870 vollendete lebensgroße „Löwengruppe“, welche später in Bronceausführung im Mittelweg des südöstlichen Thiergartentheiles aufgestellt wurde: neben dem vom tödtlichen Speer verwundeten Weibchen, steht hochaufgerichtet der zornbrüllende Löwe, während zwei Junge den Leib der Mutter umkriechen. 1876 folgten die kleineren Figuren eines ruhenden Löwen und eines Tigers. Auch die Modelle zu den vortrefflichen geschnitzten Turnierrossen in der Waffensammlung des Berliner Zeughauses stammen von W. Auf das Studium des Hundes hatte W. von jeher besondere Sorgfalt verwandt, und seit jener Bulldoghündin die mannichfachsten Typen dargestellt. Seine letzte größere, selbständige Gruppe (1878/79) zeigt zwei Bernhardiner Hunde bei der Rettung eines Verschütteten. Seine Exactheit in der Wiedergabe des Thierkörpers veranlaßte das landwirthschaftliche Ministerium in Berlin, ihm die Ausführung von Mustermodellen nach deutschen Zuchtthier-Racen zu übertragen, und diese Nachbildungen von Rindern, Pferden, Schafen u. s. w. sind in der That von unübertrefflicher Treue. Mit der Vervollständigung dieser Reihe war er bis zu seinem Tode beschäftigt. –
Wolff: Wilhelm W., geboren am 6. April 1816 in Fehrbellin, hat seine Laufbahn mit vierzehn Jahren als Lehrling in der königlichen Eisengießerei in Berlin begonnen und ist am 30. Mai 1887 als einer der bekanntesten deutschen Thierbildner gestorben. Von seiner Lebensthätigkeit gehörte das erste Drittel der Technik an, dann erst wandte er sich ganz der Kunst zu. Seine bildnerische Begabung hatte sich freilich schon in früher Jugend gezeigt, aber er war auf einen sichern Erwerb angewiesen. Der Kunstguß nahm damals, dank der MonumentalplastikSelbstverständlich beschränkte sich die schöpferische Thätigkeit des Meisters keineswegs nur auf die Thierbildnerei. Neben mannichfachen Jagdscenen, wie sie seinem Lieblingsstoff entsprachen, und einer Reiterstatue des St. Hubertus hat er eine ganze Reihe tüchtiger Arbeiten der Porträt- und der Idealplastik hinterlassen, so eine gute Broncebüste Herder’s für dessen Heimathstadt Mohrungen, die nach einem Gemälde ausgeführte Marmorbüste Sebastian Bach’s in der Singakademie in Berlin, die Reliefbildnisse bedeutender Chemiker im Berliner Laboratorium in der Georgenstraße, sowie die Porträts Paul Heyse’s, v. Lepel’s, Wilhelm v. Merckel’s, des Capellmeisters Taubert, die Porträtstatuette des Romandichters Heinrich Smidt; und für den Schloßpark in Oranienburg schuf er eine vortreffliche Statue der Kurfürstin Luise Henriette. Als Idealbildner steht er innerhalb des Rauch’schen Kreises, im Zeichen des Neuclassicismus. Das bezeugen seine „Bacchantin auf dem Panther“ (1860), die Springbrunnengruppe „Nymphe mit Schwan“ (1864), und besonders die formenschöne Marmorstatue einer in graziöser Haltung rastenden Krugträgerin. In dem Modell zu einem [58] silbernen Tafelaufsatz für den Vicekönig von Aegypten (1852), welches olympische Gottheiten mit ihren Lieblingsthieren darstellte, war ihm schon früh Gelegenheit geworden, an demselben Werk seine künstlerische Herrschaft über die Menschen- und die Thiergestalt zu bewähren. Seine kunstgeschichtliche Bedeutung aber deckte sich mit seinem populären Ruhm als Thierbildner.
W. hat die Thierwelt realistisch dargestellt. Das war in der deutschen Plastik des Classicismus ein Neues. Rauch und seine Schule unterwarfen die Thierfigur den Gesetzen ihrer Monumentalplastik. Darauf deutete schon die Bevorzugung einzelner Gattungen hin, welche den Künstlerblick zu allen Zeiten besonders angezogen haben, der Löwen und der Panther, des Rosses und des Hirsches und, unter den Vögeln, des Adlers. Idealisirt und stilisirt geben sie dieselben wieder. Obgleich Rauch für sein Reiterstandbild Friedrich’s d. Großen ein bestimmtes Pferd aus dem königlichen Marstall zum Vorbild nahm, hat er kein individuelles Pferdeporträt geschaffen. Aehnlich verhielt man sich bei selbständigen Thierstücken. Auch dort eine sichtliche Bevorzugung der Linien- und Formenschönheit, nicht aber die Wiedergabe des thierischen Lebens als Selbstzweck. Dieses Thema hatte sich dagegen die französische Plastik schon früh gestellt, und es zugleich auch auf alle Thiergattungen ausgedehnt. Ihre früheste allbekannte Schöpfung dieser Art ist François Giraud’s „chien braque“. Wolff’s „Bulldog-Hündin“ darf sich damit wohl messen, und der hier angeschlagene Grundton hallt in allen seinen Thierbildern fort. Schlichte Natürlichkeit ist ihr Grundzug, mögen sie compositionell einen mehr dramatischen, oder einen mehr genrehaften Charakter tragen, oder lediglich ein ruhiges Porträt des Thieres als solchen geben. Mit diesem Realismus steht W. Gottfried Schadow näher, als Rauch. In der That sind die einzigen Thierdarstellungen in der gleichzeitigen Berliner Plastik, die neben denen Wolff’s in diesem Sinne zu nennen wären, die Windspiele, welche Schadow für seine bekannte Statue Friedrich’s des Großen in Potsdam modellirte. – Aber mit diesem Realismus verband W. auch ein feines Gefühl für Linienschönheit und plastische Geschlossenheit der Composition. Das darf den Mangel an drastischer Kraft in seinen Werken ersetzen. Die animalische Wildheit des Thieres und den heroischen Zug in demselben hat W. nur selten dargestellt. Dies zum Ausgangspunkte einer neuen Thierplastik zu machen, blieb dem französischen Großmeister Barrye vorbehalten.
- Vgl. Ludwig Pietsch. Nekrolog. Vossische Zeitung vom 5. Juni 1887, erste Beilage. Der „Thierwolff“, und: „Wie ich Schriftsteller geworden bin“. Berlin 1893. I, 156. – Adolf Rosenberg, Geschichte der modernen Kunst. Leipzig 1889. III, 432 f.