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Artikel „Wolff, Thomas d. Jüngere“ von Gustav Knod in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 44 (1898), S. 52–54, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Wolff,_Thomas_(Humanist)&oldid=- (Version vom 25. November 2024, 12:05 Uhr UTC)
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Wolff: Thomas W. d. Jüngere, Jurist, Theologe und Archäologe, eifriger Förderer des Humanismus im Elsaß, Sohn des Schultheißen Johannes W. zu Eckbolsheim b. Straßburg i. E., Neffe des vorigen, geboren zu Eckbolsheim im J. 1475, † bei einer zufälligen Anwesenheit in Rom im Jahre 1509. Seine gelehrte Bildung hat W. auf der Universität Erfurt, wo wir ihn seit 1488 finden, und auf italienischen Hochschulen, vornehmlich in Bologna (seit 1492), erworben. Wie er in Bologna sein juristisches Fachstudium durch die Promotion zum Decr. Doctor (6. März 1501) zum Abschluß brachte, so hat ihm im wesentlichen Bologna auch seine humanistische Durchbildung gegeben. Mag man auch schon in der Erziehung seiner Knabenjahre, die unter dem bestimmenden Einfluß seines freisinnigen Oheims Thomas W. d. ä. (s. o.) und seines Pathen, des humanistisch durchgebildeten Peter Schott (s. A. D. B. XXXII, 406), stand, den freien Geist der Schlettstadter Schule verspüren und mit Recht vermuthen, daß ihm in Erfurt weitere humanistische Anregung geworden, so hat er es doch selbst ausgesprochen, daß er Italien den besten Theil seiner Bildung verdanke. Wie so mancher der deutschen Scholaren in Bologna verehrte auch W. in Philippus Beroaldus d. ä. seinen eigentlichen humanistischen Lehrer; auch dem humanistischen Theologen [53] Matthaeus Bossus, den er vorübergehend in Padua gehört hatte, hat er zeitlebens ein treues Andenken bewahrt. Was ihm aber Bologna und Padua nicht bieten konnten, die Befriedigung seines archäologischen Wissensdranges, suchte er auf eigne Faust in Rom zu erreichen. Unter Lebensgefahr hat er die Ruinen durchwandert, um das ‚alte‘ Rom zu studiren und Inschriften, ‚die Zeugen der Vergangenheit‘ zu sammeln (‚tu cum iuuenis studii causa Romae ageres, periculo vitae te subiecisti, ut abstrusa ignotaque Romanae vetustatis monumenta eruens posteritati consuleres‘, Zasii epp. p. 390). Ist W. auch nicht der erste gewesen, der eine römische Inschriftensammlung heimbrachte, so ist die bei dem jungen Juristen hervortretende (vielleicht durch seinen Lehrer Gammarus in Bologna angeregte) archäologische Richtung seines Humanismus doch von besonderem Interesse, umsomehr, als dieselbe nachweislich dem oberrheinischen Humanistenkreis mancherlei Anregung in dieser Hinsicht gegeben hat. W. ist in der Folge nicht dazu gekommen, seine reichhaltige Inschriftensammlung, die er durch Excerpte aus andern Sammlungen und Beiträge der Freunde vermehrte, herauszugeben. Sie ist uns nur in einer von Bonif. Amerbach i. d. Jahren 1513–1515 zu Freiburg im Hause des Zasius angefertigten Abschrift (z. B. auf der öffentlichen Bibliothek zu Basel) erhalten (Schmidt im Bulletin de la Société pour la conservation des monum. histor. d’Alsace 1876, p. 156 f.). In die Heimath zurückgekehrt, nahm W. seinen Aufenthalt in Straßburg, wo er mehrere geistliche Pfründen besaß. Schon als Knabe war er (25. Mai 1482) zu einer Kanonikatspfründe an St. Thomas in Straßburg gelangt; später hatte er noch ein Kanonikat an Jung St. Peter und Alt St. Peter erworben. Vorübergehend hatte er auch das Decanat von St. Thomas (verzichtete 1484) und von Alt St. Peter (verzichtete 29. Decbr. 1502) inne. Im Besitze der Propstei St. Martin in Colmar wurde er am 26. September 1502 vom Papste bestätigt. Die Einkünfte seiner Pfründen reichten hin, ihm ein reichliches Auskommen zu gewähren, doch gerieth er wol, da er einen kostbaren Haushalt führte und wissenschaftliche Unternehmungen in liberalster Weise unterstützte, vorübergehend in Geldnoth (Knod in Geiger’s Vierteljahrsschrift I, 242). Mit Geiler und Brant verband ihn eine herzliche Freundschaft. Vor allem schloß er sich an Wimpfeling an, dessen humanistische Bestrebungen er mit Feuereifer aufnahm und nach Kräften förderte. Im Zorn wie in der Liebe ist Wimpfeling sein Meister und Vorbild; nicht mit Unrecht hat man ihn das „Echo“ Wimpfeling’s genannt. Mit Wimpfeling theilt er die Begeisterung für wahre Geistes- und Herzensbildung, den pädagogischen Eifer, den glühenden Patriotismus, den Abscheu gegen mönchische Unbildung und Unfläterei, wie gegen klerikale Eigensucht und Anmaßung, aber auch die Beschränktheit der Auffassung bei der vergleichenden Beurtheilung und Werthschätzung der sog. christlichen Dichter und der heidnischen Poeten und die ängstliche Scheu, die letzteren in den Jugendunterricht einzuführen. Auch als Schriftsteller steht W. ganz und gar unter Wimpfeling’s Einfluß. Im Kampfe mit Murner, mit den Augustinern, mit Locher – überall finden wir W. an seines Meisters Seite. Wimpfeling’s ‚Epitome rer. German.‘, seine Schrift, ‚de integritate‘, seine ‚apologia pro re publ. christiana‘ sind durch W. zum Druck befördert worden, und noch manche andere Wimpfeling’sche Schrift ist auf Wolff’s Veranlassung erschienen. Andrerseits ist Wimpfeling wieder an der Mehrzahl der Wolff’schen Publicationen – meist Abdrücken christlicher und classischer Kleinigkeiten – direct oder indirect betheiligt, und auch Wolff’s Commentare zu einzelnen Psalmen sind auf Wimpfeling’s Veranlassung abgefaßt und in Wimpfeling’schem Geiste gehalten. Unabhängig von Wimpfeling erscheint W. nur in seinen Jugendarbeiten, in den noch in Italien verfaßten (heute verlorenen) Dialogen, die in bekannter Manier das Lob der humanistischen Wissenschaften predigten und in [54] den bereits erwähnten archäologischen Bestrebungen. Selbst Wolff’s nicht zur Ausführung gelangte Absicht, eine Straßburgische Chronik zusammenzustellen, steht mit den bekannten ähnlichen Arbeiten Wimpfeling’s in augenscheinlichem Zusammenhang. Wenn W. so unverkennbar die Merkmale des Wimpfeling’schen Humanismus an sich trägt, so zeigt er doch andrerseits in seiner persönlichen Lebensführung eine freiere Auffassung, die, vielleicht ein italienisches Erbtheil, ihn gelegentlich mit seinem Meister in einen vorübergehenden heftigen Conflict brachte. Eine vielbekannte, allgemein verehrte Persönlichkeit unterhielt W. einen umfangreicben gelehrten Briefwechsel mit den gleichstrebenden Freunden in Deutschland wie in Italien. Sein gastfreies Haus stand den humanistischen Gästen allzeit offen. Von besonderem Interesse ist jenes symposion sapientum, das er im J. 1505 mit den Straßburger Genossen zu Ehren des bei ihm weilenden ehemaligen Bologneser Studiengefährten Johannes Collaurius und einiger zufällig in Straßburg anwesenden humanistischen Celebritäten, des italienischen christlichen Philosophen Joh. Franc. Picus Grafen von Mirandula und des Konrad Peutinger, in seinem Hause veranstaltete, da es nicht ohne litterarische Nachwirkung blieb: die von W. besorgte Herausgabe der sermones convivales Peutinger’s (1506) und die Herausgabe der opp. Joh. Franc. Pici (1507), welche auf Wolff’s Veranlassung und auf seine Kosten erfolgte. – Aus unbekannter Veranlassung ging W. im J. 1509 abermals nach Rom; hier wurde er, noch nicht 34 Jahre alt, am 9. October 1509 vom Tode überrascht. Die Nachricht von seinem unerwarteten Tode rief unter den humanistischen Freunden große Bewegung hervor; Wimpfeling und Spiegel, Mutian und Ringmann[WS 1] haben ihm Trauerverse gewidmet, Beatus Rhenanus hat ihm sein Epitaph geschrieben: D. O. M. Thomae Wolfio juniori pontificii iuris perito, priscae eloquentiae facundiaeque studiosissimo, quem tam immatura quam subitaria morte Romae sublatum et Quirites et Germani flevere, amici bene merito posuerunt. Vivit annos XXXIII mens. IX obiit an. salutis MDIX.

Vgl. die fleißige Studie von C. Schmidt, Hist. littér. de l’Alsace II 58 bis 86, die indessen hinsichtlich der Familie Wolff’s und seiner Herkunft durchaus unrichtige Angaben enthält; auch die Charakterschilderung, welche Schmidt von dem Straßburger Kanonikus entwirft, wird durch vorstehende Darstellung wesentlich modificirt; vgl. auch den betreff. Artikel in meinem Ind. biogr. zu den Acta nation. Germ. univ. Bonon.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Matthias Ringmann Philesius