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Artikel „Wibel, Johann Christian“ von Rudolf Günther in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 42 (1897), S. 300–302, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Wibel,_Johann_Christian&oldid=- (Version vom 25. November 2024, 10:01 Uhr UTC)
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Wibel: M. Johann Christian W., Hofprediger in Langenburg, Kirchenhistoriker der Grafschaft Hohenlohe, ist am 3. Mai 1711 zu Ernsbach in der Grafschaft Hohenlohe-Weikersheim als Sohn des dortigen Amtmanns Christian Friedrich W. geboren. Seine Familie stammt aus Augsburg; zahlreiche Vorfahren haben seit der Reformation zum Theil ansehnliche Kirchenämter, zuletzt namentlich in Schwäbisch Hall, bekleidet. W. durchlief das Hohenlohische Gymnasium in Oehringen und bezog hierauf 1728–1732 die Universität Jena, wo er neben allgemein bildenden Fächern unter Buddeus und J. G. Walch Theologie studirte. Sein vornehmstes Interesse wandte sich übrigens schon damals geschichtlichen und alttestamentlichen Studien zu. Der Fortsetzung der letzteren war seine Ernennung nach Wilhermsdorf bei Nürnberg günstig, woselbst er im J. 1732, ein kaum Zweiundzwanzigjähriger, zum Diakonus bestellt und nachher 1738 zugleich zum Consistorium gezogen wurde. In Wilhermsdorf, damals einem Hohenlohe-Langenburgischen Herrschaftssitz, befand sich nämlich eine jüdische Niederlassung und zu dieser gehörte längere Zeit hindurch eine Druckerei, in welcher jüdische Schriften zum Druck befördert wurden. Hier machte sich nun W. mit der jüdischen Litteratur so bekannt, daß er nicht nur durch Aufsätze und Recensionen auf diesem Gebiete sich einen Namen erwarb, sondern auch den Plan zu einer neuen Ausgabe der Massora parva fassen konnte. Auch sammelte er Urkunden zu einer Geschichte der Juden. Diese Beschäftigung mit der jüdischen Geschichte und Litteratur hängt zusammen mit Wibel’s Vorliebe für die Judenmission, die ihn auch mit Professor Callenberg in Halle a. S. (A. D. B. III, 707 f.) in Verbindung brachte.

[301] Sein Hauptverdienst jedoch besteht in dem, was er für die Erforschung der Geschichte seiner Heimath gethan hat. Historischen Sinn bekundet er zunächst in seinen localgeschichtlichen Studien, so bereits zu Wilhermsdorf, dessen Denkwürdigkeiten er beschrieb. Während seines dortigen Aufenthalts begann er sodann die Vorbereitung des Werkes, welches ihm ein gelehrtes Andenken sichert, seiner Kirchen- und Reformationshistorie der Grafschaft Hohenlohe. Seine Beförderung zum Conrector und geistlichen Adjuncten in Oehringen im J. 1746 ermöglichte ihm eine Durchforschung des hohenlohischen Hausarchivs, durch welche der bisher gesammelte Stoff erheblich bereichert wurde. Drei Jahre nachher wurde W. als Hofprediger und Consistorialrath nach Langenburg berufen und fand in diesem Amt die Muße, sein kirchengeschichtliches Werk zu vollenden. Dasselbe erschien 1752–1755 zu Ansbach in vier Theilen. Es bildet noch immer die unentbehrliche Vorarbeit für die Darstellung der hohenlohischen Kirchengeschichte und behält seinen Werth als Materialiensammlung nicht nur für diese, sondern auch für die Kirchengeschichte der angrenzenden Landestheile. Besonders bedeutsam ist der dem zweiten, dritten und vierten Theil beigegebene Codex diplomaticus, in welchem eine Reihe von Urkunden erstmals aus Licht gezogen ist. Daß diese Urkundensammlung den heutigen Ansprüchen an eine solche nicht genügt, braucht nicht erst gesagt zu werden. Dagegen ist an dem Buche die schwerfällige Darstellung und der Mangel an Uebersichtlichkeit auszusetzen, welch’ letzterer theilweise durch die Häufung überflüssigen Beiwerks verursacht ist. Für die Geschichte des Hauses Hohenlohe, welche W. in sein Werk aufgenommen hat, bleibt dasselbe in erster Linie wichtig. Außer größeren und kleineren selbständigen Schriften, unter denen wir noch sein Erstlingswerk „Einige Lieder von der Ordnung des Heils“ Oehringen 1733 erwähnen, stammen aus Wibel’s Feder zahlreiche Beiträge, mit welchen er sich an Zeitschriften betheiligt hat, namentlich an der „Fortgesetzten Sammlung von alten und neuen theologischen Sachen“, am „Hessischen Hebopfer“, an D. Fresenii Pastoralsammlungen und „Oetter’s Sammlung verschiedener Nachrichten aus allen Theilen der historischen Wissenschaften“.

Wibel’s theologischer Standpunkt ist der der gemäßigten Orthodoxie und läßt vereinzelte Spuren pietistischer Einflüsse erkennen. Als Prediger bewegt er sich in hergebrachten Geleisen. In seiner Amtsführung ist eine bis ins einzelne gehende Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit wahrzunehmen; sein ausgebreitetes Wissen, sein klares und verständiges Urtheil, sein achtungswürdiger Charakter und frommer Sinn machten ihn zu einem angesehenen und einflußreichen Mitglied der hohenlohischen Geistlichkeit und des hohenlohischen Kirchenregiments. Er genoß das Vertrauen der gräflichen Herrschaft, der er aufrichtig ergeben war. Auch an Anerkennung seiner wissenschaftlichen Leistungen hat es ihm nicht gefehlt. Bei der Einweihung der Universität Erlangen 1739 wurde ihm die Magisterwürde verliehen; den theologischen Doctorgrad mit welchem die Universität Rinteln ihn ehren wollte, lehnte er aus Bescheidenheit ab. Er erlag am 10. Mai 1772 nach treuer Erfüllung seiner Seelsorgerpflichten einer Epidemie, von welcher die Umgegend Langenburgs heimgesucht wurde. Sein Bild findet sich in seiner Kirchen- und Reformationshistorie; es zeigt natürliche Würde und kluge Augen.

Vgl. über ihn Bossert in Herzog’s Realencyklopädie 2. Aufl. XVIII, 417 f. Neubauer, Nachricht von den jetztlebenden ev. luth. und ref. Theologen in und um Deutschland, Züllichau 1743 S. 1020 ff., den 2. Band der Nova Acta scholastica des Joh. Gottlieb Bidermann, 2 Voll. Lips. et Isenaci 1748–1751 S. 61, auch Zedler, Universallexikon Band 55, S. 1602. Ein Verzeichniß seiner bis zum Jahr 1752 erschienenen litterarischen Arbeiten enthält die Kirchen- und Reformationshistorie 1. Band. In Langenburg wird [302] seine kirchliche Chronik der Grafschaft Hohenlohe-Langenburg (einschließlich der Grafschaft Gleichen) handschriftlich aufbewahrt.