ADB:Weyl, Josef
M. Saphir, Bäuerle, Seyfried, O. F. (Ebers)berg aufgemuntert, seinen Hang zur Journalistik, indem er in den Blättern der Genannten Gedichte und humoristische Artikel einrückte. In dem belletristischen Tageblatte „Das Vaterland“ zu Raab finden wir seine älteste Publication. Von da nach Preßburg übergesiedelt, leitete er mit Dr. Adolf Neustadt, später mit Bangya das Journal „Pannonia“. Darauf trat er in der Vaterstadt bei dem conservativen Witzblatte „Die Geißel“ ein, aber bald wieder aus, als dieses einen übertendenziösen Ton anschlug. Zunächst wurde er nun herrschaftlicher Beamter im Wald-Viertel (N.-Oestr.), bis er Anfangs der Fünfziger in den Staatsdienst überging. Rasch wurde er zweiter Bibliothekar bei der obersten Polizeibehörde zu Wien und nach deren Auflösung der Polizeidirection zugetheilt, woselbst er viele Jahre hindurch den Polizei-Anzeiger, insbesondere die polizeilichen Späheblätter, redigirte und vor einigen Jahren nach vierzigjähriger Dienstzeit in den Ruhestand trat. In den Jahren 1869/70 arbeitete er in demselben Bureau [281] mit Ludwig Anzengruber und ergötzte nach dem Erfolge der „Pfarrer von Kirchfeld“-Première (Novbr. 1870) den auf Grund dessen den Dienst verlassenden Collegen „Ludwig Gruber“ durch ein kameradschaftliches „Bänkel“. W., eins der ältesten Mitglieder des großen Wiener Schriftstellervereins „Concordia“, sowie des 1855 gegründeten scherzhaften Clubs „Die grüne Insel“ war in allen Kreisen seiner Heimath höchst beliebt und angesehen, und wie ihn die österreichische Medaille für Kunst und Wissenschaft sowie der belgische Leopoldorden zierten, so bekundeten der außergewöhnliche Schmuck seines Sarges sammt der allseitigen Theilnahme an der kirchlichen Trauerfeier des am 10. April 1895 Gestorbenen den Dankeszoll, den man an seiner launigen Schriftstellerei abtrug und das Bewußtsein, in ihm den Verlust des letzten Vertreters alt-wiener Humors zu beklagen.
Weyl: Josef W., Humorist und Uebersetzer, wurde am 9. März 1821 zu Wien geboren. Schon nachdem er daselbst das Gymnasium durchlaufen, befriedigte er, durchIm Vormärz nur ein kleiner, bescheidener Litterat, entwickelte sich W., nachdem er auf festem bürgerlichen Boden stand, zu einer originellen Gestalt in Wiens Geistes- und Gesellschaftsleben. Ueber vier Jahrzehnte lang haben seine lustigen Declamationsnummern, komischen Scenen und Spaßpoesien Wien erheitert. Da es nun während einer ganzen Periode selbstverständlich war, bei öffentlichen (z. B. zur Jubelfeier von Kaiser Franz Josef’s 40jähriger Regierung, 1888: „Neues Wiener Theater“ Heft 123) und in größerem Rahmen gehaltenen privaten Festlichkeiten W. um Beiträge zu bitten, so sind seine Gelegenheitsdichtungen, auch solche ernsten Anstrichs, Pro- und Epiloge, Liedertexte u. dgl. Legion. Denn W. war geradezu der litterarische Beirath zahlloser Vergnügungsgesellschaften, obschon er, der allmählich einreißenden Ironie und Pointirtheit abgeneigt und schließlich etwas altväterisch geworden, am Ende gegen den witzsprühendsten Improvisator Neu-Wiens, den Satiriker Julius Bauer (geb. 1853), arg ins Hintertreffen gerieth. Weyl’s Specialität war und blieb das sogenannte „Bänkel“, eine urwüchsige Couplet-Form alt-wiener Schlags, und in ihrer Vollkommenheit ruht auch seine Stärke und Eigenart, wo Gemüthlich- und Harmlosigkeit neben unpersönlicher Neckerei vorherrschen. Seine Erzeugnisse in dieser Gattung bildeten lange eine Berühmtheit. Sie waren theils local gefärbt, theils, namentlich wenn rein liedmäßig gefaßt, weit über das Weichbild der Kaiserstadt hinaus brauchbar und von lebhaftem Anklange begleitet; als Beleg mögen dienen die 41, alle Skalen durchlaufenden Strophen des viel nachgeahmten „Amors Lexikon. Dialektscherz“ (s. z. B. M. Bern, Deklamatorium, S. 608). Die Glanzleistung stellt hier aber der bekannte Urtext zu Johann Strauß’ des Jüngeren (op. 314) populärem Walzer „An der schönen blauen Donau“ dar, den der ausgezeichnete Wiener Männergesangverein zum ersten Male 1867, bei Gelegenheit eines Narrenabends, aufs Repertoire brachte – den neuen, seither meist üblichen Text fertigte 1889 Franz Edler v. Gernerth – dieselbe führende Vereinigung ihrer Art, deren Liedertafeln auch sonst eine Menge Liedertexte und Bänkel Weyl’s der Oeffentlichkeit vermittelt haben; bei L. Eisenberg, Johann Strauß (1894), S. 126–131, in der Geschichte jenes, an den Refrain von Karl Beck’s Gedicht „Und ich sah dich reich an Schmerzen“ angeknüpften Liedertextes, fehlt seltsamerweise Weyl’s Namen (doch s. unten!). Dieses Genres Pflege ist mit Weyl’s Tode eigentlich verwaist, dürfte aber überhaupt kaum noch lebensfähig sein.
Durch den Beifall, den seine vielen einzelnen Couplets fanden, mag W. der komischen Bühne genähert worden sein. Hier hat er für Karl Treumann etliche französische Operetten und Possen übersetzt, z. B. die komische Oper „Die Reise nach China“, das Lustspiel „Gavaud, Minard und Co.“, die Operetten „Häuptling Abendwind“, „Die Verlobung vor der Trommel“, „Taub muß er sein“, sogar auch Charles Gounod’s Oratorium „La Rédemption“. Auch sonst [282] hat er wiederholt für Wiener Schauspielhäuser Bühnenstücke aus dem Französischen übertragen. Er sammelte seine humoristischen und lyrischen Ergüsse mehrfach und gab auch in Druck, was er außerdem an dramatischen und an feuilletonistischen Kleinigkeiten hervorbrachte. In zeitlicher Reihenfolge lauten die Titel der betreffenden Bücher außer den eröffnenden bezeichnenden „Gesammelten heiteren Vorträgen“ (1–16: 1875–79; 17–19: 1883–84): „Epheuranken“ (1852), „Am Fuße der Habsburg“ (1852), „Passifloren des Jahres 1849“ (1854), „Kurzweiliges“ (1856, 2. Aufl. 1873), „Eine lustige Neujahrsgabe. Humoristische Vorträge“ (1862), „Juxbrevier“ (humoristische Vorträge, 1863), ein neuer Band „Kurzweiliges“ (1867), dies eine reiche Sammlung heiterer Vorträge u. s. w. mit einem Anhange ernster Declamationspiècen u. A.. An periodischen Unternehmungen für sein Sondergebiet bot er: „Humoristischer Almanach“ (1861–66), „Mephisto. Humoristischer Kalender“ (1868), „Pros’t Neujahr. Komischer Kalender“ (1870). So hat W., dessen Scherzader schier unerschöpflich schien, ununterbrochen für die Lach- und Unterhaltungsbedürfnisse seiner engeren Landsleute redlich und zu Dank gesorgt.[1] Wenn diese Thatsache unvergessen sein soll und in den Annalen einregistrirt werden muß, so sprechen dafür freilich mehr culturgeschichtliche als litterarhistorische Gründe.
Nachrufe widmeten ihm wol die Wiener Blätter aller Parteien und jeglichen Zuschnitts, jedoch bis auf die „Neue Freie Presse“ (Nr. 11001) und das „Fremdenblatt“ (1895, Nr. 98), die beide im Abendblatt vom 10. April Lebensabriß und Würdigung brachten, im engsten Anschlusse an Ludwig Eisenberg. Das geistige Wien, I (1893), S. 627 (s. ebd. S. 555 Aufklärung über den Text von „An der schönen blauen Donau“), und auch diese zwei lehnen sich an letztere Hauptquelle an. Eine kürzere, aber hübsch charakterisirende Notiz von –e– (d. i. wol Anton Bettelheim) steht in der (Münchner) Allgem. Zeitung vom 12. April, Morgenblatt, eine ebensolche gedrängte in der Kölnischen Zeitung vom 14. April (Sonntagsausgabe), S. 2. Anderwärts nahm man vom Abscheiden dieser typischen Figur wol nirgerds Kenntniß, und auch in Wien war er für Viele bereits verschollen. Das bei Eisenberg berichtete Factum seiner Zugehörigkeit zur „Grünen Insel“ wird durch deren Mitgliederliste in „Zur Geschichte der ‚Grünen Insel‘, Skizze vom Comthur Hans Max, ergänzt vom Burggeist Comthur Dankmar“ (Wien 1880) bestätigt; der Abdruck daraus bei Flögel-Ebeling, Geschichte des Grotesk-Komischen (4. Aufl., 1887), S. 366 bis 368, übergeht W. zwar, aber S. 366 ebenda wird Weyl’s Liedertext „So ein Ritter ins Loch kommt“ als noch anmuthigster der sonst mäßigen Vereinsgesänge bezeichnet. – Vorstehende Biographie deckt sich im wesentlichen mit des Verfassers versehentlich „Josef W. Weyl“ betiteltem Nachruf in „Bühne und Leben. Illustrirte Zeitschrift“ (Berlin), III, Nr. 19, S. 264 f.
[Zusätze und Berichtigungen]
- ↑ S. 282. Z. 16 v. o.: „Weyl, Joseph. Jugendträume [Bd.] II, 460“ verzeichnet das „Litterarische Jahrbuch des ersten österreichischen Beamtenvereins“ ‚Die Dioskuren‘ im General-Register Bd. XXV (1896), 497a s. v. [Bd. 44, S. 574]