ADB:Werner, Joseph Freiherr von

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Artikel „Werner, Joseph Freiherr von“ von Árpád Győry von Nádudvar in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 42 (1897), S. 58–60, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Werner,_Joseph_Freiherr_von&oldid=- (Version vom 12. Oktober 2024, 15:52 Uhr UTC)
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Werner: Joseph Freiherr v. W. (geboren zu Wien am 24. December 1791, am 3. Februar 1842 vermählt mit Henriette Pauer von Friedau, kinderlos, † zu Graz am 4. Juli 1871), war der Sohn jenes bekannten zuerst kurtrier-, später kurkölnischen Rechtslehrers und Hofrathes Johann Ludwig W., welcher von Kaiser Leopold II. ob seiner hervorragenden juristischen Kenntnisse im J. 1791 in das Reichshofrathscollegium nach Wien berufen worden war und hier in seinem neuen Vaterlande inmitten einer Elite von Rechtskundigen, getragen von der vollen Gnade seiner Monarchen eine glanzvolle juristische Laufbahn durchlebte.

Sein ältester Sohn Joseph, von welchem wir hier handeln, wurde ihm von seiner Frau Marie Agnese v. Breunig kurz nach seiner Uebersiedlung nach Wien geboren. Der Vater ließ ihm eine sorgfältige Erziehung zu theil werden.

Nach absolvirten Gymnasialstudien bei den PP. Piaristen in Wien und nach fleißigem Besuche der Vorlesungen der Juristenfacultäten zu Wien, Würzburg und Göttingen promovirte W. an der letzteren und wurde gleich darauf noch im December 1811, also kaum 20 Jahre alt, zum Legationscommis bei der österreichischen Gesandtschaft in Paris ernannt. Thatsächlich trat W. den diplomatischen Dienst erst im März 1812 an, dessen erste Stufen er in äußerst rascher Weise erklomm. Nachdem er in der polnischen Campagne von 1812 zur Unterstützung des Legationsrathes Floret nach Wilna beordert worden war, finden wir ihn bei den Congreßunterhandlungen zu Chatillon (Februar und März 1814) und in der Folgezeit in der Kanzlei Metternich’s verwendet (Metternich war damals in Paris). Bereits am 2. November 1814 wird er zum Legationssecretär ernannt. Das diplomatische Zigeunerleben sollte hiemit noch sein Ende nicht [59] erreicht haben. Er kommt aus der Kanzlei Metternich’s in Paris nach London, von dort Beginn 1815 nach Wien, um am Wiener Consgreß dem zweiten österreichischen Bevollmächtigten Wessenberg als Secretär zu dienen. Nachdem er dann neuerdings Metternich nach Mailand begleitet hatte, belohnt dieser endlich den so verwendbaren Präsidialsecretär mit dem Posten des 1. Secretärs der österreichischen Gesandtschaft in Berlin Juli 1816. Volle 16 Jahre war er hier die Säule der Mission. Sagt doch sein Missionschef Graf Zichy selbst von ihm in einem Berichte vom (8.) October 1817: „Werner est un serviteur zélé et inteligent qui mérite exception à tout égard“. Er lieferte durch seine klaren Berichte so sehr den Beweis für seine eminent diplomatische Geschäftstüchtigkeit, daß Metternich ihn, als das Referat der auf die deutschen Bundesstaaten bezüglichen Angelegenheiten in der Staatskanzlei durch den Rücktritt des Hofrathes v. Kreß 1832 erledigt worden war, noch in seiner seit 1819 bekleideten Charge eines Legationsrathes zur Uebernahme dieses Referates nach Wien berief. Januar 1834 zum wirklichen Hofrath und geheimen Staatsofficial an dieser Stelle ernannt, führte W. das „deutsche“ Referat bis zu den Märztagen des Jahres 1848. Die Bestände des österreichischen Staatsarchivs sind vollgefüllt mit den geistigen Elaboraten Werner’s über die wichtigsten Staatsfragen Deutschlands in dieser Zeitepoche. Die kleine steilstehende Schrift Werner’s gab mit ihren harten aber leserlichen Zügen allen österreichischen Missionschefs in Deutschland die Richtschnur für ihre Handlungsweise an, und lenkte auch Metternich’s weiche, leicht hingeworfene Handschrift da und dort den Gedankengang seines eisernen Mitarbeiters in andere Bahnen, so darf doch der Kopf und die Hand, welche des Staatskanzlers oft flüchtige Ideen erst in die wahre Form zu gießen verstanden, nicht unterschätzt werden. Viel was Metternich heißt ist Werner, doch nur wenig was Werner heißt, ist Metternich. Dem ist es zuzuschreiben, daß W., da der Staatskanzler im März 1848 gefallen war, dennoch als werthvolle Arbeitskraft auch von dessen Nachfolgern Ficquelmont und Wessenberg zur Mitarbeiterschaft in der Leitung der Staatskanzlei berufen ward. Und als auch Wessenberg im October fiel und nach der Pacification Wiens Fürst Schwarzenberg das Portefeuille der äußeren Angelegenheiten übernahm, war einer seiner ersten Vorschläge an den Kaiser, W. in der Eigenschaft eines Unterstaatssecretärs in das Ministerium des Aeußern zu seinem Stellvertreter zu ernennen. Die kaiserliche Resolution vom 1. December fiel in diesem Sinne aus, und durch sie öffnete sich für W. die Aufgabe, jene Reorganisation der ehemaligen Staatskanzlei durchzuführen, welche Schwarzenberg erwünscht und die veränderten Verhältnisse erheischten. Auf politischem wie administrativem Gebiete arbeitete W. im Sinne Schwarzenberg’s wie dessen Nachfolgers Buol durch volle zehn Jahre zur Zufriedenheit seiner Chefs, zum Vortheile seines Ressorts, nicht immer im Sinne freien Denkens. Eine gewisse Starrheit, bei aller zur Schau getragenen Schmiegsamkeit war ein besonderes Charakteristikon Werner’s. Eben mit ihr mochte sich Graf Rechberg, seit Mai 1859 sein neuer Chef, nicht befreunden und so ward W. von seinem Posten enthoben und durch Decret vom 17. November 1859 zum österreichischen Gesandten in Dresden ernannt, wo er wieder 10 Jahre mit ungebrochener Arbeitskraft seinen Pflichten oblag, und dies mit solchem Geschick, daß ihn der königlich sächsische Hof nur mit dem tiefsten Bedauern aus diesem Posten scheiden sah, als ihn sein Monarch am 28. October 1868 von dort abberief und in den Ruhestand versetzte. Durch die Verleihung des Großkreuzes des St. Stephansordens, der höchsten Auszeichnung, würdigte Kaiser Franz Joseph nachmals die Verdienste des Scheidenden, die er längst früher durch allmähliche Verleihung fast sämmtlicher österreichischen Orden, der geh. Rathswürde etc., der Mitgliedschaft [60] des österreichischen Herrenhauses anerkannt hatte. Die ausländischen Souveräne hatten gleichfalls ihre Anerkennung der diplomatischen Tüchtigkeit Werner’s durch zahlreiche Ordensverleihungen an ihn Ausdruck gegeben. Nach einem kurzen Ruhestande wurde der bisher so thätige, nun zur Thatenlosigkeit verurtheilte 81jährige Greis vom Tode ereilt.

Es war eine ganze Individualität, die da ausgerungen hatte. Ein ausgezeichneter, musterhafter Beamte, doch kein Minister, ein Generalstabschef, kein Feldherr. Er zog mit allen Kräften in ehrlichster Weise an den Strängen, während Andere, oft minder Befähigte im Wagen saßen und feierlichst die Zügel in den Händen hielten. Allein sich selbst in den Wagen zu setzen, verbot ihm nicht bloß jene Tradition, die es einem Bartenstein einstmals und einem Thugut später nie verzieh, daß er Geschichte hatte machen wollen, sondern es hielt ihn von solch einem tollkühnen Unternehmen bei all seiner Starrheit, noch die stete Furcht, irgendwo anzustoßen, und seine bis zum äußersten gehende Pedanterie ab, jene Pedanterie, die im gewöhnlichen Leben oft vom Uebel ist, die aber für ein Staatswesen die unheilvollsten Folgen haben kann. Bei all dem soll der großen wissenschaftlichen Bildung Werner’s, seiner ehrlichen Achtung vor fremdem Wissen und Können die volle Würdigung werden. Wäre er in einer freieren Zeit geschult worden und in ihr emporgewachsen, so hätte sich bei ihm die platonische Achtung vor Wissenschaft und Streben in die mächtige, thatkräftige Beschützerin derselben verwandelt, ihm selbst zur Genugthuung, und dem Staate zu Nutz und Frommen.