ADB:Ficquelmont, Karl Ludwig Graf von

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Artikel „Ficquelmont, Graf Karl Ludwig“ von Anton Victor Felgel in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 7 (1878), S. 1–4, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Ficquelmont,_Karl_Ludwig_Graf_von&oldid=- (Version vom 24. November 2024, 02:17 Uhr UTC)
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Ficquelmont: Graf Karl Ludwig F., geb. zu Dieuze in Lothringen 23. März 1777, † 1857, entstammte einem alten lothringischen Adelsgeschlechte, das seit mehreren Generationen dem Hause Oesterreich ergeben war. Nachdem er in einer französischen Militärschule erzogen worden, kam er – 15 Jahre alt – nach Trier, trat zuerst in das Regiment Royal Allemand, später am 2. Jan. 1793 als Cadet in das Dragonerregiment des Generalfeldzeugmeisters Grafen Baillet de Latour – eines Schwagers seines Vaters – ein. In der Zeit von 1795–1815 machte F. zwölf Feldzüge in Deutschland, Polen, Spanien, Italien und Frankreich mit und zeichnete sich nicht minder durch Talent, Fleiß und festen Charakter als durch Gewandtheit, Muth und Körperstärke aus. Im September 1803 sehen wir ihn vom Hofkriegsraths-Präsidenten Latour nach Lemberg mit dem nicht unwichtigen Auftrage gesendet, die ersten Colonnen der einrückenden russischen Truppen zu sehen, um bei seiner Zurückkunft nach Wien über den Zustand derselben Bericht abstatten zu können. Als im November 1805 ein russisches Truppencorps unter den Befehlen des Generals Michelsohn im Anmarsch nach Böhmen war, sollte F. gemeinschaftlich mit dem Oberlandes-Commissär (späteren Oberst-Burggrafen) Grafen Kolowrat dasselbe an der böhmischen Grenze in Trautenau empfangen und im Hauptquartier des Obergenerals bleiben. Mehrere Officiere wurden ihm beigegeben, die als Colonnenführer dienen sollten, die Bestimmung des Generals Michelson wurde aber geändert und F. rückte in das Hauptquartier des Erzherzogs Ferdinand ein. Seit Nov. 1805 Major bei Nassau-Cuirassiers und Flügeladjutant des Kaisers Franz, wurde F. am 19. Juli 1808 Oberstlieutenant, am 20. Juni 1809 Oberst und Generalstabschef des Erzherzogs Ferdinand. Der auf Grund der Bedingungen des Friedens von Schönbrunn an ihn ergangenen Aufforderung in sein Vaterland nach Frankreich zurückzukehren, folgte F. nicht. Er schloß sich dem unbeugsamen napoleonfeindlichen Herzoge von Modena an und geleitete denselben auf seiner Reise in die Türkei. In den Jahren 1811 und 1812 Commandant der mit der englischen Armee vereinigten Cavallerie des Generals Castaño in Spanien, war er von Wellington als Reiterführer sehr geschätzt. Ficquelmont’s kluger Berechnung und ungestümer Tapferkeit war es größtentheils zu danken, daß es Wellington gelang, seine für den Verlauf des ganzen Feldzugs folgenschwere Vereinigung mit der spanischen Armee durchzuführen. Nach seiner Rückkehr aus Spanien – Ende 1813 – Generaladjutant der italienischen Armee (des Feldmarschalls Grafen Bellegarde) erhielt F. im Februar 1814 den Rang eines Generalmajors und wurde dem General Grafen Frimont zugetheilt, der die Cavallerie des rechten Flügels der Armee befehligte. Vom April bis Oct. 1815 bei der österreichischen Armee in Italien und Südfrankreich, hatte er bei [2] Abschluß der vortheilhaften Capitulation von Lyon Gelegenheit, sein diplomatisches Geschick zu zeigen. Er wurde nach Paris berufen, wo Kaiser Franz und Fürst Metternich gar bald seine hervorragende Befähigung erkannten. Im September desselben Jahres ernannte Kaiser Franz ihn auf Metternich’s Vorschlag zum kaiserl. königl. Gesandten am königl. schwedischen Hofe. Am 21. Mai 1816 reiste F. von Wien ab, am 8. Juli hatte er in Stockholm seine Antrittsaudienz beim Könige, am 28. Juli bei Bernadotte. Die Verträge von Kiel und Langres bildeten damals die Grundlage der diplomatischen Verhältnisse zwischen den beiden Staaten. Innigere Beziehungen gab es zwischen Oesterreich und dem durch seine geographische Lage isolirten Schweden – das allerdings durch den Wiederanfall Norwegens erhöhte Wichtigkeit im Norden gewann – nicht. Der Natur des Beobachtungspostens entsprechend, auf den F. dort gestellt war, verfolgte er mit Sorgfalt die Entwicklung der schwedischen Wehrkraft zu Land und zur See, sowie seiner Industrie. Vorzüglich richtete er sein Augenmerk darauf, die Pläne zu durchdringen, die der Kronprinz für die Zukunft hegen mochte. Von Frankreich abgestoßen, begann Bernadotte sich auf Rußland zu stützen, und begegnete, da er die Schritte, welche von österreichischer Seite zu Gunsten des Königs von Dänemark in Petersburg unternommen worden waren, und die wohlwollende Gesinnung des österreichischen Kaisers gegen den dänischen König wol kannte, dem österreichischen Gesandten nur mit Kälte. Am 19. Mai 1820 verließ F. Stockholm und ging mit Urlaub nach Wien. Er hatte sich während der vier Jahre seines Stockholmer Aufenthaltes als pflichteifriger, geistvoller Diplomat bewährt. Mit unermüdetem Fleiße hatte er die ihm von seinen Amtsgeschäften erübrigte Zeit mit ernsten Studien ausgefüllt. Die Muße, welche ihm der Stillstand der Geschäfte in der schönen Jahreszeit, während der Hof und die Minister auf ihren Landsitzen von Stockholm fern waren, gewährte, benützte F. zu eingehenderen Studien über die inneren Zustände Schwedens. Er unternahm kleine Reisen, um interessante Objecte zu besichtigen und einen klareren und tieferen Begriff von Land und Leuten zu bekommen, als dies innerhalb der Hauptstadt möglich ist. Die Beweise von Klugheit, angemessener Haltung und richtiger Beobachtung, welche F. geliefert, veranlaßten Metternich schon im November 1819, einen entsprechenderen Wirkungskreis für ihn zu suchen, als ihm der Posten am schwedischen Hofe darbot, dessen Verhältnisse damals für Oesterreich doch nur von untergeordnetem Interesse waren. Anfangs erschien in dieser Hinsicht der Gesandtschaftsposten im Haag geeignet, doch entschied man sich endlich dafür, ihn an die Höfe von Toscana und Lucca zu schicken. Am 27. August überreichte F. dem Großherzoge in Florenz sein Beglaubigungsschreiben. Durch die Staatsumwälzung in Neapel und die von daher drohende Gefahr für das übrige Italien war auch dieser Gesandtschaftsposten zu einer gewissen Bedeutung gelangt. Doch bald berief ihn das Vertrauen seines Kaisers auf einen Posten von erhöhter Wichtigkeit. Schon im Februar 1821 wurde er von Florenz und Lucca abberufen und zum Gesandten beim Könige beider Sicilien ernannt. Die bekannten Ereignisse im Königreiche mit den daraus entspringenden Folgen machten den Gesandtschaftsposten dort zu einem sehr schwierigen. F. sollte zunächst mit umfassenden Instructionen in Beziehung auf die politischen Verhältnisse ausgerüstet im Hauptquartiere des Generals Frimont verbleiben, erst nach Beendigung des Feldzuges, wenn wieder ein festerer regelmäßigerer Zustand der Dinge eingetreten wäre, seine Beglaubigung dem Könige überreichen. Mit der österreichischen Armee kam F. nach Perugia, Foligno und Terni, machte das entscheidende Gefecht bei Rieti mit und kam nach Rom, Forentino, Caprano und Teano. Als am 19. März die Avantgarde der Armee zu Calvi – in der Nähe von Capua – stand, schickte [3] General Frimont – in Folge eines Ansinnens des Generals Carascossa an den Feldmarschall-Lieutenant Grafen Wallmoden – den Grafen F. mit dem Auftrage nach Capua, Verhandlungen einzugehen, falls solche zweckmäßig und vortheilhaft wären. Filangieri und Carascossa waren nach Neapel geflohen, als F. am 20. März in Capua anlangte. Er traf also dort nur den General-Lieutenant Ambrosio mit 2 Bataillons Garde an und forderte ihn zur Uebergabe auf. In Folge der Convention, die F. in Capua am 20. März mit Ambrosio abschloß, wurden die Feindseligkeiten eingestellt, Capua mit dem Umkreise bis Aversa am 21. März den Oesterreichern übergeben. Am selben Tage ging F. nach Neapel und leitete mit General Ambrosio – den der Herzog von Calabrien wegen Uebergabe der Stadt Neapel und aller ihrer Forts und den Festungen Gaeta und Pescara bevollmächtigt hatte – die nöthigen Unterhandlungen ein. Am Abende des 23. März unterzeichneten F. und der königl. neapolitanische General-Lieutenant Pedrinelli die Uebereinkunft. Als der König von Neapel ersuchte, es möge auch Sicilien zeitweilig von österreichischen Truppen besetzt werden, erhielt F. den Auftrag, eine Convention mit Neapel zu schließen zur Regelung der Art der Besetzung und der darauf bezüglichen Anordnungen. Nach Beendigung des Feldzugs förmlich als österreichischer Gesandter am königl. neapolitanischen Hofe accreditirt, war er angewiesen, ganz im Geiste der Laibacher Conferenzen vorzugehen, deren Beschlüsse ihm als unverrückbare Grundlage und Richtschnur für das von ihm einzuhaltende Benehmen, für die von ihm zu führende Sprache dienen sollten. Seinem politischen Scharfblicke entging es nicht, wie verkehrt das Vorgehen der wiedergekehrten neapolitanischen Regierung war, welche ein durch Bürgerkrieg und Anarchie ganz erschöpftes und demoralisirtes Staatswesen durch einzelne Maßregeln systemloser Polizeiwillkür regeneriren zu wollen schien. – Als zu Ende des J. 1828 Oesterreich und Rußland sich zu nähern begannen und die beiden Cabinete die alten innigen und vertrauten Beziehungen anzuknüpfen dachten, ward F. ausersehen, zuerst in provisorischer Sendung nach Petersburg zu gehen, wo er im Januar 1829 anlangte. Er entsprach dort so ganz den Absichten seiner Regierung und wußte sich auch bei dem russischen Hofe so beliebt zu machen, namentlich den russischen Kaiser persönlich gleich bei der ersten Zusammenkunft so für sich zu gewinnen, daß er – nach Wien zurückgekehrt – schon im Sommer desselben Jahres von Neapel förmlich abberufen und als Botschafter in Petersburg beglaubigt wurde. Dort war er nun der gewandte Vermittler des Einflusses, den Metternich auf den russischen Hof in den dreißiger Jahren ausübte. Im Januar 1830 Feldmarschall-Lieutenant, im September 1831 Inhaber des österreichischen Dragonerregiments Nr. 6, wurde F. 1839 nach Wien zurückberufen, den Fürsten Metternich in dessen Abwesenheit zu vertreten. Im J. 1840 wurde er Staats- und Conferenzminister und Chef der Kriegssection im Ministerium des Aeußern. Nun nahm er an den wichtigsten Staatsgeschäften thätigsten Antheil, mit jenem politischen Scharfblicke, jener gediegenen Bildung und Intelligenz, jener großartigen Anschauungsweise, die ihn als Staatsmann vor Vielen auszeichneten. Schon 1842 trat er – allerdings vergeblich – für Aufhebung der ungarischen Zolllinie, für Herstellung österreichischer Waffenplätze in Galizien, für Hebung des österreichischen Handels nach der Türkei und Ausbreitung desselben nach Ostasien wiederholt in die Schranken. Im März 1843 zum General der Cavallerie ernannt, wurde er im Frühjahre 1846 wegen der Erwerbung von Krakau durch Oesterreich nach Berlin gesendet, im Sommer 1847 aber dem Vicekönig, Erzherzog Rainer, in Mailand als Adlatus in berathender Stellung beigegeben. Am 1. März 1848 als Präsident des Hofkriegsrathes nach Wien berufen, kam er am 16. in Wien an, wurde mit kaiserlichem Cabinetsschreiben vom 18. März seiner Stelle enthoben [4] und zum Minister des kaiserlichen Hauses und der auswärtigen Angelegenheiten ernannt. In seinen „Aufklärungen über die Zeit vom 20. März bis 4. Mai 1848“ (gr. 8. Leipzig 1850, Barth) schildert er selbst seine Wirksamkeit in den 45 inhaltschweren Tagen seines Ministeriums. Nach dem Rücktritte Kolowrat’s provisorischer Minister-Präsident, wurde er – als Freund Metternich’s, als Anhänger der russischen Partei verdächtigt – durch eine feindselige Volksdemonstration gezwungen, seinen Posten zu verlassen. Nun verlebte er den Rest seines Lebens – anfangs in Wien, später in Venedig – von öffentlichen Geschäften zurückgezogen, in seinen Salons die Blüthe der Gesellschaft versammelnd, mit litterarischen Arbeiten beschäftigt. Unter den gedankenreichen geistvollen Schriften, die er nun in rascher Folge veröffentlichte, heben wir namentlich hervor: „Ueber das Gesetz der Souveränetät. Von einem österreichischen Staatsmanne“ (Wien 1849 und 1852. Braumüller); „Deutschland, Oesterreich und Preußen“ (Leipzig 1850 und Wien 1851); „Lord Palmerston, England und der Continent“ (Wien 1852. Manz. 2 Bände); „Rußlands Politik und die Donaufürstenthümer“ (Wien 1854); „Die religiöse Seite der italienischen Frage“ (2. Aufl. Wien 1854); „Zum künftigen Frieden“ (Wien 1856). – Nachdem er im Jahre 1852 durch Verleihung des Ordens des goldenen Vließes ausgezeichnet worden war und im Jahre 1856 die 25jährige Feier seiner Ernennung zum Inhaber des 6. Dragonerregimentes begangen hatte, starb er zu Venedig am 6. April 1857. Aus seiner Ehe mit Dorothea Reichsgräfin von Tiefenhausen, einer Enkelin des Fürsten von Kutusoff, entsproßte eine Tochter, Elisabeth Alexandra, die – am 10. Nov. 1825 geboren – sich am 5. Dec. 1841 mit dem Fürsten Edmund von Clary und Aldringen vermählte.

Nach Acten des kaiserl. u. königl. Hof- und Staats-Archivs in Wien und F.’s eigenen Publicationen; vgl. ferner Wurzbach, Biogr. Lex. 4. Th., und einige Aufsätze in verschiedenen Zeitschriften.