ADB:Weichmann, Christian Friedrich

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Artikel „Weichmann, Christian Friedrich“ von Paul Zimmermann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 55 (1910), S. 8–10, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Weichmann,_Christian_Friedrich&oldid=- (Version vom 24. November 2024, 05:05 Uhr UTC)
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Weichmann: Christian Friedrich W., Dichter, † 1770, wurde am 24. August (a. St.) 1698 in Harburg geboren. Der Vater, Friedrich W., war hier Rector der Schule und seit dem 16. October 1697 mit Hedwig Dorothee Grünenberg, einer Tochter des fürstlichen Bauschreibers Christian Grünenberg in Harburg, verheirathet; im J. 1701 übernahm er das Rectorat der Schule zu Wolfenbüttel, 1710 das der Martinischule zu Braunschweig, das er noch bis 1733 führte; er starb als Emeritus Ende Januar 1744. Von ihm, der als tüchtiger lateinischer Redner und Dichter geschätzt wurde, erhielt der Sohn eine gründliche Bildung. Er wandte sich, nachdem er die Schule durchgemacht hatte, der Rechtswissenschaft zu, doch läßt sich vorläufig nicht feststellen, wo er deren Studium betrieben hat; im Album der Universität Helmstedt, die ihm zunächst lag, ist er nicht zu ermitteln. Am 14. Mai 1720 wurde er bereits von dem Herzoge Philipp Ernst zu Schleswig-Holstein in Glücksburg zum Hofmeister für seinen jüngeren Sohn Karl Ernst bestellt, der am 14. Juli 1706 geboren war. Wie lange dieses Verhältniß gewährt hat, wissen wir nicht. Jedenfalls hat er sich in den 20er Jahren – ob mit oder ohne Zögling, müssen wir dahingestellt sein lassen – zumeist in Hamburg aufgehalten, wo damals unter Hervorhebung niedersächsischer Stammesart ein geistig sehr reges Leben herrschte. Er gewann zu dem dortigen dichterischen Kreise, einem Barth. Heinr. Brockes, Rich. Richey u. A. bald nahe Beziehungen und erfreute sich auch selbst als Dichter nicht geringer Werthschätzung; er wurde Mitglied der Patriotischen Gesellschaft, die die Bestrebungen der Teutsch-übenden Gesellschaft fortsetzte, und hatte an der Herausgabe der in Hamburg wöchentlich erscheinenden „Gelehrten Nachrichten“ und des „Patrioten“ umfassenden Antheil; von letzterem hat er den Plan entworfen, auch hat er die erste Aufsicht über ihn geführt. Ganz besonders bekannt und verdient gemacht hat er sich aber durch die Herausgabe des noch immer geschätzten Sammelwerkes „Poesie der Nieder-Sachsen, oder allerhand, mehrentheils noch nie gedruckte Gedichte von den berühmtesten Nieder-Sachsen, sonderlich einigen ansehnlichen Mit-Gliedern der vormals in Hamburg blühenden Teutsch-übenden Gesellschaft“, das von den dichterischen Bestrebungen des nordwestlichen Deutschlands in jener Zeit durch Mittheilung zahlreicher Dichtungen ein deutliches [9] Bild gibt und daher, wenn auch jene Leistungen selbst nicht von hervorragendem Werth sind, doch eine bleibende geschichtliche Bedeutung behalten wird. Der erste Band ist aus Hamburg den 14. October 1721 Brockes gewidmet, der zweite ebendort den 3. April 1723 Richey; sie erschienen 1725 und 1732 in zweiter Auflage. Nur der dritte Band, der 1726 herauskam, ist noch von W. selbst veranstaltet; die drei folgenden Bände dagegen sind 1732 und 1738 von dem Professor J. P. Kohl herausgegeben. Doch enthalten auch diese noch zahlreiche Gedichte aus Weichmann’s Feder. Der vierte Band des Werkes ist sogleich ihm gewidmet „als einem der würdigsten Mit-Glieder der Nieder- Sächsischen Musen-Gesellschaft“. Mit beredten Worten preist der Herausgeber Weichmann’s Verdienste, der durch sein Beispiel zum Ruhme Niedersachsens gezeigt habe, „daß Geist und Anmuth auch in unsren Worten lebt“. Das große Ansehen, welches er in diesen Kreisen genoß, ist auch aus dem Umstande ersichtlich, daß verschiedene Werke anerkannter Schriftsteller mit Vorreden oder unter Aufsicht von ihm herausgegeben wurden, so schon 1721 Brockes’ „Irdisches Vergnügen in Gott“, 1727 dessen zweiter Theil und die 3. Auflage von seinem „Bethlehemitischen Kindermord“, 1724 Chr. Heinr. Postel’s „Der große Wittekind“, dem er wichtige authentische Nachrichten auch über des Verfassers Leben anschloß. Eine Zeit lang hat sich W. auch in England aufgehalten, wo ihm mehrere Ehrungen zu Theil wurden; die englische Societät der Wissenschaften in London ernannte ihn zu ihrem Mitgliede, die Universität Oxford verlieh ihm das juristische Baccalaureat; in der Bodlejanischen Bibliothek hing man sein Bildniß auf, das Denner gemalt hatte, mit dem W. in guten Beziehungen stand und auch später blieb. Er hat, einem Kupferstiche von C. Fritzsch zufolge, 1734 auch Weichmann’s Vater gemalt.

Wohl durch Vermittlung des Geheimraths H. v. Münchhausen, dem er wiederholt Bilder und Kunstwerke besorgte, hat W. dann Ende des Jahres 1728 eine Anstellung in Blankenburg bei dem Herzoge Ludwig Rudolf zu Braunschweig und Lüneburg erhalten, wo er mit dem Titel eines Raths am 20. Januar 1729 in die Justizkanzlei eingeführt wurde. Als etwa zwei Jahre später (23. März 1731) Herzog August Wilhelm starb und das Fürstenthum Braunschweig-Wolfenbüttel nun seinem Bruder Ludwig Rudolf anfiel, gehörte W. zu den Beamten, die sofort von Blankenburg nach Wolfenbüttel abgesandt wurden. Zu den musikalischen Kirchenandachten bei der Beisetzung Herzog August Wilhelm’s, wie zu der musikalischen Aufführung der Capelle bei der Huldigung für Herzog Ludwig Rudolf (2. October 1731) hat W. die Texte verfaßt; ebenso hat er es auch noch 1748 bei Einführung der Aebtissin von Heimburg in Steterburg gethan. Sonst läßt sich aber in dieser Zeit eine größere dichterische Wirksamkeit von ihm nicht mehr nachweisen. Auch sind Beziehungen zwischen ihm und dem jüngeren Dichterkreise, der sich zumeist aus Lehrern des 1745 begründeten Collegium Carolinum in Braunschweig bildete, niemals bekannt geworden. Seine Kräfte werden jetzt mehr für die praktischen Aufgaben seiner amtlichen Stellung in Anspruch genommen sein. Ein besonderes Vertrauen genoß er bei dem Geheimrath Hieron. v. Münchhausen, der ihn gelegentlich auch zu diplomatischen Sendungen, finanziellen Operationen u. s. w. gebrauchte; nach dessen Tode († am 18. August 1742) scheint er an Einfluß sehr verloren zu haben, z. Th. wohl auch deshalb, weil er zu dem späteren Geheimrathe v. Praun schon von Blankenburg her in keinem guten Verhältnisse stand.

Bei der Neuordnung der Regierung und des Beamtenthums wurde er 1731 zunächst Geheimsecretär in der fürstlichen Geheimrathstube in Wolfenbüttel; [10] um das Jahr 1734 erhielt er den Titel eines Hofraths; im Nebenamte wurde er unterm 20. April 1737 auch zum Consistorialrathe ernannt. Als 1753 Hof und Regierung nach Braunschweig verlegt wurden, blieb W. als Hof- und Consistorialrath in Wolfenbüttel. Zu Anfang des Jahres 1765 wurde er von seinen Geschäften im Consistorium entbunden, wo er kurze Zeit den Vorsitz geführt und zu mancherlei Unordnungen Anlaß gegeben hatte; er erhielt nun den Titel eines Geheimen Justizraths und hat in Wolfenbüttel, wie es scheint, in stiller Muße noch bis zum 4. August 1770 gelebt, wo ein hitziges Nervenfieber seinen Tod herbeiführte. Verheirathet scheint er niemals gewesen zu sein. Friedr. Nicolai (Allg. literar. Anz. 1800, Sp. 1952) nennt ihn „einen Mann von hellem Geiste“ und schreibt es hauptsächlich seiner Einwirkung zu, daß der vielverfolgte Verfasser der Wertheim’schen Bibelübersetzung, Joh. Lor. Schmidt, in Wolfenbüttel eine ruhige Zufluchtstätte fand. Er wird auch sonst in mancher Beziehung, für Viele in sichtbarer Weise seine eigenen Wege gegangen sein; der Kirchenbuchführer bemerkt bei der Eintragung seines Todes, daß er „ein rechtes original zu nennen“.

Eine Schwester Weichmann’s war Hedwig Eleonore W., deren „ungemeine Geschicklichkeit in der Dicht-Kunst“ J. M. Darnmann in der „Poesie der Niedersachsen“ (IV, S. 390) rühmt, und von der dort auch ein paar Stücke zum Abdrucke gekommen sind. Sie verheirathete sich am 18. November 1732 mit dem Hofgerichts- und Consistorialsecretär Joh. Jul. Christoph Hantelmann in Wolfenbüttel, starb aber schon im ersten Wochenbette und ist am 24. October 1733 beerdigt.