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Artikel „Denner, Balthasar“ von Wilhelm Schmidt (Kunsthistoriker), Karl Ernst Hermann Krause in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 5 (1877), S. 54–57, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Denner,_Balthasar&oldid=- (Version vom 12. Oktober 2024, 09:43 Uhr UTC)
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Denner: Balthasar D., berühmter Porträtmaler, geb. den 15. Novbr. 1685 zu Hamburg als der Sohn des Altonaer Mennoniten-Predigers Jakob D.. Im achten Jahr that Balthasar einen schweren Fall, der ihn zeitlebens hinken, aber auch zum Künstler machte. Genöthigt nämlich, in Folge des Unglückes, viel zu sitzen, zeichnete der Kleine zur Unterhaltung Kupferstiche nach, und dies fiel so gut aus, daß kundige Leute den Alten bestimmten, sein Söhnchen Maler werden zu lassen. Man that ihn im elften Jahre zu einem Miniaturmaler, Amama, der ihn für einige Monate die Behandlung in Wasserfarben lehrte, dann übte D. sich selbst weiter, ließ sich jedoch im J. 1698 noch einmal von Amama Unterricht ertheilen. Bald darauf kam er zu einem Maler in Danzig, der ihn für kurze Zeit in die Geheimnisse der Oelmalerei einweihte. Nun aber drohte seiner Künstlerlaufbahn ein plötzliches Ende: die Eltern nämlich glaubten seine Zukunft durch die Malerei zu wenig sicher gestellt und thaten ihn zu einem reichen Oheim in Hamburg aufs Kaufmannscomptoir. In D. aber ließ sich der Künstler nicht mehr ersticken, er benutzte jede freie Stunde zum Malen und brachte es endlich dahin, daß man ihn 1707 nach Berlin auf die Akademie wandern ließ. Im folgenden Jahr malte er das erste Porträt, wofür er Geld bekam, 1709 den Herzog Christian August, Administrator von Holstein-Gottorp, und dessen Schwester. Hiermit beginnt Denner’s glänzende Laufbahn. Die Porträts fielen nämlich so zur Zufriedenheit des Prinzen aus, daß dieser unsern Künstler nach Gottorp einlud, wo der letztere im J. 1712 den Herzog mit seiner Familie und seinem Hofstaate Pharao spielend auf Ein großes Bild (jetzt im Schlosse zu Eutin) malte. Es sind zusammen 21 Porträts, darunter auch das Denner’s. Als später Peter der Große Holstein in Besitz nahm, stach ihm jenes Gemälde so in die Augen, daß er es nach Petersburg nehmen wollte, und nur durch viele Bitten gelang es, den großen Mann zur Zurücklassung der Beute zu bewegen. Im J. 1710 besuchte der Reisende Zach. Conr. Uffenbach unsern D. zu Altona; dessen Bericht ist so interessant, daß wir ihn folgen lassen: „Wir gingen erstlich zu dem berühmten Maler B. D. Er ist nicht über fünfundzwanzig Jahre alt, er malt gewiß sehr sauber und wohlgleichend, wie wir denn verschiedene Porträte von guten Freunden in Hamburg gesehen. Sein Preis ist fünfzehn Reichsthaler. Er malt auch en mignature, davor man ihm zwanzig Thaler bezahlt, wenn er aber en buste mit den Händen malt, vierzig. Er hatte in einem Zimmer viele Porträte und Copien von anderen Gemälden hangen, darunter ein Nachtstück, zwei alte Köpfe und eine Copie von Poussin waren, davon das Original in Danzig bei einem Kaufmann ist, bei welchem sich Herr D. vor diesen aufgehalten. Der Vater von diesem D. ist der berüchtigte Quäker, so alle Sonntag mit großem Zulauf, auch von Hamburgern, allhier predigt und von Profession ein Blaufärber ist. Sie scheinen sonst alle gar feine und fromme Leute zu sein.“ Im J. 1712 verheirathete sich der Maler mit Esther Winter, die ihm 6 Kinder schenkte und auf seinen Reisen eine treue Begleiterin war. Kurz danach malte er Friedrich IV. von Dänemark. Im J. 1713 wurde er nach Husum berufen, um das Bildniß der Fürstin von Schleswig in Miniatur zu malen, was er auf verschiedene Weise that, auch einige Herren ihres Hofes [55] conterfeite er in Oelfarbe. Kaum nach Hamburg zurückgekehrt, mußte er zu Wandsbeck den Fürsten Mentschikoff porträtiren, wofür ihm der entzückte Russe 100 Ducaten mit eigener Hand hinschob. In dem J. 1714 machte er mit seiner Frau eine Vergnügungsreise nach Amsterdam, malte daselbst einige Bildnisse und kehrte im October nach Hamburg zurück. Im folgenden Jahr verweilte er 6 Wochen in London. Ein Jahr später, 1717, berief ihn der König von Dänemark nach Husum und ließ sich hier wol zwanzigmal von ihm conterfeien, dann lud er ihn nach Kopenhagen ein, wo D. nebst seiner Frau im December anlangte. Hier fand er so viele Beschäftigung bei der vornehmen Welt, daß er wol 10 Monate dort verweilte und einen gespickten Beutel davontrug. Im J. 1720 ließ ihn die regierende Herzogin von Braunschweig-Wolfenbüttel nach Wolfenbüttel kommen und sich von ihm mehrmals darstellen. Von dort begab er sich nach Hannover, wo viele englische Lords und Ladies zu Vorwürfen seines Pinsels dienten; auch lud man ihn ein, nach England zu kommen. Der Künstler folgte diesem Rufe mit Frau und Kindern im folgenden Jahr und nahm das Porträt einer alten Frau mit, das in London wahrhaft Furore machte; man überlief sein Atelier und es wurden ihm 500 Guineen geboten, wofür er es jedoch nicht hergeben wollte. D. war aber dadurch in weiten Kreisen bekannt geworden und die vornehme Welt drängte sich, um ihm zu sitzen. Einige Zeit danach sandte D. das genannte Kunstwerk an den Wiener Hof und Karl VI. ließ ihm 4700 Kaisergulden dafür auszahlen. Der Monarch war so enthusiasmirt, daß er den Schlüssel des Kastens, worin es eingeschickt worden war, bei sich trug und nur in seinem Beisein das Behältniß öffnen ließ; selbst die hohe Gnade gewährte er dem Ueberbringer, daß er ihn zum Handkuß beiließ. Das Bild befindet sich jetzt im k. Belvedere. Im Sommer 1727 machte Balthasar mit seiner Familie einen Besuch in Hamburg; kaum daselbst angelangt, fand sich der kaiserliche Gesandte Graf von Starkenberg bei ihm ein mit dem Auftrag, als Gegenstück zu jenem weiblichen Kopfe einen männlichen für den Kaiser zu malen, worauf D. einging. Auch in Hamburg malte er einige Porträts, doch kehrte er bald nach London zurück; unterwegs überraschte ihn ein gewaltiger Sturm und erst nach vielem Ungemach kam er nach England. Lange noch kränkelte er, ehe die Strapazen dieser Meerfahrt überwunden waren. Er ging jetzt daran, jenes Männerbildniß zu fertigen und schickte es dann durch den kaiserl. Residenten Baron v. Palm nach Wien ab, von wo man ihm die gleiche Summe von 4700 Kaisergulden zu Theil werden ließ. Auch dies Porträt befindet sich im Belvedere, es trägt die Jahreszahl 1726. Da der Künstler den Steinkohlendunst in London seiner Gesundheit nachtheilig fand, ging er 1728 nach Hamburg zurück. 1729 wurde er nach Blankenburg citirt, um die Bildnisse des Herzogis und der Herzogin zu malen. Von da zog er nach Dresden, wo er den König von Polen, August II., darstellte und ihm zwei Köpfe um den Preis von 500 Ducaten verkaufte. Im J. 1730 ging er von Dresden nach Berlin, von da wieder nach Hamburg, bald darauf mit seiner Frau und seiner ältesten Tochter nach Amsterdam, von wo er nach Ablauf eines vollen Jahres sich wieder nach Hamburg wandte. Im J. 1734 malte er Christian VI. von Dänemark, der sich damals in Altona befand. In demselben Jahr that er eine Reise nach Braunschweig und erhielt dort von Herzog Ludwig Rudolf die Bestellung zu einem für die Gallerie zu Salzdahlum bestimmten Gemälde. 1735 wurde er nach Neustadt im Mecklenburgischen berufen und malte daselbst mehrmals den Herzog Christian Ludwig nebst der ganzen fürstlichen Familie. Sein kaum 13jähriger Sohn spielte zu gleicher Zeit zur Verwunderung der vornehmen Gesellschaft auf der Geige. In dem gleichen Jahr begab sich D. wieder nach Braunschweig, um den Herzog Ferdinand Albrecht und dessen Familie zu malen. [56] Unglücklicher Weise jedoch starb der Fürst an demselben Tage, der für die erste Sitzung festgesetzt war. Im J. 1736 porträtirte Balthasar zu Altona die Prinzessin Sophie Charlotte, Schwester des Königs von Dänemark und mehrere Herren vom Hof. Noch in demselben Jahr begab er sich mit seiner ganzen Familie nach Amsterdam, wo er 3½ Jahre blieb und viele Porträts malte. Wanderlustig jedoch, wie er war, ging er wieder nach Hamburg, und kurze Zeit darauf, 1740, auf den Wunsch des Herzogs von Holstein-Gottorp, später als Peter III. Kaiser von Rußland, nach Kiel, wo er denselben zwei Mal darstellte. Nach diesen Originalen wurden verschiedene Copien nach allen Höfen von Europa verschickt, besonders an den Hof in Petersburg. 1741 wurde er nach Ploen bestellt, um daselbst auf verschiedene Art den Herzog sammt Familie abzuschildern. Eine glänzende Einladung der Kaiserin Katharina von Rußland, nach Petersburg zu kommen, schlug der Künstler aus. Das J. 1743 verschaffte ihm den Besuch des schwedischen Thronfolgers Adolf Friedrich von Holstein-Gottorp, der sich im Hause des Künstlers verschiedenartig porträtiren ließ und während des Sitzens durch Vocal- und Instrumentalmusik, worauf sich D. und seine Kinder vortrefflich verstanden, unterhalten wurde. Im folgenden Jahr ließ sich der Kurfürst von Köln, der sich gerade zu Hamburg befand, von D. verschiedentlich, so lebensgroß als klein, malen und belohnte ihn reichlich. Das J. 1747 sah den Herzog von Holstein-Gottorp in Denner’s Atelier zu Hamburg, auch diesem wurde die Last des Sitzens durch eine angenehme Musik erleichtert. In demselben Jahr malte D. zu Braunschweig die Wittwe des Herzogs August Wilhelm verschiedentlich, desgleichen die regierende Herzogin von Braunschweig und viele hervorragende Leute; er gefiel sich daselbst so, daß er mit dem Gedanken umging, sich in Braunschweig ständig niederzulassen. Im folgenden Jahre fand er überreichliche Beschäftigung am mecklenburgischen Hofe, starb aber 14. April 1742[1] zu Rostock. Bei D. muß man wol zwei Manieren unterscheiden. Im großen Publicum ist er fast nur bekannt als der Verfertiger unsäglich ausgeführter Köpfe alter Männer und Weiber. Es ist in der That fast unbegreiflich, wie weit er die Vollendung des Einzelnen trieb, die kleinste Falte, die kleinste Pore, das kleinste Härchen stellte er dar, so daß sich seine Gemälde füglich mit der Lupe betrachten lassen. Man ist ganz außer sich, und der Laie schwelgt in Entzücken. Wer jedoch in dem Begriff eines wahren Kunstwerkes immer noch ein ideales Moment sucht und sich nicht mit der sklavischen Abschrift der Natur zufrieden gibt, den werden solche Bilder wenig angenehm berühren. Es ist absolut kein Geist in diesen Köpfen, sie reden nicht, und die glatte, weichliche Farbe verstärkt noch den Eindruck des Wachsfigurenartigen. Ganz besonders charakteristisch hierfür sind die genannten Köpfe im Wiener Belvedere. Andere der Art in verschiedenen Gallerien. Allerdings war dies seine Specialität und kein Nachahmer hat ihn erreicht, sein Ruf wird deshalb stets auf diesen Werken beruhen. An sich jedoch erfreulicher ist er in seinen gewöhnlichen Porträts, deren es noch sehr viele, namentlich in Norddeutschland, gibt. Hier ist er fast allen gleichzeitigen Malern überlegen, seine Behandlung ist fleißig, jedoch nicht peinlich, seine Farbe klar und angenehm, wenngleich im Sinne der Zeit etwas süßlich und glatt. Seine ungeschickte und nachlässige Gewandbehandlung fand schon zu seinen Lebzeiten vielen Tadel, er soll das Beiwerk auch oft von seinen Schülern und Kindern haben malen lassen, woran theilweise die Schuld liegen mag, daß es so schlecht ausfiel. Auch im historischen Fache wagte D. in seiner früheren Zeit einige Anläufe, so werden eine hl. Magdalena, eine Putiphar und eine aus dem Bad steigende Nymphe erwähnt; noch 1731 entstand ein hl. Hieronymus (Dresdener Museum). Dieselben sind höchst unbedeutend, besser dagegen seine Blumen- und Fruchtstücke, die hin und wieder vorkommen, „der Staub auf den [57] Aurikeln, der Flaum auf den Pfirsichen, Weintrauben und Pflaumen sind mit seltener Täuschung wiedergegeben“, sagt das Hamburger Künstlerlexikon. Zu Denner’s Ruhm ließ der Hofrath Weichmann in Braunschweig schon zu Lebzeiten des Künstlers eine Medaille fertigen; auf dem Avers sieht man sein Brustbild in Profil, mit der Umschrift: Balth. Denner Hamb. Pict. in suo genere unicus, auf dem Revers die Legende: Ob multifaria aereque perenniora virtutis fidei artis documenta amico benemerenti f. f. C. F. Weichmann 1739. Der hamburgische Dichter Brockes hat den Maler in mehreren Gedichten besungen. Denner’s bester Schüler ist sein Schwager Dominicus van der Smissen. Gestochen haben nach ihm u. a. Bause, Bernigeroth, J. Canale, Folin, C. und F. Fritsch, J. J. Haid und Wolfgang.

Siehe namentlich die mit warmer Verehrung geschriebene Biographie in J. van Gool, De nieuwe schouburg der Nederlandsche Kunstschilders, Haag 1751, 2. Bd., S. 62 f.

[Zusätze und Berichtigungen]

  1. S. 56. Z. 27 v. o. l.: 1749 (st. 1742). [Bd. 22, S. 793]