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Artikel „Trost, Karl“ von Hyacinth Holland in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 38 (1894), S. 653–656, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Trost,_Karl&oldid=- (Version vom 24. November 2024, 14:19 Uhr UTC)
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Trost: Karl T., Genre- und Thiermaler, wurde am 25. April 1811 zu Eckernförde geboren, wo sein Vater, vormals hessischer Genieofficier, aus Abneigung gegen die Wirthschaft des Königs Hieronymus von Westfalen, in dänische Dienste getreten war. Einem Despoten ausweichend, fiel der Vater aber alsbald einem glänzenden Elend anheim, als er, einer an deutsche Ingenieure ergangenen Einladung des seit 1811 regierenden Königs Heinrich I. (Christoph) von Haiti folgend, nach Domingo mit Frau und Kind übersiedelte. Die einförmige Langeweile einer damaligen Segelschiffahrt, nur unterbrochen durch das phantastische Ceremoniell der Passage über die „lütge Linie“ (den Wendekreis des Steinbocks), prägte sich der Erinnerung des Knaben ein. Am 6. Januar 1817 landete das Schiff in der Bai von Haiti. Trost’s Vater erhielt eine hohe Stelle als Artillerieofficier im Innern des Landes, in der den Weißen sonst unzugänglichen Haupt- und Residenzstadt „Sanssouci“. Hier lernte der kleine T. das bunte „petit blanc“, die aus afrikanischem Sauerteig und corrumpirtem Französisch zusammengewürfelte Landessprache, wovon ihm einige Brocken zeitlebens erinnerlich blieben, auch sammelte er Stoff zu culturhistorischen Betrachtungen über die nur durch Gefräßigkeit und Tanzwuth aufzuregende Trägheit und Indolenz der schwarzen Race. Das Kind gewann ein scharf beobachtendes Auge nicht allein für die Menschen, sondern auch für die fremdländische Schönheit der Natur; seine Begabung diese Eindrücke zu schildern, hätte ihn sicherlich ebenso zum Schriftsteller wie zum Maler befähigt. Was er von den Märchen der Schwarzen einheimste – von einer glänzenden Schlangenkönigin, von der Verwandlung der Weiber in Hexen, die ihre Haut abstreifend, im Federgewand durch die Luft zu fahren vermögen, die Geschichte von „Lapin und Bouqui“ (beiläufig unser „Hans im Glück“) sind echte Bruchstücke der allen Völkern gemeinsamen Vorstellungen und urältesten Ueberlieferungen. Der kleine T. bestand glücklich die Plagen der Ameisen, des gefährlichen Erdflohs (chiqué) und des gelben Fiebers, welches [654] mit Ausnahme seiner Eltern fast alle dahinraffte, die mit ihnen nach Haiti gekommen waren; von einem waghalsigen Erstlingsritte gewann er für Lebenszeit eine breite Stirnnarbe. König Heinrich, welcher in der Jugend Schuhputzerdienste in der Capstadt (Cap Haiti) verrichtet und sich dann zum General und bis zum Throne emporgearbeitet hatte, wird als kräftiger, breitschulteriger, ebenholzschwarzer Mann geschildert, der, eine stattliche Erscheinung, in goldbetreßter grüner Uniform, auf dem mächtigen Dreimaster die landesfarbigen blau-roth-weißen Federn, häufig im Geleite seiner Adjutanten und Großen des Reiches, inmitten zweier Cavallerieabtheilungen dahinsprengte. Als Freund ceremoniellen Pomps erfand er auch ein berittenes Amazonencorps, bestehend aus den Damen der Würdenträger, welches mit Federn und Flitterwerk aufgeputzt und mit buntbemalten Bogen, Köchern und ellenlangen, vergoldeten Pfeilen ausgerüstet, lustig dahinraste. Daß er nach Napoleon’s Vorbild sich auch mit neucreirtem Adel umgab und sogar Herzöge von Limonade und Marmelade ernannte – Kurfürst Karl Theodor schuf sogar einen Fürsten von Bretzenheim – ist bekannt. Die nach französischem Muster uniformirte Armee blieb indessen ohne Schuhe und Sold und erhielt nur eine aus abgekochten Bohnen und aus Mais und Reis bestehende nothdürftige Fütterung. Der König hegte eine ungeheure Passion für Katzen und prügelte mit einem Krückstock à la Fritz seine Großwürdenträger. Das Volk munkelte von einer weißen Nymphe Egeria, von welcher dieser dem großen Numa Pompilius so ungleiche Regent, seine Weisheit erhalten haben soll. Auch wurde erzählt, daß er einst eine seiner Lieblingskatzen, welche es gewagt habe, sein Leibgericht vorwegzumausen, durch einen Adjutanten auf vierzehn Tage in die Festung verbringen ließ. Diese, eine Stunde von der Festung entfernte, hoch und steilgelegene Festung, welche ihm als Schatzkammer für seine Thaler diente, flog eines Tages durch einen die Pulverkammer entzündenden Blitz in die Luft. Trotz aller europäischen Lackirung und französischen Firnisses blieb König Heinrich doch ein schwarzer Barbar, welcher beispielsweise alle aus Europa kommenden oder dahin abgesendeten Briefe untersuchen oder unterschlagen ließ, damit keine Kunde über die inneren Zustände ins Ausland gelangten. Kein Europäer, welcher im Innern gelebt hatte, sollte je wieder das Land verlassen. Deshalb fiel Trost’s Vater, als er ohne Ahnung dieses Princips nach vierjähriger Dienstzeit um seine Entlassung und die Erlaubniß zur Rückkehr einkam, in Ungnade. Es gab Processe und Untersuchungen und infolge davon wurde die ganze Familie nach Fort Royal verbannt mit dem an den dortigen Commandanten gerichteten Befehl: „Ils sont là pour crever!“ Offenbar galt der Aufenthalt daselbst als gesundheitsgefährlich und todbringend, so daß der König hoffte, die Deutschen auch ohne Proceß und Urtheil los zu werden. Da sich indessen Niemand um die Gefangenen kümmerte, blieb ihnen eine beschränkte Freiheit und als Tröster in ihrer ungewissen, drohenden Lage die große Stille des zum Gewahrsam angewiesenen Raumes mit der Aussicht auf das weite Meer. Diese Zeit bildete den Knaben, welcher kurz vorher den ersten Zeichenunterricht erhalten und sogar mit Flaxman’s Umrissen zum Homer Bekanntschaft gemacht hatte, zum Dichter und Künstler. Nach drei Monaten erschien endlich der Gouverneur im Namen des Königs, durchsuchte alle Habseligkeiten und beschlagnahmte alle Papiere, wobei es dem Vater gelang ein großes mit erläuternden Zeichnungen versehenes Tagebuch glücklich auf die Seite zu bringen. Vierzehn Tage darauf erfolgte ein schärferer Haftbefehl, dann brachte ein Adjutant dem Vater seine Patente zurück, sagte einige Artigkeiten von braven Deutschen, doch wurden alle Thüren und Läden geschlossen und die armen geängstigten Menschen ganz auf das Innere des Hauses und den mit hohen Mauern umgebenen Hof beschränkt. Die Eltern schienen auf alles gefaßt, [655] sprachen von einem Gürtel, in welchen sie das letzte Geld eingenäht hatten, nannten dem Knaben, dessen Leben man hoffentlich doch verschonen würde, die Städte und Namen der Verwandten in der fernen Heimath: dann schlossen sie ab mit dem Leben. Da erscholl eines Tages fremder Lärm, es schwoll herauf an ihr Ohr: endlich die Kunde von einer Revolution gegen den Tyrannen und daß derselbe, bei einer durch den Mulatten Boyer geleiteten Empörung, durch einen Schuß sein Leben selbst beendet hatte. Nun waren sie frei und erhielten von der Republik die Erlaubniß zur Heimkehr (1820). Nach siebenwöchentlicher glücklicher Fahrt, welche auch der dänische Maler Barnseer theilte, erblickten sie wieder vor der Wesermündung die erste Tonne mit dem Bremer Schlüssel. – Damit schließen leider schon die Aufzeichnungen des Künstlers, welcher in alten Tagen seinen Lebensgang in Schrift zu bringen begann. Wir sind nun auf die nicht immer zuverlässigen Notizen etlicher Lexikographen und auf unsere eigenen Sammlungen angewiesen. Der Jüngling kam mit seinen Eltern nach Fulda und dann zu seinem Oheim, dem Finanzminister Meisterlin nach Kassel und erhielt die guten Grundlagen zu einer weiteren Bildung, welche ihm zum Fortkommen in der feineren Welt so nützlich und heilsam wurde. Vorübergehend mag Karl T. wohl auch am Scheidewege geschwankt haben, ob er der militärischen Laufbahn oder dem Genius der Kunst folge; lange kann er jedoch in seinem Entschluß nicht gezaudert haben, da wir ihm schon um 1830 auf der Münchener Akademie und im Atelier bei Peter Heß begegnen, fest entschlossen, sich der Historienmalerei zu widmen. Er malte da Bildnisse, geschichtliche Darstellungen und Genrebilder, darunter eine Scene aus dem Tirolerkriege von 1809, welche sein Talent bewährten. Um das Jahr 1835 übersiedelte T. an das Städel’sche Institut nach Frankfurt, gewann an Philipp Veit einen treuen Lehrer und Berather und verlebte später im Verkehr mit Moritz v. Schwind, v. Donner, dem Kunstmäcen B. v. Bernus, Berthold Auerbach und Anderen eine schöne, genußreiche Zeit voll Anregung und Wetteifer. Die Begeisterung für eine ideale Kunst gab ihm hier die Weihe und auch späterhin das Geleite, vielleicht auf Kosten einer realen Durchbildung in Zeichnung und Colorit, welch’ letzteres bei ihm zu einer weichlichen Süßigkeit neigte, die indessen mit der damaligen Düsseldorfer Romantik Hand in Hand ging. Auch hier waren es wieder historische (darunter die Gestalten „Ludwig der Deutsche“ und „Karl der Dicke“ im Frankfurter Kaisersaal) und religiöse Darstellungen, Familienscenen und Portraits, womit er seinen Namen begründete; seine heitere Laune griff auch gerne zur Carikatur. Dann malte er, dem allgemeinen Strome des politischen Lebens folgend, große Transparente; auch führte er die Radirnadel für seine eigenen Compositionen. Letztere erschienen größtentheils in den „Deutschen Dichtungen mit Randzeichnungen“ (Düsseldorf 1843 ff.), darunter „Barbarossa“ nach Rückert, Uhland’s „Brautgesang“ und „Die versunkene Krone“, das „Glück von Edenhall“, „Die Nonne“, der „Treue Eckart“ nach Tieck, dessen Novellen ihn gleichfalls vielfach zu Bildern anregten. In diesen Arabesken steht T. zwischen Schwind, Neureuther und Scheuren. Eine große Rolle spielte auch der ganze deutsche Märchenschatz wie: Undine, Aschenbrödel, Schneewittchen bis zum neckischen „Buckeligen Männlein“ u. s. w. Seine Waldbilder, darunter ein „Hubertus“, führten ihn nach Gotha und machten den Künstler dem Herzog Ernst bekannt, wodurch T. den Titel eines Hofmalers und vielfache Aufträge erhielt, welche ihn von 1851 bis 1859 beschäftigten. Für diesen ritterlichen Waidmann, welchem er oft nach dessen Schlößlein „in der hinteren Riß“ folgte, schuf T. ein großes Jagdalbum mit Portraits, Thierstücken, Edelwild und Hunden. In München, wo T. seit 1859 längere Zeit weilte, entstanden einige originelle Bilder, darunter der coloristisch wirksame „Irrwisch“ (photographirt von Hanfstängl) – ein Vorläufer [656] von Henneberg’s „Jagd nach dem Glück“ – die „Kunstpause im Atelier“, eine „Mittagsruhe im Walde“, ein „Rothkäppchen“, ein „Wildernder Waldbruder“ u. s. w. Die „Mittagsruhe“ (ein beim Erdbeersuchen im blühenden Haag eingeschlafenes Bauernkind) wurde 1862 vom Münchener Kunstverein erworben. Doch hatten, im Gegensatze zu Schwind, welchem das Naive in feinster Empfindung aus der Hand floß, Trost’s Mädchenköpfe etwas Geziertes, was damals im Portraitfache beliebt war, uns heutzutage jedoch abkältend berührt. Auch sein „Rothkäppchen“ (1864, wozu die berühmte Sängerin Frl. Stehle das Vorbild gegeben haben mochte), das sich auf dem Wege zur kranken Großmutter mit Blumenpflücken und Vogelfüttern versäumt und dadurch dem bösen Wolf einen Vorsprung gewinnen läßt, war nicht frei davon. Eine Wiederholung dieses Bildes erschien noch 1874 im Geleite des „Irrwisch“ auf der Ausstellung der norddeutschen Kunstvereine zu Hamburg, wo T. durch seine „poetische und idealistische Richtung den Sieg über vier andere, ganz materialistisch gehaltene „Rothkäppchen“ davontrug (Lützow’s Zeitschrift 1874 X, 170). Drei glückliche Jahre verbrachte T. in Italien, insbesondere zu Rom und Venedig. Die Riva de’Schiavoni mit ihrem buntbelebten Treiben, das packende Leben auf der Piazetta, die Fischer und Gondoliers auf den Canälen boten ihm unerschöpfliche Stoffe zu Bildern, darunter die Andacht eines alten Marinaro vor einem in den Lagunen eingerammten Bildstöckchen. Noch im April 1883 brachte T. als Erinnerung an seinen italienischen Aufenthalt einen durch besondere Beleuchtungseffecte auffallenden „Charfreitag in Venedig“ zur Ausstellung. In München, wo T. zuletzt seinen bleibenden Sitz wählte, malte er viele Jagd- und Thierstücke, welche bereitwillige Abnehmer und Käufer fanden, darunter ein „Erlegter Hirsch“ (photographirt bei Albert), auch ein sinniges Genrestück „Im Krieg“ (ein vor einer Capelle für den fernen Streiter betendes Mädchen, angekauft 1870 im Münchener Kunstverein), dann eine „Elephantenjagd“ im Hochland von Abessinien (1873) und zuletzt noch einen „Fischer“ (nach Goethe) gleichfalls für den Herzog von Coburg, wofür der hohe Herr in einem eigenen Handschreiben vom 22. Mai 1879 die freudige Anerkennung aussprach, daß der Künstler trotz der Last der Jahre doch seiner idealen Richtung und Eigenart des Schaffens treu geblieben sei und im Colorit wie in der poetischen Auffassung eine glückliche Jugend bewahrte. Recht hübsch war seine „Siesta“ (April 1893)[WS 1] durchgebildet – darstellend einen im Walde unter seinem Malerschirm ein Mittagsschläfchen haltenden Landschafter, während ein Fink von dem Schirmrand neugierig unter denselben guckt und Schmetterlinge den Malkasten umspielen. Sein letztes, freilich auch die Schwächen des Alters verrathende Bild, eine „Kahnfahrt“ (wo rudernde Kinder nach einer Seerose haschen), kam am 1. März 1884 in den Kunstverein, an demselben Tage, wo ein durch Jahre sich hinziehendes Leiden sein Leben endete. Er hatte die letzten Jahre desselben im Kreise einer edlen, kunstsinnigen Familie, wie ein Freund und Kind des Hauses, sorglos und in treuester Pflege genossen. Von seinen Bildern besitzen außer S. K. Hoh. dem Prinzregent Luitpold, noch Frau Baronin Siegsfeld in Bernburg, Baron Bernus zu Frankfurt und Frau v. Passavant in München, treffliche Proben aus der besten Zeit seines Schaffens.

Vgl. Maillinger 1876. II. Nr. 2956 ff. – Allgemeine Zeitung, Nr. 118 vom 28. April 1884. – Kunstvereinsbericht für 1884. S. 70.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. wahrscheinlich „1883“