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Artikel „Neureuther, Eugen Napoleon“ von Friedrich Pecht in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 23 (1886), S. 552–554, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Neureuther,_Eugen&oldid=- (Version vom 28. März 2024, 22:01 Uhr UTC)
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Neureuther: Eugen Napoleon N., Historienmaler und berühmter Illustrator, geb. in München am 13. Januar 1806, † ebendaselbst am 23. März 1882. – Der Vater dieses vielfach interessanten Künstlers war ebenfalls ein begabter Maler, der im Gefolge des Königs Max Joseph nach München gekommen war und später als Zeichnungslehrer nach Bamberg versetzt ward. Dort erhielt Eugen, der seinen Namen von Eugen Beauharnais, seinem Pathen trug, den ersten Zeichnungsunterricht vom Vater, den er 1823 mit dem der Münchener Akademie vertauschte. Er wollte erst Landschafter werden, als aber Cornelius 1825 die Direction der Anstalt übernahm, so schloß sich der junge Künstler mit allem Enthusiasmus ihm an. Sein verzierendes Talent bald erkennend übertrug der Meister ihm die Freskoausführung der Arabesken des trojanischen Saales in der Glyptothek, ebenso die von Trophäen in den Hofgartenarkaden. Dadurch und durch das Studium der Dürer’schen Randzeichnungen zum Gebetbuch Kaiser Maximilians, gerieht er auf den Gedanken, die Goethe’schen Romanzen und Balladen mit Randzeichnungen in diesem Geschmack zu versehen. Von Cornelius mit gutem Rathe unterstützt, begann er die Arbeit und sandte sie 1828 Goethe, der ihn lebhaft aufmunterte, sie mit der Feder auf Stein zu zeichnen und herauszugeben. – Dies geschah nun und die Publication in dieser für Deutschland völlig neuen Form erntete einen unermeßlichen [553] Beifall. – Man kann das Werk auch heute noch mit Vergnügen betrachten ob des Reichthums der liebenswürdig spielenden Phantasie, der darin entfaltet ist. Zwischen strenger Dürer’scher Stilisirung und keckem Naturalismus eine nicht ungefährliche aber angenehme Mitte haltend, die fortan alle die zahlreichen Schöpfungen des außerordentlich fruchtbaren Künstlers charakterisirte, hatte es besonders das Verdienst die Cornelianische Schule auf den Weg hinzuweisen, auf welchem sie fortan sich das größte Verdienst erwerben sollte: Die volksthümliche Kunstform der Illustration, wie ihn Cornelius zwanzig Jahre früher mit dem Faust und den Nibelungen wol betreten aber nicht weiter verfolgt hatte. – Aufgemuntert durch den allgemeinen Beifall ließ N. den Goethe’schen Gedichten 1834 die „Schnaderhüpfeln“, eine Sammlung der beliebtesten Volkslieder aus dem baierischen Gebirge folgen, wo er in seinen Arabeskeneinrahmungen noch realistischer vorgehend recht eigentlich zum erstenmal das deutsche Volk auf die Poesie dieses Gebirgslebens aufmerksam machte. Er gab damit eine wahrhaft unermeßliche Anregung und die neue Kunstform ward fortan überall, ganz besonders glücklich aber in Dresden von Ludwig Richter auf ganz neue Gebiete übertragen. – Auch mit dauernderem Erfolg, da Richter viel individuellere und der Natur abgestohlene Gestalten brachte als N. Dieser publicirte nun noch (1832) „Randzeichnungen zu deutschen Dichtern“ u. a. m. – Dann aber versuchte er sich schon 1835 in der Radirung, in welcher er nunmehr seine werthvollsten und reizendsten Märchencompositionen, so 1839 das große Blatt des Dornröschens publicirte, wol das beste was er in dieser Art geliefert hat, da er bei den späteren, wie dem übrigens auch sehr originellen „Waldfräulein“ u. A. doch etwas zu naturalistisch ward und dadurch dem märchenhaften Charakter derselben einigen Eintag that. Der unbestreitbare Reiz all dieser Compositionen liegt weniger in der Schärfe ihrer Charakteristik, als in der überaus anmuthigen Verbindung des landschaftlichen und ornamentalen mit dem figürlichen Theil. Inzwischen hatte er auch schon 1835 die Illustration des Cid begonnen, die in Paris in Holzschnitt ausgeführt, die erste Veranlassung zur Einführung dieser Technik in München durch Kaspar Braun gab. Die sehr geringe damalige Ausbildung derselben bringt freilich Neureuther’s Zeichnungen fast um allen Werth, abgesehen davon, daß er von den baierischen Jägern und Bauern gewiß eine sehr viel richtigere Anschauung hatte, als vom spanischen Nationalcharakter. Hatte er sich schon bei den Originalen zu den Goethe’schen Balladen eine in der Hauptsache den alten Miniaturisten entlehnte Art der Colorirung solcher arabeskenartigen Zeichnungen geschaffen, wo er sich denn auch freilich die Vorliebe derselben für die sogenannten süßen Farben aneignete, so ward er jetzt durch den Auftrag, in dem Salon der Königin in der neuerbauten Münchener Residenz einen Fries mit Darstellungen aus dem Oberon zu verzieren, wieder zur Malerei zurückgeführt. Hier ist er indeß der Buntheit nicht entgangen und vermochte auch nicht seinen Gestalten tieferen Reiz zu geben. Dann ging er nach Rom, wo ihn begreiflich das Studium der Loggia des Vaticans besonders beschäftigte und ihn jedenfalls zur strengeren Stilisirung der Form trieb. Die außerordentliche coloristische Meisterschaft der Rafael’schen Arbeit hat er indeß kaum viel besser als die übrigen Zeitgenossen verstanden, wenigstens läßt sich irgend ein Einfluß Italiens in seinen später erschienenen Arbeiten kaum nachweisen. – Mit einem reichen Studienschatz zurückgekehrt, verwerthete er nun denselben auf mancherlei Art, so einiges davon zu einer Art Apotheose des Cornelius mit seinen Kunstgenossen in der Schack’schen Galerie, dann eine Erinnerung an die Villa Mills und die Villa Malta u. a. m. Auch illustrirte er die Nibelungen, den Götz von Berlichingen u. a. m., ohne indeß die naive Frische der ersten Arbeiten [554] jemals wieder zu erreichen, sondern allmählich etwas zu einförmig sich in seinen Gestalten und Empfindungen wiederholend.

Er hatte schon immer Zeichnungen für gewerbliche Zwecke gemacht, Tafelaufsätze, Portale, Diplome u. dgl. componirt, wo seine Art allerdings strengere stilistische Anforderungen nicht befriedigt, aber doch immer gefällig und originell bleibt. Dies gab Veranlassung, ihm 1848 die artistische Direction der Nymphenburger Porzellanfabrik zu übertragen, einer arg in Verfall gekommenen Staatsanstalt. Indeß ist es ihm nicht gelungen, die Hindernisse, welche der todte bureaukratische Formalismus und das Protectionssystem dem Gedeihen der Fabrik in den Weg legten, zu überwinden, obwohl er manches Treffliche da hervorgerufen hat. Er wurde daher 1856 pensionirt und benutzte nun seine Muße, sich wieder der Oelmalerei zuzuwenden und da eine Anzahl romantischer Stimmungsbilder nach Uhland und anderen Dichtern zu malen, von denen die meisten in der Schack’schen Galerie zu finden sind. Das beste derselben ist die sterbende Nonne nach Uhland. Als 1858 die Schule des Vereins zur Ausbildung der Gewerke als „Münchener Kunstgewerbeschule“ zur Staatsanstalt umgeformt wurde, erhielt er bald eine Professur an derselben, die er aber 1877 im Hinblick auf sein hohes Alter wieder niederlegte. Während dieser Zeit verzierte er auch das Vestibul des von seinem jüngeren Bruder Gottfried, dem berühmten Architekten, erbauten Polytechnikums mit allegorischen Oelbildern, die Bezug auf die Bestimmung des Gebäudes haben, wie er denn auch die Nordseite desselben mit Sgraffito-Compositionen schmückte. Hier war er unerschöpflich in sinnvollen Erfindungen, deren Hauptcharakterzug aber doch immer eine weniger in die Tiefe gehende oder scharf charakterisirende, als gefällige Auffassung ist. Ernst, Größe oder Macht sind dieser durchaus heiteren und liebenswürdigen Natur versagt, deren Biederkeit und Freundlichkeit im Leben sie allgemein beliebt machten. Bis zum letzten Augenblick thätig, erregte auch der Hingang dieses frühesten Romantikers in München warme Theilnahme, obwohl die jüngere Generation kaum mehr wußte, wie vieles an der heutigen Blüthe unserer Illustrationskunst auf ihn zurückzuführen ist. Hätte er dem dilettantischen Zug in seiner Natur besser widerstehend, sich in seinen Illustrationen ebenso fest an das baierische Volksleben und die Gebirgsnatur gehalten wie Ludwig Richter an das des sächsischen Kleinbürgerstandes, so würde er ohne Zweifel weniger rasch vergessen worden sein als jetzt, wo die unendliche Harmlosigkeit seines liebenswürdig spielenden Wesens auch die beste künstlerische Eigenschaft dieser ebenso phantasievollen als auch sonst reich begabten Natur ausmacht.