ADB:Tollius, Jakob
Gerhard Johannes Vossius verband. Wie er selbst, so oft er allein oder mit seiner Gattin nach Amsterdam kam, bei dem berühmten Philologen gastfreundliche Herberge fand (vgl. Chauffepié, Dict. hist. et crit. IV, 458 f., Anm. B), so sind auch zwei von seinen Söhnen, Cornelius und Alexander, während ihrer Studienzeit Hausgenossen desselben gewesen. Was diese dem persönlichen Verkehre mit dem großen Gelehrten zu danken hatten, erkennt man aus der Gedächtnißrede, die Cornelius Tollius seinem Gönner und Wohlthäter gehalten hat (Orat. in obitum incomparabilis et illustris viri G. J. Vossii. Amst. 1649, 4°). Beide haben später als angesehene Professoren an der Universität Harderwijk gewirkt. Daß Alexander, wie ihm einige Zeit nach dem Tode des ehrwürdigen Gerhard Johannes († am 17./27. März 1649) von dessen Wittwe und ihrem Sohne Isaak vorgeworfen wurde, seinen Aufenthalt im Vossius’schen Hause dazu benutzt haben soll, um gewisse litterarische Arbeiten an sich zu bringen, erscheint bei dem leidenschaftlichen Charakter der Frau Vossius und der Unzuverlässigkeit Isaak’s – derselbe wurde selbst von glaubwürdigen Zeitgenossen bezichtigt, der Königin Christine von Schweden werthvolle Bücher entwendet zu haben (Bouman a. a. O. I, 178 ff.) – als wenig begründet. Immerhin bildete die Beschuldigung den Grund, weshalb Nicolaus Heinsius (s. A. D. B. XI, 656 ff.) sich 1651, um es mit der einflußreichen Familie Vossius nicht zu verderben, nicht entschließen konnte, den talentvollen und ihm von Joh. Friedr. Gronovius (s. A. D. B. IX, 721) auf das wärmste empfohlenen jungen Mann, trotzdem er selbst an dessen Schuld nicht glaubte (Burm. Syll. epist. III, 256), als Amanuensis und Reisebegleiter in seinen Dienst zu nehmen. Da in den Quellen (Burm. Syll. epist. III, 254, 255, 256, 257, 263, 270, 600) der Name Alexander’s nicht genannt wird, sondern überall nur von dem frater Cornelii Tollii die Rede ist, so konnte es kommen, daß anstatt seiner Jakob T. mit der angeblichen Diebstahlsgeschichte in Verbindung gebracht wurde (Chauffepié, Dict. hist. et crit. IV, 459 f.). Aber dieser war 1651 für die Geschäfte eines Famulus noch viel zu jung, und hat auch, soweit bekannt, im Hause der Vossius niemals gewohnt. Dagegen paßt alles auf Alexander.
Tollius: Jakob T. stammte aus dem Bisthum Utrecht, aber nicht, wie vielfach irrthümlich angegeben wird, aus dem alten Trajectum selbst, sondern aus dem Städtchen Rhenen (Bouman, Geldersche Hoogeschool I, 175; II, 331, 651). Er selbst deutet darauf hin, wenn er sich, wo er auf seine Herkunft zu sprechen kommt, niemals Trajectinus schlechthin, sondern „ex Grinnibus Trajectinus“ nennt. Welche Lebensstellung sein Vater, Johannes Tollius (eigentlich Jan Toll), einnahm, ist nicht bekannt; nur so viel erfährt man, daß er mehr mit Kindern als mit irdischen Glücksgütern gesegnet war, trotzdem aber alles, was in seinen Kräften stand, aufbot, um seinen fünf Söhnen – er hatte außerdem noch fünf Töchter – eine tüchtige wissenschaftliche Bildung zu verschaffen. Hierbei kam ihm in hohem Maße die Freundschaft zu statten, die ihn mitJakob T., der der zweiten Ehe seines Vaters entsprossen war, stand seinen beiden Stiefbrüdern Cornelius und Alexander an Jahren erheblich nach. Geboren wurde er um das Jahr 1640. (Vgl. Jac. Tollii Epistolae itinerariae postumae ed. cura et studio H. Chr. Henninii, Amst. 1600 in 4°, p. 246, wo der über Tollius’ Lebensgang genauer unterrichtete Herausgeber bemerkt, derselbe sei im August 1660 ungefähr 20 Jahre alt gewesen. Nach andern ist er 1633 geboren.) Am 9. März 1654 wurde er zu Harderwijk als Studiosus der Philosophie immatriculirt (Bouman, a. a. O. I, 367, Anm. 1), ging später nach Deventer, wo er in seinen philologischen Studien besonders durch Joh. Friedr. Gronovius gefördert wurde, zuletzt noch nach Utrecht. Als seine mittellosen Eltern ihn nicht länger auf der Hochschule zu unterhalten vermochten, trat er in den Dienst des Buchhändlers [424] und Geographen Blaeu (Blavius s. A. D. B. II, 686) zu Amsterdam, um für dessen berühmten Atlas die Beschreibungen der einzelnen Länder ins Lateinische zu übersetzen. Geschäftliche Reisen, die er im Auftrage seines Brotherrn zu machen hatte, führten ihn nach Deutschland und Oesterreich. Wie gut er dabei Land und Leute zu beobachten verstand, erhellt aus dem Briefe, worin er einen im Sommer 1660 von Wien über Graz bis nach Kroatien unternommenen Abstecher beschreibt (Epist. itin., p. 237 ff.). Seine Mußezeit verwendete er mit großem Eifer auf die Erweiterung seiner Studien, insbesondere auch auf die Erlernung moderner Sprachen, des Französischen, Italienischen, Spanischen und Deutschen. Er stand noch in Blaeu’s Diensten, als Nicolaus Heinsius (s. A. D. B. XI, 656), der sich als Gesandter der Generalstaaten am schwedischen Hofe zu Stockholm aufhielt, an Joh. Georg Grävius in Utrecht (s. A. D. B. IX, 612) die Bitte richtete, ihm einen Amanuensis zuzuweisen. Die Wahl fiel auf T., dessen Talenten und Charaktereigenschaften Grävius ein überaus günstiges Zeugniß ausstellte; dieser aber nahm den Antrag um so freudiger an, als er in dem Hause eines Mannes, den man nicht mit Unrecht den Sospitator poetarum latinorum genannt hat, neben äußeren Vorteilen auch eine nicht unerhebliche wissenschaftliche Förderung erwarten durfte. So reiste er denn im August 1662 nach Schweden ab und traf in Stockholm in den ersten Tagen des Monats October ein (Burm. Syll. epist. IV, 34, 36, 37). Anfangs war Heinsius mit T. zufrieden (Burm. Syll. epist. IV, 39); aber bald fiel dieser bei ihm in Ungnade, und obwol Grävius ein gutes Wort für ihn einlegte (Burm. Syll. epist. IV, 42), wurde er doch im Frühjahr 1663 seines Dienstes entlassen. Ueber dem Vorgange schwebt ein gewisses Dunkel. Heinsius warf T. Händelsucht, Verläumdung und Untreue vor. Derselbe habe, so schrieb er an Gronovius und Isaak Vossius (Burm. Syll. epist. III, 492, 690; Casp. Burm. Traj. erud., p. 368 f.), mit unehrlicher Hand seinen Bücherschrank durchwühlt und geplündert. Er arte auf seinen Bruder, der es ja im Vossius’schen Hause nicht besser gemacht habe. Aber T. stellte die ihm zur Last gelegte Unredlichkeit in Abrede, und die Anzüglichkeiten, die er nach seiner Rückkehr in die Heimath von Heinsius zu erzählen wußte, fanden bei Bekannten Glauben (Burm. Syll. epist. III, 492). Auffällig ist dabei, daß weder Gronovius noch Isaak Vossius sich von T. zurückzogen, sondern ihm vielmehr späterhin bei seinen wissenschaftlichen Arbeiten bereitwillig ihre Beihülfe angedeihen ließen (Chauffepié, a. a. O. IV, 461; Tollius in der Vorrede zu seiner Ausgabe des Ausonius); auffällig auch, daß Grävius trotz des regen Briefwechsels, in dem er mit Heinsius stand, von der litterarischen Entwendung, die dieser T. zum Vorwurf machte, erst zehn Jahre später Kenntniß erhielt (Burm. Syll. epist. IV, 162, 169, 172). Richtig wird sein, daß Heinsius seinem Famulus einen Theil seiner Collectaneen und Codices zur Benutzung überlassen und dieser sich Auszüge daraus gemacht hat. Aber der eigentliche Grund der Entlassung dürfte nicht hierin, sondern in dem Verdrusse und den Ungelegenheiten zu suchen sein, die T. seinem Herrn durch unvorsichtige und indiscrete Reden bereitet hatte. Seine scharfe und ungezügelte Zunge hat ihm auch später noch viel Schaden gebracht. Nach zehn Jahren, 3. Febr. 1673, behauptete Heinsius, eine von T. in seiner Ausgabe des Ausonius mitgetheilte Conjectur zu Verg. Ciris 131 (Minoem cupidis s. O nimium cupidis, vgl. Auson. ed. Tollius zu Prof. I, 17) rühre von ihm und nicht von T. her und sei in dem Codex, den T. von ihm zur Benützung erhalten, am Rande vermerkt gewesen (Burm. Syll. epist. IV, 162; vgl. auch Sillig zu Ciris 131 in der Heyne-Wagnerschen Virgilausgabe IV, 225 f.). Inwieweit T. hierbei ein berechtigter Vorwurf trifft, muß dahingestellt bleiben. Merkwürdiger Weise hat Heinsius die Conjectur in seiner Vergil-Ausgabe, die zum ersten Male 1671 ans Licht trat, überhaupt nicht [425] berücksichtigt. Ganz unbegründet erweist sich bei näherer Betrachtung die von Pieter Burman (Syll. epist. III, 492 , Anm. 2) aufgestellte Vermuthung, daß Heinsius, wo er in der Vorrede zu seiner Ausgabe des Valerius Flaccus auf eine ihm gestohlene Collation zu sprechen kommt, seinen ehemaligen Amanuensis im Auge gehabt habe.
Nachdem T. aus Schweden in die Niederlande zurückgekehrt war, erhielt er – man weiß nicht, in welchem Jahre, spätestens aber 1666 – das Rectorat an der Schule zu Gouda, verlor jedoch diese Stelle, als er bei dem Sturze seines Gönners, des Bürgermeisters Florentius Cant, über dessen Gegner heftige und unliebsame Bemerkungen gemacht hatte (Burm. Syll. epist. IV, 169). Er zog sich dann nach dem Dorfe Noordwijk zurück, wo er als Privatlehrer und Arzt – er hatte schon einige Jahre zuvor die Würde eines Doctors der Medicin erworben – sein Dasein fristete (Burm. Syll. epist. a. a. O.). Sein Versuch, in Harderwijk die durch den Tod seines Bruders Alexander († 1675) erledigte Professur zu bekommen, mißglückte, und in gleicher Weise war auch seine Bewerbung um Stellen in Herzogenbusch und Leiden vergeblich. Schließlich wurde T. an der Universität Duisburg als außerordentlicher Professor der Geschichte und Eloquenz angestellt und eröffnete dort am 30. Mai 1684 seine Thätigkeit mit einer Rede über die Quellen der Beredsamkeit (Jac. Tollii, M. D., de fontibus eloquentiae orat. inaug. habita in ill. Cliviae Academia etc., quum in ea Historiarum et Eloquentiae prof. honorar. et extraordin. a. d. III. Kal. Junias a. 1684 declararetur. Lugd. Bat. 1684, fol. Auch abgedruckt in Jac. Tollii Fortuita, p. 323–360). Später erhielt er auch noch den Lehrstuhl der griechischen Sprache und rückte zum Ordinarius auf (vgl. Fortuita, p. 377; Epist. itin., Prol. editoris ad lect.). Aber seinem unruhigen Geiste wurde das akademische Lehramt bald zu eng. Im Januar 1687 trat er mit Erlaubniß und Unterstützung seines Landesherrn, des Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg, eine wissenschaftliche Reise an, auf der er überall, wie die nach seinem Tode von seinem Nachfolger in Duisburg, H. Chr. de Hennin, herausgegebenen Reisebriefe (Epistolae itinerariae, Amst. 1700, 4°) erkennen lassen, den Sehenswürdigkeiten und besonders den Bibliotheken eine eingehende Beachtung zuwendete. Zuerst führte ihn sein Weg von Amsterdam über Hannover, Braunschweig, Wolfenbüttel, Goslar, Magdeburg und Brandenburg nach Potsdam und Berlin, wo er wiederholt von dem Kurfürsten empfangen wurde und den hohen Herrn mit alchimistischen Auseinandersetzungen unterhielt. Sodann begab er sich über Wittenberg, Leipzig, Dresden und Prag nach Wien, besuchte von dort aus Buda-Pest und ging nach einem abermaligen Aufenthalte in der Kaiserstadt noch vor Ende 1687 nach Italien. Dort wurde er insbesondere von dem berühmten Bibliothekar Magliabecchi zu Florenz freundlich aufgenommen. In Rom wohnte er eine Zeitlang in dem mit werthvollen Büchern und Kunstwerken angefüllten Palaste des Cardinals Barberini (Clarorum Belg. Epist., p. 8, 21, 25; Chauffepié, Dict. IV, 464). Nicht erwiesen, aber allgemein geglaubt wurde, daß er in Italien von der reformirten zur katholischen Religion übergetreten sei (Burm. Traj. erud., p. 370; Fabric. Bibl. Fabric. III, 360; Bouman, a. a. O. I, 194). Sein Aufenthalt in Italien dauerte mehrere Jahre, war aber, wie seine „Insignia itinerarii Italici“ (Traj. 1696) beweisen, für die Wissenschaft nicht sehr ausgiebig. Auf der Rückfahrt kam er abermals nach Wien und hatte dort die Ehre, dem Kaiser Leopold vorgestellt zu werden (Vgl. Insignia, Epist. dedicat.); am Berliner Hofe aber war inzwischen die früher günstige Stimmung in ihr Gegentheil umgeschlagen (vgl. ebendaselbst). So kehrte er denn 1692 nach Holland zurück (Clar. Belg. Epist., p. 24) und begann, um die Mittel für seinen Unterhalt zu gewinnen, in Utrecht Privatvorlesungen zu halten; da er aber von den Curatoren der Akademie die dazu [426] erforderliche Erlaubniß nicht eingeholt hatte, so wurde er auf Einspruch der Professoren gezwungen, davon abzustehen. Bald gerieth er dann in die größte Armuth; eine langwierige Krankheit, die Schwindsucht, trat hinzu. Es war für ihn eine Erlösung, als 1696 der Tod seinem zerfahrenen und ruhelosen Leben ein Ende machte (Casp. Brum. Traj. erud., p. 370; Clar. Belg. Epist. 42, 43; Chauffepié, Dict. IV, 465; Bouman a. a. O. I. 194).
Jakob T. gehört zu den talentvollsten und gelehrtesten Philologen, die aus der Schule des ältern Gronovius hervorgegangen sind. Mit einer weitgehenden Belesenheit verband er in hohem Maße kritischen Scharfblick. Die lateinische Sprache handhabte er mit großer Gewandtheit. Seine Bearbeitung des Ausonius, die zum ersten Male 1669 erschien (nicht erst 1671, vgl. den Anfang der Vorrede an den Leser in der folgenden Ausgabe: „Sesquiannus est etc.“, und Chauffepié, Dict. IV, 461) und 1671 sowie 1680 wiederholt wurde, enthält neben einer Sammlung von Noten früherer Erklärer und neben Beiträgen von Gronovius und Grävius eine nicht geringe Anzahl von werthvollen eigenen Bemerkungen (Grävius bei Burm. Syll. epist. IV, 96: non pauca nec protrita ab ipso Tollio animadversa, vgl. auch bei Chauffepié a. a. O. das Urtheil der Mauriner). Zu bedauern ist nur, daß ihm, wie er es selbst in der Vorrede beklagt, für die Gestaltung des Textes ein handschriftlicher Apparat nicht zur Verfügung stand. Auch seine Ausgabe des Longinus (1694) ist eine verdienstliche Arbeit (vgl. Casp. Brum. Traj. erud. p. 371; Chauffepié, Dict. IV, 469, Anm. L; Fabricius-Harles, Bibl. Gr. VI, 83). Neben der Philologie betrieb T. mit Eifer Chemie und Alchimie und bemühte sich ernstlich den Stein der Weisen zu finden. Seine darauf bezüglichen Schriften, z. B. „Manuductio ad Coelum chemicum“ (1688) und „Sapientia insaniens sive Promissa chemica“ (1689), fanden den Beifall der gleiche Ziele verfolgenden Zeitgenossen, und auch bei der Nachwelt war er als ein „chymicus magni nominis“ wohl bekannt (vgl. Casp. Burm. Traj. erud., p. 370; Withof, Acta saecul. Ac. Duisb. p. 109; Chauffepié, Dict. IV, 463 f., Anm.). Bei seinen chemischen Studien war er nun auf den wunderlichen Einfall gekommen, daß die Mythen der Alten chemische und alchimistische Geheimnisse enthielten, und gab dieser Ansicht in verschiedenen Schriften Ausdruck, insbesondere in dem Werke, das 1687 zu Amsterdam unter dem Titel erschien: „Fortuita. In quibus, praeter critica nonnulla, tota fabularis historia Grāeca, Phoenicia, Aegyptiaca, ad chemiam pertinere asseritur“. Zur Charakteristik wird es genügen zu bemerken, daß für T. Herkules das ewige und unsterbliche Feuer bedeutet; in den beiden Schlangen, die der Heros als neugeborenes Kind erwürgte, erblickt er die beiden starken flüchtigen Geister, Acidum und Alkali, die auf diese Weise fixirt würden. Beachtung verdient, daß T. die verschiedene Geistesart der Völker auf die Beschaffenheit der Luft, in der sie lebten, zurückführt (z. B. in der Rede de fontibus eloquentiae, in den Fortuita, p. 345 f.). Durch diesen, wenn auch nur unklar und gleichsam tastend hingeworfenen Gedanken, wurde er ein Vorläufer derer, die lange Zeit nach ihm den Einfluß, den Klima, Bodenverhältnisse, Lebensweise u. s. w. auf die Entwicklung eines Volkes ausüben, wissenschaftlich beobachtet und nachgewiesen haben.
Es ist begreiflich, daß T. mit seiner alchimistischen Erklärung der antiken Mythen bei den holländischen Philologen wenig Glück hatte. Man zuckte über seine Neuerungen die Achseln (vgl. Burm. Syll. epist. IV, 494) und war auf ihn um so schlechter zu sprechen, je eifriger er seine Ansichten geltend zu machen bemüht war. Rechnet man dazu die persönliche Gereiztheit derer, die sich von ihm, wie Nic. Heinsius, persönlich verletzt fühlten und von seinem Charakter eine unvortheilhafte Meinung hatten, so erklärt es sich, daß auch seinen unzweifelhaft [427] guten wissenschaftlichen Leistungen die verdiente Anerkennung nicht überall zu theil wurde. Inwieweit Tollius’ eigene Behauptung (J. Fabricius, Bibl. Fabric. III, 360), er habe besonders unter dem Hasse und Neide seines ehemaligen Gönners Grävius zu leiden gehabt, begründet ist, dürfte kaum noch zu entscheiden sein. Angesichts der ungünstigen Urteile über Tollius’ Charakter, die Caspar Burman, der kleine Sohn des großen Pieter Burman, in seinem Trajectum eruditum (S. 368 ff.) mit einem gewissen Behagen und dabei ohne zureichende Prüfung seiner Quellen zusammengetragen hat, erfordert es die Gerechtigkeit, hervorzuheben, daß Männer wie Henninius, der in Duisburg zuerst Tollius’ College und dann sein Amtsnachfolger war, und vor allem der berühmte Bürgermeister von Amsterdam, Nicolaus Witsen, dem so vielfach angefeindeten Gelehrten bis zu seinem Tode ihre Achtung und Freundschaft erhalten haben (vgl. die Dedicatio und die Praefatio, die Henninius den von ihm herausgegebenen Reisebriefen seines Vorgängers vorangeschickt hat).
- Quellen: Petr. Burmannus, Sylloge epistolarum a viris illustr. scriptarum. II–IV, 4°. – J. Fabricius, Bibliotheca Fabriciana. 6 Bde. Wolfenb. 1717–1724, 4°. – Casp. Burmannus, Trajectum eruditum, Traj. ad Rh. 1738, 4°. – Clarorum Belgarum ad Magliabecchium Epistolae (Florent. 1745). – Jöcher’s Gel.-Lexicon, s. v. Tollius. – J. H. Withof, Acta sacrorum saecularium Acad. Duisburgensis (Duisb. 1756, 4°). – Jacques George de Chauffepié, Nouveau Dictionnaire historique et critique, T. IV (Amst., la Haye et Leyde 1756, Fol.), p. 460 ff. – Saxii Onomast. liter. V, 189 sq. – H. Bouman, Geschiedenis van de Geldersche Hoogeschool. 2 Bde. Utrecht 1844 u. 1847. – Luc. Müller. Gesch. d. klass. Philol. in den Niederlanden. Leipz. 1869. – van der Aa, Biogr. Woordenb. XVIII, 176. – Collectaneen des 1836 verstorb. Marburger Prof. Beckhaus im Kgl. Archiv zu Düsseldorf, auszugsw. mitgeth. v. d. Vorsteher d. Archivs. – Die nicht im Druck erschienene Vita Jacobi Tolli conscripta per Henr. Christ. Henninium befand sich in der berühmt. Handschriftensamml. von Dam v. Noordeloos, die 1873 zu Rotterdam versteigert wurde (vgl. die Zeitschrift „De Navorscher“, Jahrgang 1894, S. 396). Was seitdem aus ihr geworden, vermochte der Verfasser trotz der gütigen Beihülfe des Herrn Oberbibliothekars van Someren zu Utrecht, nicht zu erfahren. – Das Verzeichniß der von T. veröffentlichten Schriften bei Burm. Traj. erud., p. 370 ff., bedarf der Ergänzung. Vollständiger werden seine Werke aufgeführt bei Jöcher a. a. O., bei Chauffepié a. a. O. in den Anmerkungen, sowie bei Beughem, Bibliogr. II, 301–302.