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Artikel „Gräve, Johann Georg“ von Karl Felix Halm in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 9 (1879), S. 612–613, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Gr%C3%A4ve,_Johann_Georg&oldid=- (Version vom 25. November 2024, 02:17 Uhr UTC)
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Gräve (Graevius): Johann Georg G., einer der gelehrtesten Philologen und Historiker des 17. Jahrhunderts, geb. am 29. Januar 1632 zu Naumburg von angesehenen Eltern, gest. am 11. Januar 1703 zu Utrecht. G. erhielt seine Vorbildung auf der schon damals berühmten Schule zu Pforta, wo sein eiserner Fleiß allgemeines Aufsehen erregte. Im J. 1650 bezog er die Universität Leipzig, wo er, ohne die Gelegenheit zu seiner allgemeinen Ausbildung zu versäumen, dem Wunsche seines Vaters entsprechend, sich dem Studium der Jurisprudenz widmete. Ein Zufall führte ihn auf die Bahn zurück, zu der ihn seine innere Neigung hinzog. Sein Vater hatte bedeutende Gelder in Ostfriesland einzutreiben, zu welchem Behufe er, da er selbst vom Hause nicht abkommen konnte, seinen Sohn schickte. Als das Geschäft glücklich erledigt war, benutzte der junge G. die Gelegenheit zu einer Reise in die benachbarten Niederlande, auf der er bei einem Besuche des berühmten Joh. Friedr. Gronov in Deventer die starken Lücken seiner Bildung erkannte. Statt seine Reise fortzusetzen, verblieb er in Deventer und betrieb, die Jurisprudenz aufgebend, unter Gronov’s Leitung mit größtem Eifer philologische Studien. Diese setzte er zwei Jahre später in Amsterdam fort, wo er bei Alexander Morus und David Blondellus auch mit regstem Fleiße geschichtliche und theologische Vorlesungen hörte. Der Einfluß, den Blondell auf ihn ausübte, bestimmte ihn auch von der lutherischen zur reformirten Kirche überzutreten. Schon damals war der Ruf seiner Gelehrsamkeit so wohl begründet, daß er nach dem Tode Johann Schultings 1656 als Professor eloquentiae nach Duisburg berufen wurde. Hier vermählte er sich mit Johanna Ottilia von Kamp aus Düsseldorf, aus welcher glücklichen Ehe 18 Kinder entsprossen, von denen aber nur vier Töchter den Vater überlebten. Als zwei Jahre später Joh. Friedr. Gronov einem Rufe nach Leyden folgte, wurde auf dessen Empfehlung Graevius sein Nachfolger in Deventer. 1661 wurde er als Professor der Eloquenz nach Utrecht berufen, welche junge Universität durch den ausgebreiteten Ruf von G. Gelehrsamkeit und Lehrgabe einen großen Aufschwung genommen hat. Zahlreiche Fürstensöhne zählten zu seinen Schülern, zumal als er im J. 1667 auch noch mit dem Lehrstuhl der Geschichte und Politik betraut wurde. Eine besondere Auszeichnung erwies ihm Wilhelm III., der Erbstatthalter von Holland, indem er ihn zu seinem Historiographen ernannte und die Erziehung seines Vetters Joh. Wilhelm Friso anvertraute. G. machte sich auch an eine Geschichte seines großen Gönners, aber die Arbeit blieb unvollendet. Bei den großen Erfolgen, die er als Lehrer in Utrecht erzielte, darf es nicht Wunder nehmen, daß er mehrere glänzende Berufungen erhielt; er ist aber seiner neuen Heimat [613] treu geblieben. Selbst die Republik Venedig hatte sich bemüht, ihn nach dem Ableben des berühmten Antiquars Ottavio Ferrario für dessen verwaisten Lehrstuhl in Padua zu gewinnen. Kaum war der Name eines Gelehrten seiner Zeit in so weiten Kreisen bekannt als der seinige; mit den berühmtesten Zeitgenossen stand er in literarischem Verkehr, so daß man von ihm erzählt, daß fast der fünfte Theil seiner Einnahmen durch die Ausgaben für seine Correspondenz und für Büchersendungen aufgegangen sei. Die große Achtung, deren sich G. erfreute, verdankte er jedoch nicht allein seinem umfassenden Wissen, sondern auch seinen trefflichen Eigenschaften als Mensch, die Burman in seiner beredten Oratio funebris mit glänzenden Farben geschildert hat. Auch sein häusliches Leben war ein glückliches; mit seiner Frau verlebte er 46 Jahre in ungetrübter Eintracht; bei der großen Mäßigkeit, an die er sich gewöhnt hatte, war er niemals krank gewesen, bis er im 71. Lebensjahre einem Schlagfluß erlag. Dem glänzenden Ruf, in welchem G. als Lehrer und Gelehrter stand, entsprachen nicht ganz seine Leistungen als Schriftsteller. Seine literarische Thätigkeit war zwar eine ungemein ausgedehnte, aber sie ging doch mehr in die Breite als in die Tiefe. Von seinen selbständigen Werken ist das bedeutendste seine Bearbeitung von Cicero’s Briefen, Reden (1689 in 6 Bdn.) und einer Anzahl von philosophischen Schriften, durch die er sich für die Kritik und Erklärung des Cicero bedeutende Verdienste erworben hat; außerdem lieferte er Ausgaben des Hesiodus 1667 (dazu die Lectiones Hesiodeae 1701), von Lucian’s Pseudosophista, des Suetonius, Florus, des Catullus, Tibullus und Propertius, des Justinus, Julius Cäsar etc., sämmtlich cum notis variorum. In allen diesen Ausgaben erscheint die Kritik und Erklärung mehr oder minder gefördert, wenn auch keine als epochemachend gelten kann. Von seinen Sammelwerken ist das berühmteste der „Thesaurus antiquitatum Romanarum“ (Utrecht 1694–99. 12 Bde. Fol.), dem ein „Thesaurus antiquitatum et historiarum Italiae“ sich anschloß, den Peter Burman zum Druck befördert und vollendet hat. Eine andere Sammlung führt den Titel: „Syntagma variarum dissertationum rariorum“, Utrecht 1702. 4°. Außerdem gab G. eine große Anzahl von Schriften neuerer Gelehrten heraus, theils zum erstenmale, theils in neuen Ausgaben, wie z. B. die Briefe von I. Casaubonus, 1656. 4°., die lateinischen und griechischen Gedichte von P. Dan. Huet 1694, Schriften von Meursius, Rubenius, Fr. Junius u. A., die er sämmtlich mit Vorreden und reichhaltigen literarhistorischen Notizen ausgestattet hat. Eine Sammlung seiner Praefationes „in usum latinae eloquentiae studiosorum“ verdanken wir dem Polyhistor Joh. Alb. Fabricius (Hamburg 1707. 8°.). Seine Reden, „quas Ultrajecti habuit“, erschienen gesammelt zu Leyden 1717. Seine reichhaltige Bibliothek kam mit Ausnahme der Handschriften und der Editiones in usum Delphini in den Besitz der Heidelberger Universitätsbibliothek.

Petri Burmanni oratio funebris in Joh. Georg. Graevii obitum, Ultrajecti 1703. 4. (auch bei Fabricius a. a. O. abgedruckt p. 549 sq.) Ph. H. Külb in der Haller Encyklopädie.