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Artikel „Titl, Anton Emil“ von Rudolf Müller in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 38 (1894), S. 381–382, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Titl,_Anton_Emil&oldid=- (Version vom 24. November 2024, 02:33 Uhr UTC)
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Titl: Anton Emil T., Tonkünstler, geboren zu Pernstein in Mähren am 2. October 1809, als Sohn des auf der dortigen gräflich Mittrowsky’schen Residenz angestellten „Burggrafen“, † in Wien am 21. Januar 1882. Entsprechend der frühzeitigen Talentäußerung des Knaben für Musik, wurde väterlicherseits auch schon in den ersten Schuljahren der Musikunterricht mit den anderen Lehrgegenständen verbunden. Nach dem bald erfolgten Tode des Vaters vom Burgherrn zwar für das Lehrfach bestimmt und dem namhaften Schulmanne Thym in Frankstadt zur Fortbildung übergeben, bei welchem T. die Zeit vom 14. bis zum 17. Jahre verbrachte, oblag er doch vorwiegend der seiner Neigung meist zusagenden Musik. Hierauf nach Brünn in das Lehrerseminar befohlen, hielt er dennoch fest am eigenen Vorhaben. Anstatt der Präparandencurse besucht er die Musikschule von Gottfried Rieger, um Harmonielehre zu studiren, und überraschte diesen liebgewonnenen Lehrer auch bald mit einer zu „Torquato Tasso“ componirten, für Orchester eingerichteten Ouverture; des weiteren mit einer Symphonie. Beide Erstlingswerke gelangten in Brünn und in Wien zu beifälliger, günstige Zukunft verheißender Aufnahme. Der Olmützer Professor Boczek schrieb dann für ihn einen Operntext „Die Burgfrau“, und kam auch diese, mit dem Feuereifer eines für die Kunst begeisterten achtzehnjährigen Jünglings componirte Oper in Brünn wie in Olmütz zu ehrenvoller und vielmal wiederholter Aufführung. Noch bedeutenderen Erfolg erzielte er mit einer 1832 zur Inthronisation des Olmützer Fürstbischofs Chotek componirten Festmesse und einem achtstündigen Vocalchor. – Dieser nun schon seinen Namen umgebende Glanz blieb freilich vorerst noch ein bloß äußerlicher. Vom genannten Burgherrn wegen des Abwendens vom Lehrfache ohne fernere Beihilfe, entging dem idealen Streben die sichere materielle Unterlage, und hieß es „zu Brode“ arbeiten. Es geschah zunächst durch eine Reihe von – in Prag bei Enders verlegten – Lieder- und mehreren Claviercompositionen: Rondo in G, Polonaise in Es, Capriccio in A. Daran schlossen einige Männerquartette und ein sofort vielgesungenes „Gondellied“. – Wohl in Rückwirkung des hierdurch in Prag gewonnenen guten Rufs, erfolgte 1835 seine Anstellung als Capellmeister beim Infanterieregiment Graf Latour. Der Tonmeister Joseph Proksch (s. A. D. B. XXVI, 646) dictirte hierüber unter dem 30. October 1837: „Der Capellmeister Emil T. vom hier stationierten Regiment Latour wirkt gegenwärtig aufsehenerregend. Er spielt mit seiner Capelle allsonntäglich im Saale auf der Färberinsel (Sophieninsel) und führt über Strauß, Labitzky etc. hinaus, noch Beethoven, Mozart und Mendelssohn, anbei auch sich selber in bester Form auf. Alles ist wohleinstudirt und wirksam ausgeführt.“ – An anderer Stelle erwähnt derselbe eine „mit gutem Geschmack componirte Ouverture mit Zugrundelegung slavischer Volksmelodien“. Volksthümlich wurde T. insbesondere durch seine trefflichen Tänze und durch „Die nächtliche Heerschau“ nach der Ballade von Zedlitz. – Seiner Laufbahn mit dem lebhaftesten Interesse folgend, notirte Proksch wieder unter dem 5. Januar 1840: „Zu großem Bedauern für sein hiesiges Publicum wie für seine Freunde folgt Capellmeister Emil T. einem Rufe nach Wien als Orchesterdirector am Josephstädter Theater. So empfindlich der Verlust dieses strebsamen und geistreichen Componisten für hier, ist sein neuer Wirkungskreis doch gewiß ein seiner Leistungsfähigkeit entsprechenderer.“ So war es auch. Denn er gewann dort ein Feld zu reichlichster Bethätigung. Zwar oft bemüßigt, schwächlichen Possen durch „zugkräftige“ Musik das Leben zu retten, vollbrachte er es, wie z. B. mit dem Texte zum „Zauberschleier“, in [382] so genialer Weise, daß den ersten Aufführungen am 11. Februar 1842 die von hundert weiteren ununterbrochen nachfolgen, nach kurzer Unterbrechung ebenso viele im Zuge bleiben konnten. In Anerkennung seiner Tüchtigkeit erhielt auch T. 1850 den Ruf als Capellmeister des kaiserl. königl. Hofburgtheaters, an welchem er bis 1870 erfolgreich wirkte, und währenddem 51 Ouverturen zu Dramen und Tragödien, 32 melodramatische Zwischenspiele und 20 Eingangsmusiken und Aktschlüsse schrieb. Daneben entstand eine Anzahl von Märschen und Liedern. – Im J. 1870 erfolgte die Versetzung in den Ruhestand, nachfolgend aber doch noch der Auftrag für die prächtige Musik zur Grillparzer’schen Trilogie „das goldene Vließ“. Eine nachherige, handschriftliche, ausgewählte Zusammenstellung seiner Schauspielmusiken – Vor-, Nachspiele und Zwischenaktsmusik – erwarb die Dresdner Hofbühne. Eine Perle besonderen Werthes ist die Musik zu Hebbel’s „Rubin“, ebenso wie in dieser, dürfte auch in seinen Liedern ein nachhaltig gemüthserfrischender Born zu finden sein. T. befand sich nie in derart unabhängiger Stellung, um dem inneren Drange nach schaffen zu können, sondern stetig in einer Zwangslage: als Militärcapellmeister wie als Theaterorchesterdirector für den momentanen Bedarf arbeitend. So erklärt sich wohl auch sein, in einem Schreiben an Proksch enthaltener Ausruf: „Ach könnte ich doch wie ich wollte, um nicht der Zersplitterung erliegen zu müssen!“ Trotzdem zählt T. zu den musikalischen Leuchten Oesterreichs.

Von nahezu 300 Compositionen kamen etwa 100 durch den Stich in die Oeffentlichkeit. Vorwiegend waren es die Lieder, die erwähnte „Nächtliche Heerschau“ für Männerchor mit Orchesterbegleitung, und zahlreiche, für Clavier allein oder von Streichinstrumenten begleitete Stücke, welche den Namen Titl’s weithin bekannt machten und zu hoher Achtung brachten.

Gaßner, Univers.-Lexik. – Neues Univers.-Lexik. von Dr. J. Schladebach. – National-Encyklopädie von Gräffer u. Czikann. – Schilling, Das musikal. Europa. – Biograph. Lexik. d. Kaiserthums Oesterreich von Wurzbach. – Joseph Proksch. Biogr. Denkmal von Rud. Müller. – Eigene Aufzeichnungen.