ADB:Tettenborn, Karl Freiherr von

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Artikel „Tettenborn, Karl Freiherr von“ von Bernhard von Poten in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 37 (1894), S. 596–605, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Tettenborn,_Karl_Freiherr_von&oldid=- (Version vom 22. Dezember 2024, 04:51 Uhr UTC)
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Tettenborn: Friedrich Karl Freiherr v. T., ein Kriegsmann aus der Zeit des ersten Napoleon, war am 19. Februar 1778 in der Grafschaft Sponheim, wo sein Vater, welcher früher österreichischer Officier gewesen war, als markgräflich badischer Jägermeister lebte, geboren. Als später Kaiser Napoleon verlangte, daß alle in den an Frankreich abgetretenen Gebieten Geborenen nur ihm dienen sollten, behauptete T. auf dem in der Grafschaft Hohenstein im preußischen Regierungsbezirke Erfurt belegenen Stammgute seines Geschlechtes Tettenborn geboren zu sein, also nicht zu jenen in Frankreich Wehrpflichtigen zu gehören. Auf diese Weise ist es gekommen, daß sein Geburtsort vielfach unrichtig angegeben wird. Seine Mutter war eine Gräfin Arz aus Tirol. Als er sechs Jahre alt geworden, wurde sein Vater zum Oberjägermeister in Rastatt ernannt, wo ein guter Grund für des Sohnes wissenschaftliche Ausbildung gelegt ward. Aber schon in seinem dreizehnten Lebensjahre kam dieser als Page an den Hof des Kurfürsten von Mainz. Als dem dortigen glänzenden Leben bald darauf das Erscheinen der Franzosen unter General Custine ein Ende machte, kehrte der junge T. in das elterliche Haus nach Rastatt zurück. Der Vater, ein um die Wälder des badischen Landes hochverdienter Forstmann, wünschte, daß sein Sohn den nämlichen Beruf ergreifen möchte und sandte ihn nach Waltershausen, damit er unter Bechstein’s Leitung sich dazu vorbereite. Hier blieb er nicht lange. Noch im J. 1793 bezog er die Universität Göttingen, die er indessen, durch einen Jugendstreich genöthigt, sehr bald mit Jena vertauschte. [597] Von dort durch die Nachricht von seines Vaters schwerer Erkrankung nach Hause zurückgerufen, fand er diesen bereits todt. Da die Mutter schon einige Jahre früher gestorben war, brauchte er Niemand mehr zu fragen, was aus ihm werden solle. Er folgte daher dem bisher unterdrückten Wunsche seines Herzens, welcher auf den Soldatenstand gerichtet war, und trat im J. 1794 als Cadett bei dem österreichischen Chevaulegers-Regimente Graf Joseph Kinsky in Kriegsdienste. Damit beschritt er die Laufbahn, für welche die Natur ihn geschaffen hatte. Das Regiment stand unter Feldmarschall Graf Clerfait in Flandern im Felde; die Thätigkeit der diesem unterstellten Reiterei drehte sich im wesentlichen um Unternehmungen des kleinen Krieges. Sie bildeten für T., welcher noch im nämlichen Jahre Officier wurde, eine treffliche Schule. Die nächstfolgenden Jahre waren für das Regiment ebensoviel Kriegsjahre. An den Feldzug in den österreichischen Niederlanden schlossen sich der Winterfeldzug von 1794/95 unter Feldzeugmeister Baron Alvinczy in Holland, der Feldzug von 1795 unter Clerfait am Oberrheine, der vom Winter 1795/96 in der Pfalz, der Krieg von 1796/97 in Süd- und Mitteldeutschland. Im Januar 1798 bezog das Regiment die Friedensstation Brüx in Böhmen, aber schon im Mai rückte es zu neuen Kriegsvorbereitungen nach Oberösterreich, im Juni wurde es zum 12. leichten Dragonerregimente umgewandelt. Im Kriege vom Jahre 1799 stand es unter dem Oberbefehle von Erzherzog Karl. Hier wird auch T. rühmend erwähnt. Zuerst im Gefechte bei Frauenfeld am 24. Mai, wo er mit einer abgesessenen halben Escadron Antheil an der Besitznahme eines vom Feinde mit Infanterie besetzten Waldes hat; zwei Tage später bei Winterthur, wo er sechs vor der Stadt aufgefahrene französische Geschütze nimmt, im Handgemenge sein Pferd verliert und durch einen Kameraden, den nachmaligen General v. Mayer, zu jener Zeit Rittmeister, vor der Gefangenschaft bewahrt wird; schließlich bei der Eroberung von Mannheim am 18. September, wo er, nachdem er am Neckarauer Walde geholfen hatte, das französische Fußvolk niederzumachen, einer der Ersten ist, welche durch die aufgehauenen Thore in die Stadt dringen und in den Straßen Gefangene machen, während der Feind über die Rheinbrücke abzieht. In der Relation über die Einnahme der Stadt wird sein Name mit Auszeichnung genannt. Als darauf Feldzeugmeister Baron Kray den Oberbefehl übernommen hatte und die Oesterreicher im Frühjahre 1800 den Rückzug antraten, that T. sich bei den Nachhutgefechten mehrfach hervor; überall erwies er sich als muthig und geschickt. Bei Biberach hielt er sich am 9. Mai lange gegen einen überlegenen Feind, und daß er dabei seine Person nicht schonte, wird durch den Umstand bewiesen, daß ihm binnen zwei Stunden drei Pferde unter dem Leibe erschossen wurden; bei Riedeschingen und bei Engen war er von neuem unter denen genannt, welche sich besonders ausgezeichnet hatten. Nach dem am 27. Juni bei Neuburg gelieferten Treffen entledigte er sich mit Erfolg eines ihm vom General Graf Gyulai ertheilten Auftrages, beim Rückzuge gegen Landshut die Flanke zu decken, sowie die Isarbrücke zu zerstören, dann behauptete er sich, den Feind über seine Schwäche täuschend, neun Tage lang bei Freising. Bei München schwamm er durch diesen Fluß, griff mit fünf Reitern die Bedeckung der Packpferde des Generals Lecourbe an, nahm letztere und kam mit seiner Beute glücklich auf das andere Ufer zurück. Auch bei Hohenlinden, am 3. December, wo die österreichischen leichten Truppen in zahlreichen kleinen Kämpfen die Oberhand behielten, erwies er sich als thätig und umsichtig, dann befand er sich bei der Nachhut, welche fechtend den Rückzug des linken Flügels deckte. Sein Benehmen trug ihm die Achtung seiner Kameraden und das Wohlwollen seiner Vorgesetzten ein. Als Rittmeister und Escadronscommandant kam er aus dem Felde nach Böhmen zurück, wo Saaz [598] die Stabsstation seines 1802 wiederum in ein Chevaulegers-Regiment umsgewandelten Regiments war. Der lebenslustige T. beschränkte sich aber nicht auf das Bereich der Standorte des Letzteren, er besuchte Prag, Wien, Dresden, und im J. 1804 wurde er mit einer Sendung nach Berlin zum dortigen österreichischen Gesandten Graf Metternich, dem späteren Staatskanzler, beauftragt. An seinen dortigen Aufenthalt knüpft sich die Erzählung eines Vorfalles, deren Verbreitung, wenn die Thatsache auch nicht verbürgt werden kann, für Tettenborn’s Eigenart bezeichnend ist. Letzterer soll nämlich die Gelegenheit benützt haben, eine in Preußen ihm zugefallene Erbschaft, wie es heißt im Betrage von 20 000 Thalern, in Empfang zu nehmen und auf das Verlangen der preußischen Behörde, bei seinem Fortgehen von diesem Gelde das gesetzliche Abzugsgeld zu bezahlen, erwidert und nachgewiesen haben, daß er von der Erbschaft nichts mitnehme; ein glänzendes Auftreten, Spiel, Weiber und eine ungemessene Freigebigkeit hätten sie verzehrt. T. erneute damals eine kurz vorher in Böhmen gemachte Bekanntschaft mit dem Prinzen Louis Ferdinand von Preußen. Sie waren verwandte Naturen und ihr Verkehr ein sehr reger.

Hohen Ruhm brachte T. seine Theilnahme am Feldzuge des Jahres 1805. Als der Erzherzog Ferdinand d’Este, das Schicksal der in Ulm eingeschlossenen Truppen des Feldmarschalllieutenants Freiherrn v. Mack voraussehend, den Entschluß faßte, sich mit dem, was er an Reiterei zusammenraffen konnte, nach Böhmen durchzuschlagen, vertraute er T. die Führung seiner aus zwei Schwadronen von dessen, jetzt Klenau-Chevaulegers geheißenen, Regimente und aus zwei Zügen Rosenberg-Chevaulegers bestehenden Vorhut an. In der Nacht zum 15. October wurde gegen Geislingen aufgebrochen. Vorsichtig und geschickt führte T. seine Reiter am ersten Tage über Gmünd und Aalen hinaus und legte dadurch den Grund zu der Zuversicht, daß das Unternehmen glücken werde. Am 17. war man bis in die Gegend von Wallerstein gekommen. Auf den dortigen Höhen angelangt, sah T. Feinde ringsum. Jede Abtheilung war stärker als die seinige. Kühn und entschlossen griff er an und hinderte ihre Vereinigung, unaufgehalten konnten die Oesterreicher ihren Marsch fortsetzen und Böhmen wurde glücklich erreicht. T. hatte sich die volle Zufriedenheit des Erzherzogs und des unter diesem befehligenden Fürsten Karl Schwarzenberg erworben. Jetzt ward ihm ein neuer Auftrag zu theil. Er hatte die von Waldmünchen nach Böhmen hinein führende Straße zu decken, und auch dieser Aufgabe entledigte er sich mit Erfolg, indem er sich in der Oberpfalz, dem Feinde hier geschickt ausweichend, ihn dort unverzagt angreifend, behauptete, bis General Baraguay d’Hilliers, mit 8000 Mann heranrückend, ihn im November zum Rückzuge nach Böhmen nöthigte. Hier ließ er die Sturmglocken läuten, rief zwischen Klentsch und Pilsen das Landvolk zu den Waffen, ergriff selbst die Offensive und veranlaßte den Feind schließlich, Böhmen wieder zu räumen. Seinen Leistungen ward ein glänzender Lohn. Die Officiere, welche unter seinen Befehlen gestanden hatten, beantragten für ihn die Verleihung des Militär-Maria-Theresienordens, des köstlichsten Kleinodes kriegerischer Ehren, über welche Oesterreich verfügt, und im April 1806 sprach ihm das Capitel denselben zu. Das Zeugniß, welches Schwarzenberg ihm bei dieser Gelegenheit ausstellte, besagt, daß Tettenborn’s bekannte Fähigkeiten und erprobte Bravour Veranlassung gewesen seien, ihm die Avantgarde anzuvertrauen. Er vereinige Thätigkeit, Klugheit, Echtheit der Rapporte, Entschlossenheit und Muth in so hohem Grade, daß Fürst Schwarzenberg in ihm einen der ausgezeichnetsten Officiere der Armee erkenne, und wenn der Rückzug des Erzherzogs einer Aufmerksamkeit gewürdigt werde, so gebühre T. ein großer Theil des Erfolges. Letzterer bezog nun mit seinem Regimente Friedensstationen in Pardubitz; das lustige Leben in Prag [599] und Wien und auf den Landsitzen der böhmischen Großen begann von neuem. – Es erreichte sein Ende, als er auf den Antrag des Fürsten Karl Schwarzenberg diesem, der gegen Ende des Jahres 1808 als Botschafter an den russischen Hof nach St. Petersburg ging, als erster Adjutant und Botschaftscavalier beigegeben wurde. Vor seiner Abreise wurde ihm die Kämmererwürde verliehen. Die diplomatische Laufbahn, welche er jetzt betrat, gab ihm gleich zu Anfang Gelegenheit Takt, Feinheit des Benehmens, Gewandtheit im Verkehr und Beobachtungsgabe, Eigenschaften, die er in hohem Grade besaß, in schwieriger Stellung zu bekunden. Er leistete seinem Chef hervorragende Dienste und erwarb dessen volle Zufriedenheit. Der Krieg vom Jahre 1809 führte ihn nach Deutschland zurück. Schwarzenberg entsandte ihn als Courier zum Erzherzog Karl, welchen er in Begriff fand, die Schlacht bei Wagram zu schlagen. An letzterer betheiligte er sich in den Reihen seines Regiments, bewies durch Besetzung des vom Feinde verlassenen wichtigen Dorfes Aderklaa von neuem Einsicht und Entschlossenheit, focht tapfer gegen die feindlichen Cürassiere und wurde vom Oberbefehlshaber Erzherzog Karl auf der Wahlstatt zum Major bei Radetzky-Husaren ernannt. Der Schlachtbericht nennt seinen Namen mit Auszeichnung; die Verleihung des neu gestifteten Leopoldordens erkannte das Verdienst an, welches er sich in der Schlacht und auf dem bis Znaym fortgesetzten Rückzuge bei dessen Deckung erworben hatte. Nach abgeschlossenem Waffenstillstande wurde er bei den Friedensunterhandlungen mehrmals zu Sendungen benutzt, welche ihn in persönliche Berührung mit Napoleon, Berthier, Murat u. s. w. brachten.

Als der Friede geschlossen war, wurde Fürst Karl Schwarzenberg als Botschafter nach Paris entsendet. T. begleitete ihn in gleicher Eigenschaft wie früher und verstand trotz der Schwierigkeit der dort seiner wartenden Verhältnisse sich durch festes Auftreten, verbunden mit großer äußerlicher Artigkeit und höchster Feinheit der Umgangsformen, eine hervorragende und hochgeachtete Stellung zu bereiten. Sogar Napoleon, auf welchen Tettenborn’s Selbständigkeit und die Schlagfertigkeit seiner Rede Eindruck machten, gestand ihm bei aller Abneigung, die er gegen dessen Person empfand, eine solche zu. Als dieser, der am Hofe eingeführten Kleiderordnung gehorchend, bei einem großen Feste im Frack mit Kniehosen und Schnallenschuhen, aber auch mit seinem Husarenschnurrbarte erscheint, sagte ihm der Kaiser: „Ein Schnurrbart ist doch recht lächerlich bei einem solchen Rocke.“ Darauf versetzte T.: „Vielmehr ein solcher Rock bei einem Schnurrbarte“ und Napoleon schwieg. Als Letzterer aber nach der großen Feuersbrunst, welche in der Nacht vom 1./2. Juli 1810 gelegentlich eines vom Fürsten Schwarzenberg aus Anlaß der Vermählung des Kaisers mit der Erzherzogin Marie Louise gegebenen Festes die Räume der österreichischen Botschaft heimsuchte, die Mitglieder der Letzteren durch Ordensverleihungen auszeichnete, erhielt auch T. die Ehrenlegion. Ein Jahr darauf machte er in vier Tagen und zehn Stunden eine Aufsehen erregende Courierreise von Paris nach Wien, um hier die Geburt des Königs von Rom zu melden. Er ritt bis Straßburg, bediente sich dann eines Wagens und überholte weit den vor ihm abgesandten Boten Napoleon’s (Didaskalia 1856, Nr. 5).

Als aber der Krieg gegen Rußland bevorstand, litt es ihn nicht mehr im diplomatischen Dienste und in Paris. Er wollte am Kampfe theilnehmen. Doch nicht auf Seiten Frankreichs, und, obgleich sein Gönner Schwarzenberg den Oberbefehl des für letzteres fechtenden österreichischen Hilfscorps erhielt, erbat er seinen Abschied und trat in russische Dienste. Er wurde zum Oberstlieutenant ernannt und dem Wintzingerodeschen Heerestheile überwiesen, dessen Commando nach Wintzingerode’s am 22. October 1812 erfolgter Gefangennehmung General [600] Kutusow, ein Neffe des gleichnamigen Feldmarschalls, erhielt. Jener Kutusow war ein Stockrusse und den Fremden wenig wohlgesinnt. Tettenborn’s Eigenart, seine soldatische Tüchtigkeit und seine Tapferkeit flößten ihm aber Achtung ein und erwarben ihm rasch die volle Anerkennung seines Vorgesetzten. Bei der Verfolgung der Franzosen auf ihrem Rückzuge von Moskau war letzterem ein nördlich neben der von der Hauptarmee eingeschlagenen Straße hinführender Weg angewiesen. T. befehligte die aus zwei Kosakenregimentern und zwei Schwadronen bestehende Vorhut. Es war ein Auftrag ganz in seinem Sinne, und mit großem Nachdrucke nahm er sich der Ausführung an. Daß die Wirksamkeit, welche er dabei entfaltete, nicht so bedeutend war und auf den Gang der Ereignisse nicht einen so maßgebenden Einfluß äußern konnte, wie sein ruhmrediger Biograph Varnhagen für ihn in Anspruch nimmt, liegt in der Natur der Verhältnisse, und ernsthafte Geschichtschreiber, wie Bogdanowitsch, erwähnen Tettenborn’s jedenfalls nur untergeordnete Thätigkeit kaum. Namentlich erkennen sie das ihm zugesprochene Verdienst, Wilna genommen zu haben, nicht an. Daß aber T. voll und ganz seine Schuldigkeit und mehr als seine Schuldigkeit gethan hat, kann als unbestrittene Thatsache gelten. Unablässig trieb er jenseits Wilna die Trümmer des französischen Heeres vor sich her und erst in Königsberg machte er im Januar 1813 einen kurzen Halt. Eine reiche Beute an Kriegsgeräth und Gefangenen kennzeichnete seine Erfolge. Ein ihm zugestoßenes Fußübel, eine Folge des Winterfeldzuges, und die Unentschiedenheit der Heeresleitung über die der Verfolgung zu verstattende Ausdehnung hielten ihn in Königsberg einige Tage fest, dann ging es weiter. Als Führer der Vorhut Tschernyschew’s überschritt er am 16. Februar bei Zellin die Oder, umging die bei Werneuchen aufgestellten französischen Truppen und versuchte am 20. durch einen Handstreich sich der Stadt Berlin zu bemächtigen. Er kam bis auf den Alexanderplatz, einzelne Kosaken noch weiter, die Macht, welche dem ihm gegenüberstehenden Marschall Augereau zur Verfügung stand, war indessen zu stark, als daß er die Stadt hätte in dauernden Besitz nehmen können. Er mußte nach drei Stunden abziehen, sein Erscheinen hatte jedoch einen für die russischen Waffen sehr günstigen Eindruck hervorgerufen. Marwitz (Aus dem Nachlasse u. s. w., I, Berlin 1852) meint freilich, T. sei von der Eitelkeit besessen gewesen, Berlin zu erobern, und habe darüber aussichtsreichere Unternehmungen versäumt, er nennt jenen bei dieser Gelegenheit einen tapferen Windbeutel. Kaiser Alexander aber verlieh ihm unter schmeichelhaften Worten den Wladimirorden 2. Classe, und am 5. März rückte T. zum zweiten Male in das von den Franzosen geräumte Berlin ein. Lange hielt es hier den Rastlosen nicht. Der Russen Blicke hatten sich schon früh auf Hamburg gerichtet, dessen Besitznahme aus verschiedenen Gründen erwünscht war, und T. ward ausersehen, den Gedanken auszuführen. Mit Freuden unterzog er sich der Aufgabe. An der Spitze von drei Kasakenregimentern unter Denisow, Grabzow, Kommissarow, zwei Schwadronen Isum’scher Husaren unter Oberstlieutenant Gunderstrup, einem Commando Kasan’scher Dragoner und zwei reitenden Geschützen brach er am 12. März auf, das Gerücht übertrieb die Größe seiner Streitkräfte, und ein Schrecken, der ein Hoffen für die geknechteten deutschen Völker bedeutete, zog vor ihm her. Am 14. war er in Ludwigslust. Sein zugleich rücksichtsvolles und entschlossenes Auftreten bestimmte den Herzog von Mecklenburg-Schwerin, dem Bündnisse mit Frankreich zu entsagen. Er war der erste von den Rheinbundsfürsten, welcher wagte, diesen Schritt zu thun. Beim Weitermarsche drohte dem ganzen Unternehmen ein Fehlschlag. Der französische General Morand, auf dem Abzuge von Pommern nach der Elbe begriffen, verlegte den Weg, Tettenborn’s kühner Angriff aber bestimmte ihn, denselben frei [601] zu geben und bei Zollenspieker auf das linke Flußufer überzugehen, am 17. traf T. in Bergedorf ein. Hamburg jubelte ihm entgegen; er erklärte indessen den Abgeordneten der Stadt, daß er letztere nicht als eine eroberte betrachten wolle, sie aber als Freund nicht eher betreten würde, als bis die alte Regierung hergestellt wäre; nachdem dies geschehen war, hielt er am 18. seinen feierlichen Einzug (Illustrirte Zeitung, Leipzig, 21. März 1863, Nr. 1029). Damit war Hamburgs Selbständigkeit im voraus gesichert. T. gab sofort Handel und Schifffahrt frei, überlieferte den städtischen Behörden die gefüllten Zollspeicher, in denen für 400 000 Thaler beschlagnahmte Waaren lagerten und ordnete die Aufstellung eines Feldcorps, der „Hanseatischen Legion“, sowie einer Bürgergarde an. Daneben betrieb er die Errichtung von Truppen in den benachbarten Ländern, soweit letztere von den Franzosen verlassen waren. Am 30. März brachte ihm ein Courier das Generalspatent, worüber Clausewitz seine Freude äußerte, weil T. nun mehr wirken könne; Oberst war dieser schon um die Jahreswende 1812/1813 geworden. Die Haltung der Hamburger Behörden, welche, nachdem der erste Freudentaumel verrauscht war, sich den ihr zugefallenen Pflichten durchaus nicht gewachsen zeigten, hemmte sein Wirken, und nur gering war die Unterstützung, welche er für dieses von anderen Seiten erhielt. In der zweiten Hälfte des April wurde er Wallmoden unterstellt, welcher mit dem Oberbefehle an der Niederelbe beauftragt war; Tettenborn’s hauptsächlicher Gehilfe war der Major Ernst von Pfuel, ein alter Freund und Kamerad aus Oesterreich und Rußland. Inzwischen hatten die Franzosen sich wieder ermannt und gingen angriffsweise gegen die Stadt vor. Der Monat Mai verstrich unter fortwährenden Kämpfen, in denen Tettenborn’s freilich durch mancherlei Zuwachs, aber in ungenügender Güte und in unzureichender Menge, verstärkte Truppen von der Uebermacht Vandamme’s bald auf das rechte Elbufer zurückgedrängt wurden. Umsonst waren seine Bemühungen, Hülfe und Unterstützung zu erlangen, die eigene Heeresleitung konnte solche nicht gewähren, die Hoffnungen auf Dänemarks Einschreiten und auf thatkräftigen Beistand der Schweden erwiesen sich als trügerisch, es fehlte an Schießbedarf, und so mußte T. sich entschließen, am 30. Mai die zehn Wochen früher mit so stolzen Erwartungen betretene Stadt dem Feinde von neuem auszuantworten. Unbehelligt erlangte er in Lauenburg den Anschluß an Wallmoden’s Heerestheil. Aus der Aufgabe Hamburgs ist T. hin und wieder ein Vorwurf gemacht worden, es liegt dazu kein Grund vor, er konnte füglich nicht anders handeln. Kaiser Alexander erkannte sein Verdienst durch Uebersendung des Annenordens 1. Classe an, welche er mit ermunternden Worten begleitete. Deren hätte es nicht bedurft, denn schon plante T. neue Unternehmungen, die auf dem einen weiten Spielraum bietenden linken Elbufer ausgeführt werden sollten, als unerwartet die Kunde vom Abschlusse des Waffenstillstandes eintraf. Hätte man ein solches Ereigniß vermuthen können, so wäre Hamburg vielleicht zu retten gewesen.

Während der Zeit, in welcher die Feindseligkeiten ruhten, hatte T. sein Hauptquartier in Boitzenburg. Als sie von neuem begannen, befehligte er etwa 3000 Mann Fußvolk, 1500 Kasaken, 400 Lützowische Cavalleristen und einige Geschütze, mit denen er die Strecke zwischen Mölln und Lauenburg, den linken Flügelabschnitt von Wallmoden’s Vorpostenstellung, besetzt hielt. Schon am 17. August ward er in derselben angegriffen und zum Rückzuge genöthigt, welchen Wallmoden’s gesammte Streitkräfte antreten mußten; er geschah Schritt für Schritt, unter fortwährenden Gefechten, bis die Vorgänge auf den übrigen Theilen des nördlichen Kriegsschauplatzes, namentlich die Schlachten bei Großbeeren und bei Dennewitz, das Vorrücken des feindlichen Oberbefehlshabers, Marschall Davout, zum Stillstande brachten. T. und seine Kasaken bewährten [602] sich in dieser Zeit vortrefflich im Aufklärungs- und Verschleierungsdienste, ihm selbst aber wie Wallmoden ward diese Art der Kriegführung bald lästig, sie suchten nach der Gelegenheit, einen größeren Schlag auszuführen und fanden eine solche bei einem kühnen Zuge auf das linke Elbufer. Nur so viele Truppen, als nöthig waren, um Davout über die Abwesenheit der Hauptmacht zu täuschen, blieben diesem gegenüber, der Rest ging am 14. September bei Dömitz über die Elbe, um den General Pecheux, der von Hamburg aus mit 7000 Mann gegen Magdeburg entsandt war, aufzulauern und ihn zu überfallen. Es führte dies zu dem am 16. gelieferten Treffen bei der Göhrde, an dessen glücklichem Ausgange T. einen wesentlichen Antheil hatte. Wallmoden ging dann schleunigst auf das rechte Elbufer zurück, T. blieb auf dem linken, wo er seine Unternehmungen gegen die Verbindungen des Feindes richtete, bis ihn Anfang October Wallmoden zum Zwecke eines allgemeinen Vorgehens gegen Davout zu sich berief. Die Stärke der Stellung, welche dieser an der Stecknitz inne hatte, machte jedoch auf die Ausführung des Planes verzichten, und T. erbat und erhielt nun die Erlaubniß zu einem Zuge nach Bremen. Es war ein schwieriges Unternehmen. Die Entfernung von Boitzenburg, von wo das Unternehmen ausging, bis Bremen beträgt 24 Meilen, die Wege waren schlecht, sie führten durch ein ödes Land, welches geringe Hülfsmittel für die Verpflegung bot, zwischen Bremen und Hamburg auf ein Dritttheil der Strecke von ersterem Orte aus, lag die befestigte und stark besetzte Stadt Rotenburg, von wo aus Tettenborn’s Marsch ebenso leicht gefährdet werden konnte, wie von dem südlich gelegenen Nienburg und Minden her, Bremen war mit Wällen und Gräben versehen, zu deren Vertheidigung eine tüchtige Garnison bereit war. Dagegen konnte überall auf die Unterstützung der Bevölkerung gerechnet werden. Mit 800 Kasaken, 400 Reicheschen und Lützower Jägern, die zum Theil gefahren wurden, und vier hanseatischen Geschützen brach T. am 10. October auf, am 13. stand er in der Morgenfrühe vor seinem Ziele. Pfuel war gegen Rotenburg entsandt, um die Besatzung in Schach zu halten und die Verbindung mit Hamburg zu unterbrechen, Denisow’s Kasaken schwammen durch die Weser, um Bremen auf dem linken Flußufer abzuschließen. Aber trotz der Wachsamkeit der russischen Reiter hatte ein Bote, welchen der Maire eines am Wege gelegenen Ortes, dem französischen Machtgebote gehorchend, nach Bremen gesandt hatte, die Kunde des Nahens von Kasaken dahin gebracht, sodaß die Hoffnung, überraschend in die Stadt eindringen zu können, vereitelt war. Der Commandant Thuillier hatte eilends die Vorstadt und das Dorf Hastedt mit schweizerischer Infanterie besetzt. Ein kecker Angriff brachte diese zum Weichen, sie wurde bis an das Thor verfolgt, wo die Befestigungsanlagen dem weiteren Vorgehen Halt geboten. Nun wurden Granaten in die Stadt geworfen und damit am folgenden Tage, dem 14., fortgefahren um einen Druck auf die Einwohner auszuüben. Die Wirkung blieb aus, dagegen kam Pfuel, durch Ueberschwemmungen verhindert seinen Auftrag zu erfüllen, von Rotenburg zurück, wodurch die von dort drohende Gefahr gewachsen, aber auch eine Vermehrung der Truppen herbeigeführt war, und T. traf nun Anstalten zum Sturme. Vorher aber wurde die Stadt zur Uebergabe aufgefordert. Wider Erwarten ließ sich die Besatzung auf Unterhandlungen ein. Die Gründe waren, daß am Morgen jenes Tages der brave Thuillier durch eine russische Kugel seinen Tod gefunden hatte, daß die Schweizer wenig Lust zum Fechten zeigten, und daß die Stimmung der Einwohner für die Franzosen bedenklich wurde. Trotzdem zogen die Verhandlungen sich bis zum Morgen des 15. hin. Erst dann kam die Capitulation zu Stande, kraft deren die Besatzung mit Zurücklassung ihrer Kriegsbedürfnisse u. s. w. abzog. 14 Geschütze, zwei ungeheuere Bombenkessel, bestimmt von Hamburg aus Harburg zu bewerfen, 200 Cavalleriepferde, [603] eine Kriegskasse mit 300 000 Francs, große Vorräthe gingen in das Eigenthum der Sieger über. Auf dem Schlachtfelde von Leipzig nahm Kaiser Alexander die Schlüssel der Stadt in Empfang. Als die Franzosen die geringe Menge ihrer Gegner erkannten, machten sie Miene, die Capitulation nicht halten zu wollen, sodaß T. drohen mußte, sie durch die rasch mit Kartätschen geladenen Geschütze niederschießen zu lassen, die französischen Behörden in der Stadt aber erbaten seinen Schutz gegen das Volk, um sich vor dessen Gewaltthaten zu sichern. In Bremen eine kleine Besatzung zurücklassend, ging T. nach Verden, sandte seine Infanterie und Artillerie zu Wallmoden zurück und behielt nur die Kasaken bei sich, sodaß er auf dem ihre Verwendung in hohem Grade begünstigenden gegenwärtigen Schauplatze seiner Thaten um so beweglicher war. Die Besatzungen von Rotenburg und von Nienburg gingen zurück, als sie sich einer vollendeten Thatsache gegenüber sahen; nach Bremen gelangten noch einmal von Osnabrück aus französische Truppen, räumten die Stadt aber auf die Nachricht von der Schlacht bei Leipzig, und am 4. November verlegte T. sein Hauptquartier wieder dorthin. Der am 18. daselbst eintreffende Bernadotte stellte ihn nun unter seine eigenen unmittelbaren Befehle und entsandte ihn mit seinen Kasaken von neuem auf den Kriegsschauplatz rechts der Elbe, welcher nunmehr in die Herzogthümer verlegt wurde, wo den Verbündeten als Gegner Dänen gegenüberstanden. Am 4. December von Trittau an der Bille aufbrechend, durchstreifte T. zunächst an der Spitze seiner Reiterscharen das westliche Holstein, nur selten ernsterem Widerstande begegnend, aber den Feind stets in Athem und in Besorgniß erhaltend und reiche Beute an dänischem Heereseigenthume einheimsend. Am 9. überschritt er bei Friedrichsstadt die Eider. Am 15. machte der Abschluß eines Waffenstillstandes seinem weiteren Ausgreifen in der Nähe von Schleswig ein vorläufiges Ende, am 6. Januar 1814 aber ward er von neuem in der Richtung auf Kolding vorgeschickt, und schon am 8. lieferte er bei Wonfild ein Vorpostengefecht. Es war sein letztes auf diesem Kriegsschauplatze. Am 14. wurde zu Kiel Friede geschlossen und am 24. Januar trat T. von Heide in Norderdithmarschen den Marsch nach dem Rheine an, um die letzten Lorbeeren auf französischem Boden zu ernten.

Am 11. Februar war der Strom erreicht. In Köln ertheilte Bernadotte T. den Auftrag, nach Frankreich vorauszueilen, um zwischen den unter Bülow und Wintzingerode dort schon befindlichen Theilen der ehemaligen Nordarmee und Blücher’s Heere die Verbindung zu halten, in Front und Flanke aufzuklären. Am 25. traf T. bei Wintzingerode in Reims ein, am 26. marschirte er in Verfolg des von Bernadotte ihm ertheilten Auftrages ab, und schon in den nächsten Tagen stellte er fest, daß Napoleon von Schwarzenberg an der Aube abgelassen und sich gegen Blücher an der Marne gewendet habe. Er entschied sich nun dafür, Napoleon’s Marsch seitlich zu begleiten; am 3. März fingen seine Kasaken bei Montmirail einen Courier mit wichtigen Briefschaften ab, am 5. bewiesen sie bei Reims durch einen gelungenen Angriff auf ein französisches Reiterregiment, daß sie auch den Kampf mit der blanken Waffe gegen französische Gardetruppen nicht scheuten. Der Gang der Ereignisse führte dahin, daß T. sich bald im Rücken des französischen Heeres befand, unermüdet setzte er hier seine durch die wachsende Betheiligung der Bevölkerung am Kriege immer mehr erschwerte Thätigkeit fort; die Ergebnisse der von seinen Streifparteien gesammelten Nachrichten gingen durch die Vermittelung von Zwischengliedern an alle befreundeten Hauptquartiere. Die nächste hochwichtige Meldung, welche er machen konnte, war die an Schwarzenberg erstattete, daß Mitte März Napoleon sich von neuem gegen diesen gewendet habe. Es war der Marsch, der von Laon nach Arcis-sur-Aube führte. Als die Schlacht bei letzterem Orte geschlagen war, [604] kam es darauf an, zu erfahren, wohin Napoleon sich weiter wenden würde. Tettenborn’s Bemühungen, darüber Gewißheit zu schaffen, waren von Erfolg begleitet. Ein Courier, welchen Lieutenant Redlich von der ihm unterstellten hanseatischen Cavallerie abfing und dessen Briefschaften dieser am 22. März Abends in Châlons an T. ablieferte, brachte Gewißheit durch einen Brief des Kaisers an Marie Louise. Es stand fest, daß Napoleon sich auf dem Wege nach dem Rheine befand. Ungehindert rückten nun Blücher und Schwarzenberg auf Paris, während Wintzingerode und unter ihm T. hinter Napoleon herzogen, um diesen in seinem Wahne zu erhalten, das Hauptheer der Verbündeten werde ihm folgen und das Wagniß, unbekümmert um die französische Marschrichtung, im Vorrücken auf Paris zu bleiben, nicht unternehmen. T. führte Wintzingerode’s Vorhut, aus drei Kasaken-, einem Husarenregimente und acht Geschützen bestehend. Bei Erfüllung dieser Aufgabe ward er wiederum der Erste, welcher klar erkannte, daß Napoleon seines Irrthumes inne geworden und umgekehrt sei; in den Reiterkämpfen, welche Wintzingerode mit der ihm jetzt entgegenkommenden französischen Cavallerie zu bestehen hatte, erwarb T. durch einen am 26. bei Saint-Dizier ausgeführten geschickten und beherzten Angriff Napoleon’s auf der Reise nach Elba ausgesprochene Anerkennung. Als der Waffenstillstand abgeschlossen war, ging er nach Paris, um nun auch die Früchte seiner Mühen und Entbehrungen zu genießen. Denn Genießen spielte eine große Rolle bei ihm. „Leben und Leben lassen“ war sein Wahrspruch. Dies bestätigt E. M. Arndt, der ihn in seinen „Wanderungen und Wandelungen mit dem Reichsfreiherrn v. Stein“, einen schönen, tapferen Reitersmann, eine leichte, lustige Husarennatur nennt, gleich leicht im Nehmen und im Geben. Im Rathskeller zu Bremen hatte T. sich aus dem Judas Ischarioth ein hübsches Fäßchen voll Rheinwein schöpfen lassen. Das verwendete er, um im Herbst 1814 zu Frankfurt am Main eine große Soldatentafel zu veranstalten, bei welcher man das köstliche Naß trank, und zu welcher er Stein und Arndt geladen hatte. In Frankfurt machte er auch die Bekanntschaft seiner Gemahlin (gestorben am 11. September 1876 zu Kloster Neuburg bei Heidelberg), der damaligen Gattin eines Banquiers. Man sagte, sie habe den Kaiser Alexander verschmäht, aber T. konnte sie nicht widerstehen. Sie ließ sich scheiden, und bald darauf führte T. sie als seine Ehegenossin heim.

Auf dem Wiener Congreß, auf dem fast alles sich zusammenfand, was in Europa eine politische oder militärische Bedeutung hatte, durfte T. nicht fehlen. Er trat hier in eine Beziehung, welche seiner ganzen Zukunft eine veränderte Richtung gab, indem er die Bekanntschaft des Großherzogs Karl von Baden, des Beherrschers seines Heimathlandes, machte. Er brachte auf des Fürsten eigenartige Natur einen tiefen Eindruck hervor und gewann sehr bald großen Einfluß auf ihn, wovon die Folge war, daß T. für die nächsten Jahre seinen Aufenthalt in dessen Landen nahm, wo er abwechselnd in Mannheim, Karlsruhe und Baden-Baden lebte. Ohne in ein dienstliches Verhältniß zum Großherzoge getreten zu sein, sprach er bei dessen Entschlußfassung über alle wichtigen Regierungsfragen ein gewichtiges Wort mit, er hatte das Ohr des mißtrauischen menschenscheuen Fürsten und war dessen bevorzugter Gesellschafter; daß dieser seine berufenen Räthe sah, dankten sie häufig nur Tettenborn’s Vermittelung. Wo dieser auftrat, lebte er mit fürstlicher Pracht, sein gastfreies Haus stand aller Welt offen, namentlich zu Sommerszeiten in Baden spielte er eine große Rolle, es war, als wenn er der Beherrscher des Landes sei, und einstmals nöthigte der Großherzog ihn, das Schloß zu beziehen, während er Tettenborn’s Wohnung für sich nahm. Dieser wendete den großen ihm verstatteten Einfluß nur zum Wohle des Landes an. Daß die Anschläge auf Zerstückelung des [605] Großherzogthums vereitelt wurden und daß dem Hause Hochberg die Erbfolge zu theil ward, ist zumeist Tettenborn’s Verdienst, ebenso förderte er das Zustandekommen der Verfassung, die sich freilich später als unheilvoll erwies. Daß an Hacke’s Stelle als leitender Minister Berstett trat, war vorzüglich Tettenborn’s Werk. Von großer Wichtigkeit für sein Wirken waren die Gunst und das Ansehen, in welchen er bei Kaiser Alexander stand. Der Verwendung desselben soll er im J. 1814 die Verleihung bedeutender Güter im Gebiete des früheren Königreichs Westfalen, darunter eines alten Stammsitzes seiner Familie, zu danken gehabt haben. Der Unterzeichnete hat hierüber Genaues nicht in Erfahrung bringen können. Im J. 1818 nahm T. seine Entlassung aus russischen Diensten und trat als Generalmajor und Generaladjutant in die des Großherzogs. Im Hintergrunde stand dabei die Aussicht auf den Posten des badischen Gesandten am österreichischen Hofe, eine Stellung, welche er, nachdem Großherzog Karl am 8. December 1818 gestorben war, im folgenden Jahre antrat, und welche er bis zu seinem eigenen, am 9. December 1845 zu Wien erfolgten Tode innegehabt hat. In dem von ihm bewohnten sogenannten kleinen Batthyanischen Hause am Franzensthore, welches er im Sommer mit einem Aufenthalte in Hütteldorf und später in der Brühl vertauschte, führte er das nämliche leichte Leben weiter, welches er von jeher geliebt hatte, welches aber seine Kräfte überschritt und ihm vielfache Geldverlegenheiten bereitete. Sein damaliger Untergebener, der Freiherr v. Andlaw (Mein Tagebuch, I, 126 ff., II, 93, Frankfurt a. M. 1862) gibt eine Schilderung desselben und von Tettenborn’s Persönlichkeit, welcher er seine Anerkennung nicht versagen kann. T., schreibt er, sei ein getreuer Diener seiner Regierung gewesen, deren Weisungen dessen eigenen conservativen Ansichten nicht immer entsprochen hätten. „Die Licht- und Schattenbilder aus dem Soldatenleben und der Gesellschaft“ (Prag und Töplitz 1870) [von Graf Thürheim] kennzeichnen seine derzeitige Erscheinung als die eines Ritter- und Reiterbildes aus längst entschwundenen Zeiten, von kräftiger Gestalt und treuherzigem Wesen, das kahle Haupt von einem Kranze weißer Locken umgeben; das Theresienkreuz sei ein Band gewesen, welches ihn in einen moralischen Zusammenhang mit dem kaiserlichen Heere gebracht habe.

Varnhagen v. Ense, Denkwürdigkeiten und Vermischte Schriften II, III, IX. Leipzig 1843 ff. – Hirtenfeld, Der Militär-Maria-Theresienorden. Wien 1857. – C. v. Wurzbach, Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich XLIV. Wien 1882. – F. v. Weech, Badische Biographieen I. Heidelberg 1875. – Ueber die Eroberung von Bremen: Oesterreichische militärische Zeitschrift, 1838 1. Bd., 1848 1. Bd., Wien.