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Artikel „Tatius, Marcus“ von Georg Westermayer in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 37 (1894), S. 415, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Tatius,_Marcus&oldid=- (Version vom 23. November 2024, 14:28 Uhr UTC)
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Tatius: Marcus T., mit dem häufigen Zunamen Alpinus, humanistischer Dichter, um das Jahr 1500 einer kinderreichen Bauernfamilie „Streicher“ im graubündtnischen Innthale entsprossen, fand schon als Knabe nach zeitweiligem Aufenthalt in Chur dauernde Unterkunft in München, wo er freilich anfangs sich das Brot in den Gaststuben ersingen mußte. Bald wurde er von dem trefflichen Lehrer Wolfgang Windhauser (Anemöcius) in die St. Petersschule daselbst aufgenommen und machte, mit Schulgenossen, wie Simon Lemnius und Wolfgang Hunger (s. A. D. B. XIII, 414; XVIII, 236), wetteifernd, glänzende Fortschritte. Seinem Lehrer bewahrte er zeitlebens die treueste Anhänglichkeit. Bald erhielt er im Hause eines Bürgers namens Neumair eine Stelle als Instructor, auch wirkte er gleichzeitig an einer Pfarrschule Münchens. Um das Jahr 1530 berief ihn der Patricier und kaiserliche Rath Raimund Fugger in Augsburg zum Erzieher seiner Söhne. Ihm widmete T. die Sammlung seiner 1533 erschienenen Gedichte, „Progymnasmata“ betitelt, ein beachtenswerthes Büchlein, das namentlich für die Schulgeschichte Münchens manchen wichtigen Beitrag enthält. Von der Stadt Augsburg erhielt T. das Bürgerrecht verliehen. In die Zeit seines Augsburger Aufenthaltes fallen zahlreiche deutsche Uebersetzungen lateinischer und griechischer Werke, so des Polydorus Vergilius „Von Erfindung der Dinge“, 1537; des Diktys Cretensis „Historia vom trojanischen Kriege“, 1540; des Leonhard Aretinus „Historie der Römerkriege“, 1540; des Frontinus „Kriegsanschläge“, 1542. Die erste der genannten Schriften ist dem Rathe der Stadt München mit dem Ausdrucke großer Dankbarkeit zugeeignet. Auf Empfehlung des Rechtslehrers Viglius Zwichem ab Ayta wurde T. um das Jahr 1539 Lehrer der Poesie an der Hochschule Ingolstadt. Er nennt sich selbst 1540 „offentlichen der Poeterey an der hohen Schule Ingolstadt leser“. Aus nicht bekanntem Anlasse durch kaiserliche Ungnade verbannt, mußte er sich im J. 1540 zu Straßburg aufhalten, erhielt aber auf ein Huldigungsgedicht hin „ad Ferdinandum Caesarem semper Augustum“, Argentorati 1540) alsbald die Erlaubniß zur Rückkehr und den Titel eines poeta imperatorius. Schon im September 1540 finden wir T. als Flüchtling vor der in Ingolstadt herrschenden Pest in dem Städtchen Rain am Lech. – Zu den besten lateinischen Gedichten des T. zählt jedenfalls sein „epithalamion in nuptias Oswaldi ab Ecche et Annae a Binzenauwe“, Aug. Vind. 1544, ein Poem von 1042 Versen, mit einem seltenen Aufwand von Gelehrsamkeit und mannichfacher Erfindung ausgestattet. Der gefeierte Bräutigam war der Sohn des damals allvermögenden Kanzlers Leonhard v. Eck. Späterhin trat T. auch als juridischer Schriftsteller auf in der „epistola ad Wolfg. Hungerum, in qua furtum … expliatur“. Basileae 1545. Nebenbei befaßte er sich auch mit baierischer Klostergeschichte, wie er z. B. seinem Freunde Bruschius einen Katalog der Abtissinnen des Stiftes Nonnberg zuschickte. Um das Jahr 1550 wurde er zum Assessor des kaiserlichen Kammergerichtes ernannt. Als Bischof Moritz von Freising 1559 sein Bisthum antrat, berief er T. zu seinem Kanzler, welchen Posten dieser wahrscheinlich bis zum Ableben des Bischofs 1567 bekleidete. Um diese Zeit scheint er gestorben zu sein; sein Todesjahr ist nicht bekannt. T. war zweimal verehelicht. Von seinen Söhnen überlebte ihn Ernst T., Chorherr bei St. Andreä in Freising und Marcus Marcellus T., Pfarrer zu Haslach-Traunstein.

Veith, biblioth. Augustana I, p. 6–9. – Kobolt, bair. Gelehrtenlexikon.