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Artikel „Tabor, Johann Otto“ von Johann August Ritter von Eisenhart in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 37 (1894), S. 337–339, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Tabor,_Johann_Otto&oldid=- (Version vom 28. März 2024, 12:36 Uhr UTC)
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Tabor: Johann Otto T., Rechtsgelehrter und Kanzler der Universität Gießen, geboren am 3. September 1604 zu Bautzen in der Oberlausitz, † am 12. December 1674 zu Frankfurt a. M. Tabor’s Vater, Tobias, war Einnehmer und Hofgerichtsactuar in Bautzen, seine Mutter, Eva Ludovici, die Tochter eines dortigen Kaufmanns. T., der gründlichen Hausunterricht genoß, war schon frühzeitig auffallend entwickelt; als Knabe von 13 Jahren konnte er Reden in lateinischer wie griechischer Sprache aus dem Gedächtniß vortragen, und war im Stande, sich an wissenschaftlichen Disputationen zu betheiligen. 1619 kam er auf das Gymnasium nach Halle; schon im nächsten Jahre auf die Universität Leipzig, wo er sich philosophischen und später unter Schmuck und Finkelthaus juristischen Studien widmete. Dort erwarb der erst siebzehnjährige Jüngling 1621 das Baccalaureat, 1622 mit Auszeichnung die Magisterwürde; aus diesem Anlasse hatte er eine Dissertation „De homine“ geschrieben, welche er öffentlich vertheidigte. Zur Fortsetzung der Studien wählte er Wittenberg; da ihm jedoch [338] das Klima nicht zusagte, wandte er sich nach Ablauf eines Jahres nach Jena. Dort arbeitete er unter Georg Franzke, hielt auf Ansuchen über Wesenbeck’s Paratitla Privatvorträge, und fertigte eine tabellarische Uebersicht über das gesammte Recht, welche später unter dem Titel „Filum Ariadneum“ im Drucke erschien. Dann wurde er Begleiter zweier adeliger Schlesier (Georg Poser und Martin Willer) und ging mit ihnen nach Leipzig; besuchte hierauf mit ersterem Straßburg, durchreiste Frankreich und führte ihn über Genf in dessen Heimath nach Breslau. Auf dieser Fahrt begrüßte er in Heidelberg Bachoff (Reiner Bachovius ab Echt), dem er früher eine Schrift zur Beurtheilung übersandt hatte, und erhielt von diesem Empfehlungsbriefe an den Reichshofrath Just Gebhard in Wien, bei dem er sich zur Erlernung des Reichshofrathsprocesses einige Zeit aufhielt. Sodann übernahm er es, mit zwei Studirenden aus vornehmer Familie Italien zu bereisen. Sie verweilten in Regensburg, dann in Leipzig, wo eben Fürstenzusammenkünfte stattfanden, dann in Straßburg; hier erwarb T. mit der Inaug.-Diss. „Paratitla ad Tit. Cod. Lib. X“ (Argent. 1631, 4°; dieselbe erschien auch in deutscher Uebersetzung mit verändertem Titel, Frankf. u. Lpz. 1732, 4°) am 10. November 1631 den juristischen Doctorgrad. Im Begriffe, nach Italien aufzubrechen, wurde er wegen des Todes seines einzigen Bruders, Tobias, Licentiat der Rechte und Anwalt, 1632 nach Hause gerufen, übernahm das Syndikat, und gründete 1633 seinen Hausstand, indem er in diesem Jahre Anna Elisabeth, eine Tochter des Bürgerhauptmanns Tobias Schönleber zu Bautzen, heirathete, welche im Juni 1658 zu Straßburg starb. Nicht lange nach seiner Verehelichung verlor er an der damals herrschenden Pest im Laufe einer Woche seine beiden Eltern, und als die sächsischen Truppen unter General von der Goltz Bautzen 1634 in Brand steckten, wurden vier von T. ererbte Häuser nebst seiner reichen Bibliothek ein Raub der Flammen; des größten Theiles seines Vermögens beraubt, zog er nach dem benachbarten Kamenz. Es erging jedoch alsbald an ihn ein Ruf nach Straßburg als ordentlicher Professor der Rechte, und rückte er dort in kurzem zum Primarius vor. T. erfreute sich zunehmenden Beifalls und Ansehens, wofür unter anderem auch die Thatsache spricht, daß er während seines Straßburger Aufenthalts aus den verschiedensten Theilen des Reichs über zwanzig Anerbieten zur Uebernahme der mannichfachsten Dienste erhielt, denen er jedoch keine Folge gab, bis ihn Herzog Gustav Adolf von Mecklenburg 1666 zum Geheimen Rath und Kanzleidirector in Güstrow ernannte, wo er im Februar desselben Jahres eintraf und alsbald zu politischen Sendungen an den kaiserlichen und kursächsischen Hof verwendet wurde. – Indessen scheint unser Gelehrter für praktische Fragen des Rechtslebens nicht das richtige Verständniß besessen zu haben. Man erzählt sich, daß er politische und staatsrechtliche Angelegenheiten nur nach den Grundsätzen des römischen Privatrechts beurtheilt wissen wollte, und daß er in einem Conflicte mit einem Reichsstande die Anwendung der Lex Aquilia begutachtet habe. Da T. mit derartigen Ansichten auf gegründeten Widerspruch stieß und ihm hiedurch eine Gefährdung seines Ansehens drohte, war es ihm begreiflicher Weise sehr erwünscht, nach Gießen berufen zu werden, wo er 1659 zum Universitätskanzler und Ordinarius der Juristenfacultät ernannt wurde. Die akademische Jugend bereitete dem Einziehenden einen glänzenden Willkomm … Seit 1655 hielt in Gießen auch Huldrich v. Eyben (aus Norden) juristische Collegien, welche mit wachsendem Beifalle besucht wurden. Obwol sich nun auch T. eines stark besetzten Auditoriums erfreute, soll er die Erfolge des jüngeren Collegen mit wenig verhehltem Neide beobachtet haben. Gehässige Anfeindungen, welchen er nach Bericht seiner Anhänger ausgesetzt war, ohne amtlichen Schutz in gewünschtem Umfange zu finden, mögen ihn zunächst veranlaßt haben, seine Aemter niederzulegen, und im October 1667 nach Frankfurt a. M. zu ziehen, wo sein Sohn [339] Tobias Otto Dr. jur. als Rechtsanwalt lebte. Hier entschlief er sanft am 12. December 1674 in Erfüllung des öfter geäußerten Wunsches: „Da mihi tranquille, da sine morte mori“. T. war ein Mann von großer Gelehrsamkeit, ein gründlich gebildeter Jurist, welcher den von Gothofredus und Obrecht begründeten Ruf der Universität Straßburg auch auf die folgende Periode übertrug. Hochgeschätzt von seinen Anhängern, preist ihn Brunnemann (Comm. C. de suffrag.) als „lumen seculi“, Cl. Bökler als „Jureconsultorum Papinianum“, Heinrich Ernst als „virum summum, de bono publico optime meritum“. – Andererseits war unser Gelehrter von Pedanterie nicht frei; der geistigen Bewegung seiner Zeit abhold, bediente er sich noch mit Vorliebe der „quatuor causae“ und der Dichotomie nach ramistischer Methode. So kam es, daß er mit den großen Reformatoren, mit Hermann Conring, Hugo Grotius und Salmasius in heftige Fehde gerieth, von deren Neuerungen er eine Erschütterung des gesammten Rechtszustandes befürchtete. Aus dem erbitterten Federkriege mit Salmasius über den Darlehenscharakter ging er zwar siegreich hervor; aber die polternde, derbe Kampfweise, welche sich bei T. mit den Jahren steigerte, und die zahlreichen Schimpfnamen, mit denen er seine Gegner belegte, machen einen höchst unerquicklichen Eindruck.

T. schrieb eine große Anzahl verschiedener Abhandlungen; einen Theil derselben hat der Leipziger Jurist Andreas Mylius unter dem Titel „J. O. Taboris tractatus antea singulatim editos etc.“ in 2 Sammelbänden (Lips. 1688, 2 Vol. fol.) veröffentlicht. Ein ausführliches Schriftenverzeichniß in Strieder’s Hessischer Gel.-Gesch. XVI, 84–91. – T. hatte außer dem erwähnten Sohne zwei Töchter; die ältere, Susanna Elisabeth, geboren am 28. Mai 1641 in Straßburg, wurde am 9. Juli 1663 die Gattin des nachmaligen Consistorial-Präsidenten Johann Ludwig Prasch (s. A. D. B. XXVI, 505) in Regensburg, eines hochgeachteten Mannes, der sich um die Pflege der deutschen Sprache entschiedene Verdienste erworben und unter dem Titel „Mausoleum J. O. T.“ (Ratisb. 1678, 4°) anonym eine Biographie seines Schwiegervaters verfaßte. Der Monographie ist das von Aubry 1654 in Kupfer gestochene Brustbild Tabor’s beigefügt … „Mausoleum“ und Brustbild sind auch dem Sammelwerke von Mylius vorangestellt. Susanna Elisabeth war gleichfalls schriftstellerisch thätig und schrieb „Reflexions sur les Romans par Madme S. E. P.“ (Ratisb. 1684, 12°), welche bei ihrem Erscheinen günstig beurtheilt wurden; sie starb vor ihrem Gatten im September 1682. – Von E. Heinzelmann in Augsburg besitzen wir deren Bildniß als Kupferstich.

(J. O. Tabor.) Mausoleum Jo. Ottonis Taboris. – Strieder a. a. O. – C. G. Buder, Vitae (1722) pag. 339–374. – Stintzing, Deutsche R.-Geschichte, 2. Abthlg. S. 226–32.
(Sus. Elis. Prasch.) Act. erud. Lips. 1684 p. 435. – Witte, Diar. biogr. Thl. II (1682). – Ebert’s Cabinet gel. Frauenzimmer S. 347.