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Artikel „Strecker, Adolph“ von Bernhard Lepsius in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 36 (1893), S. 555–560, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Strecker,_Adolf&oldid=- (Version vom 25. Dezember 2024, 19:05 Uhr UTC)
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Strecker: Adolph St., einer der hervorragendsten Forscher im Gebiete der organischen und physiologischen Chemie, Professor in Christiania, Tübingen und Würzburg, wurde in Darmstadt, der Vaterstadt so vieler bedeutender Chemiker, als vierter Sohn des hessischen Archivrathes Ludwig St. am 21. October 1822 geboren; † am 7. November 1871. Bis zum Frühjahr 1838 besuchte er das dortige Gymnasium, dann die höhere Gewerbeschule und von 1840 an die Universität Gießen. Die kleine hessische Hochschule hatte damals unter den Lehrern der Naturwissenschaften, wofür sich St. schon als Knabe entschieden hatte, Namen ersten Ranges aufzuweisen. Schon hatte sein großer Landsmann, Justus Liebig, die Höhe seines Ruhmes erstiegen; Hermann Kopp, Heinrich Buff, Friedrich Knapp standen in der Blüthe ihrer Arbeitskraft. Glücklich, solcher Lehrer Schüler zu sein, widmete sich St. mit dem ihm eigenen unermüdlichen Fleiße den Studien, insbesondere dem der Chemie und bestand, noch nicht zwanzigjährig, am 24. August 1842 das Doctorexamen. Einer der begabtesten [556] Schüler Liebig’s, wurde er sogleich zum Lehrer der Naturwissenschaften an die Realschule seiner Vaterstadt berufen, wo er in den oberen Classen Physik, Mathematik, Botanik und Mineralogie vortrug. Sein neuer Beruf wurde ihm bald so lieb, daß er dem mehrfach ausgesprochenen Wunsche Liebig’s, als sein Assistent nach Gießen zurückzukehren, erst nach drei Jahren zu folgen vermochte, um die ehrenvolle Stellung eines Privatassistenten Liebig’s zu übernehmen. Das gemeinsame Arbeiten mit dem geschätzten Lehrer, dem er auch bei seinen Redactionsgeschäften, namentlich für die Annalen der Chemie und Pharmacie behülflich war, schärfte seine Beobachtungsgabe und zumal seinen kritischen Blick, durch den sich seine späteren Arbeiten vor denen anderer Forscher in so hohem Maaße auszeichnen.

Die zahllosen Stoffe der thierischen und pflanzlichen Organismen waren damals nur wenig erforscht; mit jedem Schritte stieß man auf neue wissenschaftliche Fragen, auf neue wichtige Verbindungen, welche erst gelöst und untersucht werden mußten, wollte man zu höheren Aufgaben der wissenschaftlichen Erkenntniß fortschreiten. Diese Entwicklungsepoche der organischen Chemie war es, in welche ihm mit sicherem Blicke und mit schöpferischer Hand, wie nur wenigen seiner Zeitgenossen, einzugreifen vergönnt war.

Mit einer für die physiologische Chemie grundlegenden Arbeit „über die chemische Constitution der Hauptbestandtheile der Ochsengalle“ habilitirte sich St. am 20. Januar 1849 in Gießen als Privatdocent. Im folgenden Jahre beabsichtigte er, um seinen Wirkungskreis zu erweitern das Berliner Laboratorium von Heintz zu übernehmen, welcher an Marchand’s Stelle nach Halle ging; allein bevor noch die Verhandlungen mit dem Decanat in Berlin beendet waren, hatte St. Gelegenheit, sich für die erledigte ordentliche Professur für Chemie in Christiania zu bewerben, wohin er, dessen Name bereits über die Grenzen seiner Heimath bekannt genug war, am 31. Juli 1851 berufen wurde.

An der nordischen Hochschule entfaltete St. während neun Jahren eine ebenso vielseitige wie fruchtbringende Thätigkeit, beiläufig auch als Lehrer der Chemie an der Artillerie- und Ingenieurschule; sein Sprachtalent gestattete ihm, sich nach kurzer Zeit des fremden Idioms in geläufigem Vortrage zu bedienen. Oeftere Reisen hielten die Verbindung mit der Heimath aufrecht. Seine erste Ehe, die er 1852 mit Fräulein Weber aus Darmstadt schloß, währte kaum ein Jahr, da die Gattin nach der Geburt eines Töchterchens starb. Im J. 1855 vermählte er sich mit seiner Cousine Lina Strecker aus Mainz. Aus dieser überaus glücklichen Ehe entsprangen zwei Töchter und ein Sohn.

Die zahlreichen Untersuchungen Strecker’s aus dieser Zeitepoche, deren Resultate sämmtlich in den „Annalen“ veröffentlicht sind, gehören zu den classischen Arbeiten der chemischen Litteratur. Kein Wunder, daß, wenn sich die Gelegenheit bot, andre Hochschulen darauf bedacht waren, diese eminente Kraft für sich zu gewinnen. Vergebens bemühte man sich in Zürich und Gent um ihn, ebenso in Greifswald, von wo er das Diplom eines Ehrendoctors der Medicin erhielt; dem Rufe Tübingens, wo 1860 Christ. Gmelin gestorben war, vermochte St. jedoch nicht zu widerstehen. Nur ungern verlor man ihn in Christiania, wo sein Andenken durch die Aufstellung einer Marmorbüste in der Universität dankbar geehrt wurde.

Zehn Jahre hat St. der Tübinger Hochschule als eine der ersten Lehrkräfte angehört, aber seine Lehrthätigkeit ging weit über die Grenzen des Laboratoriums hinaus. Jeder Chemiker kennt das Strecker’sche Lehrbuch der Chemie, eine Neuherausgabe des Regnault’schen, und die zahlreichen Auflagen, die es erlebt hat, jedesmal dem veränderten Stande der Chemie angepaßt, bezeugen, wie viele [557] Jünger der Wissenschaft ihre Kenntnisse seinem Lehrtalente verdanken. Auch der Herausgabe der „Jahresberichte der Chemie“ hat sich St. während einer Reihe von Jahren gewidmet.

Der Tod von Scherer’s in Würzburg 1869 veranlaßte Strecker’s Berufung an die bairische Universität; aber nicht lange sollte die scheinbar unerschöpfliche Arbeitskraft hier wirken. Als er im April 1870 das neuerbaute Laboratorium übernommen, entleerte der Ausbruch des französischen Krieges bald die Hörsäle, und als sich nach dem Friedensschlusse die Reihen wieder schlossen, war auch das letzte Semester für ihn gekommen. Seine sonst feste Gesundheit hatte schon in Tübingen, vielleicht durch eine längere Beschäftigung mit giftigen Thalliumverbindungen, gelitten. Im Herbste wollte er in den bairischen Alpen Erholung suchen, kehrte aber krank von dort zurück und erlag einem hartnäckiger Nierenleiden am 7. November 1871.

Die wissenschaftliche Lebensarbeit Strecker’s umfaßt einen Zeitraum von 25 Jahren. Die Zahl seiner Abhandlungen in den „Annalen“ beträgt mehr als sechzig. Hier können nur die wichtigsten eine kurze Erwähnung finden. Seine erste Arbeit vom Jahre 1846 behandelt eine neue Methode der Berechnung der Atomgewichte des Silbers und des Kohlenstoffs. Um die Fehler der analytischen Bestimmungen auf ein Minimum zu reduciren, berechnete er die Atomgewichte aus zwanzig, von Liebig und Redtenbacher ausgeführten Analysen von organischen Silbersalzen, wobei er zum ersten Male die eben von Gauß, Bessel und Hansen ausgearbeitete Methode der „kleinsten Quadrate“ in die chemische Rechnung einführt. – Bald findet der Gießener Assistent Gelegenheit, an die Arbeiten berühmter Gelehrten die kritische Sonde zu legen. In der Chemie herrscht damals die Theorie der gepaarten Verbindungen; Gerhardt und Laurent versuchen in ihrer Untersuchung über die Anilide eine Definition dieser „gepaarten Verbindungen“ zu geben. müssen sich aber den Nachweis Strecker’s gefallen lassen, daß ihre Definition keineswegs für alle Fälle paßt, während umgekehrt in vielen Fällen, wo sie paßt, gar keine gepaarten Verbindungen vorliegen.

Bei dem damaligen Stande der Wissenschaft war es bei complexen Verbindungen ungemein schwierig, aus den analytischen Daten auf die Constitution derselben und ihrer Verwandlungsproducte Schlüsse zu ziehen, so daß viele Forscher darauf verzichten mußten, Constitutionsformeln aufzustellen. Gerade darin aber zeigte sich der Scharfsinn Strecker’s; mit zwingender Logik hat er den inneren Zusammenhang ganzer Gruppen und Reihen der complicirtesten Verbindungen aufgedeckt, immer aufs neue den Grund legend zu weiteren Forschungen. Niemals hat er sich mit dem unmittelbaren experimentellen Erfolge begnügt, sondern stets die philosophische Seite der Wissenschaft im Auge behalten. Aus einigen Flechten hatte Stenhouse eine ganze Reihe von interessanten neuen Stoffen isolirt, die Orsellsäure, Orsellinsäure, die Erythrin-, Pikroerythrin-, Evern-, Evernin-, Lecanor- und Parellsäure, das Orcin und Erythroglucin, ohne deren Zusammensetzung interpretiren zu können; St. deckt den causalen Zusammenhang auf und vollendet damit die ganze Untersuchung. Oft gelingt es ihm bei Stoffen, welche von verschiedenen Forschern unter verschiedenen Namen beschrieben werden, deren Identität nachzuweisen. Seine Analysen sind von einer Genauigkeit, daß er sich auf seine Zahlen unbedingt verlassen kann, und häufig kommt es vor, daß er die Untersuchungen Anderer wiederholen muß, um Irrthümer aus der Welt zu schaffen, die den Fortschritt der Wissenschaft gefährden; so bleibt es nicht aus, daß er sich im Streite um die Wissenschaft erbitterte Feindschaften zuzieht, wie u. a. mit dem holländischen Chemiker Mulder: stets aber geht er als Sieger aus dem Kampfe hervor.

Mit besondrer Vorliebe und mit einem erstaunlichen Aufwande von geistiger [558] Arbeit hat sich St., wie schon erwähnt, der Erforschung der Stoffe des thierischen Körpers gewidmet. Ein großer Theil unsrer Kenntnisse der Physiologie, insbesondre der Chemie des Stoffwechsels, beruht auf seinen Untersuchungen. Schon zu Anfang des Jahrhunderts haben die Gallensubstanzen die Aufmerksamkeit vieler Chemiker, wie Thenard (1805), Berzelius (1807), auf sich gelenkt. Während jedoch der Letztere annahm, daß die Galle im wesentlichen aus Bilin bestehe, unterschied L. Gmelin (1826) nicht weniger als 22 Stoffe in der Galle. Inzwischen hatten sich Demarcay (1838), Kemp (1843), Theyer und Schlosser (1845), Platner, Verdeil und zumal Mulder mit der Chemie der Galle beschäftigt. Strecker’s Arbeiten darüber beginnen im J. 1847; er zeigt, daß Berzelius’ Bilin nur in sehr kleinen Mengen in der Galle vorkommt, daß die Cholsäure von Gmelin und die Cholsäure von Demarcay zwei ganz verschiedene Körper sind, da jene Stickstoff enthält, diese keinen, und nennt die letztere Cholalsäure, weil sie durch Alkalien aus der ersteren gewonnen werden kann; er zeigt, daß außer der Cholsäure noch eine zweite Säure in der Ochsengalle vorhanden ist, die Choleïnsäure, welche neben Stickstoff noch Schwefel enthält, diese liefert mit Alkalien ebenfalls Cholalsäure; während aber die Cholsäure in Cholalsäure und Glycocoll zerfällt, eine Stickstoffsubstanz, die man schon früher aus der Hippursäure gewonnen hatte, so entsteht aus der Choleïnsäure neben Cholalsäure ein ebenfalls schon bekannter Stoff, das Taurin Redtenbacher’s, welchen St. nun auch als normalen Bestandtheil der Muskelflüssigkeit auffindet.

Die Gallen der verschiedensten Thiergattungen werden der ferneren Untersuchung unterworfen, wobei sich bemerkenswerthe Unterschiede herausstellen. Während z. B. die Gallensäuren gewöhnlich an Natrium gebunden sind, so enthalten die Gallensalze der Seefische vorzugsweise Kalium, obwol sie in einer Kochsalzumgebung leben. In der Galle der Fische, der Schlangen und des Schafs findet sich fast nur Cholsäure, während beim Hunde nur Choleïnsäure auftritt. Das Schwein und die Gans haben ihre besonderen Gallensäuren, die Hyocholsäure und die Chenocholsäure, welche mehr Kohlenstoffatome enthalten, als jene. Diese Gallenuntersuchungen bilden zugleich den Ausgangspunkt zu weiteren Forschungen und Entdeckungen auf anliegenden Gebieten. Eine der wichtigsten bildet die künstliche Darstellung des Taurins (1854). Aus dem Steinkohlengas hatte Regnault mit Hülfe der wasserfreien Schwefelsäure die Isäthionsäure gewonnen, welche Strecker’s Interesse erregte, weil ihr Ammoniaksalz zum Taurin in naher Beziehung zu stehen schien. In der That gelingt es ihm, durch Erhitzen auf 220° daraus Taurin zu bilden: einen Gallenbestandtheil aus den Steinkohlen! Von noch größerer Bedeutung ist die künstliche Darstellung der Milchsäure. Eine abfällige Kritik über Pelouze’s Milchsäurereaction veranlaßte ihn, schon 1847 sich mit dieser Substanz zu beschäftigen. Scheele hatte sie 1780 in der sauren Milch als eine eigenthümliche Säure erkannt; 1808 hatte sie Berzelius in der Muskelflüssigkeit aufgefunden; unter dem Namen Nancysäure war sie 1813 von Braconnet aus dem Zuckersaft erhalten worden; Liebig jedoch zeigte, daß die Fleischmilchsäure mit der gewöhnlichen, welche er auch im Sauerkraut und bei manchen Krankheiten im Magensaft fand, nicht identisch sei, da die Fleischmilchsäure das polarisirte Licht drehte, während die andrer Herkunft optisch inactiv ist. Die künstliche Darstellung der Milchsäure durch St. aus Blausäure und Aldehydammoniak, welcher er noch die Umwandlung der Fleischmilchsäure in inactive Milchsäure hinzufügte, ist nicht nur in chemisch-physiologischer Hinsicht, sondern vielleicht noch mehr deshalb von außerordentlicher Wichtigkeit, weil sich an die dadurch ermöglichte rationelle Formulirung der Milchsäure einer der größten Fortschritte der Theorie der organischen Verbindungen heftet: der Uebergang von der Typentheorie zu der der Atomverkettung.

[559] Seiner classischen Arbeiten über die im Thier- und Pflanzenkörper vorkommenden organischen Basen darf hier nur kurz gedacht werden. Seitdem Wurtz und Hofmann die einfachsten Repräsentanten dieser Körpergruppe erforscht hatten, haben die basischen Verbindungen des Thier- und Pflanzenkörpers unausgesetzt das Interesse der Chemiker in Anspruch genommen. Im Jahre 1850 schreibt St. an Liebig, er habe außer dem Kreatin und dem Kreatinin, die Liebig im Fleischsaft bereits aufgefunden hatte, eine neue Fleischbase entdeckt, das Sarkin; das Ochsenfleisch enthalte davon 0.022%. Diese Entdeckung war deshalb von Bedeutung, weil das Sarkin bereits, jedoch in unreinem Zustande, von Scheerer in der Milz und im Herzmuskel unter dem Namen Hypoxanthin aufgefunden und weil es mit dem Xanthin, das 1838 von Liebig und Wöhler in einigen seltenen Harnsteinen gefunden wurde, und mit der Harnsäure in einer eigenthümlichen Beziehung stand. Diese drei Körper zeigten nämlich bis auf ihren unterschiedlichen Gehalt an Sauerstoff eine ganz gleiche Zusammensetzung. Auch zu dem 1846 von Unger aus dem Guano dargestellten Guanin steht das Sarkin in naher Verwandtschaft. Alle diese Verhältnisse werden von St. zum Gegenstand einer sorgfältigen und erfolgreichen Untersuchung gemacht, welche u. a. auch zu der künstlichen Darstellung des Xanthins aus dem Guanin führt. Er zögert nicht, den Kreis dieser Untersuchung auf die Pflanzenbasen auszudehnen. Das Caffeïn im Caffee und Thee, das Theobromin im Cacao, diese beiden Alkaloïde, welche in der Nahrung so vieler Völkerschaften die Wirkung der Fleischalkaloïde ersetzen müssen, sie sind, wie St. zeigt, einfache Abkömmlinge des Xanthins, in das zwei bezw. eine Methylgruppe eingetreten sind. In der That gelingt es ihm auf Grund dieser Ueberlegung das Theobromin in Caffeïn zu verwandeln. Eine andre für die Theorie der organischen Stickstoffkörper wichtige Entdeckung war die Darstellung des Guanidins, welches St. bei dieser Gelegenheit aus dem Guanin darstellte.

Durch diese Erfolge ermuthigt, zieht St. andere Pflanzenstoffe in seinen Forschungskreis. Er stellt die Formel der Vulpiansäure (1831 von Bebert aus Cetraria vulpina erhalten) fest, die in Norwegen als Wolfsgift verwendet wird; er erkennt die richtige Formel der Piperinsäure und der Gerbsäure und unterwirft das Arbutin und dessen mannichfachen Umwandlungsproducte einer eindringenden Untersuchung: jenen Bitterstoff, den Kawalier 1852 aus den Blättern der Bärentraube erhalten, und findet hierbei das Hydrochinon wieder, das Wöhler 1844 aus der Chinasäure dargestellt hatte. Bei der Nitrirung der Salicylsäure gewinnt er eine Nitrosalicylsäure, welche Piria 1845 als Anilotinsäure aus dem Indigo erhalten. Aus den schon mehrfach bearbeiteten Farbstoffen des Krapps isolirt St. das Alizarin und das Purpurin zum ersten Male in reinem Zustande; in dem Styracin, aus der Rinde von Styrax officinalis, erkennt er eine Verbindung von Zimmtsäure und Zimmtalkohol und lehrt zugleich das natürliche Zimmtöl auf künstlichem Wege zu bereiten.

Die moderne Farbchemie preist ihn als den Entdecker der „Azoverbindungen“. Während durch Zinin und insbesondre durch die classischen Untersuchungen Hofmann’s festgestellt war, daß die aromatischen Nitroverbindungen bei ihrer Reduction in saurer Lösung direct Amidokörper bilden, fand St. bei der alkalischen Reduction die beiden wichtigen Zwischengruppen der Azo- und Hydrazoderivate.

Zu Strecker’s letzten größeren Arbeiten gehört die erschöpfende Untersuchung einer complexen Verbindung, welche schon Vauquelin im Gehirn aufgefunden hatte, die später im Eidotter, im Blut, im Fleischsaft etc. gefunden und von Gobley Lecithin genannt worden war. St. erkannte darin eine Verbindung von Cholin (Trimethylaminoxäthyl) mit Distearylglycerinphosphorsäure.

[560] Zum Schlusse mögen noch Strecker’s Arbeiten aus der Metallochemie erwähnt werden. Fast gleichzeitig mit Frankland und völlig unabhängig von ihm, stellte St. die interessanten Verbindungen des Quecksilbers mit Methyl und Aethyl dar. Auch über Zinnäthyl und Stibäthyl machte er bei Gelegenheit einer Abhandlung für das Liebig’sche Handwörterbuch Untersuchungen. Für die Chemie des Thalliums stellte er die wichtige Thatsache fest, daß dieses merkwürdige Metall zwei Reihen von Verbindungen bildet, in denen es bald einwerthig, bald dreiwerthig aufzutreten vermag. Es wurde bereits erwähnt, daß das Arbeiten mit diesen giftigen Thalliumverbindungen vermuthlich den Keim zu Strecker’s frühem Tode gelegt hat, welcher am 7. November 1871 der rastlosen Thätigkeit eines der begabtesten und erfolgreichsten Forscher auf dem Gebiete der wissenschaftlichen Chemie ein allzufrühes Ziel gesetzt hat.

Strecker’s Nekrolog von R. Wagner mit Bildniß, Ber. d. d. chem. Ges. V, 125.