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Artikel „Hansen, Peter Andreas“ von Karl Christian Bruhns in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 10 (1879), S. 535–541, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Hansen,_Peter_Andreas&oldid=- (Version vom 10. Oktober 2024, 05:47 Uhr UTC)
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Hansen: Peter Andreas H., geb. zu Tondern in Schleswig am 8. Dec. 1795, † am 28. März 1874, war der Sohn erster Ehe von Nicolai H., der als Gold- und Silberarbeiter in Tondern wohnte und für einen nach damaligen Verhältnissen nicht unbemittelten Bürger galt. Der junge H. besuchte die Stadtschule seiner Vaterstadt, wo er die Anfangsgründe der lateinischen und französischen Sprache erlernte und für den mathematischen und physikalischen Unterricht in der „Rectorklasse“ besonderes Interesse zeigte. Nach seiner Confirmation [536] wählte er das Uhrmacherhandwerk zu seinem Berufe und kam nach Flensburg in die Lehre. Bald zeichnete er sich durch hervorragende Geschicklichkeit und erfindungsreichen Scharfsinn in der Ausführung mechanischer Constructionen aus und fuhr zugleich fort, auf eigene Hand mathematischen Studien obzuliegen. Seinem Lieblingswunsch, auf einer Universität zu studiren, stellten sich die Verhältnisse und der Wille des Vaters entgegen, so daß er nach Beendigung seiner Lehrzeit von Flensburg zu seinen Eltern zurückkehrte und im J. 1818 seine Wanderung von Tondern aus antrat. In Berlin, wo er kein volles Jahr blieb, fand er Beschäftigung bei einem Principal, welcher der dortigen französischen Colonie angehörte und durch den er sich in der französischen Sprache vervollkommnete. – Ende 1819 nach Tondern zurückgekehrt, etablirte er sich im Hause seines Vaters als Uhrmacher. Aber schon im Frühjahr 1820 brachte der Einfluß eines Arztes, des damaligen Physikus Dr. Dirks, der sich für mathematische und astronomische Gegenstände interessirte und Hansen’s Begabung erkannte, eine entscheidende Wendung in dessen Lebensgange hervor. Dirks wußte Vater und Sohn zu bestimmen, letzteren nach Kopenhagen zu Schumacher, dem späteren Director der Altonaer Sternwarte, reisen zu lassen, der damals mit der Leitung der dänischen Gradmessung betraut war. Schumacher nahm H. freundlich auf, überzeugte sich von seinen mathematischen Leistungen und suchte ihm durch eine Audienz bei König Friedrich VI. eine Anstellung bei der Gradmessung zu verschaffen. Zuerst vergeblich, so daß H., der mittlerweile auf dem „runden Thurme“ (der damaligen Sternwarte Kopenhagens) sich mit praktischer Astronomie zu beschäftigen begonnen, schon den Plan entwarf, zu Gauß nach Göttingen zu gehen. Da jedoch Gauß durch die Gradmessung im Königreichs Hannover von Vorlesungen abgehalten war, entschloß sich H. auf Schumacher’s Veranlassung, mit Bewilligung des Königs, im August 1820 zunächst auf eigene Kosten nach Altona zu reisen, um an den Gradmessungsarbeiten in Holstein Theil nehmen zu können. Nach beendigter Campagne kehrte er nochmals nach Tondern zurück, doch schon im Januar 1821 reiste er auf Schumacher’s Aufforderung wieder nach Kopenhagen und wurde nunmehr als ständiger Mitarbeiter für die Gradmessung beschäftigt. – Im Sommer 1822 sandte ihn Schumacher nach Helgoland, um dort astronomische Beobachtungen zum Behufe einer in Gemeinschaft mit englischen Gelehrten auszuführenden geographischen Ortsbestimmung anzustellen. Ueberhaupt knüpfte sich das enge, erst durch den Tod gelöste Freundschaftsband beider Astronomen immer fester, und binnen Kurzem zogen die außergewöhnlichen Leistungen Hansen’s, der an der Sternwarte zu Altona unter Schumacher’s Leitung thätig blieb, die Aufmerksamkeit der astronomischen Welt auf sich.

Als Encke 1825 Astronom der Berliner Sternwarte wurde, erging an H. der Ruf zur Leitung der Sternwarte auf dem Seeberge bei Gotha, einer Stiftung des Herzogs, Ernst II., welche unter Männern wie v. Zach, v. Lindenau, Nicolai und Encke zu einer der berühmtesten Stätten astronomischer Wissenschaft empor geblüht war. H. wirkte auf derselben bis 1874; seine von dort ausgegangenen Arbeiten umfassen fast alle Theile der praktischen Astronomie, und wenn keine regelmäßigen umfangreicheren Beobachtungsreihen unter Hansen’s Leitung ausgeführt worden sind, so liegt die Ursache davon in der Beschränktheit der pekuniären Mittel, welche weder die Anstellung von Assistenten, noch die Beschaffung größerer Instrumente gestattet haben. Konnte Gotha in dieser Beziehung nicht mit anderen größeren Sternwarten rivalisiren, so besaß es dafür einen Astronomen, den ein eminentes mechanisches Talent befähigte, der Beobachtungskunst durch geniale Verbesserungen in der Einrichtung und dem Gebrauche der instrumentalen Hülfsmittel die wesentlichsten Dienste zu leisten. Die Apparate und Methoden, welche er zur Untersuchung der Theilungsfehler, zur Beseitigung [537] der Biegung, zur parallaktischen Bewegung horizontal aufgestellter Fernröhre etc. ersonnen, sowie eine Menge origineller Einrichtungen, die namentlich bei dem Baue der jetzigen Sternwarte zur Anwendung kamen, haben sich des allgemeinen Beifalls der Fachgenossen erfreut. Seine Arbeiten über den Gebrauch des Fraunhofer’schen Heliometers, des Passageninstruments und des Aequatoreals sind in der sphärischen Astronomie klassisch geworden.

Vor Allem aber war es die seltene mathematische Befähigung Hansen’s, welche ihn zu Epoche machenden Arbeiten auf dem Gebiete der physischen Astronomie, der sogenannten Störungstheorie, führte. Bereits in den ersten Jahren seines Aufenthaltes auf dem Seeberge veröffentlichte er in den Astronomischen Nachrichten die Grundzüge seiner neuen Störungstheorie, die er im Laufe der Jahre auf die genaue Untersuchung und Berechnung der Bewegung des Mondes, der Sonne, der großen und kleinen Planeten, sowie der Kometen anwandte. Unterstützt durch eine ganz ungemein große Fertigkeit im numerischen Rechnen – für vierstellige Logarithmen brauchte er, weil er dieselben auswendig wußte, kaum die Tafeln zu Hülfe zu nehmen – vollendete er mit pekuniärer Beihülfe von dänischer Seite, im Auftrage der Societät der Wissenschaften in Kopenhagen, seine in Gemeinschaft mit Olufsen 1853 herausgegebenen Sonnentafeln; ferner die von der britischen Admiralität zum Drucke beförderten Mondtafeln, für welche das englische Parlament dem Verfasser eine Belohnung von 1000 Pfund votirte. Die Theorie der Mondbewegung publicirte er 1838 in einem besonderen Werke: „Fundamenta nova investigationis orbitae verae quam Luna perlustrat“; die Darlegung der theoretischen Berechnung der in den Mondtafeln angewandten Störungen 1862–64 in zwei umfangreichen, in den Schriften der Königl. Sächs. Gesellschaft der Wissenschaften in Leipzig erschienenen Abhandlungen. Ein Anhang betrifft die Verification chronologischer Finsternisse.

Der Theorie der absoluten Störungen der kleinen Planeten widmete er in denselben Schriften in den J. 1853–59 eine Reihe von Abhandlungen, an welche sich 1867 die Tafeln der Egeria anschlossen. Die Kometenstörungen bearbeitete er in zwei besonderen Werken: „Ermittelung der absoluten Störungen in Ellipsen von beliebiger Excentricität und Neigung“, 1843 (ins Französische übersetzt von Mauvais) und in einer von der Pariser Akademie 1850 gekrönten Preisschrift: „Mémoire sur le calcul des perturbations qu’éprouvent les Comètes“, in welcher er als Beispiel die Störungen berechnet, welche der Encke’sche Komet durch die Erde und Saturn erfährt.

Seine „Untersuchung über die gegenseitigen Störungen des Jupiter und Saturn“ hatte bereites 1830 den von der Berliner Akademie ausgesetzten Preis davon getragen und eine nachgelassene Schrift: „Ueber die Störungen der großen Planeten, insbesonders des Jupiter“ wurde 1875 publicirt. Andere Arbeiten in denselben Schriften sind „Die Theorie des Aequatoreals“ (1855), die „Theorie der Sonnenfinsternisse und verwandter Erscheinungen“ (1858), die „Bestimmung der Sonnenparallaxe durch Venusvorübergänge vor der Sonnenscheibe“ (1870) mit Bezug auf den Durchgang des J. 1874, zwei Abhandlungen über dioptrische Untersuchungen (1871 und 1874), endlich eine längere Reihe von Abhandlungen aus dem Gebiete der Wahrscheinlichkeitsrechnung und der höheren Geodäsie (1865–69), zu denen er durch seine Theilnahme an den Arbeiten der europäischen Gradmessung veranlaßt wurde. Eine seiner letzten Abhandlungen betrifft die Bestimmung der Theilungsfehler eines geradlinigen Maßstabes (1874) und wurde im Hinblick auf die zu erwartenden photographischen Aufnahmen des Venusdurchganges verfaßt.

Aus den „Memoirs of the Royal Astromomical Society“ erwähnen wir zwei berühmte Abhandlungen über Ungleichheiten langer Perioden in der Mondbewegung [538] (1847), und über die Figur des Mondes (1854). In der ersteren wird der Einfluß der Venus auf die mittlere Länge des Mondes untersucht. in der zweiten Arbeit weist der Verfasser nach, daß beim Monde der Mittelpunkt seiner Figur nicht mit dem Schwerpunkte zusammenfällt, sondern das der letztere etwa 59 Kilometer weiter von uns entfernt ist als jener.

Bei der Redaction der 1823 von Schumacher begründeten Astronomischen Nachrichten betheiligte sich H. eine Zeitlang nach dem Ableben Schumacher’s, zum Theil in Gemeinschaft mit Petersen in Altona. Von den zahlreichen Beiträgen, welche er im Laufe der Jahre für diese Zeitschrift lieferte, mögen hier nur angeführt werden aus früherer Zeit die Aufsätze über das Passageninstrument und den Meridiankreis, über Finsternisse und Sternbedeckungen, über die Strahlenbrechung, über die Bestimmung der Polhöhe, über Wahrscheinlichkeitsrechnung und die Methode der kleinsten Quadrate, über verschiedene geodätische Aufgaben, über die Störungen (des Encke’schen Kometen) durch ein widerstehendes Mittel, über osculirende Elemente etc., aus späterer Zeit besonders die Arbeiten über die Berechnung der speciellen Störungen durch mechanische Quadratur und die Reduction der Oerter auf die gleichzeitige Ecliptik. Eine überaus große Anzahl von Aufsätzen mannichfachen Inhalts ist in den „Berichten über die Verhandlungen der mathematisch-physischen Klasse der Königl. Sächs. Gesellschaft d. Wissensch.“ erschienen. Wir heben hier nur hervor die Arbeiten über die Auflösung eines Systems linearer Gleichungen; über Kugelfunktionen; über ideale Coordinaten; über das Kepler’sche Problem; die ecliptischen Tafeln, nebst Analyse derselben; über die Einrichtung der neuen Herzogl. Sternwarte zu Gotha; über die Aufgabe der theorischen Astronomie: Bestimmung der Bahn eines Himmelskörpers aus drei Beobachtungen; über die Säcularänderung der mittleren Länge des Mondes und die Veränderlichkeit der Tageslänge durch allmähliche Abnahme der Rotationsgeschwindigkeit der Erde (April 1863); über die Eingriffe gezahnter Räder; über die Ausgleichung eines Dreiecksnetzes; über den Schwerpunkt sphärischer Dreiecke; über ein neues Fernrohrstativ; über die Reduction der Winkel eines sphäroidischen Dreiecks; über die Anwendung von Lichtbildern zur Beobachtung der Venusvorübergänge etc.

Auch in anderen Schriften finden sich Aufsätze von H. veröffentlicht, wie z. B. in den Comptes rendus der Pariser Akademie, den Monatsberichten der Berliner Akademie, den Monthly Notices der Londoner Astronomischen Gesellschaft, den von Gauß und Weber herausgegebenen „Resultaten des magnetischen Vereins“, in Schumacher’s astronomischem Jahrbuch, den mathematischen Werken von Jacobi, dem mathematischen Journal von Gussew in Wilna (über das Repsold’sche Aequatoreal), den Denkschriften der Naturforschenden Gesellschaft in Danzig, welche dem Verfasser für seine Abhandlung „Theorie der Pendelbewegung mit Rücksicht auf die Gestalt und Umdrehung der Erde“ 1853 den ausgesetzten Preis zuerkannte etc. Eine andere Arbeit, die Detailmessung des Gotha’schen Landes, hat er nahe 40 Jahre hindurch mit unermüdlichem Eifer und Sorgfalt geleitet und hatte die Genugthuung, sie vor seinem Ableben zu Ende zu führen. Der Anweisung und Prüfung der ausführenden Geometer, der regelmäßigen Beaufsichtigung der Messungen, sowie der praktischen und rechnerischen Controle ihrer Resultate unterzog er sich mit stets gleicher Gewissenhaftigkeit. Die Meßkunde zog von dieser Thätigkeit Hansen’s ihrerseits Vortheil: die Verbesserungen, welche er an dem für Arealberechnungen in kurzer Zeit unentbehrlich gewordenen Planimeter einführte, haben seinen Namen mit diesem sinnreichen Instrumente in dauernde Verbindung gebracht. Eine Reihe von Jahren hindurch hat sich H. in hervorragender Weise und mit aufopferndem Eifer an den Arbeiten der europäischen Gradmessung betheiligt. Von der Herzogl. Landesregierung zu ihrem [539] Commissar ernannt, hat er lange das Präsidium der „Permanenten Commission“ geführt, bis ihn seine Gesundheit zum Ausscheiden veranlaßte. Ebenso ist er bei den umfangreichen Vorarbeiten zur Beobachtung des Venusdurchgangs, dessen Eintritt er nicht mehr erleben sollte, als Vorsitzender der vom Deutschen Reiche dafür berufenen Commission thätig gewesen. Beide wissenschaftliche Unternehmungen gaben ihm, wie bereits erwähnt, Anlaß zur Ausarbeitung ebenso ausgedehnter wie werthvoller theoretischer Untersuchungen.

Die Sternwarte auf dem Seeberge bewohnte er von 1825–39. Da dieselbe jedoch in Einrichtung und Ausstattung den Forderungen der Wissenschaft nicht mehr völlig entsprach und gegen die zerstörende Kraft der Witterung schutzlos dastehend, trotz der angewandten Kosten auf längere Dauer nicht rechnen konnte, so verlegte H. mit herzoglicher Genehmigung seine Wohnung nach der Stadt Gotha und baute sich in der südlichen Vorstadt ein eigenes Haus mit kleiner Privatsternwarte, auf welcher der Meridiankreis aufgestellt wurde. Diese bildete von 1842–57 den Schauplatz seiner Arbeiten, bis es gelang, den Bau der neuen herzoglichen Sternwarte ins Werk zu setzen und zu vollenden, welche, obschon in mäßigem Umfange, nach Hansen’s Angaben auf das Zweckmäßigste eingerichtet worden ist und mehrfach selbst größeren Anstalten als Muster gedient hat. Zu den früher auf dem Seeberge befindlichen Instrumenten, wie dem Ertel’schen Meridiankreis, dem Ramsden’schen Passageninstrument, dem Fraunhofer’schen Heliometer, dem Reichenbach’schen Theodoliten etc. kam jetzt ein von Repsold gebautes sechsfüßiges Aequatoreal, mit Steinheil’schem Objective und einer von H. angegebenen Aequilibrirung der Declinations- und Stundenaxe versehen, sowie der wesentlich nach Hansen’s Vorschriften von Ausfeld ausgeführte galvanische Registrirapparat.

Obwol in Gotha keine Hochschule ist, hat doch eine große Anzahl Astronomen Hansen’s mündliche Unterweisung genossen und unter seiner Leitung gearbeitet; er scheute kein Opfer an Zeit und Mühe und übte die liebenswürdigste Geduld, um würdige Schüler für seine Wissenschaft zu bilden. – Bei seiner Berufung nach Gotha 1825 wurde er zum Professor ernannt und im J. 1828 verheirathete er sich mit der ältesten Tochter des Herzoglich Gotha’schen Oberforstmeisters Braun. Seine anfängliche Besoldung von kaum 600 Thalern nöthigte ihn eine Reihe von Jahren Rechnungen von Ephemeriden etc. für dänische und englische Rechnung zu übernehmen, doch mit der Zeit besserten sich seine äußerlichen Verhältnisse, wozu verschiedene Rufe nach außerhalb beitrugen. Solche hatte er im J. 1839, wo er zum Nachfolger Struve’s in Dorpat, 1847, wo er zum Nachfolger Bessel’s in Königsberg designirt war, 1857 wünschte man ihn für Kopenhagen zu gewinnen und noch im J. 1866 wurde ihm Seitens der Berliner Akademie die Stelle ihres Astronomen angetragen. An Anerkennung fehlte es ihm in seiner gelehrten Laufbahn nicht, die Universität Jena verlieh ihm 1844 die Würden eines Doctor der Philosophie honoris causa, 1847 erhielt er den Hofrathstitel, später den Ernestinischen Hausorden, 1860 wurde er zum Geheimen Regierungsrath und vortragenden Rath für Landesvermessung im Herzogl. Staatsministerium ernannt. Die Mehrzahl der gelehrten Körperschaften in Deutschland und dem Auslande haben ihn zu ihrem Mitgliede erwählt. Der Berliner Akademie gehörte er seit 1832 als correspondirendes, seit 1865 als auswärtiges Mitglied an, der im J. 1846 in Leipzig gegründeten Königl. Sächs. Gesellschaft der Wissenschaften, in deren Schriften er einen großen Theil seiner Arbeiten veröffentlicht hat, seit ihrem Bestehen. Er war ferner Mitglied der Akademieen von Petersburg, Kopenhagen, London (Royal Society und Royal Astronomical Society), Paris, Göttingen, Upsala, Rom, München, Stockholm, Brüssel, Helsingfors etc. Von London empfing er 1842 die Newton Medal, [540] 1850 die Copley Medal, 1860 wiederum die Newton Medal. – Ebenso wurden ihm vom Inlande und Auslande, wie von Dänemark, Belgien, Rußland, Schweden etc. zahlreiche hohe Orden verliehen; den Rittern des Königl. Preuß. Ordens pour le mérite gehörte er seit 1867 an.

Unverbrüchliche Wahrheitsliebe war der Grundzug seines Charakters; was er als wahr erkannt, dafür trat er mit der Energie wissenschaftlicher Ueberzeugung ein, unbekümmert darum, ob diese Ueberzeugung von Anderen getheilt werde oder nicht, und es war ihm zuweilen schwer verständlich, wie eine andere ehrliche Meinung der seinigen entgegengesetzt sein konnte. Nicht leicht war es überhaupt ihn für das Eingehen auf Vorstellungen zu gewinnen, die von den seinigen abweichend waren. Dadurch kam es theilweise, daß in literarischen Fehden, die ihm nicht erspart blieben, Mißverständnisse entstanden, welche mit einer gewissen Bitterkeit ausgesprochen zu persönlichen Angriffen führten, wodurch freundschaftliche Verhältnisse gelockert wurden.

Da H. weder Gymnasium noch Universität besucht und überhaupt die systematische Bildung einer höheren Lehranstalt hatte entbehren müssen, so verdankte er alle die vielseitigen Kenntnisse, die er erworben, seinem unermüdeten Fleiße und heißen Wissensdrang. Die unvollkommenen Kenntnisse in den Sprachen, die ihm der Schulbesuch vor der Confirmation gewährt, wußte er später mit erfolgreicher Energie zu ergänzen, wie seine lateinisch und französisch geschriebenen Schriften bekunden. Horaz und Homer pflegte er noch im späteren Alter aus dem Gedächtniß zu citiren; die englische Sprache war ihm nicht fremd und selbst vor den Anfangsgründen der russischen schreckte er nicht zurück. Der Autodidakt wurzelt um so fester in dem Boden, den er sich selbst gegraben und pflegt äußeren Einflüssen um so weniger zugänglich zu sein. So besaß auch Hansen’s schriftliche Ausdrucksweise gewisse charaktervolle Eigenthümlichkeiten, und zwar nicht blos, wenn er sich fremder Sprachen bediente, sondern auch im Deutschen, das ihm zugleich mit dem Dänischen Muttersprache war. Daher ist zu erklären, daß für die Anwendung gewisser conventioneller Nüancirungen, die der Sprachgebrauch der neueren Zeit angenommen hat, er des vollen Verständnisses entbehrte, und daß zuweilen Andere sich durch Wendungen in seinen Schriften glaubten verletzt fühlen zu dürfen, denen eine verletzende Absicht fern gelegen war.

Das Gepräge der Originalität, welches allen Schriften Hansen’s anhaftet, hat namentlich in früheren Jahren das Studium derselben für Solche, welche mit der Handhabung der höheren Mathematik nicht hinlänglich vertraut waren, einigermaßen erschwert; in seinen späteren Schriften hat sich ihr Verfasser sichtlich bemüht, durch größere Ausführlichkeit in der Darstellung auch dem Mindergeübten das Verständniß zu erleichtern. Allenthalben aber erkennt man die Unabhängigkeit seines Gedankenganges; er war erfindungsreich genug, um auch in schon von Anderen betretenen Gebieten seinen eigenen Weg sich zu bahnen, und sah sich namentlich in späteren Jahren durch Mangel an Zeit und durch den Zustand seiner Augen in der vollständigen Verfolgung der fremden wissenschaftlichen Literatur einigermaßen beschränkt.

Hansen’s äußere Erscheinung besaß etwas in hohem Grade Imponirendes; die stattliche Gestalt mit dem vollen, frühzeitig gebleichten Haupthaar verfehlte nicht eines ehrfurchtgebietenden Eindruckes. Haltung und Gesichtsbildung bekundeten seine geistige Bedeutung, auch in der gewöhnlichen Unterhaltung erkannte man leicht, daß sein Urtheil auf gereifter Ueberlegung beruhte. Seinen gewöhnlichen Freunden war er in unveränderlicher Treue und Anhänglichkeit zugethan; seine dankbare Verehrung Schumacher’s reichte bis über dessen Tod hinaus, in umfangreicher Correspondenz machte er denselben rückhaltlos zum Vertrauten seiner wissenschaftlichen Conceptionen und Arbeiten, und schätzte den [541] Rath des bewährten Freundes auch in den Angelegenheiten des Lebens hoch. – Für Musik bewahrte er bis in die letzten Tage seines Lebens warmes Interesse und erfreute sich, wie früher am Clavierspiele, so später an einem trefflichen Harmonium; Erholung fand er auch zuweilen am Schachspiele. Für Naturschönheiten besaß er keine ausgebildete Empfänglichkeit, wenigstens wurde ihm der Genuß derselben durch Kurzsichtigkeit und die Eigenthümlichkeit seiner Augen, Roth und Grün nicht unterscheiden zu können, sehr geschmälert. Der Aufenthalt in den romantischen Berggegenden des nahen Thüringer Waldes schien den am flachen Meeresstrande Aufgewachsenen eher zu bedrücken als anzuziehen. In seiner Familie war er der sorgsamste Gatte und Vater, hochbetagt wußte er mit seinen Enkeln und Enkelinnen in der liebevollsten Weise zu verkehren. Die Vorliebe zur Beschäftigung mit mechanischen Arbeiten und Constructionen, in denen er wohlthuende Abwechselung und Zerstreuung nach anhaltender wissenschaftlicher Thätigkeit suchte und fand, hat ihn bis in seine letzten Lebensjahre begleitet.

Bewunderungswürdig war bei H. die Rüstigkeit des Körpers und Geistes bis in das hohe Greisenalter und geradezu unübertroffen die bis in seine letzten Lebenstage ungeschwächte schriftstellerische Produktivität. Regelmäßige körperliche Bewegung bedurfte und suchte er nicht, Reisen unternahm er namentlich in späteren Jahren nur ungern. England hat er zweimal besucht, hauptsächlich um die Herausgabe seiner Mondtafeln zu fördern, bei der 25jährigen Jubelfeier der russischen Nicolai-Hauptsternwarte in Pulkowa 1864 erfüllte er durch seine Gegenwart einen innig gehegten Wunsch der hochverdienten Dirigenten jener großartigen Anstalt und besuchte zugleich seine in Pulkowa verheirathete Tochter.

Seine letzten Lebensjahre wurden durch ein Augenleiden getrübt, welches ihn zu seiner größten Betrübniß zum Lesen unfähig machte und ihm selbst das Schreiben erschwerte. In den letzten Monaten trat ein Leberleiden hinzu, dessen raschen Fortschritten der Körper im 79. Lebensjahre erliegen sollte. Nachdem noch Anfang März der Schluß des Manuscriptes über die Theilungsfehler eines gradlinigen Maßstabes niedergeschrieben und zum Druck befördert, fand am 28. März 1874 eine Gelehrtenlaufbahn ihr Ziel. Ihn überlebte nach 46jähriger glücklicher Ehe die Gattin und von den vier Söhnen und drei Töchtern zwei Söhne, welche beide dem Maschinenfache sich gewidmet haben, zwei Töchter und drei Schwiegersöhne, der 1878 verstorbene amerikanische Gesandte Bayard Taylor, der Vicedirector der Pulkowaer Sternwarte Wagner und der Chef der berühmten mechanischen Anstalt Joh. Repsold in Hamburg.

Vergl. Nekrolog von Scheibner: Peter Andreas Hansen, Vierteljahrschrift der astron. Gesellschaft, X. Jahrgang, Leipzig 1875.