ADB:Ertel, Traugott Leberecht von

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Ertel, Traugott Leberecht von“ von Karl Maximilian von Bauernfeind in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 6 (1877), S. 331–332, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Ertel,_Traugott_Leberecht_von&oldid=- (Version vom 4. Oktober 2024, 05:37 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Ersch, Johann Samuel
Nächster>>>
Erwin von Steinbach
Band 6 (1877), S. 331–332 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Traugott Ertel in der Wikipedia
Traugott Ertel in Wikidata
GND-Nummer 116568372
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|6|331|332|Ertel, Traugott Leberecht von|Karl Maximilian von Bauernfeind|ADB:Ertel, Traugott Leberecht von}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=116568372}}    

Ertel: Traugott Leberecht von E., † am 8. Februar 1858 als Inhaber und Leiter des Reichenbach’schen mathematisch-mechanischen Instituts zu München, hatte sich durch eigene Kraft zu einem der vorzüglichsten Vertreter der praktischen Mechanik im Gebiete der Präcisionsinstrumente emporgearbeitet. Er war am 29. September 1778 zu Oberforchheim bei Freiberg in Sachsen als der Sohn eines Bergmanns und Strumpfwirkers geboren und fand vom 7. bis zum 16. Lebensjahre gegen die Verpflichtung, sich zu bäuerlichen Diensten verwenden zu lassen, bei einem in der Nähe von Freiberg ansässigen Bruder seines Vaters Verpflegung und nothdürftigen Schulunterricht. Nur mit Mühe erhielt er 1793 von diesem Oheim die Erlaubniß, in Freiberg das Gewerbe eines Zeugschmiedes erlernen zu dürfen. Nach fünffähriger Lehrzeit und hierauf erfolgter Freisprechung durchwanderte E. Oesterreich und Ungarn und trat 1804 zu Wien in das Gewerbe der Instrumentenmacher ein. Als er sich daselbst zwei Jahre lang mit der Anfertigung chirurgischer Instrumente beschäftigt hatte, ging er 1806 nach München und erhielt daselbst, auf Empfehlung des am k. k. polytechnischen Institute zu Wien wirkenden Professors Arzberger, eine Stelle als Gehülfe des bereits rühmlich bekannten mechanischen Instituts von Reichenbach. Mit rastlosem Eifer war hier E. bestrebt, die ihm noch mangelnden Kenntnisse und Fertigkeiten in Mathematik und im Zeichnen durch Privatstudium sich zu erwerben, und er hatte das Glück, sich hierbei der Unterstützung des durch seine Basismessung bekannten Professors Schiegg zu erfreuen. In Folge der so erlangten wissenschaftlichen Einsicht in den Bau und den Gebrauch der Meßinstrumente gelang der Geschicklichkeit und dem Talente Ertel’s sehr bald bessere Arbeit als seine Genossen zu liefern und sich die Zuneigung Reichenbach’s in solchem Grade zu erringen, daß dieser ihn 1815 als Theilnehmer in sein Institut aufnahm, das von nun an die Firma „Reichenbach u. Ertel“ führte. Im 1819 hatte dieses Institut die ehrenvolle Aufgabe zu lösen, die mechanische Werkstätte des polytechnischen Instituts zu Wien für die Anfertigung geodätischer und astronomischer Meßinstrumente einzurichten und die hierzu nöthigen Hülfsmaschinen zu liefern. E. erfüllte diese Aufgabe unter Reichenbach’s Leitung mit so glücklichem Erfolge, daß er auf Antrag des Directors Prechtl unter dem 30. Juni 1820 die Stelle eines Werkmeisters der mathematisch-astronomischen Werkstätte des polytechnischen Instituts mit einem pragmatischen Gehalte von 2000 fl. erhielt. Da jedoch E. in seinem eigenen Geschäfte noch mehrere bedeutende Bestellungen zu vollenden hatte, kehrte er gegen Ende des J. 1820 mit halbjährigem Urlaube nach München zurück, ohne wieder in seine amtliche Stellung in Wien einzutreten; denn Reichenbach, der unterdessen zum Director des baierischen Brücken- und Straßenbauwesens ernannt worden war, wollte seine industrielle Thätigkeit selbst auf die Gefahr hin aufgeben, daß Baiern ein so vorzügliches Institut wie das seinige verlieren würde. Dieser Umstand und das Zureden von Freunden, worunter Fraunhofer, bestimmten E., das ihm schon theilweise gehörige Institut ganz auf eigene Rechnung zu übernehmen. Von da ab arbeitete er ganz selbständig und erweiterte sein Geschäft immer mehr und zwar nicht bloß in Bezug auf Präcisionsinstrumente, sondern auch in Hinsicht auf Kraft- und Arbeitsmaschinen, wie Prägwerke, Pumpen, hydraulische Pressen, Feuerspritzen etc., wofür er verbesserte Einrichtungen erfunden hatte. Mit mehr als hundert Arbeitern konnte er kaum den Bestellungen genügen, welche von allen Theilen der Erde einliefen und ihm die schwierigsten Aufgaben stellten. Namentlich war es Rußland, das ihn stark in Anspruch nahm, indem es seine [332] astronomischen, geodätischen und nautischen Institute mit Reichenbach-Ertel’schen Instrumenten ausrüsten ließ; aber auch die meisten Sternwarten und topographischen Bureaux in Deutschland, England, Italien, Spanien, Amerika und Australien ließen ihre Meridiankreise, Passageninstrumente, Basisapparate, Theodolithen, Spiegelkreise etc. bei E. anfertigen. Diese Bestellungen und deren Ausführung, Aufstellung und Prüfung veranlaßten eine beträchtliche Correspondenz mit den bedeutendsten Astronomen und Geodäten, und es sind deren zahlreiche Briefe an E. fast eben so viele ehrenvolle Zeugnisse für die hohe Achtung, in welcher er, der Praktiker, bei den Männern der Wissenschaft stand. An diese Zeichen der Werthschätzung reihten sich jene, welche E. von gekrönten Häuptern erhielt und wovon hier nur die baierischen und russischen Orden erwähnt werden sollen, mit deren Verleihung die Erhebung des Decorirten in den persönlichen Adelstand verbunden war. E., der sein ganzes Leben hindurch von einer wahren Frömmigkeit erfüllt war und bei allen Ehren und Geldmitteln stets die größte Einfachheit und Bescheidenheit an den Tag legte, hatte sich bereits im J. 1808 mit Katharine Rukert aus Homburg verheirathet. Aus dieser fast fünfzig Jahre andauernden glücklichen Ehe gingen sieben Kinder hervor, von denen jedoch keines mehr am Leben ist. Der älteste Sohn Georg, seit 1834 Theilnehmer und von 1858 an einziger Besitzer des väterlichen Geschäftes, verstand es dessen guten Ruf zu erhalten. Als aber auch er (1863) im schönsten Mannesalter starb und das Erbe des Vaters dem Bruder Gustav hinterließ, konnte dieses nur mehr mit fremder Hülfe geleitet werden, wie es auch jetzt, zwei Jahre nach dem Tode dieses letzten Ertel’schen Sohnes, der Fall ist und noch so lange geschehen soll, bis der einzige noch lebende Enkel das berühmte Institut seines Großvaters zu übernehmen und hoffentlich auch in dessen Geiste zu leiten im Stande sein wird.