ADB:Stralendorf, Leopold Freiherr von

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Stralendorf, Leopold Freiherr v.“ von Felix Stieve in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 36 (1893), S. 493–495, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Stralendorf,_Leopold_Freiherr_von&oldid=- (Version vom 4. November 2024, 22:36 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Strähuber, Alexander
Band 36 (1893), S. 493–495 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Leopold von Stralendorf in der Wikipedia
Leopold von Stralendorf in Wikidata
GND-Nummer 13354477X
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|36|493|495|Stralendorf, Leopold Freiherr v.|Felix Stieve|ADB:Stralendorf, Leopold Freiherr von}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=13354477X}}    

Stralendorf: Leopold Freiherr v. St. stammte aus altem mecklenburgischen Rittergeschlechte. Ueber seine Eltern, Ulrich v. St. zu Prenberg und eine v. Oertzen, sowie über seine Jugend ist nichts bekannt. Durch den Jesuiten Lambert Auer vom Protestantismus zum Katholicismus übergeführt, trat er – vermuthlich kurz nachher – im Anfange der siebziger Jahre in den Dienst des Kurfürsten von Mainz. 1574 wurde er dessen Oberamtmann auf dem Eichsfelde und leitete dort die gewaltsame Unterdrückung des Protestantismus. In der Folge mehrte sich das Vertrauen, welches er genoß, so sehr, daß er noch eine zweite Amtmannschaft erhielt und eine hervorragende Stellung am kurfürstlichen Hofe einnahm. Am 8. Juli 1576 heirathete er Margaretha v. Dermbach, die Schwester des wenige Tage vorher der Regierung beraubten Fürstabtes Balthasar von Fulda. Bemühungen um die Wiedereinsetzung seines Schwagers sollen ihm später Gelegenheit gegeben haben, sich am Prager Hofe beliebt und dem Kaiser Rudolf II. bekannt zu machen. Auf dessen Andringen siedelte er im Juni 1603 nach Prag über und wurde im folgenden Monate in den kaiserlichen Geheimrath eingereiht. Bald erlangte er großen Einfluß auf die Geschäfte und das Vertrauen Rudolf’s. Daher wurde er, obwol er sich wegen seines hohen Alters und seiner Kurzsichtigkeit sträubte, am 22. November 1605 zum Reichsvicekanzler ernannt. Als solcher hatte er die Angelegenheiten des deutschen Reiches zu bearbeiten, doch bediente sich der Kaiser seiner auch fernerhin noch oft in eigenen Sachen und namentlich in den Händeln mit den aufständischen Ungarn und seinem Bruder Matthias. Stetiger als Andere wußte St. die [494] Gunst des geisteskranken Kaisers zu bewahren und zwar nicht, indem er dessen Launen schmeichelte, sondern vermuthlich deshalb, weil er ein gerader und aufrichtiger Mann war und ihm durch seine kirchliche Gesinnung und seinen Eifer für das kaiserliche Ansehen eine Haltung gegeben wurde, welche den Wünschen Rudolf’s entsprach. Im J. 1607, wo er dessen Gunst mehr als irgend Jemand genoß, wurde er mit der erblichen Freiherrnwürde begabt und in den böhmischen Herrenstand aufgenommen. Nachdem aber Rudolf genöthigt worden war, einen Theil seiner Lande an Matthias abzutreten, gab St. seine feindselige Haltung gegen diesen auf und suchte die Versöhnung der Brüder zu bewirken, welche ihm um der kaiserlichen Macht und der katholischen Religion willen nothwendig erscheinen mochte. Hierdurch verlor er die Gunst des rachedürstenden Kaisers und er dürfte je länger desto weniger auf den Gang der Verwicklungen, welche aus dem Zerwürfnisse der Brüder erwuchsen, einzuwirken vermocht haben. Auch in Bezug auf die Reichsangelegenheiten verminderte sich seitdem sein Einfluß, doch behauptete er immerhin den seinem Amte entsprechenden Antheil an denselben, zumal er neben dem Geheimrath Hannewald der Einzige unter den Ministern des Kaisers war, welcher von den Reichsverhältnissen gründliche Kenntniß besaß. Ihm und Hannewald schrieb die protestantische Bewegungspartei die ihr feindliche und der katholischen Restaurationspartei günstige Richtung der kaiserlichen Politik zu, und Thatsache ist, daß diese von ihnen wesentlich gefördert wurde. St. handelte dabei seiner entschieden katholischen und kaiserlichen Gesinnung gemäß, indeß war diese keine leidenschaftliche und rücksichtslose. Mit dem Führer der katholischen Restaurationspartei, dem Herzog Maximilian von Baiern, unterhielt er lediglich die in seinen Amtsgeschäften begründeten Beziehungen, dagegen pflog er mit dem vermittelnden Kurfürsten Johann Schweikhart von Mainz, wie es scheint, vertraulichen Briefwechsel und stand auch mit Kursachsen auf gutem Fuße. Die Anschauungen, welche er in langjähriger Thätigkeit am Mainzer Hofe aufgenommen hatte, mochten nachwirken und die Kenntniß der Unentschlossenheit Rudolf’s II. sowie der Zerrüttung der kaiserlichen Macht mußte seiner Einsicht gebieten, seinem Eifer Zügel anzulegen. Andererseits ließ er sich aber auch nicht durch das Verlangen nach eigenem Vortheil beirren. Er zeigte sich im kaiserlichen Dienste ungemein geldgierig und trachtete so sehr nach „Verehrungen“ von Allen, welche geschäftlich mit ihm zu thun hatten, daß er, obgleich das Geschenkenehmen damals ganz gebräuchlich war, großen Anstoß erregte und 1610 behauptet wurde, er habe in den fünf Jahren seines Vicekanzleramtes den Werth von 200 000 Thalern erworben. Es ist jedoch trotzdem kein Beispiel bekannt, daß er sich durch Bestechung habe verleiten lassen, seiner Ueberzeugung zuwider zu handeln. Das Lob eines „ehrlichen Deutschen“, welches ihm von verschiedenen, wohlunterrichteten Männern gespendet wurde, dürfte er nach den Anschauungen seiner Zeit nie verwirkt haben. Das berüchtigte Gutachten über die Jülicher Erbfolge, welches nachmals unter seinem Namen verbreitet wurde, ist eine brandenburgische Fälschung. Mit dem Tode Rudolf’s II. erlosch im Januar 1612 sein Amt und wahrscheinlich starb er bald darauf, wenigstens erscheint er, nachdem das Zwischenreich geendet hatte, nicht wieder in Thätigkeit. Von den zahlreichen Kindern, welche er erzeugt hatte, überlebten ihn nur zwei Söhne. Der eine, Wolfgang Leopold, bekleidete, wie es scheint, kein Amt und seine aus der Ehe mit einer polnischen Gräfin Rostrohow gewonnenen Nachkommen starben, ohne das Geschlecht fortzupflanzen. Der andere, Peter Heinrich, schlug unter der Leitung seines Vaters dessen Laufbahn ein. Er wurde schon Mitte 1605, also gewiß in sehr jungen Jahren, Reichshofrath und blieb es, bis ihn Kaiser Ferdinand II. im J. 1624 zum Reichsvicekanzler und Geheimrath ernannte. Diese Stellung behielt er bis zu seinem Tode, versah daneben zeitweise auch das [495] Amt eines Reichshofrathsvicepräsidenten und wurde mehrfach als Bevollmächtigter zu Verhandlungen im Reiche entsendet, obgleich die Gicht seit 1630 seine Füße lähmte. Er galt als der gründlichste Kenner des Reichsrechts und wurde wie wegen seiner Klugheit so wegen seiner Rechtschaffenheit hoch gerühmt. Seinen Eifer für die kaiserliche und katholische Sache bewährte er, indem er dem Kaiser 36 000 Ducaten für den Krieg beisteuerte. Ueber seinen Einfluß auf die hochwichtigen Verfügungen, welche unter seiner Geschäftsführung auf dem Gebiete der Reichsverfassung getroffen wurden, ist jedoch bis jetzt nichts bekannt und er tritt am kaiserlichen Hofe überhaupt nicht hervor. Er starb am 13. Februar 1637 unverheirathet.

Mallinkrodt, De archicancellariis, 1715. – Khevenhiller, Conterfet-Kupferstich II, 102. – Zedler’s Universallexikon XL., 450. – Heppe, Die Restauration des Katholicismus in Fulda u. s. w., 1850. – v. Egloffstein, Fürstabt Balthasar von Dermbach, 1890. – Stieve, Briefe und Acten z. Gesch. des 30jähr. Krieges V. – Derselbe, Ursprung des dreißigj. Krieges I. – Derselbe, Das Stralendorfische Gutachten, in Sitzungsber. der hist. Cl. der bair. Akad. d. W. 1883 und „Nachwort“ dazu, das. 1886. – F. Meinecke, D. Str. Gutachten in Märkische Forschungen XIX. – Ungedruckte Acten.