ADB:Johann Schweikard von Cronberg

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Artikel „Johann Schweikart von Kronberg“ von Felix Stieve in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 14 (1881), S. 236–239, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Johann_Schweikard_von_Cronberg&oldid=- (Version vom 8. Oktober 2024, 15:31 Uhr UTC)
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Johann Schweikart von Kronberg, Kurfürst von Mainz. Geboren am 15. Juli 1553, † am 17. September 1626. Seine Familie gehörte zu den ältesten Geschlechtern des Mainzer Erzstiftes. Sie leitete sich von Rudolf, einem Bruder der Gemahlin Kaiser Ludwigs des Frommen, Judith, ab und blühte nachweislich schon im 13. Jahrhundert. Der Großvater Hartmut X. war ein eifriger Anhänger Luther’s und stand in enger Verbindung mit Franz v. Sickingen, welche ihm den Verlust seines Stammschlosses zuzog, das er erst 1541 von Landgraf Philipp von Hessen zurückerhielt. Sein dritter Sohn Hartmut XI., der in zweiter Ehe mit Margaretha Brendel von Homburg, der Schwester des Kurfürsten Daniel von Mainz, vermählt war, wurde kurmainzer Marschall, Großhofmeister und Oberamtmann zu Höchst und Hofheim und starb als solcher am 3. Mai 1591. Dessen und der Barbara v. Sickingen dritter Sohn war J. S. Sein ältester Bruder Franz starb als Amtmann zu Höchst am 22. Febr. 1605, der zweite, Hartmut als Kurmainzer Rath und Oberamtmann zu Höchst, Hofheim, Lohr und Rheineck am 21. Juni 1606, der jüngste Johann Georg als Kurmainzer Rath und Oberamtmann zu Höchst und Hofheim am 9. Juli 1605. Zum geistlichen Stande bestimmt, wurde J. S. in früher Jugend durch den Einfluß seines Vaters ins Mainzer Domcapitel aufgenommen, 1564 Domicellar desselben und 1566 Stiftsherr von S. Alban in Mainz. Dann wurde er ins Collegium Germanicum nach Rom geschickt, wo er seine wissenschaftliche Ausbildung erhielt und sich namentlich mit dem Jesuiten Johann [237] Busaeus, der sich nachmals als Theologe der Mainzer Universität einen Namen machte, befreundete. Gleich nach seiner Rückkehr bewirkte der päpstliche Legat, Cardinal Morone im J. 1576 seine Ernennung zum Propste des Stiftes St. Peter vor Mainz, welche Würde er jedoch 1589 niederlegte. 1582 wurde er Domcapitular und schon am 3. März wählte man ihn zum Scholaster, bald danach zum Dechanten. 1588 wurde er Propst von St. Alban, 1595 Propst des Marienstiftes und Dechant des Martinsstiftes zu Mainz und 1599 Kämmerer des weltlichen Gerichtes der Bischofstadt. Nachdem Kurfürst Johann Adam v. Birken gestorben, wurde J. S. am 17. Februar 1604 gegen wenige Stimmen, welche auf Bischof Julius von Würzburg fielen, zum Nachfolger erwählt. Kaiser Rudolf II. hatte sich für ihn verwandt und die Mehrheit mochte außer durch seine Familienverbindungen und das Ansehen, welches er selbst bereits gewonnen hatte, auch dadurch zu seiner Erhebung bestimmt worden sein, daß er im Gegensatze zu Johann Adam und Bischof Julius in kirchlicher Hinsicht der gemäßigten Richtung angehörte, daß Julius um seines schroffen Restaurationseifers willen gefürchtet und den Protestanten verhaßt war und daß die Vereinigung zweier Bisthümer in der Hand des Mainzer Kurfürsten unzuträglich erschien. Nachdem die päpstliche Bestätigung erfolgt war, empfing J. S., der schon vorher Priester geworden, im November 1604 die Bischofsweihe. Am 19. Juli 1605 belehnte ihn der Kaiser. Die evangelischen Reichsstände begrüßten ihn mit Freude als einen friedfertigen, versöhnlichen und auswärtigen Praktiken abgeneigten Mann. Die eifrigen Anhänger der Restaurationspartei dagegen empfingen ihn mit Mißtrauen, da sie ihn nicht als Einen der Ihrigen betrachteten und ihn dem Einflusse seiner protestantischen Verwandten zugänglich glaubten. In der That entsprach er ihren Wünschen nicht. In seinen eigenen Gebieten führte er allerdings die von seinen Vorgängern begonnene und weit geförderte Restauration vollends durch, und unterstützte die Ausbreitung der beiden Orden, welche die eifrigsten Vorkämpfer jener waren; den Kapuzinern ermöglichte er 1612 in Mainz, 1620 in Aschaffenburg die Gründung eines Klosters, den Jesuiten half er 1615 zu Erfurt, 1621 zu Aschaffenburg ein Colleg errichten. Schroffe Maßregeln vermied er jedoch und im Jahre 1618 gestand er sogar der Stadt Erfurt – allerdings erst nach langen Kämpfen – durch einen Vertrag freie Glaubensübung zu. In Bezug auf die Reichsangelegenheiten zeigte er sich als eifrigen Katholiken und er wollte die Rechte seiner Kirche voll gewahrt wissen, aber zugleich hoffte er den politischen Zwiespalt zwischen Protestanten und Katholiken ausgleichen und durch persönlichen Verkehr mit den Gegnern, durch gemüthliches Hin- und Herreden mit ihnen und durch Vermeidung jedes sie herausfordernden Schrittes ein freundliches Einvernehmen herstellen zu können. Nachdem die Kurpfälzer sein Vertrauen mehrmals getäuscht und für ihre Zwecke ausgebeutet hatten und nachdem sie in offenen Gegensatz zur Reichsverfassung getreten waren, wandte er sich freilich von ihnen ab und ihr weiteres Vorgehen erfüllte ihn allmählich mit Erbitterung gegen sie und ihre Parteigenossen, indeß blieb er den lutherischen Reichständen gegenüber stets seiner versöhnlichen Gesinnung und seinen vermittelnden Bestrebungen getreu; ja wie er sich nur schwer durch Herzog Maximilian von Baiern für die Liga gewinnen ließ, so war er auch in der Folge stets bemüht, den Ausbruch des Kampfes mit der Actionspartei hintanzuhalten und, nachdem derselbe erfolgt war, Maßregeln, welche die Herstellung des Friedens erschweren konnten, zu verhüten oder zu mildern. Entsprechend der Ueberlieferung und der Bedeutung seines Reichserzkanzleramtes und beeinflußt durch die Gesinnung, welche in der Ritterschaft gegenüber der überwuchernden Territorialgewalt der Fürsten lebendig war, stellte er die gemeinsamen Interessen des Reiches allen anderen voran. [238] Mit lebendigem nationalem Gefühle hing er am Vaterlande. Es empörte ihn, daß Heinrich IV. von Frankreich sich in den jülicher Erbstreit mischte und daß die Unirten damals und später die Hülfe von Fremden anriefen, und ebenso mißbilligte er entschieden die Festsetzung der Spanier in der Pfalz. Dem Kaiser war er als dem Oberhaupte des Reiches mit warmer Treue ergeben. Er entsetzte sich, als ihm angesonnen wurde, zur Beseitigung Rudolfs II. mitzuwirken, denn dies erschien ihm als Frevel an der höchsten Obrigkeit und an der Würde des Reiches. Die Erhebung des Erzherzogs Matthias verdammte er von diesem Standpunkte aus unbedingt und derentwegen, sowie weil Matthias in den österreichischen Landen die katholische Kirche zu Gunsten der Protestanten beeinträchtigte, willigte er nur nach langem Widerstreben in dessen Wahl zum Kaiser. Gegen Khlesl, welchen er für den Anstifter der Empörung des Matthias hielt, hegte er bittere Abneigung, die sich steigerte, als derselbe die Absicht verrieth, der Reichsverfassung und dem Religionsfrieden zuwider der protestantischen Actionspartei Zugeständnisse zu machen. Dieser Groll gegen den leitenden Minister ließ den Kurfürsten auch dessen Herrn gegenüber eine kühle Haltung bewahren. Mit dem ganzen Eifer seiner Reichstreue stand er dagegen wieder zu Ferdinand II., von dessen Wahl und Sieg er den Fortbestand des Reiches und der katholischen Kirche abhängig erachtete. Sein ganzes Leben hindurch, auch durch sein hohes Alter nicht gehemmt, widmete er sich rastlos den politischen Angelegenheiten. Zahlreiche und ausgedehnte Schriftstücke verfaßte er mit eigener Hand, mit nicht wenigen Fürsten stand er in regem Briefwechsel und den Befehlen, die er an seine auf Reichsversammlungen entsendeten Räthe richtete, fügte er gar häufig erläuternde Schreiben oder Nachschriften hinzu. Er liebte es, Ausführungen in Gutachten und Briefen, die seine Aufmerksamkeit in Anspruch nahmen, mit eigenhändigen Bemerkungen zu begleiten und die ihm von fremden Gesandten gehaltenen Vorträge oder seine eigenen Betrachtungen über die politische Lage aufzuzeichnen. Während ernster Verwickelungen erhob er sich bisweilen mitten in der Nacht, um seine Gedanken für sich oder für seine Räthe niederzuschreiben. Unheil, welches Reich und Kaiser bedrohte, ging ihm so sehr zu Herzen, daß er nicht essen konnte. Der Trefflichkeit seiner Gesinnung und seiner Absichten und der unermüdlichen Vielgeschäftigkeit seines Wirkens fehlte indes die Unterstützung eines klaren, in den Kern der Dinge eindringenden Urtheils. Obwol sonst ein Mann von Geist und Verstand, ermangelte er des politischen Blickes gänzlich und die gutmüthige Beschränktheit, welche ihm in der Auffassung und Behandlung der großen Gegensätze in Deutschland und in Europa eigen war, ließ ihn niemals die Führerschaft der katholischen Partei, zu welcher er durch seine Stellung berufen war, erlangen und nicht selten das Eintreten von Ereignissen, welche seinen Wünschen geradezu entgegengesetzt waren, befördern. Die rückhaltlose, seiner Schreiblust ebenbürtige Redseligkeit aber, womit er seine Ansichten in Andere hineinzusprechen suchte, war den Gegnern oft von Nutzen und beeinträchtigte sein Ansehen. – Ueber seine innere Regierung besitzen wir keine Nachrichten, doch wird von ihm gerühmt, daß er „unangesehen zu seiner Zeit die schweren Kriege in Deutschland angefangen, seine Länder so wohl regiert, daß sie mehr auf- als abgenommen“. Im J. 1623 erwarb er dem Kurfürstenthume die Bergstraße zurück, welche einer seiner Vorgänger dem Kurfürsten von der Pfalz verpfändet hatte. Ob der Vorwurf, der ihm gemacht wurde, daß er vor allem auf die Bereicherung seiner Verwandten bedacht sei, begründet ist, läßt sich nicht feststellen. Seine wohlwollende und herablassende Milde gewann ihm die Liebe seines Hofes und seiner Unterthanen. Künstlern und Gelehrten war er ein freigebiger Gönner. Vor allem wandte er seine Neigung der Baukunst zu. Die Befestigungen von [239] Mainz verstärkte er durch eine Schanze, die lange seinen Namen trug, und in Aschaffenburg ließ er das prachtvolle Schloß errichten, welches noch jetzt die Stadt schmückt und so sehr die Bewunderung seiner Zeit erregte, daß Gustav Adolf als dessen einzigen Fehler die Unmöglichkeit, es gleich so vielen anderen Schätzen der deutschen Kunst nach Schweden hinüberzuführen bezeichnete und Wrangel sich in der Heimath ein Schloß genau nach dem Aschaffenburger Vorbilde erbauen ließ. In seinem Privatleben war J. S. einfach und sittenstreng und obwol ein Freund heiteren Verkehrs, huldigte er nicht dem gewöhnlichen Laster seiner Zeitgenossen, dem Trunke. Er setzte seinen Ehrgeiz darein, Fürst im vollen Sinne des Wortes zu sein und er darf, wenn auch nicht unter den Bedeutendsten, so doch unter den Besten seiner deutschen Zeitgenossen eingereiht werden.

G. Helwich, Genealogie derer von Kronberg, Mainz 1625; J. M. Humbrecht, Reichsfreie rheinische Ritterschaft; Häberlin, Neue teutsche Reichsgesch., XIV. 594, XXIV. 264; Danielis Eremitae Iter Germanicum Jäck in der Realencyklopädie von Ersch und Gruber, II. 21, S. 388 ff. u. die dort angeführten Quellen; Khevenhüller, Annales Ferdinandei und Kupferstich Conterfet; Briefe und Acten zur Geschichte des 30jährigen Kriegs; Wolf, Maximilian I. von Baiern; Hurter, Ferdinand II.; Ranke, Päpste; Stieve, Ursprung des 30jährigen Krieges etc. nebst noch ungedruckten Acten.