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Artikel „Spanheim, Ezechiel“ von Hermann von Petersdorff in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 35 (1893), S. 50–59, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Spanheim,_Ezechiel&oldid=- (Version vom 2. November 2024, 16:22 Uhr UTC)
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Spanheim: Ezechiel S., Diplomat und Gelehrter des siebzehnten Jahrhunderts, entstammte einer oberpfälzischen Theologenfamilie. Sein Großvater, der Doctor der Theologie und Kirchenrath beim Kurfürsten von der Pfalz Wigand S., war im Amberg’schen angesessen, ein Freund des reformirten Theologen Christian Becmann und mit der Tochter eines reformirten französischen Geistlichen, Renata Tossan, verheirathet. Sein Vater Friedrich S., † 1649 (s. u.) hat sich als Theologe einen Namen gemacht. Seine Mutter, Charlotte du Port, entstammte einer angesehenen reformirten Familie; zu ihren Vorfahren gehörte der französische Gelehrte und Münzkenner Wilhelm Budäus. Ezechiel ward als ältester unter mehreren Brüdern am 18. December 1629 (neuen Stils) geboren. Ein jüngerer Bruder, wie der Vater Friedrich mit Namen, ist gleichfalls berühmt als Professor der Theologie geworden (s. u. S. 60[WS 1]) Von zwei weiteren jüngeren Brüdern berichtet Liselotte von der Pfalz in ihrer drastischen Weise: „Sie wahren ein wenig wunderliche heilligen undt hatten einen sparen zu viel.“ Eine Schwester Ezechiel’s war an den Genfer Arzt Bonnet verheirathet.

S. kam 1642 mit 13 Jahren von seinem Geburtsort Genf nach Leyden, wohin sein Vater von der vertriebenen böhmischen Königin Elisabeth und den Generalstaaten berufen war. Er besuchte dort die Universität, studirte daselbst Humanistik sowie orientalische Sprachen und Theologie. Seine Lehrmeister waren besonders der Hellenist Salmasius (Saumaise) und der Lateiner Daniel Heinsius. Bereits mit 16 Jahren trat er mit einer lateinischen Streitschrift an die Oeffentlichkeit, in der er die von Ludwig Capellus über den Ursprung der hebräischen Buchstaben aufgestellten Ansichten bestritt. Es wird berichtet, daß er seine Behauptungen gegen den Brauch „ohne Präsidenten“ in öffentlicher Disputation vertheidigte. Später hat er jene Schrift bescheiden als ein voreiliges Werk bezeichnet, als der berühmte Gelehrte Bochart, dem er seine Schrift schickte, sich auf die Seite seines Gegners stellte. Mehrere Jahre hören wir seitdem nichts von ihm. Inzwischen war sein Vater gestorben, der ein strenger Wortführer der alten calvinistischen Richtung gewesen war und u. a. eifrig die gemäßigte Bewegung bekämpfte, die die Arminianer oder Remonstranten in den Niederlanden, unter ihnen damals Amyraldus, eingeleitet hatten. Unmittelbar nach dem Tode seines Vaters nahm der Sohn, der unterdeß die Würde eines Geistlichen erlangt hatte, die Fehde mit Amyraldus wieder auf und ließ zu Leyden (1649) eine kritische Untersuchung gegen jenen über die Gnadenwahl erscheinen. Hierdurch lenkte er die Aufmerksamkeit der Genfer Gemeinden auf sich. Der Rath von Genf wandte sich an ihn und bot ihm, dem 20jährigen, den Lehrstuhl an, den früher sein Vater inne gehabt hatte. S. nahm den Ruf an. Kurze Zeit darauf bemühte er sich auf den ausdrücklichen Wunsch der Ausländer, besonders der Deutschen, welche seine Vorlesungen hörten, beim Rath um den Titel eines Professors der Beredsamkeit, den er 1651 erhielt. In seiner Eigenschaft als solcher hat er wohl 1652 den ungewöhnlich überschwänglichen Panegyrikus auf die Königin Christine von Schweden gehalten, den er dem Pathenkind Gustav Adolf’s, dem Markgrafen Gustav Adolf von Baden-Durlach widmete. Ein der Lobrede beigegebenes Sonett beweist, daß S. auch dichtete. 1652 wurde er Mitglied des Großen Raths von Genf. Daneben übte er das Amt eines Geistlichen aus. 1655 veröffentlichte er zu Genf zwei Reden, die er als Professor der Beredsamkeit in [51] lateinischer Sprache gehalten hatte, in französischer Uebertragung „über Krippe und Kreuz unseres Herrn Jesu Christi“. Die über die Krippe (crèche) wurde später (1695) in Berlin neu aufgelegt.

Mit 27 Jahren erhielt er einen Ruf an den Hof des Kurfürsten Karl Ludwig von der Pfalz nach Heidelberg, wo er die Erziehung von dessen Sohn Karl übernahm. Die alten Beziehungen, die seine Familie seit seinem Großvater mit diesem Hofe verknüpften, wurden so wieder aufgenommen. Hier in Heidelberg warf er sich auf das Studium des deutschen Rechts, des Sachsenspiegels u. s. w. Die Frucht dieser Beschäftigung war der „Discours sur les affaires d’Allemagne et le vicariat de l’empire“ (Mai 1657, dem französischen Gesandten zum Wahltag, dem Herzog von Gramont gewidmet) sowie „Traité du Palatinat et de la dignité électorale contre les prétentions du duc de Bavière“, ebenfalls vom Jahre 1657. In diesen Schriften verfocht S. den Gedanken, daß das Reichsvicariat am Rhein, in Schwaben und im fränkischen Rechte nicht zu der früheren Kurwürde des Erztruchseßamtes, sondern zu der Pfalzgrafschaft bei Rhein gehört hätte und eröffnete damit einen publicistischen Streit, der fast ein Jahrhundert währte. Es ist klar, daß S. sich durch diese Schriften den besonderen Dank seines Kurfürsten erwerben mußte. Sie wurden der Anlaß, daß er seine theologische Laufbahn verließ und die Rolle eines Politikers zu spielen unternahm. Daneben fuhr er indeß fort, mit großem Fleiße classische Studien zu treiben und zwar widmete er sich jetzt mit Vorliebe den Griechen. Als Ergebniß seiner damaligen Forschungen, die unterstützt wurden durch die großen Sammlungen Karl Ludwig’s, der ein besonderer Liebhaber von Antiquitäten war und dem Erzieher seines Sohnes natürlich den freiesten Zutritt dazu gewährte, erschien 1660 in Octav zu Heidelberg die Schrift: „Les Césars de l’empereur Julien, traduits du grec avec des rémarques et des preuves illustrées par des médailles et autres anciens monumens“, ein Werk, das 1683 in Paris in Quartformat, 1728 in Amsterdam neu aufgelegt wurde. Zum ersten Mal begegnen wir ihm hier als Münzforscher, als welcher er in der Gelehrtenwelt nachmals so hochberühmt wurde. Er erwies sich in dieser wie in seinen späteren philologischen Schriften als das Muster eines Philologen, der streng sachlich erklärt und das Hauptgewicht auf die historische Seite legt. Freilich überwuchert bei ihm wie bei den meisten seiner gleichzeitigen großen Fachgenossen dermaßen der erklärende Theil, daß daneben der Text fast verschwindet. Seinen philologischen Werken kann indeß nicht Geist, Scharfsinn und kritisches Verständniß bestritten werden. Vor allem sind sie wahre Fundgruben classischer Gelehrsamkeit zu nennen. Sein Ruhm wuchs zusehends. Die junge Pfalzgräfin Liselotte, die Schwester seines Zöglings, bekam einen heilsamen Respect vor dem klugen Manne, und doch mochte sie ihn auch gern, denn er verstand sich auch auf gar lustige Späßchen. Bedeutsamer wurde für ihn seine Bekanntschaft mit der geistreichen Schwester Karl Ludwig’s, Sophie, der Gemahlin Ernst August’s von Hannover, die ihn in Heidelberg kennen lernte und ihm fortan im vollsten Maße ihre Gunst zuwandte. Er trat mit ihr in politischen und litterarischen Briefwechsel; im Herbst 1660, vor Antritt einer mehrjährigen Reise nach Italien, suchte er seine Gönnerin auch in Hannover persönlich auf.

Die im Jahre 1661 unternommene Reise Spanheim’s nach Italien, die er im Auftrage Karl Ludwig’s und auf eigenen Wunsch unternahm, dürfte mehrere politische Ziele verfolgt haben. Einmal galt es in Rom die Ziele der katholischen deutschen Fürsten kennen zu lernen und Beziehungen mit dem päpstlichen Stuhle anzuknüpfen, andrerseits wollte man pfälzischerseits auch wohl den Versuch machen, wieder in den Besitz der geraubten Heidelberger Bibliothek zu gelangen. [52] In Rom lernte S. die Königin Christine von Schweden kennen, bei der er seit seinem Panegyrikus von 1652 begreiflicherweise in angenehmer Erinnerung stand. Sie hieß ihn in dem Kreise berühmter Gelehrten, der sie umgab, willkommen und gewährte ihm Zutritt zu ihren großartigen Sammlungen und zu ihrer Bibliothek zu jeder Zeit. Hier in Rom war es denn auch, wo S. an der Hand jener Sammlungen Muße und Gelegenheit fand, sein berühmtestes Werk zu schreiben, das für alle Zeiten ein Denkmal staunenswerther Gelehrsamkeit bilden wird: seine „Dissertationes de praestantia et usu numismatum antiquorum“, die zuerst in Rom 1664 in Quartformat erschienen, dann in Paris 1671 ebenfalls in Quartformat, sodann in London und Amsterdam 1706 und 1717 auf zwei Foliobände vermehrt neu aufgelegt wurden. Er beabsichtigte in diesem umfangreichen, mit vielen Abbildungen von Medaillen und Münzen ausgestatteten Werke ein System der Münzwissenschaft zu geben und legte damit in der That in gewissem Sinne den Grund zu der Münzwissenschaft, obwohl die Schrift manche Breiten und unfruchtbare Erörterungen enthält. So ist es charakteristisch für ihn und für die ganze Zeit, daß er es der Mühe für werth hielt, sich in der denkbarsten Ausführlichkeit mit M. Gudius darüber zu streiten, ob die Münzen oder die Inschriften größeren Werth für die Alterthumskunde hätten. Gewidmet war das epochemachende Buch seiner Gönnerin, der Königin Christine. Zu den zahlreichen Freundschaften, die er schon früher mit gelehrten Zeitgenossen geknüpft hatte – so unterhielt er u. a. mit Nicolaus Heinsius, dem Sohn seines Lehrers, einen Briefwechsel – traten in jener Zeit mancherlei neue Bekanntschaften. Besonders schloß er sich in Rom an Octavius Falconarius († 1676) an. Von Rom reiste er nach Neapel, Sicilien, Malta. Auch lernte er Florenz kennen, auf seiner Rückreise nach Deutschland Anfang 1665 auch Venedig. Den Heimweg trat er im Herbst 1664 mit der Herzogin Sophie von Hannover über Mailand an, der er ein höchst angenehmer Unterhalter war, wie sie nicht oft genug an ihren Bruder schreiben konnte. Bei der Reise über den St. Gotthard im März 1665 verkürzte er der Fürstin und ihren Begleitern die Zeit durch Vorlesen des Rabelais.

Kaum war S. in Heidelberg wieder angelangt, wo inzwischen Samuel Pufendorff seinen Lehrstuhl aufgeschlagen und eben seine gewaltige Schrift de statu imperii Germanici vollendet, aber noch nicht herausgegeben hatte, so verwandte ihn Karl Ludwig von neuem in Geschäften. 1666 machte er eine Reise nach Paris im Interesse seines Gebieters. Damals lernte er Esaias Pufendorff, den älteren Bruder Samuel’s, kennen, der zu jener Zeit schwedischer Gesandtschaftssecretär und in Begleitung des Grafen Königsmarck war. Zurückgekehrt von Paris erkrankte er auf den Tod, erholte sich indeß wieder. Dann wurde er beim Kurfürsten von Mainz als Resident beglaubigt und wohnte den Conferenzen von Oppenheim, Speier, Heilbronn und dem Congreß von Breda (1667) bei, und zum zweiten Male begab er sich nach Paris 1668, um die Rechte des pfälzischen Kurfürsten bei der Verständigung zwischen den Kronen Frankreich und Spanien zu wahren. Wie Pufendorff damals bei Karl Ludwig angeschwärzt wurde, so kam jetzt einen Augenblick die Gunst des Pfälzers auch für S. ins Wanken, indem er den Verdacht hegte, daß S. sich vom französischen Hofe bezahlen ließe. Hier war es die Schwester des Kurfürsten, Herzogin Sophie, die sich Spanheim’s annahm und die Bedenken ihres Bruders zu beseitigen suchte (Schreiben vom 17. Juli 1668). Möglicherweise steht mit dieser Erschütterung seiner Stellung am pfälzischen Hofe die Thatsache in Zusammenhang, daß S. vom September bis zum December 1671 als kurfürstlich brandenburgischer Resident neben Blaspeil und Konrad v. d. Reck auf dem Congreß zu Köln weilte, ein Umstand, der darauf deuten würde, daß S. dem pfälzischen Dienst den Rücken zu kehren vorhatte. Das gute Einvernehmen zwischen Karl Ludwig und S. [53] wurde jedoch wieder hergestellt. 1672 und 1673 begegnen wir ihm wieder als pfälzischem Regierungsrath und Residenten am Niederrhein, der während der damaligen niederländischen Wirren dies Amt in Verhandlungen mit den geistlichen Fürsten zur Zufriedenheit des Pfälzers und des Reichshofraths versah, und auch die Aufmerksamkeit Otto’s von Schwerin erregte. Zugleich fand er damals die Muße zu einer neuen münzwissenschaftlichen Schrift: „De nummo Smyrnaeorum scil. de Vesta et prytanibus Graecorum diatriba“ (1672). 1675 betraute ihn der Kurfürst von der Pfalz zum ersten Male mit seiner Vertretung am Hofe Karl’s II. von England. Im December 1675 kehrte er von da nach Heidelberg zurück „avec des belles lettres, une belle bague, maer keen gelt“ schrieb Karl Ludwig an seine Schwester. Der Kurfürst empfing ihn äußerst gnädig. Als S. im October 1676 seine Gönnerin Sophie aufsuchte, wurde er nicht müde, von der Schönheit der pfälzischen „Nymphen“, der jungen Raugräfinnen aus der wilden Ehe des Kurfürsten mit der Gräfin Degenfeld, zu erzählen. 1677 finden wir ihn in Arnheim, inzwischen mit einem hübschen Hoffräulein der Kurfürstin Charlotte v. d. Pfalz, Anna Elisabeth Kolb, verheirathet. 1678 wurde er zum zweiten Male nach England entsandt. Schon damals betraute ihn der Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg mit der Wahrnehmung seiner Interessen am englischen Hofe, neben seiner pfälzischen Gesandtschaft. in England schrieb er damals seine lettre sur l’histoire critique du vieux testament an den Pater Richard Simon. Das Buch erschien in Paris und wurde 1685 in Quartformat in Rotterdam neu aufgelegt. Den Nymweger Verhandlungen wohnte S. bei. Nach dem Abschluß des Friedens von St. Germain trat man auf brandenburgischer Seite dem Gedanken, S. ganz in kurfürstlich-brandenburgische Dienste zu nehmen, näher, und der Minister Paul v. Fuchs vermittelte den Uebertritt. S. wurde zum Geheimen Rat und zum außerordentlichen Gesandten am französischen Hofe ernannt (3. Februar 1680), nachdem Brandenburg dort bisher nur durch einen Residenten vertreten gewesen war. Er erhielt als Jahresgehalt die auch für jene Zeit nicht eben hohe Summe von 3600 Thalern sowie als Entschädigungssumme für die Reise von London nach Paris 600 Thlr. Der ihm beigegebene Secretär hieß Cötsch.

S. trat in einem Alter von 50 Jahren in brandenburgische Dienste, auf der Höhe seines Ruhms als Gelehrter wie als geschickter Unterhändler. Seine feine Bildung, die dem Geschmack der tonangebenden Höfe so zusagte, seine mannichfachen Beziehungen zu der Pfalz, den Niederlanden, den Reformirten, zu Frankreich selbst, seine Verbindungen mit den berühmtesten Gelehrten der Zeit, seine Vertrautheit mit der französischen Sprache – war sie doch seine Muttersprache –, seine gewaltige Arbeitskraft und die auf vielen Gesandtschaften erworbene Kenntniß der diplomatischen Geschäfte machten ihn besonders geeignet zu dem Vertreter Brandenburgs am französischen Hofe in dieser Zeit, die durch die niederländischen, pfälzischen und religiösen Wirren so ausgefüllt ist. Friedrich Wilhelm von Brandenburg hatte auch hier wieder einen überaus glücklichen Griff gethan. Volle 30 Jahre konnte sich S. noch unausgesetzt dem Dienst des brandenburgischen Hauses widmen, bis zuletzt im Besitz der vollen geistigen Kraft. Neben seinen vielen sonstigen Vorzügen hatte S. die für einen Gesandten nicht unwichtige vortheilhafte Eigenschaft, daß er sich stets den Ansichten seines Herrn zu fügen wußte. Er begnügte sich, wie er selbst einmal niedergeschrieben hat, „den rechten Weg zu gehen, der besteht in der Pflichterfüllung und in der Unterordnung unter die Befehle und Ziele seiner Herren“.

S. ist zweimal brandenburgischer Gesandter in Paris gewesen, das erste Mal von 1680 bis 1689, zum zweiten Mal 1698 bis 1701.

[54] Die Gesandtschaftsberichte, die er geschrieben hat, sind ungemein zahlreich und legen Zeugniß von seinem Bienenfleiße, von seiner Beobachtungsgabe und seiner Geschicklichkeit im Unterhandeln, Vermitteln, Ausgleichen ab. Doch läßt sich ihnen eine gewisse Weitschweifigkeit und Umständlichkeit nicht absprechen. Es ist eine Seltenheit, wenn einer der regelrechten Berichte, die wöchentlich zweimal abgingen, kürzer wie 12 Folioseiten ist. Einen ganz beträchtlichen Theil dieser Depeschen hat er eigenhändig mit feiner, etwas kritzelnder Hand geschrieben.

Besonders bedeutsam war seine erste Mission, in der man nach den Rankeschen Worten „die Wendung der brandenburgischen Politik von allzu enger Annäherung an Frankreich bis zu entschiedener Feindseligkeit begleitet“. Es ist hierbei zu beachten, daß S., obwohl der ihm schon von früher her bekannte Minister des Auswärtigen, Croissy, der Bruder des Finanzministers Colbert, anfangs seine Mission mit mißtrauischen Augen ansah, da er ihn bisher nur als Gegner Frankreichs kennen gelernt hatte, eine höchst vorsichtige. sehr zur Vermittlung und Friedlichkeit geneigte und, wie von den verschiedensten Seiten und durch seine Berichte selbst bezeugt wird, Frankreich durchaus wohlwollende Natur war, ein Mann, dessen große Beliebtheit bei jedermann am Pariser Hofe bald über allen Zweifel erhaben war. Trotzdem ist es nicht zu verhindern gewesen, daß sich das brandenburgische Verhältniß zu Frankreich in diesen neun Jahren fortgesetzt verschlechterte.

Im Frühjahr 1680 empfing S. mit vielen Gnadenbeweisen seinen Abschied aus dem Dienst des Pfälzers. Mitte April traf er in Paris ein. Er hatte die Weisung auf die Erfüllung des Vertrages von St. Germain zu achten, die ausbedungenen Subsidiengelder einzuziehen und das gute Einvernehmen aufrecht zu erhalten etc. Am 5. Mai wurde er von Ludwig XIV. in Audienz empfangen, am 14. Mai von dem Prinzen von Orleans und dessen Gemahlin, der ihm von Heidelberg bekannten Liselotte von der Pfalz. Gleich im Anfang spielte S. die Rolle eines Vermittlers, um eine Vermählung zwischen dem Sohn seiner hohen Freundin Sophie, Georg Ludwig, und der Prinzessin Anna, der späteren Königin von England, herbeizuführen. Seine Bemühungen waren vergeblich, da Anna auf Betreiben Frankreichs den König von Dänemark heirathete. S. verfolgte sodann die Pläne Ludwig’s auf Straßburg in ihrem Entstehen. Er begleitete den Hof auf der berühmten Valencienner Reise. Im October 1684 erhielt er für einige Monate Urlaub nach Berlin, da ihn der Kurfürst selbst zu sehen wünschte. Er kehrte über Celle, Hannover und Brüssel, wo er sich besonderer Aufträge entledigte, am 7. Februar 1685 nach Paris zurück. Zwei Monate später ging er als außerordentlicher Gesandter nach London, um Jakob II. zur Thronbesteigung die Glückwünsche seines Gebieters darzubringen, und wurde dort mit hohen Ehrenbezeigungen empfangen. Am 28. Mai war er wieder in Paris. Dort bereiteten sich jetzt die Gewaltmaßregeln Ludwig’s XIV. gegen die Reformirten, die in dem Widerruf des Edicts von Nantes geschichtlich ihren hauptsächlichsten Ausdruck gefunden haben, vor. Schon von Anbeginn seines Aufenthaltes in Frankreich hatte sich S. der bedrängten Reformirten angenommen. Selbst mit der reformirten Kirche durch sein Leben und seines Vaters und seiner Mutter Familie auf das innigste verwachsen, war er als Vertreter einer aufstrebenden evangelischen Macht der gegebene Anwalt der wegen ihres Glaubens Verfolgten. Mancher von ihnen gelangte auf seine Empfehlung unter den günstigsten Bedingungen nach Brandenburg schon vor der Aufhebung des Edicts von Nantes. Er unterhielt Beziehungen zu fast allen Notabeln der Reformirten. Seit dem Jahre 1685 aber wurde sein Gesandtschaftshotel recht eigentlich der Zufluchtsort und der Sammelpunkt der Fliehenden, denen der Kurfürst von Brandenburg eine neue Heimath schuf. Den Potsdamer Erlaß vom 29. October 1685 ließ S. [55] sofort nach seinem Erscheinen in ganz Frankreich verbreiten und vermittelte die Auswanderung im großen Stile, nicht ohne dabei selbst mancherlei Unannehmlichkeiten zu erfahren. Die Arbeitslast und die Aufregung jener Tage erschütterten seine Gesundheit. Er ging daher 1686 ins Bad nach Spaa. Ein Beweis der Erkenntlichkeit des Kurfürsten war im Januar 1687 ein Geschenk von 4000 Thalern für seine für Brandenburg so ersprießliche Thätigkeit. Die Fürsorge für die Reformirten steht seit jener Zeit in Frankreich und auch in Berlin und später noch in England im Mittelpunkt von Spanheim’s politischer Wirksamkeit, so daß man sagen kann, daß Spanheim’s besondere politische Bedeutung vornehmlich auf diesem Gebiete zu suchen ist. Im Herbst 1687 besuchte er die Bäder zu Aachen. Nach seiner Rückkehr nach Paris suchte ihn sein alter Bekannter Esaias Pufendorff, der den schwedischen Dienst verlassen hatte und auf der Durchreise begriffen war, wiederholt auf. Die bald darauf eintretende Spannung zwischen dem brandenburgischen Hofe und Frankreich führte zu dem Abbruch der beiderseitigen Beziehungen. Selbst S., dem versöhnlichen und milden Manne, riß die Geduld, als ihm die Kunde von Ludwig’s Einfall in die Pfalz wurde, und ohne erst Verhaltungsmaßregeln abzuwarten, warf er Croissy vor, daß es ein wenig neu und arg (fâcheux) wäre, einen Krieg zu beginnen und, mit Verlaub zu reden einen feierlichen Vertrag zu brechen zum Beweise seiner Absicht, die öffentliche Ruhe zu befestigen (Bericht vom 27. September 1688). Am 4. Januar 1689 theilte der Minister des Auswärtigen, Croissy, an S. mit, daß die Pässe für ihn bereit gehalten würden. S., der noch eben, im December 1688, eine Denkschrift aufgesetzt hatte, in der er seine Ansichten über die damalige politische Lage mit großer Anschaulichkeit entwickelte, kam sofort um seine Abschiedsaudienz ein, die er am 24. und 25. Januar hatte. Ludwig XIV. drückte ihm persönlich seine besondere Zufriedenheit aus und schenkte ihm eine diamantenbesetzte Dose mit seinem Bildniß.

In mancher Beziehung verließ S. Paris nur ungern. Denn er hatte in den feingebildeten französischen Hofkreisen vielerlei Anregung bei seinen Studien des antiken Wesens gefunden. S. war ein ständiger Gast der gelehrten Unterhaltungen, welche eine Zeitlang wöchentlich bei dem äußerst reichen Herzog von Aumont stattfanden, der u. a. auch ein werthvolles Münzcabinet besaß. Dort knüpfte S. Bekanntschaften mit den verschiedensten Gelehrten und vornehmen Männern an, so mit dem Pater Lachaise, der ihn vergeblich für die katholische Kirche zu gewinnen suchte, mit dem Präsidenten Bignon, der nach dem Auseinandergehen der Vereinigung bei Aumont die Zusammenkünfte wieder einzuführen suchte, ferner mit dem aus Bern gebürtigen Münzforscher Morel, dem Custos des königl. Münzcabinets, der später bei Ludwig XIV. in Ungnade fiel u. s. w. Allgemein bewundert wurde Spanheim’s Bibliothek, die er unausgesetzt vermehrte.

Sofort nach seiner Ankunft in Berlin – er hatte inzwischen eine Reise nach den Niederlanden unternommen und sich dort etwas aufgehalten – wurde S., der im April von Antwerpen aufbrach, – vom Kurfürsten an Stelle des Obermarschalls v. Grumbkow wegen seiner Vertrautheit mit den Angelegenheiten der Reformirten zum Leiter der französischen Colonien in Brandenburg ernannt (12. Mai 1689). S. trat damit in einen nicht minder delicaten Posten als es die französische Gesandtschaft war. Er hat die kirchlichen, juristischen, finanziellen und culturellen Geschäfte, welche dies Amt mit sich brachte, mit gewohnter Sorgsamkeit während der ganzen Dauer seines Berliner Aufenthalts, der bis zum Jahre 1697 währte, geführt, hat manchem stellenlosen Flüchtling, mancher Wittwe Pensionen verschafft, manches Privileg für seine Schützlinge durchgesetzt, manchem Gewerbszweig, so den Putzmachergeschäften, den Goldschmieden u. s. w. [56] zu einer günstigen Stellung verholfen. Er ist zugleich[WS 2] einer der Stifter des französischen Gymnasiums gewesen u. s. w. Am 4. Mai 1694 wurde er auch mit der Leitung des neugegründeten französischen Oberconsistoriums, das den Namen commission ecclésiastique erhielt, beauftragt. Außerdem wurde S. zum Leiter des von Danckelman begründeten Medicinalcollegiums ernannt. Schließlich wurde er noch Kolbe v. Wartenberg in der Direction der königlichen Bibliothek zur Seite gestellt. Seine eigne Bibliothek sah er sich später (1701) aus Mangel an Geld genöthigt zu verkaufen. Sie wurde ihm von der Regierung mit 12 000 Thalern bezahlt und die 9000 kostbaren Werke nebst 100 Handschriften, die sie umfaßte, wurden der königl. Bibliothek zu Berlin einverleibt. Alle die Aemter, die S. in Berlin bekleidete, waren jedoch lange nicht in dem Maße zeitraubend als das Amt eines französischen Gesandten. Daher blieb S. viel Muße zur Fortsetzung seiner wissenschaftlichen Arbeiten. Er faßte zunächst seine in Frankreich gesammelten Erfahrungen in einem ausführlichen Schriftstück, betitelt Relation de la cour de France, zusammen, das im April 1690 vollendet wurde und Charakteristiken sämmtlicher politischen Personen in Frankreich, des dortigen Hofes und der Finanzverhältnisse daselbst u. s. w. enthält. Dies für die Zeitgeschichte höchst werthvolle Schriftstück, das den ruhigen und scharfen Beobachter und den in allen Zweigen der Politik und der Verwaltung heimischen Berichterstatter verräth, war nur für die leitenden Kreise berechnet, wanderte später in die Archive und ist erst in neuerer Zeit gedruckt worden. Veröffentlicht wurden von S. während der Berliner Zeit zuerst (1691) zwei Briefe von ihm münzwissenschaftlichen Inhalts an Lorenz Beger, einen der ersten Münzgelehrten seiner Zeit, der ihm indeß weder an Gelehrsamkeit noch an Geschmack und Verständniß für das antike Leben zur Seite zu stellen ist, der ursprünglich (seit 1675) Bibliothekar Karl Ludwig’s gewesen und auf Spanheim’s und Pufendorff’s Empfehlung 1686 vom Kurfürsten von Brandenburg nach Berlin berufen worden war. 1694 nahm S. mit großer Freude an der Einweihung der Universität Halle theil, zu deren Stiftung er viel beigetragen hatte. 1695 erschienen 5 Briefe Spanheim’s an Morel, in denen er sich über Münzen verbreitet, auf welchen antike Feste abgebildet sind. Das Hauptwerk aus diesem Zeitabschnitt ist eine vollständige Ausgabe der Werke Julian’s, Leipzig 1696, in Folio, die er Friedrich III. widmete. Im Jahre darauf (1697) erschienen seine „Observationes in sex Callimachi hymnos“ und sein „Orbis Romanus,“ eine rechtshistorische Untersuchung über die staatsrechtliche Stellung der römischen Bürger.

Inzwischen waren durch den Abschluß des Ryswijker Friedens wieder gute Beziehungen zwischen Frankreich und Brandenburg angebahnt. Der Gesandtschaftsposten in Paris konnte daher wieder besetzt werden, und S. wurde wegen seiner „bekannten Prudentz“, wie die Instruction (14. November 1697) besagt, abermals mit der Vertretung Brandenburgs in Paris mit einem Gehalt von 6000 Thalern jährlich und 4000 Thalern Equipirungsgeldern betraut. Am 2. Februar 1698 traf er mit seiner Familie, dem Legationsgeistlichen Reinberg und dem Secretär Scultetus (an dessen Stelle trat später der Secretär Schott, der Neffe des Münzgelehrten Beger) in Paris ein, nachdem er auf der Reise im December 1697 noch seine Gönnerin, die Kurfürstin Sophie von Hannover, in Herrenhausen aufgesucht und von ihr Aufträge zur Verfechtung der Rechte der Raugräfinnen mit auf den Weg erhalten hatte, die er in Frankreich durch Vermittelung der Elisabeth Charlotte geltend machen sollte. Er bezog eine Wohnung im Faubourg St. Germain. Drei Jahre versah er das Amt des französischen Gesandten in dieser etwas ruhigeren Zeit zur Zufriedenheit seines Herrn, die sich u. a. auch in der Gewährung eines Silberservices im Werth von 2000 Thalern ausdrückte. Die spanischen Thronfolgestreitigkeiten und Schwierigkeiten, die in dieser pedantischen Zeit infolge des veränderten Ceremoniells aus Anlaß der [57] Krönung Friedrich’s III. zum König entstanden, veranlaßten Anfang 1701 seine Abberufung. Am 25. Januar empfing ihn Ludwig XIV. zum letzten Male. Schulden hinderten ihn jedoch, seine Abreise sofort zu bewerkstelligen. Ausnahmsweise ließ Friedrich I. ihm 2000 Thaler zu deren Begleichung vorstrecken. Weitere 1000 Thaler händigte der damals allmächtige Kolbe v. Wartenberg dem Pariser Bankier im Auftrage des Königs ein mit dem schlauberechneten Bemerken, sie nur im Nothfall an S. auszuhändigen und dann unter dem Vorgeben, daß Kolbe von Wartenberg ihm diesen Betrag aus eigenem Antriebe gäbe. Erst im April hat S. Paris verlassen. Gut, wenn auch für sie schmerzlich, war der Fortgang von Paris für Spanheim’s im Jahre 1683 geborene Tochter, ein durch große Schönheit ausgezeichnetes Mädchen, das in der französischen Hofluft groß geworden war und dort nach dem Urtheil der Liselotte manches gelernt hatte, „was nicht nöthig war“.

S. hielt sich zunächst einige Zeit in Holland auf, wo damals gerade sein Bruder starb. Dorthin wurde ihm seine Ernennung zum Botschafter (ambassadeur) am englischen Hofe sowie am 27. Juli 1701 seine Erhebung in den Freiherrnstand mitgetheilt. Am Ende des Jahres traf er in London ein. S. stand jetzt im Alter von 72 Jahren, doch ging er mit jugendlicher Frische an die Ausfüllung seines diplomatischen Postens, in dem ihn zuweilen sein Neffe Bonnet, der schon vor ihm als Ministerresident in London weilte, vertrat. Wie früher wußte er sich das Vertrauen des fremden Hofes zu gewinnen, schrieb er erstaunlich lange Berichte nach Berlin (vordem war der mit ihm correspondirende Minister meist Fuchs, jetzt war es gewöhnlich Ilgen), wie früher widmete er sich den angestrengtesten wissenschaftlichen Studien. Seinen orbis Romanus ließ er in neuer Auflage erscheinen und widmete ihn dem englischen Minister Pembroke, der gleichfalls ein großer Münzliebhaber war. Ebenso veranstaltete er in dieser Zeit die große Ausgabe seines Hauptwerkes „De praestantia et usu numismatum antiquorum“, die allerdings zu seinen Lebzeiten nur noch zur Hälfte beendigt wurde; und noch als achtzigjähriger Greis veröffentlichte er (1709) seine „Observationes in tres priores Aristophanis comoedias“. Auf Wunsch seines Königs verfaßte er im Jahre 1706 nach dem Muster seiner Relation de la cour de France, allerdings lange nicht so ausführlich, einen „Account of the English court,“ ein Schriftstück, das erst ganz neuerdings ans Tageslicht gezogen worden ist und ebenfalls werthvolle Charakteristiken enthält. Im Jahre 1706 stand einmal seine Abberufung in Frage. Doch hatte er sich so das Vertrauen der englischen Kreise erworben, daß die Königin Anna sich direct für sein Verbleiben verwandte. Damals stellten sich bei ihm Steinbeschwerden ein, sodaß er den berühmten Operateur Cypriannes zu Rathe zog. Am 14. Januar 1707 verlor er in Chelsea seine Frau, die ihm stets eine treue Begleiterin gewesen und ihm an Bildung durchaus ebenbürtig war. Sie wurde in der Westminsterabtei beigesetzt. Im Mai 1710 verheirathete S. noch seine Tochter an Franz de la Rochefoucauld Fonsèque, Marquis von Montendre, einen französischen Refugié in hoher englischer militärischer Stellung. Am 10./21. November hat er dann mit zitternder Hand seinen letzten Gesandtschaftsbericht unterzeichnet, um vier Tage darauf, am 25. November 1710, aus dem Leben zu scheiden. Noch am 28. October hatte er einen zehnseitigen Bericht eigenhändig aufgesetzt. Er wurde an der Seite seiner Gattin in der Westminsterabtei bestattet. Königin Anna schenkte das für ihn bei Gelegenheit seiner Abberufung bestimmte Geschenk an die Tochter. Zahlreiche Zeitungen widmeten dem entschlafenen Gelehrten warme Worte des Nachrufs.

S. ist in mancher Beziehung für seine Zeit eine Erscheinung von typischer Bedeutung. Er war nicht einer von denen, die die Geschichte machen, wie etwa [58] Friedrich Wilhelm, Danckelman oder Pufendorff. Als Gelehrter und Staatsmann zeichnet er sich mehr durch stille, friedliche Wirksamkeit aus. Immerhin ist er einer der ersten und bedeutendsten Geister seiner Zeit gewesen, wiewohl er nicht frei von einzelnen Schwächen zu sprechen ist, welche in seinem mehr passiven Naturell begründet liegen. Diese Verbindung der Gelehrsamkeit, der Sammelfreude und des Diplomatisirens, des Vermittelns, Unterhandelns und schlichten Referirens verbunden mit einem auffallenden Mangel an selbständigem politischem Willen und einem uns abgeschmackt erscheinenden Byzantinismus oder wenn man will panegyrischen Tone hat er mit vielen Zeitgenossen gemeinsam, das ist das eigentlich typische in seiner Erscheinung. Solch ein Panegyrikus, dessen Lobreden selbst eine Mutter für ihren Sohn (die Herzogin Sophie für den Prinzen Georg Ludwig) ablehnt mit den Worten: „ich wünschte, er hätte nur die Hälfte der guten Eigenschaften, die er (S.) ihm zuschreibt, um sich der Ehre würdig zu machen, daß er Euer (Karl Ludwig’s) Patenkind ist“, ist heute selten, damals war das nicht der Fall. Das Außerordentliche bei S. war aber die fast einzig dastehende Vielseitigkeit, die er entfaltete. Wir haben ihn als Theologen und Hebräer, als Hellenisten und Lateiner, als Münzliebhaber und Bibliophilen, als Kenner des römischen und deutschen Rechts, als Publicisten und Essayisten, wenn man seine Relations des cours als Essays betrachten will, als Unterhändler und Hofmann, als Verwaltungs- und Justizbeamten thätig gesehen und kaum hat er eine Beschäftigung vorübergehend getrieben, sondern fast allen Zweigen, denen er sich widmete, ist er sein Leben lang treu geblieben, auf allen Gebieten hat er eine vielgewandte und vielgeschäftige Thätigkeit entfaltet, alles, was er that und ausführte, war, wenn auch zuweilen breit und umständlich, klar und verständig. Es ist kaum zu entscheiden, welcher Seite seines langen Wirkens man die größere Bedeutung zusprechen soll, dem Philologen oder dem Diplomaten. Der Haupt-Eindruck, der hinterbleibt, ist der, daß S. ein Mann von staunenswerthem Wissen und staunenswerther Arbeitskraft war.

Akten des Geheimen Staats-Archivs zu Berlin. – Relation de la cour de France en 1690 par Ézéchiel Spanheim. Publiée pour la société de l’histoire de France par M. Ch. Schefer. Paris 1882. – Spanheims account of the English court. Veröffentlicht von R. Döbner in the English historical review London Oktober 1887 S. 757–773.– Bodemann, Briefwechsel der Herzogin Sophie von Hannover. Leipzig 1885, 1888.– Urkunden und Akten zur Geschichte des Großen Kurfürsten, Bd. 7. 13. 14.– W. L. Holland, Briefe der Herzogin Elisabeth Charlotte von Orleans. Stuttgart 1867. Tübingen 1874. – Isaak Verburg, Vita Spanhemii in vol. I der diss. de praestantia et usu numismatum antiquorum. Amsterdam 1717. S. VIII-XIX. – Bayle, Dictionnaire. – Jöcher, Allgemeines Gelehrtenlexikon. – Nicéron, Mémoires pour servir à l’histoire des hommes illustres dans la république de lettres. Tom. II. Paris 1729. S. 222–233. – (Archenholtz.) Mémoires concernant Christine, reine de Suède. pur servir d’éclaircissement à l’histoire de son règne principalement de sa vie privée. – (Tentzel.) Monatliche Unterredungen. Leipzig, Thomas Fritsch. 1689–1706. – Schefer, Einleitung zur Relation de la cour de France. I–LVII. – Erman et Reclam, Mémoires pour servir à l’histoire de réfugiés français. Bd. 1–3. 1782–84. – Ranke, Werke 12, S. 240 ff. – Meinecke in der hist. Zeitschrift 62 (1889) S. 197–241 (Brandenburg und Frankreich im Jahre 1688). – Isaacsohn, Geschichte des preußischen Beamtenthums. Bd. II u. III. Berlin 1878 u. 1884.– Muret, Geschichte der französischen Kolonie. Berlin 1885. Vgl. auch Bursian, Geschichte der klass. Philologie in Deutschland, München [59] u. Leipzig 1883 und A. Boeckh, Encyklopädie und Methodologie der philologischen Wissenschaften. Leipzig 1886.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: S. 59
  2. Vorlage: zuglcich