ADB:Tentzel, Wilhelm Ernst
[572] Zeit darauf aber als Superintendent nach Arnstadt versetzt zu werden. Hier erhielt T. den ersten grundlegenden Unterricht und bezog im J. 1677 die Universität Wittenberg, wo er sich in theologischen, philologischen und historischen Disciplinen mit Eifer und Erfolg ausbildete; noch im J. 1683 wurde er Adjunct der philosophischen Facultät und veröffentlichte er die erste Probe seiner nicht geringen Gelehrsamkeit. Das Jahr 1685[WS 1] verlebte T. nicht unthätig größtentheils in Arnstadt, wohin ihn der Tod seines Vaters gerufen hatte. Das darauf folgende Jahr brachte ihm den erwünschten Ruf als Lehrer an das Gymnasium zu Gotha, eine fesselnde Stellung, die dadurch an Anziehungskraft gewann, daß er kurz darauf zum Inspector des fürstlichen Münzcabinets ernannt wurde. Siebzehn Jahre hat er in diesem Amt ausgehalten, zugleich[WS 2] schriftstellerisch ungemein thätig und überdies von vielfachen Reisen in Anspruch genommen, die deutlich beweisen, welche Anerkennung er bereits in der gelehrten Welt errungen hatte. Als einen officiellen Ausdruck dieser Anerkennung kann man auch seine Ernennung zum sächsischen Historiographen ernestinischer Linie betrachten. Das Jahr 1702 schien ihm eine mehr befriedigende Belohnung seiner litterarischen Verdienste bringen zu wollen. Er wurde als kursächsischer Archivar mit dem Titel eines Rathes und Historiographen nach Dresden berufen, nachdem er kurz zuvor die Vorstandschaft des Wiener Archivs, als Nachfolger Nessel’s, abgelehnt hatte, weil er die daran geknüpfte Bedingung eines Uebertritts zum katholischen Bekenntniß nicht erfüllen wollte. T. folgte diesem Rufe in Anbetracht der kostbaren Schätze des Archivs, dessen Directorium ihm angeboten wurde, gern, aber schon ein Jahr darauf (1703), verlor er aus einem bis heute nicht vollständig aufgeklärten Grunde sein Amt und verlebte die ihm noch zugemessenen vier Jahre seines Lebens in Noth und bittrer Armuth. Am 17. November 1707 ist er gestorben. Die Gründe seiner Amtsentsetzung gereichen, soweit sie vermuthet werden können, der kurfürstlichen Regierung aber nicht zur Ehre, um so wünschenswerther wäre es, daß das Dunkel, das noch darüber schwebt, endlich einmal gründlich gelichtet würde.
Tentzel: Wilhelm Ernst T., Polyhistor, geboren am 11. Juli 1659 in Greußen (in Thüringen, an der Helbe), wo sein Vater Diakonus war, um einigeT. gehört zu den fruchtbarsten und arbeitsamsten Gelehrten seiner Zeit. Bekannt sind seine „Monatlichen Unterredungen von allerhand Büchern“, die in den Jahren 1689 bis 1698 erschienen sind, woran sich dann die „Curieuse Bibliothek“ geschlossen hat. Im Fache der Diplomatik, die damals eben in ihre Blüthezeit eintrat, hat er mit ebenso rühmlichen Kenntnissen als Scharfsinn gearbeitet. Im Gebiete der Münzkunde zählt er zu den gediegensten Bearbeitern dieser Disciplin. In Sachen der Historie selbst haben namentlich seine Nachträge zu Sagittar’s „historia Gothana“ und seine „Geschichte des Mark- und Landgrafen Friedrichs in Meißen“ gebührende Anerkennung gefunden. Auch für das Collegium historicum imperiale hat er eine hingebende Theilnahme documentirt u. s. w. Seine zerstreuten zahlreichen größeren und kleineren Schriften finden sich bei Adolf Clarmund (Leben und Schriften Tentzel’s, Dresden und Leipzig 1708) und bei Jöcher Bd. IV aufgeführt.
- Vgl. des Unterzeichneten Geschichte der deutschen Historiographie, passim, und R. Prutz, Geschichte des deutschen Journalismus.