ADB:Fuchs, Paul Freiherr von
Paul Friedeborn, Bürgermeister und Verfasser einer Geschichte der Stadt, sein Oheim Paul Friedeborn stand seit 1646 im Dienste der Kurfürstin Louise Henriette – erwarb sich Paul v. F. auf dem Gymnasium zu Stettin und auf den Universitäten Greifswald, Helmstädt, Jena, Leyden und Franeker sowie auf den zwischen oder nach den Studienjahren nach England und Frankreich unternommenen Reisen vielseitige litterarische Kenntnisse und praktische Anschauungen, welche er zunächst für die Jurisprudenz verwerthete. Schon in Leyden 21 Jahre alt verfaßte er juridische Tabellen in lateinischer Sprache, welche später 1671 von ihm mit einer Paraphrase der Justinianischen Institutionen verbunden in mehreren Auflagen als eine systematische Darstellung der Rechtslehren Verbreitung fanden. Diese litterarische Thätigkeit und der Ruf seiner Rednergabe unterstützt durch die Gunst des Oberpräsidenten Otto von Schwerin verschafften ihm, nachdem er eine kurze Zeit in Berlin als Advokat beim Hof- und Kammergericht thätig gewesen war, 1667 die Stelle eines ordentlichen Professors an der Universität Duisburg, wo er drei Jahre neben seinem Amte als hervorragendes Mitglied des dortigen Presbyteriums den Interessen der Reformirten und ihrer in Frankreich verfolgten Glaubensbrüder, aus deren Mitte er seine erste Gemahlin erwählt hatte, besondere Aufmerksamkeit zuwandte. Vom Kurfürsten 1670 als Geheimsecretär nach Berlin in den höhern Staatsdienst gezogen, machte er sich 1672 durch eine unter dem Namen Sincerus Germanus veröffentlichte Flugschrift, in welcher er die vom Kurfürsten zur Rettung Hollands ergriffene Politik rechtfertigte, als Publicist ehrenvoll bekannt und stieg bei wachsender Anerkennung seiner Leistungen 1679 zum Hofrath und schließlich am 4. Sept. 1682 zum wirklichen Geheimen Rathe, als welcher er sich bis nahe an seinen Tod (1702) in der dauernden Gunst des großen Kurfürsten und seines Nachfolgers behauptete. Die Mitglieder des brandenburgischen Geheimerathes, bestimmt den Kurfürsten in seinen Regierungshandlungen sowohl in ihrer Gesammtheit als einzeln als Rathgeber und oberste Verwalter der verschiedensten Dienstzweige zu unterstützen, waren nicht wie die späteren Minister einem [171] Fache ausschließlich zugetheilt, sondern wurden unter Berücksichtigung ihrer Befähigung und des Bedürfnisses zugleich für mannigfaltige Staatsgeschäfte in Anspruch genommen. Sein vielseitiges Wissen machte F. ganz besonders für solchen Beruf geeignet. Seine Amtsthätigkeit umfaßte daher neben den auswärtigen Angelegenheiten, in denen er abwechselnd die Geschäfte eines Ministers, diplomatischen Botschafters und Publicisten versah, zugleich die ständischen Verhältnisse, die oberste Postverwaltung, die Kirchen, Universitäten und Lehen, zeitweise auch Justizsachen, wie er denn sogar seit 1698 als geheimer Kriegsrath auch zu den militärischen Berathungen hinzugezogen wurde. Neben der allgemeinen Anerkennung, daß er bei gründlicher Geschäftskenntniß das Interesse seines Fürsten mit Eifer und Treue verfochten habe, rühmen die Zeitgenossen insbesondere die Fortschritte, welche das Postwesen unter seiner Leitung gemacht so wie seine andauernde Sorge für die nach Brandenburg geflüchteten Reformirten, deren Gemeinde in Berlin ihm eine ihrer Entwicklung gedeihliche Organisation (Septbr. 1684) verdankte. An der Stiftung der Universität Halle (1694), deren erste Einrichtung und Besetzung sein Werk ist und die er durch eine Festrede einweihte, sowie an der Stiftung der Akademie der Wissenschaften in Berlin hat er sich in verdienstlicher Weise betheiligt; auf die Berufung Pufendorfs hat er hauptsächlich hingewirkt. Nicht minder wird andererseits seine Geschicklichkeit als politischer Unterhändler und seine Ueberredungsgabe hervorgehoben. König Christian V. von Dänemark hat einmal scherzend sich diesen Botschafter verbeten, der ihn dahin bringen könnte, einmal das Hemde vom Leibe wegzugeben. Als Staatsmann eignet er sich aus eigener Ueberzeugung die Gesichtspunkte an, welcher sein großer Fürst in dem letzten Jahrzehnt seiner Regierung in seinen politischen Combinationen verfolgte, gegen die Präponderanz Frankreichs einen offenen Kampf erst dann zu wagen, wenn man des Beistandes Englands und Hollands sicher wäre, bis dahin aber Frankreich durch diplomatische Schachzüge möglichst von neuen aggressiven Schritten abzuhalten. In diesem Sinne hat v. F. an den Actionen seines Fürsten während der Jahre 1681–1684, welche zu allgemeiner Anerkennung eines zwanzigjährigen Waffenstillstandes (15. Aug. 1684) führten, thätig mitgewirkt. Als die Ereignisse des J. 1685 neue Besorgnisse vor französischen Gewaltschritten namentlich unter den evangelischen Fürsten erweckten, wurden die damals von F. durch seine Gesandtschaftsreise nach Holland bewirkte Aussöhnung des Prinzen von Oranien mit Amsterdam und der in Folge dessen zwischen Brandenburg und Holland am 23. August 1685 abgeschlossenen Defensiv-Tractat als bedeutende diplomatische Erfolge anerkannt. Auch wenn er am 22. März 1686 im Namen des Kurfürsten jenen Vertrag zu Stande brachte, in welchem Brandenburg für seine Ansprüche auf Schlesien sich mit der Abtretung des Schwiebuser Kreises abfinden ließ, so scheint er gleich dem Kurfürsten, dieses Opfer nicht für zu hoch gefunden zu haben, um dadurch ein enges Zusammengehen mit Oesterreich gegen den gemeinsamen Feind herbeizuführen. Der hinter seinem Rücken dabei von Oesterreich gespielte Betrug wurde ihm erst drei Jahre später bekannt. Ein besonders glückliches Feld für seine diplomatische Thätigkeit fand F. in den damals zwischen Dänemark und Holstein-Gottorp ausgebrochenen Streitigkeiten. Es lag im Interesse Brandenburgs zu verhindern, daß Dänemark nicht in seiner Bedrängniß sich Frankreich in die Arme werfend als dessen Bundesgenosse in dem in Aussicht stehenden Kriege Norddeutschland bedrohe. F., welcher zu einem der vermittelnden Minister ernannt, an den drei Jahre hindurch fortgesetzten Ausgleichungsversuchen in hervorragender Weise betheiligt war, gelang es durch eine Reise nach Kopenhagen dieselben in dem Altonaer Vertrage 20./30. Juni 1689 zum Abschluß zu bringen. Auch nach dem Tode Friedrich Wilhelms blieb, so lange Danckelmann [172] das Ruder des Staates lenkte, die brandenburgische Politik den alten Grundsätzen getreu. Sobald daher Wilhelm von Oranien im Sommer 1688 seine Absichten auf England offen darlegte, – es geschah dies in der geheimen Zusammenkunft, welche zwischen F. und Lord Bentinck im Juli zu Celle stattfand, wurde von brandenburgischer Seite das Unternehmen ebenso erfolgreich durch militärische Demonstrationen, wie durch Verhandlungen, welche F. darüber mit den welfischen Fürsten und mit Holland pflog, gefördert. Als vollends Wilhelm III. als König von England die große Allianz gegen Frankreich 1689 zu Stande brachte, hat F. während der Dauer des langen Kampfes bis zum Frieden zu Ryswick (20. Septbr. 1697) zum Besten der gemeinsamen Sache eine reiche diplomatische Thätigkeit entfaltet. Die Mißverhältnisse, welche zur Zeit dieses Friedens zwischen dem Kurfürsten und König Wilhelm III. hervortraten, übten damals auch auf die äußere Stellung des Diplomaten einen empfindlichen Rückschlag aus. Seit der Zeit, wo F. dem kurfürstlichen Hofe näher trat, war derselbe sowohl unter dem alternden Fürsten wie unter seinem jungen Nachfolger andauernd der Schauplatz von Partei-Umtrieben und persönlichen Reibungen, welcher Umstand von demjenigen, der sich auf demselben behaupten wollte, ein sorgfältiges und kluges Abmessen seines Verhaltens forderte. F. fehlte diese Klugheit nicht, die freilich sich nicht immer strenge innerhalb der Grenzen des sittlichen hielt. Bis zum Tode Friedrich Wilhelms ist kein Schwanken in seiner Stellung bemerkbar. Kf. Friedrich III. aber verpflichtete er sich sogleich in den ersten Jahren durch einen zwiefachen Dienst, einmal indem er nicht nur das gegen die Hausgesetze verstoßende Testament des großen Kurfürsten umstoßen half, sondern auch einen hervorragenden Antheil an den Verhandlungen nahm, durch welche zur Beruhigung des gutmüthigen Kurfürsten der zunächst dadurch benachtheiligte Stiefbruder desselben, Markgraf Philipp Wilhelm zu freiwilliger Entsagung seiner Ansprüche (3. März 1692) bestimmt wurde, dann aber, indem er durch den Tractat über die Zurückgabe von Schwiebus (20. Decbr. 1694) den Revers, dessen Ausstellung das Gemüth des Kurfürsten bedrückte, aus der Welt schaffen half. Der Reichthum, den F. im Verlauf der Jahre ansammelte und zum Theil auf den Ankauf von Gütern in der Mark und in Preußen (noch erinnert Fuchshöfen bei Königsberg an ihn) verwandte, und seine Erhebung in den Adel 1684, beweisen, daß seine Dienste auch nicht unbelohnt blieben. Als nun seit der Zeit des Ryswicker Friedens der vereinigte Einfluß der Kurfürstin und des Favoriten Kolbe bei dem Kurfürsten auf den Sturz des bisherigen Günstlings v. Danckelmann mit wachsendem Erfolge hinarbeiteten, da hatte F. alle Ursache, im eigenen Interesse denselben abzuwehren; denn was man der Politik v. Danckelmann’s zum Vorwurfe machte, zu starke Hinneigung zu England und persönliche Abneigung gegen die Königsidee, traf in gleichem Maaße auch ihn. In der That soll F. dem Kurfürsten die nachtheiligen Folgen, welche die Entfernung v. Danckelmann’s auf den Gang der Geschäfte haben werde, nachdrücklich vorgestellt haben. Als v. Danckelmann aber dennoch im December 1697 in Ungnaden entlassen wurde und der Kurfürst von jedem Mitgliede des Geheimenraths ein Urtheil über den Entlassenen verlangte, da bedachte sich F. nicht, den Unglücklichen mit Beschuldigungen zu überhäufen, deren theilweise nachweisliche Unwahrheit nur in seinem Bestreben dem Kurfürsten zu Willen zu sein, ihre Erklärung findet. Seine Lage besserte sich trotzdem nicht; statt des ihm wohlgesinnten Danckelmann buhlten jetzt um die Gunst des Fürsten General v. Barfuß und der Kammerherr Kolbe, welche beide ihn gleichmäßig anfeindeten. Als F. vollends bei Gelegenheit des 1698 aufs neue wachgerufenen Königs-Projektes in einem Gutachten mehr abmahnend als zustimmend sich erklärte, wurde er von den weiteren Verhandlungen über dasselbe absichtlich fern gehalten. Mit [173] Unmuth empfand er es gleich den übrigen Collegen des Geheimenrathes, wie Kolbe, seitdem die Königskrönung vollzogen, ohne Mitglied jenes Collegiums zu sein oder es werden zu wollen, die wichtigsten Staatsgeschäfte unabhängig von demselben ausführte, und in Ilgen einen diplomatischen Gehülfen gefunden hatte, der ihn F. entbehrlich erscheinen ließ. Als die alten Räthe sich darüber unzufrieden äußerten, nöthigt sie ein Befehl des Königs (Mai 1701) schriftlich zu erklären, was sie an dem Günstling auszusetzen hätten. Gleich den andern erniedrigt sich auch F. dazu, jede Unzufriedenheit in Abrede zu stellen. Dennoch wird ihnen die Strafe nicht erlassen; für eine große Zahl derselben findet sich in der nächsten Zeit Anlaß sie abzusetzen oder zur Abdankung zu nöthigen. Auch F. wird gestraft, indem das mit der Postverwaltung bis dahin verbundene sehr einträgliche Amt eines Postmeisters von demselben getrennt und Kolbe überwiesen wird. Aber F. verläßt darum doch seinen Dienst nicht, „läßt kein Mißvergnügen blicken, meldet ein Zeitgenosse, und affectirt nichts als sein Vergnügen zu suchen.“ In der That hat er während seiner letzten Lebensjahre den unbedingten Fürstendiener nicht verleugnet. Obgleich hinter Ilgen sichtlich zurückgesetzt, huldigt er, wo ihm politische Angelegenheiten aufgetragen werden, der neuen Politik des Hofes. Schwerlich ist es seine Ueberzeugung, wenn er im März 1700 die Neutralität, zu der sich der König beim Ausbruch des nordischen Krieges entschließt, in einem Erlaß an die preußischen Botschafter im Auslande rechtfertigt. Dieser Gefügigkeit verdankt er es dann, daß er im August 1702 in den Reichs-Freiherrnstand erhoben und 1703 das Ehrenamt eines Kanzlers von Hinterpommern erhielt.
Fuchs: Paul v. F., geb. am 15. Dec. 1640 zu Stettin, gest. am 7. Aug. 1704 auf seinem Gute Malchow bei Berlin, ein preußischer Staatsmann. Einer angesehenen Familie Stettins entsprossen – sein Vater war dort Prediger zu St. Jacobi, sein mütterlicher Großvater- Ranke, Genesis d. Pr. St. 2. Droysen, Preuß. Politik III. 3 und IV. 1. F. v. Salpius, Paul v. Fuchs. 1877.