ADB:Barfus, Johann Albrecht Graf von

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Artikel „Barfus, Hans Albrecht Graf von“ von Bernhard Erdmannsdörffer in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 2 (1875), S. 60–65, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Barfus,_Johann_Albrecht_Graf_von&oldid=- (Version vom 3. Dezember 2024, 17:46 Uhr UTC)
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Barfus: Hans Albrecht Graf v. B., preußischer General-Feldmarschall, geb. 1635 zu Mögelin im oberbarnimschen Kreise der Mark Brandenburg, † 27. Dec. 1704 in Cossenblat bei Beeskow. Von dem alten Geschlecht der Herren von Barfus, die der Tradition nach in den Zeiten Albrechts des Bären, ungewiß woher, in die Altmark einwanderten und von da aus sich in den Marken, in Pommern, in Mecklenburg, später auch nach der Pfalz, nach Schlesien und Preußen ausbreiteten, ihren Hauptbesitz aber in den beiden barnimschen Kreisen der Mark hatten, haben vom 13. Jahrhundert ab manche in der engeren Landesgeschichte dieser Bereiche eine angesehene Stellung eingenommen. Der namhafteste Mann des Geschlechts aber ist Hans Albrecht v. B. Sowie sein Vater, Georg Henning v. B., zuerst in kaiserlichen Diensten, dann in denen des großen Kurfürsten von Brandenburg sein Leben der militärischen Laufbahn gewidmet hatte, so trat auch Hans Albrecht in sehr jungen Jahren schon in die brandenburgische Armee ein. Er rühmte sich später gern, daß er von der Pike auf gedient habe, und daß es kein Friedensdienst war, dafür sorgte der fünfjährige schwedisch-polnische Krieg von 1655 an, den er in den niederen militärischen Graden mitmachte. Das Glück indeß scheint ihm damals nicht sehr hold gewesen zu sein: er avancirte langsam; noch im J. 1670 hatte er es nicht höher als bis zum Lieutenant gebracht. Aber die nächsten Jahre und die neuausbrechenden Kriege am Rhein und in Pommern brachten Beförderung; endlich im J. 1678 wurde er Oberst und erhielt ein Regiment, und im Sept. dieses Jahres nahm er an der glänzenden Expedition nach Rügen Theil, welche die Eroberung von Stralsund und ganz Vorpommern zur Folge hatte.

Das folgende Jahr brachte den Frieden von St. Germain. B. blieb auch nach demselben in activem Kriegsdienst; einige Jahre später (1683) wurde er zum Commandeur der Festung Peitz ernannt und erhielt den Rang eines General-Majors. Eben jetzt wurde ihm auch zum ersten Mal die Ehre eines selbständigen Commandos zu Theil, und mit demselben eröffnete sich ihm der Blick auf dasjenige Feld kriegerischer Thätigkeit, auf dem er wenige Jahre später seine besten Lorbeern finden sollte.

Ein neuer gefährlicher Angriff der Osmanen bedrohte das gesammte östliche Europa; im Juli 1683 standen die Türken vor Wien, und es begann jene denkwürdige Belagerung, von deren Ausgang damals das Schicksal des Abendlandes [61] abzuhängen schien. Der Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg war bereit, mit einem ansehnlichen Hülfscorps dem Kaiser beizustehen; bei den eigenthümlich gespannten Beziehungen aber zwischen dem Wiener und dem Berliner Hofe gelang es nicht, sich zur rechten Zeit über die Bedingungen zu einigen, und die Entscheidungen vor Wien fielen, ohne daß das schon gerüstete brandenburgische Heer an ihnen hätte Theil nehmen können. Dagegen war mit dem gleichfalls um Hülfe nachsuchenden Polenkönig Johann Sobieski eine Einigung rasch zu Stande gekommen, und auf Grund derselben ward ein kleines Corps von 1200 Mann abgeschickt, sich mit Sobieski auf dem Marsch nach Wien zu vereinigen. An der Spitze dieser Truppen standen die General-Majore Graf Truchseß zu Waldburg[WS 1] und H. A. v. B. Zwar trafen auch sie zu spät ein, um bei der Befreiung Wiens (12. Sept.) mitwirken zu können; aber als Sobieski dann den fliehenden Feinden auf dem Fuße folgte, schlossen die Brandenburger sich ihm an, bei der Eroberung von Gran (21. Sept.) leisteten sie tüchtige Dienste, und als Siegeszeichen durfte B. dem Kurfürsten ein altes brandenburgisches Geschütz heimbringen, das wol in einem früheren Türkenkrieg verloren gegangen sein mochte und jetzt in der eroberten kleinen Feste Szetseny erbeutet wurde.

B. hatte auf diesem kurzen Feldzug sich bewährt. Als im Laufe der nächsten Jahre eine neue politische Annäherung zwischen dem Kaiser und dem Kurfürsten von Brandenburg Statt fand und am 25. Dec. 1685 ein Vertrag über umfassende Hülfsleistung in Ungarn zwischen den beiden Höfen geschlossen wurde, wurde auch B. wieder zur Theilnahme an der Heerfahrt gegen die Türken bestimmt. Ende April 1686 trat das 8000 Mann starke Corps unter dem Oberbefehl des General-Lieutenants Hans Adam v. Schöning von Crossen aus, wo der greise Kurfürst Friedrich Wilhelm die Heerschau hielt, den Marsch nach Ungarn an, im Juni traf es auf dem Kampfplatz ein. Auf die Belagerung von Ofen concentrirte sich damals das Hauptinteresse des Feldzugs. Seit mehr als 150 Jahren war die wichtige Festung in den Händen der Osmanen: jetzt wurde sie ihnen durch die vereinten Anstrengungen des Kaisers und seiner deutschen Bundesgenossen entrissen. Die brandenburgischen Truppen rückten sofort in die Belagerungslinie ein. Bei mehreren der vergeblichen Stürme, die von den Belagerern unternommen wurden, zeichnete sich B. persönlich aus; bei dem entscheidenden Hauptsturm am 12. Sept., dem die Festung erlag, führte er den linken Flügel der Sturmcolonne, und von dem reichlichen Lob, womit der Kaiser und sein Feldherr Karl von Lothringen die brandenburgischen Truppen überhäuften, durfte auch er einen rühmlichen Theil für sich beanspruchen. Im Oct. trat die sehr zusammengeschmolzene Schaar den Rückweg in die Heimath an, und B. kehrte auf seinen Posten als Gouverneur der Festung Spandau zurück, zu dem er im Jahr zuvor befördert worden war.

Bald stellten sich nun wichtigere Aufgaben dar. Im April 1688 starb der große Kurfürst; wenige Monate nach seinem Tode brach der große Krieg gegen Ludwig XIV. aus, dessen Vorbereitung sein letztes Lebenswerk gewesen war. B. war von dem neuen Herrscher, Kurfürst Friedrich III., bei seiner Thronbesteigung zum General-Lieutenant, bald darauf zum geheimen Kriegsrath ernannt worden; alsbald nach Ausbruch des Krieges wurde er an den Rhein entsandt; zugleich wurde ihm der Auftrag, im Haag mit den niederländischen Generalen die nöthigen Verabredungen für den Feldzug zu treffen, der im Frühjahr 1689 beginnen sollte.

Nachdem in den ersten Monaten des neuen Jahres Westfalen ohne große Mühe von den Franzosen gesäubert worden war, nahmen im März die Hauptoperationen ihren Anfang. Von Wesel her, wo Schöning und B. sich vereinigt und ein holländisches Hülfscorps an sich gezogen hatten, drang man rheinaufwärts [62] gegen Bonn vor, den Hauptstützpunkt der Franzosen am Rhein. Am 12. März wurde in dem siegreichen Gefecht bei Uerdingen General Sourdis, der sich ihnen in den Weg warf, zurückgedrängt; die Uebergabe von Neuß war die unmittelbare Folge dieses Sieges, im weiteren Verlauf folgten die Capitulationen von Rheinberg (16. Mai) und Kaiserswerth (26. Juni). Die schwierigste Aufgabe war die Belagerung von Bonn selbst. Auf den Rath Schöning’s sollte der Versuch gemacht werden, durch die Eroberung der Bonn gegenüber liegenden Beueler Schanze die Festung zu rascher Uebergabe zu zwingen. B. wurde mit der Leitung des Unternehmens beauftragt; mit einem starken Detachement zog er auf dem rechten Rheinufer bis nach Beuel, Bonn gegenüber; am 2. Juli erreichte er es, nach zweitägiger Beschießung wurde die feste Schanze im Sturm genommen. Aber den gehofften Erfolg erreichte man nicht; die Franzosen behaupteten die Stadt trotz dem heftigsten Bombardement der brandenburgischen Artillerie; der Kurfürst, der persönlich bei der Armee war, mußte sich, obwol er lieber die Franzosen im offenen Felde aufgesucht hätte, zu einer förmlichen Belagerung entschließen; auch B. sprach sich in einem noch erhaltenen Gutachten für diese Nothwendigkeit aus. Mitte August begannen die Arbeiten; ein von der Mosel her vorrückendes französisches Entsatzheer unter General Boufflers[WS 2] wurde ohne Kampf durch ein starkes Detachement unter Schöning zum Zurückweichen gebracht, aber die Belagerten behaupteten sich hartnäckig, in ungehoffter Weise verzögerte sich die Entscheidung von Woche zu Woche.

Eben in dieser Zeit begab sich ein unerfreulicher Zwischenfall, welcher B. speciell berührte. Schon seit einiger Zeit machten in den Kreisen der brandenburgischen hohen Generalität sich persönliche Zerwürfnisse der peinlichsten Art bemerkbar und hatten selbst auf den Gang der Operationen nicht selten störend eingewirkt. Der Feldmarschall-Lieutenant Hans Adam v. Schöning gehörte unstreitig zu den fähigsten und verdientesten Officieren der damaligen brandenburgischen Armee, in der er eine schnelle und glänzende Carriere gemacht hatte; doch trat das Vollgefühl seines Werthes bei ihm auch in sehr scharfer Weise zu Tage; sein schroffes hochmüthiges Auftreten hatte ihm von jeher viele Feindschaften bereitet; Unterordnung ertrug er schwer und für Untergeordnete war er schwer zu ertragen; als im J. 1687 der große Kurfürst den französischen Refugié Marschall Friedrich von Schomberg zum Chef-General der Armee ernannte, empfand Schöning dies (ebenso wie Derfflinger) als eine Zurücksetzung und trat zu dem neuen Ankömmling in ein Verhältniß der Feindseligkeit, das sich bis zur gegenseitigen Verweigerung der militärischen Ehrenbezeigungen steigerte und in das gesammte höhere Officiercorps eine Spaltung brachte, die von den übelsten Folgen zu werden drohte. Auch B. gehörte zu den entschiedenen Gegnern Schöning’s, dem er vielleicht auch die schnellere Beförderung nicht ganz verzieh. Bei wiederholten Anlässen waren die beiden Männer sich schon feindlich gegenübergetreten, jetzt führte dieses Zerwürfniß zu einer Katastrophe. Anfang September erhielt B. den Befehl, ein Corps von 6000 Mann den mit der Belagerung von Mainz beschäftigten Kaiserlichen zu Hülfe zu führen. Als er am 9. Sept. im Hauptquartier bei Poppelsdorf sich bei dem Kurfürsten verabschiedete, ertheilte ihm dieser die Weisung, auch dem im Rang ihm vorgesetzten Schöning die amtliche Anzeige von seiner Abcommandirung zu machen. Im Vorzimmer des Kurfürsten begegnete er Schöning und machte ihm sofort, wahrscheinlich nicht in der verbindlichsten Form, die befohlene Mittheilung; eine barsche Antwort folgte, ein heftiger Wortwechsel entspann sich, es kam so weit, daß die beiden Generale, nachdem sie das fürstliche Vorzimmer verlassen, sich zuerst mit ihren Stöcken bedrohten und angriffen, endlich die Degen zogen und nur mit Mühe getrennt werden konnten.

[63] Der Vorfall erregte das peinlichste Aufsehen. Nach den darüber vorliegenden Acten würde man kaum in der Lage sein, den einen oder den andern der beiden Generale völlig freisprechen zu können: eine lang verhaltene gegenseitige Erbitterung machte sich bei diesem wie bei jenem in höchst verletzenden Formen Luft, und wenn der Verstoß gegen die militärische Subordination vielleicht stärker gegen B. sprach, so war dagegen die thätliche Provocation unzweifelhaft von Schöning ausgegangen. Der Kurfürst entzog zunächst beiden ihr Commando und ließ dann ein rechtliches Verfahren gegen die Friedensbrecher eröffnen. Die Verkündigung des Urtheils zog sich lange hinaus; das Ende war, daß Schöning, der am brandenburgischen Hofe wenig Fürsprache hatte, seinen Abschied nahm und in kursächsische Dienste trat; B. dagegen wurde bald völlig rehabilitirt. An dem Fortgang der Belagerung von Bonn nahm er, wenigstens im Kriegsrath, Theil und entwarf die Disposition zu dem entscheidenden Sturme; nachdem die Festung am 12. Oct. übergeben worden war, erhielt er auch sein Commando zurück, und die ärgerliche Streitigkeit hatte ihn von einem gefährlichen Rivalen befreit, freilich auch die brandenburgische Armee eines ihrer tüchtigsten Führer beraubt.

Der schlaff und unglücklich geführte Feldzug des J. 1690, dessen Hauptereigniß die Niederlage Waldeck’s bei Fleurus war, brachte auch B. keine Gelegenheit zur Auszeichnung, und es mochte ihm willkommen sein, als er im Frühjahr 1691 den Auftrag erhielt, zum dritten Mal nach Ungarn zu ziehen und dem Kaiser ein Hülfscorps von 6000 Mann zuzuführen. Es war der ruhmreichste dieser brandenburgische Türkenzüge; die Schlacht bei Salankemen (19. Aug. 1691), welche die Campagne dieses Jahres entschied, war eine der gewaltigsten und blutigsten unter den Türkenschlachten des siebzehnten Jahrhunderts, zugleich ein Ehrentag ersten Ranges für die brandenburgische Armee und für ihren Anführer B. Aus allen Berichten geht hervor, daß ihre Theilnahme an der Schlacht eine hervorragend ehrenvolle war, und daß in einem bedenklichen Momente des Kampfes das energische Eingreifen der Brandenburger unter B. die schon wankende Schlachtlinie im Centrum der kaiserlichen Armee wiederherstellen half und dadurch wesentlich zur endlichen Gewinnung des Sieges beitrug. Für den brandenburgischen General sollte die Erhebung in den Reichsgrafenstand die Belohnung des Kaisers werden; aber B. lehnte, da er damals noch kinderlos war, für diesmal die kostspielige Ehre ab; von dem Kurfürsten wurde er zum General der Infanterie befördert. Er nahm in dem Feldzug dieses Jahres noch an der Erstürmung der Feste Großwardein Theil, und brandenburgische Truppen haben in allen folgenden Campagnen bis zum Frieden von Carlowitz (1698) mitgefochten. B. selbst kehrte im Frühjahr 1692 in die Heimath zurück. Er hatte während seiner Abwesenheit in Ungarn seine Frau Elisabeth geb. von Schlabrendorf, mit der er seit 1667 in kinderloser Ehe lebte, durch den Tod verloren; zwei Jahre später vermählte er sich zum zweiten Male mit der Gräfin Eleonore von Dönhof, und da ihm in dieser Ehe noch mehrere Söhne geboren wurden, so nahm er im Hinblick auf diese im J. 1699 gern die abermals angebotene Erhebung in den Reichsgrafenstand von Kaiser Leopold an.

Inzwischen war mit dem Frieden von Ryswijck (20. Oct. 1797) der französische Krieg zu Ende gegangen. B. war noch während desselben zum General-Feldmarschall ernannt worden (1696); aber es war auffallend und seinem Wunsche nicht entsprechend, daß er bei den beiden letzten Feldzügen in Brabant nicht mehr verwendet wurde; er erhielt im J. 1696 nur das Commando eines Observationscorps, welches bei Gelegenheit der nach Johann Sobieski’s Tod in Polen ausbrechenden Thronwirren im Herzogthum Preußen aufgestellt wurde, [64] und im folgenden Jahre begleitete er den Kurfürsten auf seiner Reise nach Preußen und Kurland. B. schrieb diese Verdrängung aus dem activen militärischen Dienst dem Einfluß des damals noch allmächtigen Ministers Eberhard von Dankelmann zu. Der hohe militärische Rang, den er jetzt einnahm, und die näheren persönlichen Beziehungen zu dem Kurfürsten, in die er damit eingetreten war, hatten ihn jetzt auch eine hervorragende Stellung in den Parteien des Hofes und Cabinets gegeben; er war einer von den entschiedensten Gegnern Dankelmann’s geworden, durch dessen überwiegenden Einfluß er sich beeinträchtigt fühlte und unter dessen schroffer Rücksichtslosigkeit er nicht selten zu leiden gehabt hatte. Es ist nicht zu bezweifeln, daß B. an der Intrigue, welcher Dankelmann endlich zum Opfer fiel, wesentlichen Antheil gehabt hat. Als dieser im Dec. 1697 seinen Abschied erhielt, war es B., der dem gefallenen Minister das Entlassungsschreiben des Kurfürsten überbrachte, und als einige Monate später die Criminaluntersuchung gegen ihn eröffnet wurde, stand wiederum B., der inzwischen auch zum Oberkriegspräsidenten ernannt worden war, an der Spitze der damit beauftragten Commission.

Daß der jetzige Feldmarschall B. bei seinem Auftreten gegen Dankelmann sich einigermaßen auch von Motiven persönlichen Ehrgeizes habe leiten lassen, war die Meinung der Zeitgenossen und wird kaum in Abrede zu stellen sein. Vermöge seiner Stellung und seiner Verdienste, vermöge auch seiner jetzigen verwandtschaftlichen Verbindung mit den angesehensten Familien, besonders den Dohna, den Dönhof u. a., die eine mächtige geschlossene Hofpartei bildeten, konnte ihm wol die Hoffnung aufgehen, an der Spitze dieser Partei eine einflußreiche, vielleicht leitende Rolle am Hofe Friedrichs III. zu spielen. In der That sehen wir unmittelbar nach dem Sturz des mächtigen Günstlings B. für einige Zeit an der Spitze der Geschäfte; die verworrene Lage der Finanzen war eine der Hauptanklagen gegen Dankelmann gewesen, jetzt begann B. damit, die Verwaltung derselben in die Hand zu nehmen und suchte durch verschiedene Mittel, besonders durch eine große Reduction der Armee das gestörte Gleichgewicht wiederherzustellen.

Aber bald zeigte sich die Hoffnung, dauernd die erste Stelle einzunehmen, trügerisch. Der wirkliche Nachfolger Dankelmann’s wurde nicht B., sondern ein Hofmann von sehr zweifelhaftem Werth und Verdienst, der Freiherr Kolb von Wartenberg. Dieser neue Günstling Friedrichs III. war so eben noch der Genosse des Feldmarschalls gewesen bei der gegen Dankelmann gerichteten Intrigue; bald war er der alleinige Erbe des Gestürzten, und besonders nachdem er bei der Angelegenheit der Erlangung der Königswürde gute Dienste geleistet, gewann er das unbedingte Vertrauen des Fürsten und den entscheidenden Einfluß auf alle Geschäfte. Es fehlte für B. nicht an äußeren Ehren; als der neue König Friedrich 1701 den schwarzen Adlerorden stiftete, gehörte er zu den zwanzig ersternannten Rittern desselben; auch zum Gouverneur von Berlin wurde er in demselben Jahre ernannt; doch vermochte dies nicht, ihn mit dem neuen Günstlingsregiment auszusöhnen. Nicht lange, so gab es wieder eine starke Partei der Mißvergnügten, und B. war eines der Hauptmitglieder derselben und lebhaft betheiligt an allen Versuchen, den unbequemen Rivalen zu stürzen. Es sollte ihnen nicht glücken, die wiederholten Angriffe brachten vielmehr die Angreifer selbst zu Falle. In der ersten Hälfte des Jahres 1702 gelang es Kolb, einen seiner Hauptgegner nach dem anderen vom Hofe zu entfernen; zuletzt sah auch B. sich genöthigt, um seinen Abschied einzukommen, der ihm sofort, nebst einen Gnadengehalt von 8000 Thalern, bewilligt wurde.

Seine politische Laufbahn war hiermit zu Ende. Er zog sich auf seine vor einigen Jahren erworbene Besitzung Cossenblat bei Besskow zurück, wo er [65] auf einer Insel der Spree einen stattlichen Schloßbau begonnen hatte. Er hatte im Laufe der Zeit ein ansehnliches Vermögen erworben und dasselbe zumeist in großen Gütercomplexen in der Mark und in Preußen angelegt; der Verwaltung desselben werden seine letzten beiden Lebensjahre vorzugsweise gewidmet gewesen sein.

B. gehörte unstreitig zu den tüchtigsten unter den älteren, aus der Schule des 17. Jahrhunderts hervorgegangenen Generälen der preußischen Armee; man rühmt an ihm neben persönlicher Tapferkeit und Mannszucht besonders die Fähigkeit schneller Orientirung und gewandter Benutzung der Gelegenheiten und der Fehler des Feindes. Er war ein stattlicher Officier, von vornehmer, martialischer Haltung und, wie berichtet wird, über sechs Fuß hoch. Der letztere Umstand vielleicht hat ihm mit zu der Ehre verholfen, daß Friedrich Wilhelm I. viele Jahre nach seinem Tode ein Portrait von ihm in Lebensgröße gemalt hat, welches sich noch jetzt in Potsdam befindet.

v. Schöning, Leben des Feldmarschall H. A. v. Schöning (Berlin 1837). Christophe Comte de Dohna, Mémoires originaux etc. (Berlin 1833). v. Barfus-Falkenberg, H. A. Graf v. Barfus (Berlin 1854).


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Joachim Heinrich Graf Truchseß, Vater von Friedrich Sebastian Wunibald (Graf zu Waldburg)
  2. Louis-François de Boufflers (1644–1711)