ADB:Spanheim, Friedrich (reformierter Theologe)

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Artikel „Spanheim, Friedrich der Aeltere“ von Paul Tschackert in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 35 (1893), S. 59–60, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Spanheim,_Friedrich_(reformierter_Theologe)&oldid=- (Version vom 5. Oktober 2024, 00:30 Uhr UTC)
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Spanheim: Friedrich S. der Aeltere, reformirter Theologe, Hauptkämpfer für die calvinische Orthodoxie, † 1649. Die Spanheim’s, Vater und Söhne, strahlten als ein glänzendes Gestirn am Gelehrtenhimmel der reformirten Kirche des 17. Jahrh.; unsers Friedrich’s Glanz leuchtete voran; seine Söhne Ezechiel und Friedrich folgten ihm mit gleichem Ruhme. Friedrich S., der Aeltere wurde am 1. Januar 1600 zu Amberg i. d. Oberpfalz geboren; sein Vater war Wigand S., Doctor der Theologie und kurfürstlich pfälzischer Kirchenrath, der am pfälzischen Hofe unter Friedrich IV. und Friedrich V. großes Ansehen genoß. Nachdem der junge Friedrich S. als Knabe seine Vorbildung in der Stadtschule zu Amberg bis 1613 genossen hatte, gab ihn der Vater nach Heidelberg, wo sich der Jüngling bis 1619 eine vortreffliche philologische und philosophische Bildung erwarb. So ausgerüstet zog er auf Wunsch seines Vaters in diesem Jahre nach Genf, um daselbst reformirte Theologie zu studiren. Da brach nach Beginn des 30jährigen Krieges das politische Unglück über die Pfalz herein, wodurch es dem Vater schwer gemacht wurde, den Sohn im fremden Lande bei den Studien zu erhalten; zum Unglück für S. aber starb nun der Vater im Jahre 1620 selbst, so daß er fortan bedacht sein mußte, sich ökonomisch selbst zu erhalten. Zu diesem Zwecke nahm er für drei Jahre eine Hauslehrerstelle bei dem Gouverneur von Embrün (Ambrün) in der Dauphiné, einem Herrn v. Vitrolles, an. Diese Stellung wurde indeß auch für seine eigene Bildung wichtig, weil er hier Gelegenheit fand, mit Jesuiten zu disputiren und dadurch in seiner eigenen Erkenntniß fester zu werden. Später finden wir S. wieder in Genf, darauf in Paris, in dessen Nähe, zu Charenton, ein Verwandter von ihm, der Prediger Samuel Durant, lebte. Schon damals muß sich der erst 25jährige S. so vortheilhaft bekannt gemacht haben, daß er jetzt einen Ruf als Professor der Philosophie nach Lausanne erhielt. Er lehnte indeß diesen Ruf ab, machte 1625 eine Reise nach England und zog über Paris wieder nach Genf zurück. Dort sollte zunächst seines Bleibens sein: 1626 erhielt er hier eine philosophische und 1631 (nach Benedict Turretin’s Tode) eine theologische Professur. In dieser Stellung fühlte er sich so wohl, daß er verschiedene Berufungen an andere Hochschulen ausschlug; er genoß in Genf allgemeine Achtung, war zum Ehrenbürger der Stadt ernannt worden und bekleidete von 1633 bis 1637 das Rectorat der Akademie daselbst. Da in diese Zeit die 100jährige Jubelfeier der Genfer Reformation fiel, die 1635 begangen wurde, so war er es, der ihr zu Ehren eine glänzende Rede über das Thema „Geneva restituta“ hielt. Auch hat er hier die französische Sprache so elegant handhaben gelernt, daß zwei Arbeiten zeitgeschichtlichen Inhalts von ihm in Frankreich gerade um ihrer Sprache willen besonderen Anklang fanden. (Es waren „Mercure Suisse“ und der „Soldat Suedois“, französisch, Rouen 1634 in 8°; letzterer, bis 1641 fortgeführt, enthält eine Geschichte des 30jährigen Krieges bis dahin. Wegen ihrer feinen Sprache wurden diese Schriften damals Balsac zugeschrieben, vgl. unten.) Dennoch blieb S. den Genfern nicht erhalten; denn als ihn 1642 ein Ruf nach dem damals classischen Lande der Bildung, der Geistesfreiheit und der reformirten Frömmigkeit, nach Holland auf die Universität Leiden, traf, konnte er nicht widerstehen; er nahm den Ruf an, promovirte (weil in Holland jeder Professor den Doctorgrad besitzen mußte, was in der Schweiz nicht nöthig war) auf der Reise dahin zu Basel als Doctor der Theologie und begann 1642 zu Leiden seine akademische Thätigkeit. Nicht bloß durch Vorlesungen hat er hier als hochgeachteter Lehrer gewirkt, sondern er hat als Gelehrter und Rathgeber durch Schriften und Briefe [60] weithin Einfluß ausgeübt; bei der Exkönigin Elisabeth von Böhmen und bei dem Prinzen von Oranien galt er viel; die Königin Christine von Schweden bezeugte ihm brieflich ihre Hochachtung und versicherte ihm, daß sie seine Schriften mit Interesse gelesen habe. Als charakterfester Calvinist hatte S. aus seinen orthodox-dogmatischen Anschauungen nirgends Hehl gemacht; als daher der Theologe Moses Amyraut von Saumür in Frankreich einen hypothetischen Universalismus der göttlichen Gnade lehrte, vertheidigte S. die ganze Schroffheit des calvinischen Dogmas unermüdlich, bis der Tod ihm die Feder aus der Hand nahm. Ueberarbeitet und von häuslichen Sorgen niedergedrückt starb S. früh, schon 1649. Gerade und ehrlich hatte er gestritten; daher haben Freund und Feind in gleicher Weise ihm Achtung zu Theil werden lassen.

Seine lateinischen Schriften sind theils theologische theils historische: „Dubia evangelica“ (Genf 1654 in 4°). – „Exercitationes de gratia universali“ (gegen Amyraut, in Octav, 1856 Seiten, Leiden 1645); „Epistola ad Cottierium de conciliatione gratiae universalis“ (Leiden 1648 in 8°), die kürzeste Zusammenfassung der Spanheimischen Lehre gegen Amyraut, Excrpt. bei Schweizer (s. u.) II, 338 ff.; „Epistola ad Buchananum de controversiis Anglicanis; Epistola ad Andr. Rivetum contra Jos. Halli librum, quod episcopatus sit juris divini; Vita Ludovicae Julianae, Electricis Palatinae, Friderici V. matris“ (Leiden 1645); „Commentaires historiques de la vie et de la mort de Christophle Vicomte de Dohna“ (Genf 1639); „Laudatio funebris Friderici Henrici Arausionis Pr.“ (Leiden 1647); „Diatribe historica de origine, progressu, sectis et nominibus Anabaptistarum“ (in Cloppenburg’s Oper. theol. T. II, p. 249); endlich „Vindiciae pro exercitationibus de gratia universali“, sein letztes Werk, das er unter Händen hatte, als er starb; sein Sohn Ezechiel S. schrieb einen Anhang (Appendix vindiciarum) dazu und Andreas Rivetus gab es 1649 in 4° zu Amsterdam heraus. Neben dem Vater haben sich seine Söhne einen Namen erworben: Ezechiel S., der Staatsmann † 1710 (s. d.) und Friedrich S. der Jüngere, geb. 1632 in Genf, Prof. der Theologie in Heidelberg 1655–1670 und in Leiden 1670–1701, † 1701, 18. Mai. Ueber letztern handelt die Herzog’sche Realencyklopädie 2. A., 14. Band (1884), S. 475.

Ueber Spanheim’s Leben handeln Abrahamus Heidanus, Theol. Prof. Leyd. in seiner Oratio funebris Friderici Spanhemii. – Freher, Theatrum virorum clarorum 1688, p. 543. 599. – Bayle, Dictionnaire historique et critique (Rotterdam 1697, II, 1080). – Balsac, Lettres, (vgl. Bayle a. a. O. S. 1082). – Allgemeines historisches Lexikon, (Gottsched) Leipzig 1732; Zedler’s Universallexikon, 38. Bd. 1743, 1099 ff. – Alexander Schweizer, die Centraldogmen der reformirten Kirche II. (1856), 336 ff., 352 ff., 460 ff. – Herzog, Realencyklopädie, 2. A., 14. Bd. (1884), 473 ff. – Spanheim’s Bild bei Freher a. a. O. S. 530.