ADB:Selchow, Johann Heinrich Christian von

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Artikel „Selchow, Johann Heinrich Christian von“ von Ernst Landsberg in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 33 (1891), S. 670–671, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Selchow,_Johann_Heinrich_Christian_von&oldid=- (Version vom 19. April 2024, 19:23 Uhr UTC)
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Selchow: Johann Heinrich Christian v. S., Jurist, ist geboren am 26. Juli 1732 zu Wernigerode, als Sohn eines gewesenen preußischen Obristen Heinrich Gottlob v. S., den er in früher Kindheit verlor. Ebenso früh starb ihm die Mutter, deren Vater Stolberg’scher Oberforstmeister gewesen war, so daß sich nun Graf Christian Ernst seiner annahm. Er besuchte das Wernigeroder Gymnasium und bezog 1751 die Universität Göttingen, auf welcher er nicht nur, namentlich unter Pütter, juristische, sondern auch unter Geßner und Ernesti[1] classische Studien trieb; außerdem erwarb er sich große Fertigkeit in der englischen Sprache und hörte bei J. Dav. Köhler politische, bei Mosheim Kirchen-, bei Heumann Litteraturgeschichte. Schon während seiner Studienjahre soll er sich durch Fleiß, Kenntnisse und Scharfsinn so ausgezeichnet haben, daß [671] er dem Geheimen Rathscollegium in Hannover zu einem Stipendium empfohlen wurde. Im J. 1755 erwarb er die Doctorwürde und bereits 1757 erschienen seine „Elementa antiquitatum iuris Romani publici et privati“, auf welche hin er, durch Vermittlung des Curators Münchhausen, zum außerordentlichen Professor ernannt wurde. Einem Rufe nach Gießen folgte er damals nicht, sondern machte die traurigen Zeiten des Siebenjährigen Krieges in Göttingen mit, wo er 1762 ordentlicher Professor, 1764 außerordentlicher Beisitzer des Spruchcollegiums, 1770 Hofrath und 1780 ordentlicher Beisitzer im Schöppenstuhl wurde. Im J. 1782 ließ er sich für Marburg gewinnen, wo man nach einem Ersatz für den altersschwach gewordenen Kanzler Hombergk zu Vach suchte; S. kam als geheimer Rath und Vicekanzler hin, 1783 fiel ihm mit Hombergk’s Tode die Kanzlerschaft selbst zu. Am 17. December 1788 verlor er seinen ältesten Sohn Heinrich Ludwig Karl und folgte diesem am 21. April 1795 im Tode nach.

Selchow’s Arbeiten beschäftigen sich hauptsächlich mit römischen und deutschen Rechtsalterthümern, Staatsrecht und deutschem Recht; sie empfehlen sich alle, lateinisch wie deutsch geschriebene, durch angenehm glatten Stil. Sein Hauptverdienst besteht darin, daß er sich entschieden der germanistischen Lehre Pütter’s angeschlossen und derselben gemäß zuerst die Uebung eingeführt hat, Particulargesetze und -statuten aller Art möglichst vollzählig heranzuziehen, um auf deren Entwicklung ein, wenn auch nicht formal, doch sachlich gemeines praktisch brauchbares deutsches Privatrecht zu begründen. Selchow’s „Institutiones oder Elementa Jurisprudentiae Germanicae“ erschienen zuerst 1757, haben bis 1795 acht Auflagen erlebt (welche freilich zum Theil nur Neudrucke sind) und bis zum Auftreten von Runde’s Lehrbuch die Herrschaft auf deutschen Universitäten behauptet; sie zeichnen sich aus durch eine bis dahin unerhört reiche Ausstattung mit den verschiedensten Quellencitaten. Ebenso ging er beim mündlichen Vortrag über Deutsches Recht regelmäßig auf die Specialrechte jeder Landschaft zurück, und zwar unter eingehenderer Berücksichtigung der Heimathsorte seiner jedesmaligen Zuhörer. Derselben Richtung entspringen seine abgesonderten Bemühungen um das braunschweig-lüneburgische Recht. Weniger Bedeutung kommt seinem Staatsrecht, seiner Geschichte der in Deutschland geltenden fremden und einheimischen Rechte und seinen Staatsalterthümern zu, obschon bei letzteren der fördernde Einfluß seiner classischen Lehrer und Studien klar hervortritt. Außerdem hat er eine weitgehende kritische Thätigkeit entfaltet, indem er 1754 bis 1763 den größten Theil der Recensionen juristischer Schriften in den Göttinger gelehrten Anzeigen besorgte, 1764–82 aber eine eigene „Juristische Bibliothek“ in fünf Bänden, deren drei erste ausschließlich von ihm herrühren, herausgegeben hat. Wenn er in diesen Besprechungen nicht bloß große Strenge, sondern gelegentlich geradezu Heftigkeit entwickelte und so in manche litterarische Fehde gerieth, so bestätigt dies nur, was wir anderweitig über die Eigenart seines Charakters erfahren; der Zanksucht, Rücksichtslosigkeit, Eitelkeit soll er auch auf dem Katheder, namentlich in den letzten Lebensjahren, bedauerlich freien Lauf gelassen, ebensowenig der Zerfahrenheit zu entgehen gewußt haben, welche sich so leicht bei selbstgefälligem Vielwissen einstellt.

Weidlich, Biographische Nachrichten II, 355 und Nachträge. – Pütter, Akademische Gelehrtengeschichte von Göttingen I, 152 u. II, 73. – Meusel, Lexikon XIII, 75. – Strieder, Hessische Gelehrtengeschichte XIV, 177. – Nekrolog auf das Jahr 1795 (Schlichtegroll) II, 41.

[Zusätze und Berichtigungen]

  1. S. 670. Z. 4 v. u. l.: ‚über Ernesti, Fundam. doctr. sol.‘ (statt und Ernesti). [Bd. 36, S. 791]