ADB:Heumann, Christoph August

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Artikel „Heumann, Christoph August“ von Karl Felix Halm in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 12 (1880), S. 327–330, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Heumann,_Christoph_August&oldid=- (Version vom 29. März 2024, 08:40 Uhr UTC)
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Heumann: Christoph August H., Polyhistor, einer der bedeutendsten deutschen Gelehrten aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Geboren am 3. August 1681 zu Allstädt in Thüringen, wo sein Vater Diaconus war, erhielt er seine Vorbildung auf der Schule seiner Vaterstadt und auf den Gymnasien zu Saalfeld und Zeitz; um Michaelis 1699 bezog er die Universität Jena, woselbst er vier Jahre lang aufs eifrigste theologischen und allgemeinen Studien oblag. Noch als Student hielt er häufig Predigten; weil er aber keine Lust fühlte, in ein geistliches Amt zu treten, nahm er 1702 die Magisterwürde auf Grund einer Dissertation „De duellis principum“ und begann 1703 als Docent über philosophische Gegenstände aufzutreten. Zu seiner weiteren Ausbildung unternahm er 1705 mit seinem Freunde, dem Magister Ehrenberger, eine Reise nach Holland, auf welcher er mit den berühmtesten Professoren und insbesondere mit den [328] Häuptern der verschiedenen christlichen Secten bekannt wurde. Sein Reisetagebuch, aus dem Cassius im Leben Heumann’s reichliche Auszüge mittheilt (S. 32–137), ist für die Gelehrtengeschichte der Zeit von hohem Interesse. Nach Jena im Herbst zurückgekehrt nahm H. seine Lehrthätigkeit wieder auf, dehnte aber seine Vorträge jetzt auch auf Erklärung biblischer Bücher und auf philologische Gegenstände aus. 1709 nahm er einen Ruf nach Eisenach an als Inspector des damaligen Seminarium theologicum, in welcher Stellung er auch Collegien über Philosophie, Exegese und de stilo zu halten hatte, und als Collaborator am Gymnasium. Schon damals hatte ihm seine ausgebreitete Gelehrsamkeit und bedeutendes Lehrtalent einen solchen Namen verschafft, daß ihm wiederholt höhere Lehrstellen angetragen wurden, die er immer ablehnte; als er aber einen Ruf nach Göttingen als Inspector des Gymnasiums unter sehr günstigen Bedingungen erhielt, konnte er nicht widerstehen und verließ das ihm liebgewordene Eisenach, wo er, wie er sich selbst ausdrückt, täglich Gelegenheit gehabt hatte, das Studium theologicum, philosophicum und philologicum, seine drei summa bona, zu treiben. Um die neue seiner Leitung anvertraute Anstalt, für die er auch die Einführung einer besseren Schulordnung durchsetzte, erwarb er sich die größten Verdienste und steigerte bedeutend ihren Besuch. Sein Leben als Rector der Göttinger Schule schildert er selbst ausführlich im dritten Theile der Zeit- und Geschichtsbeschreibung der Stadt Göttingen S. 126–209 und theilt auch die Lehrgegenstände mit, die er selbst innerhalb eines dreijährigen Cursus zu behandeln pflegte. Erfreulich ist es, aus dieser Schilderung zu erfahren, daß er auch auf die Pflege der Muttersprache bestens bedacht war, da die Jugend bei Erklärung von Classikern eben so sehr in der deutschen als römischen Beredsamkeit zunehmen sollte, und daß er dem damals ganz vernachlässigten Studium der Geschichte besonderes Augenmerk zuwandte; denn, sagte er, die Historie ist das erste, was ein zukünftiger Gelehrter erlernen muß. Da er als Vorstand einer viel besuchten Schule von auswärtigen Eltern oft angegangen wurde, Schüler in Kost und Wohnung zu nehmen, entschloß er sich jetzt auch zu heirathen; aber die Ehe, die er im Jahre 1719 mit einer Tochter des Stadtsyndicus Winicker einging, wo insofern keine glückliche, als sich schon nach einigen Jahren bei der jungen Frau gichtische Leiden einstellten, die sie fast immer bis zu ihrem erst 1750 erfolgten Tode ans Bett fesselten. Wie H. überhaupt einen trefflichen Charakter hatte und von ächter Frömmigkeit erfüllt war, so ertrug er das Schicksal, eine gebrechliche Frau zu besitzen, mit großer Gelassenheit und christlicher Geduld: viele Stunden brach er seinen Studien ab, um sie zu unterhalten, zu trösten oder in frommen Gesprächen und Gebeten der Gelähmten die versagte Kirche zu ersetzen. Die Ehe ist kinderlos geblieben; zu einer zweiten vermochte sich der Wittwer nicht zu entschließen. – Als im Jahre 1734 die neu gestiftete Georgia Augusta ins Leben trat, wurde das Gymnasium, das schon eine Art höherer Schule gewesen war, aufgehoben und seine Räumlichkeiten zu Universitätszwecken verwendet. Es war H. vergönnt, in Göttingen zu verbleiben, aber wiewol er in zahlreichen Schriften sich als einen der gelehrtesten Theologen der Zeit erwiesen hatte (auch hatte er 1728 zu Helmstedt in öffentlicher Disputation sich den theologischen Doctorgrad erworben), so war doch seine Hoffnung, eine ordentliche Professur in der theologischen Facultät zu erhalten, nicht in Erfüllung gegangen; er wurde zum ordentlichen Professor der Literaturgeschichte und daneben zum außerordentlichen der Theologie unter Belassung seiner bisherigen Bezüge ernannt. Doch fanden seine Verdienste bei der ungemeinen Thätigkeit, die er entwickelte, und bei dem Beifall, den seine gediegenen Vorträge fanden, bald ihre gebührende Anerkennung; er erhielt zuerst eine Zulage zu seiner Besoldung und 1745 die Ernennung zum ordentlichen Professor der [329] Theologie, womit der lebhafteste Wunsch seines Lebens erfüllt war. Im Jahre 1758 erbat er sich als emeritus seine Enthebung vom Lehramt, nicht als ob er sich altersschwach gefühlt hätte, sondern er konnte, da er die Ueberzeugung gewonnen hatte, daß nicht die lutherische Ansicht vom Abendmahl, sondern die der Reformirten die richtige sei, es nicht mit seinem Gewissen vereinbaren, noch länger an einer evangelisch-lutherischen Universität als Professor der Theologie zu wirken. Er lebte noch mehrere Jahre in gewohnter literarischer Thätigkeit und starb in dem hohen Alter von über 82 Jahren am 1. Mai 1763. – Heumann’s schriftstellerische Thätigkeit war von ungemeinem Umfang, aber wie vielfältige Gegenstände er auch in seinen zahllosen Abhandlungen behandelt hat, so wußte er doch in der Regel seinen Stoffen neue Seiten abzugewinnen und neben gründlicher Gelehrsamkeit großen Scharfsinn zu bekunden. Die Aufzählung seiner gelehrten Arbeiten bei seinem Biographen Cassius nimmt nicht weniger als 134 Seiten ein. Einen großen Theil seiner kleineren Schriften buntesten Inhalts umfassen folgende Sammelwerke: „Poecile“, eine Art von Journal mit Aufsätzen aus fast allen Gebieten der Gelehrsamkeit, 3 Bde. in je 4 Büchern (Halle 1722–31). „Primitiae Gottingenses“, Hannover 1738, 287 S. 4°. „Sylloge dissertationum“, 4 partes (Göttingen 1743–50). „Nova sylloge“, 2 partes (1752–54). Der reiche Inhalt dieser Sammlungen, in denen Theologie und Kirchengeschichte die Hauptrolle spielen, ist bei Pütter (Geschichte der Universität Göttingen) in kurzer Uebersicht zusammengestellt. Von seinen übrigen theologischen Schriften sind die bedeutendsten „die Uebersetzung des neuen Testaments“ (Haunover 1748 und 2. Ausg. 1750 in 2 Bdn.), eine trotz mancher Schwächen sehr verdienstliche Arbeit (s. G. W. Meyer’s Geschichte der Schrifterklärung IV, 389 ff.), und die Erklärung des neuen Testaments in 12 Bdn. (Hannover 1750–63), ein grammatisch-historischer Commentar, der eine eben so gute Kenntniß der Sprache wie der Sachen aufweist und auch jetzt noch nicht seine Brauchbarkeit verloren hat. Auf philosophischem Gebiete sind zu nennen vor allem das Hauptwerk; „Acta philosophorum, d. i. Gründliche Nachrichten aus der Historia philosophica nebst beigefügten Urtheilen von denen dahin gehörigen alten und neuen Büchern“, ebenfalls eine Art von Journal, das in 18 Stücken 1715–26 erschienen ist, die 3 Bände à circa 1000 Seiten bilden. Anknüpfend an eine seiner frühesten Schriften „Der politische Philosophus, d. i. eine Anweisung zur Klugheit im gemeinen Leben“ (Frankf. u. Leipz. 1714 und mit einem Capitel über die Freundschaft vermehrt 1724) verfaßte H. noch im hohen Greisenalter die moral-theologische Schrift „De prudentia christiana liber“ (Göttingen 1761–63, 2 partes). Um die Litteraturgeschichte erwarb er sich hohe Verdienste außer zahlreichen einzelnen Beiträgen und Biographien von Gelehrten durch die Schriften: „Schediasma de anonymis et pseudonymis“ (Jena 1711 und vermehrt in J. Chr. Mylii Bibliotheca anonymorum etc. 1740. „Epistola de circumforanea literatorum vanitate“ unter dem Namen Stadelius,, d. i. der Alstedter, in J. B. Menckenii de charlataneria eruditorum declamationes (Amsterdam 1716 u. ö.). „Göttingische Schulhistorie“ 1735. 4°. „Bibliotheca historica academica“ (1738, 248 pp. 4°) im Anhang der neuen Ausg. von Conringii Antiquitates academicae; vor allem durch sein Hauptwerk: „Conspectus reip. litterariae, sive via ad hist. litterariam“ (Hannover 1718, 1763 in 7. Aufl.). Sehr zahlreich sind auch Heumann’s philologische Arbeiten: „Parerga critica“ (Jena 1712) mit kritischen Beiträgen zu Cicero, Zosimus, Tacitus’ Agricola, Jamblichus (de vita Pythagorica), Curtius, Palaephatus, Ovidius etc. und einer verständigen „commentatio de arte critica“, die auch einzeln (Nürnberg 1747) erschienen ist. „Sapientia scenae Romanae“ 1716, eine Sammlung moralischer Sentenzen aus den Komikern, Syrus, Phaedrus [330] etc. mit kurzen Noten. „Quintiliani (d. i. Taciti) dialogus de causis corruptae eloquentiae, emendatus et illustratus,“ Göttingen 1719. „Anthologia latina, h. e. Epigrammata selecta,“ Hannover 1721. „Ciceronis orati pro Milone, emendata et illustrata,“ mit deutscher Uebersetzung (1733), „orationes IX selectae“ 1735, „orr. pro Marcello, Ligario, rege Deiotaro“ 1749, sechs Reden verdeutscht 1735. „Lactantii opera cum notis criticis“ 1736, Heumann’s beste Arbeit auf philologischem Gebiete, die viele treffende Verbesserungen besonders zum schwierigen liber de mortibus persecutorum enthält. (Die früher unter dem seltsamen Titel „Lactantii Symposium“ (Hannover 1722) erschienene Separatausgabe beruhte auf dem thörichten Einfall, die den Namen des Symphosius tragenden Räthselgedichte dem Lactantius beizulegen.) „Plutarchi lib. de liberorum educatione cum nova interpret. latina et notis“, Leipzig 1748. Außerdem lieferte H. zahlreiche zerstreute kritische Beiträge zu vielen römischen Auctoren und Kirchenvätern (besonders Minutius Felix und Tertullianus), in welchen er sich als einen zwar kühnen, aber sehr scharfsinnigen Kritiker bewährt hat, so daß ihm sichere Verbesserung vieler verderbten Stellen lateinischer Texte verdankt wird.

Quellen: H. selbst in der Göttingischen Schulhistorie. Pütter’s Geschichte der Universität zu Göttingen I, S. 29–34, 1765. Ausführliche Lebensbeschreibung von Georg Andr. Cassius, Cassel 1768, 450 Seiten. G. H. Klippel in Herzog’s Realencyklopädie.