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Artikel „Heuglin, Theodor von“ von Karl August Klüpfel in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 12 (1880), S. 325–327, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Heuglin,_Theodor_von&oldid=- (Version vom 5. Dezember 2024, 19:41 Uhr UTC)
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Heuglin: Theodor v. H., Afrikareisender und Naturforscher, wurde am 20. März 1824 zu Hirschlanden in Würtemberg als Sohn des dortigen Pfarrers geboren. Seinen ersten Unterricht genoß er in der Erziehungsanstalt zu Stetten im Remsthal; vom 12. Jahre an wurde er zu Hause von seinem Vater unterrichtet. Nach der Confirmation sollte er sich dem Baufache widmen, und zunächst unter Anleitung des Baurath Gaab sich mit der Praxis bekannt machen, und nebenbei das Gymnasium besuchen. Es zeigte sich jedoch bald, daß dieser Weg nicht der richtige sei, und der junge H. wurde nun im fünfzehnten Jahre der Paulus’schen Erziehungsanstalt auf dem Salon bei Ludwigsburg übergeben, und einige Jahre später trat er in die polytechnische Schule zu Stuttgart ein, um sich für das Berg- und Hüttenfach auszubilden. Nach zweijährigem Cursus wurde er auf der fürstlich Fürstenbergischen Amalienhütte anderthalb Jahre lang als Assistent verwendet. Doch fesselte ihn dieser Beruf in die Länge nicht, [326] denn er strebte in die weite Welt, fremde Länder und ihre Pflanzen und Thiere zu sehen war das Ziel seiner Sehnsucht. Als im Jahre 1849 der Naturforscher J. W. v. Müller von seiner nordafrikanischen Reise nach Stuttgart zurückkehrte, und eine reiche zoologische Sammlung mitbrachte, half er ihm dieselbe ordnen, und Müller veranlaßte ihn nach Afrika zu reisen. Ende 1850 begab er sich nach Egypten. Als er nach Alexandrien kam, fand er dort bei dem österreichischen Generalconsul Huber Unterstützung zu einer Reise nach Nubien und ins peträische Arabien, und 1852 wurde er dem österreichischen Consulat in Chartum als Secretär beigegeben. Bald darauf machte er mit dem Consul Dr. Reitz eine Reise nach Abessynien, und als letzterer auf der Rückkehr den Strapatzen der Reise erlag, wurde H. der Nachfolger seines Chefs. Die zahlreichen wissenschaftlichen Aufzeichnungen, welche H. bis jetzt gemacht hatte, veröffentlichte er 1857 im Verlag von J. Perthes in Gotha unter dem Titel „Reisen in Nordafrika“. Kaum hatte er in Chartum einige Monate ausgeruht, so machte er sich wieder auf die Fahrt, um das Gebiet des unteren weißen Nils zu untersuchen. Von dieser Reise brachte er eine Menge interessanter Thiere, sowol lebende als ausgestopfte, mit nach Europa, und machte dieselben theils dem Thiergarten in Schönbrunn bei Wien, theils dem Naturaliencabinet zu Stuttgart zum Geschenk. Als Anerkennung für letztere Schenkung wurde ihm 1855 der würtembergische Kronorden und damit der persönliche Adel verliehen. Im Frühjahr 1856 begab er sich wieder auf die Reise, wandte sich nach Griechenland, Kleinasien und Egypten, und betheiligte sich bei einer Expedition an die Westküste des rothen Meeres und die Somaliküste, worüber er im Jahrgang 1860 und 61 von Petermann’s Mittheilungen ausführlichen Bericht erstattet hat. Da er sich bei seinen beständigen Reisen den Functionen des österreichischen Consulats in Chartum nicht widmen konnte, wurde er 1858 dieser Stelle enthoben und kehrte im October des genannten Jahres nach Stuttgart zurück, wo er nun bis zum Frühjahr 1861 blieb. Dort traf ihn die Aufforderung Dr. Petermann’s in Gotha, sich an die Spitze einer Expedition zur Auffindung des verschollenen Afrikareisenden Eduard Vogel zu stellen. Im Mai 1861 trat H. in Begleitung von einer Anzahl tüchtiger Männer von Egypten aus die Reise an und wandte sich zunächst den nördlich von Abessynien gelegenen Landschaften zu, wo sich die Expedition mit naturwissenschaftlichen und geographischen Untersuchungen bis zum October aufhielt. Um diese Zeit trennte sich ein Theil der Gesellschaft unter Anführung von Munzinger und Kinzelbach von ihm, da sie dem ursprünglichen Zweck des Unternehmens in einer anderen Richtung besser dienen zu können glaubten, während H. von Anfang an Abessynien als Ziel seiner Reise vor Augen gehabt hatte. Dorthin setzte er nun mit den Uebrigen seinen Weg fort und wurde im April 1862 von dem Kaiser Theodor sehr freundlich aufgenommen. Unter vielen Entbehrungen und Drangsalen bewerkstelligte er die Rückreise und kam im Juli 1862 in Chartum an, wo er einige Monate ausruhte. Im Anfang des folgenden Jahres finden wir ihn schon wieder in Bewegung: er hatte sich nämlich der bekannten holländischen Reisenden Fräulein Tinne zu einer Expedition nach den westlichen Zuflüssen des weißen Nil angeschlossen, und kam mit ihr im Juli 1863 an die Ufer des Kasangaflusses. Die Reise nahm noch das folgende Jahr in Anspruch, und zu Anfang des Jahres 1865 kehrte er nach Europa zurück, um sich der Verarbeitung des reichen wissenschaftlichen Materials zu widmen, das er gesammelt hatte. Diese Arbeit veranlaßte ihn aber wieder zu neuen Reisen nach Frankreich, Holland und Norddeutschland, um in den dortigen Sammlungen vergleichende Studien zu machen. Außerdem folgte er 1870 der Aufforderung des Grafen Waldburg-Zeil, ihn auf einer Reise in das nördliche Eismeer, [327] namentlich auf die Insel Spitzbergen zu begleiten, und im folgenden Jahr machte er beinahe denselben Weg auf einem Dampfer des Kaufherrn Rosenthal, mit dem er Nowaja-Semlja besuchte. 1875 ging er in Folge einer Aufforderung des Khedive von Egypten, der ihm lockende Anerbietungen gemacht hatte, wieder nach Afrika. Da sich aber die Aussichten nicht erfüllten, so kehrte er im selben Jahr wieder nach Stuttgart zurück. Schon wieder mit neuen Reiseplänen beschäftigt, erkrankte er dort an einer Lungenentzündung und starb nach wenigen Tagen am 5. November 1876. Die Wissenschaft verlor an ihm einen rüstigen Vorkämpfer, der sich um die Erschließung Afrika’s und die Kenntniß der dortigen Thierwelt sehr verdient gemacht hat. Außer dem oben genannten ersten Werke veröffentlichte er folgende Arbeiten: „Systematische Uebersicht der Vögel Nordostafrika’s“ (1856). „Systematische Uebersicht der Säugethiere Nordostafrika’s“. (1867). „Reise nach Abessynien, den Galaländern, Ostsudan und Chartum in den Jahren 1861 und 1862.“ (1868.) „Reise in das Gebiet des weißen Nil und seiner westlichen Zuflüsse in den Jahren 1862–64.“ (1869.) „Ornithologie Nordostafrika’s, der Nilquellen und Küstengebiete des rothen Meeres etc.“ 2 Bde. mit Abbildgen. (1869–73.) „Reisen nach dem Nordpolmeer in den Jahren 1870 und 71.“ 3 Bde. (1872–74.) „Reise in Nordostafrika. Schilderungen aus dem Gebiete Beni Amer und Habab nebst zoologischen Skizzen.“ (1877.)

Außerdem hat H. in den deutschen geographischen Zeitschriften, vorzüglich in den „Geogr. Mittheilungen“ zahlreiche Mittheilungen veröffentlicht (die Bände der letztern von 1861–62 enthalten die Originalberichte über die Vogel-Expedition) und eine Anzahl von Arbeiten naturgeschichtlichen, vorwiegend faunistischen Charakters geliefert, von denen die „Ornithologie Nordost-Afrika’s“ (3 Bde. Cassel 1869–73) die umfassendste ist. – H. ist, wie sein vielbewegter Lebenslauf zeigt, einer der rastlosesten Reisenden unseres Jahrhunderts gewesen und seine Werke beweisen, daß er auch ein sehr gut vorgebildeter war. Er hat keine der größten geographischen Aufgaben gelöst, die seine Zeitgenossen in Spannung erhielten, noch auf einer seiner Reisen ein sehr hervorragendes Ziel erreicht, aber er hat zu genauer Kenntniß kleinerer oder sonst als minder anziehend vernachlässigter Gebiete Bedeutendes geleistet und wird vorzüglich von den Thiergeographen mit Dankbarkeit genannt. Er war einer der besten unter Denen, die Größeren oder Glücklicheren die Wege vorbereiteten. H. war kein Meister des Styles weder in der Reiseerzählung, noch in der Schilderung, seine Bücher gehören daher nicht zu derjenigen Classe der Reisebeschreibungen, die durch formelle Vorzüge sich als Bereicherung der allgemeinen Litteratur darstellt. Aber er war ein sehr nützlicher wissenschaftlicher Reisender.

Geographische Mittheilungen 1877.