ADB:Seld, Albert Freiherr von

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Artikel „Seld, Albert Freiherr von“ von Karl Schindler. in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 33 (1891), S. 671–673, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Seld,_Albert_Freiherr_von&oldid=- (Version vom 25. November 2024, 11:20 Uhr UTC)
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Seld: Albert Freiherr v. S., geboren auf dem väterlichen Gut Russow bei Kalisch, † am 17. April 1867 zu Potsdam. Seine Vorfahren waren früher [672] in Augsburg angesessen und bekleideten, wie z. B. Georg Sigismund S., der bekannte Kanzler Karl’s V. (s. u.), hohe Reichsämter in Wien. Zur lutherischen Kirche übergetreten, verließ die Familie später ihre Heimath und kaufte sich in Preußen an. Seld’s Vater war preußischer Major, seine Mutter eine geborene Baronesse v. Blomberg. S. wuchs heran in einer für Deutschlands Erhebung bedeutungsvollen Zeit, welche in seinem leicht empfänglichen Herzen tiefe Furchen gezogen hatte. Nach Absolvirung des Gymnasiums in Guben wurde er preußischer Gesandtschaftssecretär in Krakau. Auf der Universität daselbst lag er neben seinem Berufe noch dem juristischen Studium ob und beendete dasselbe auf der Universität in Breslau. Hier und später auch beim Kammergericht in Berlin arbeitete er als Auscultator. Infolge anhaltender Studien bildete sich bei seinem schwächlichen Gesundheitszustande ein Brustleiden aus, welches seine Studien oft unterbrach und ihn jahrelang nach Salzbrunn führte, um an den dortigen Heilquellen seine Gesundheit zu kräftigen. Bald darauf nahm er seinen Abschied aus dem Justizdienst, der ihm, zumal bei Bearbeitung von Proceßsachen, nicht mehr zusagte und gab sich in dem Gefühl vollkommener Freiheit und Unabhängigkeit der litterarischen Thätigkeit hin. Bald darauf erschienen seine Gedichte, welche eine gute Aufnahme fanden. Seine juristischen Abhandlungen, sowie eine Arbeit über „Die Unterrichtsmethode in den Preußischen Schulen“, welche die besondere Anerkennung des Königs und seines Staatsministers v. Kamptz erhielten, wurden mit einem Staatspreise von 1000 Thalern belohnt. Seine öffentlichen Vorträge, von denen, besonders in den dreißiger und vierziger Jahren, „Die Zukunft der Kunst“ und „Der Geist der Buchstaben“ hervorzuheben sind, machten berechtigtes Aufsehen und zeichneten sich durch große Gewandtheit in der Form, nicht minder durch überraschende Gedanken und geistreiche Ideen aus. Als Volksredner in den vierziger und fünfziger Jahren sprach er gewaltig, ja hinreißend und diente mit großer Treue damit den Zwecken der inneren Mission und ganz besonders der Enthaltsamkeitssache, welcher er sich, von Baird angeregt, mit dem Feuer seiner ganzen Seele hingab. Eine größere Begeisterung auf diesem Gebiet, eine größere Hingabe als S. hat bis auf diesen Tag kaum Jemand an den Tag gelegt. Er organisirte die Enthaltsamkeitsvereine in Deutschland und bemühte sich diesen edlen Bestrebungen durch seine langjährigen Reisen und durch seine hinreißenden Vorträge in allen Schichten der Bevölkerung Eingang zu verschaffen. Durch die Art seiner Vorträge, sowie andererseits durch seine persönliche Hingabe verschaffte er der Enthaltsamkeitssache in den Kreisen der Gebildeten, wie ganz besonders bei den kleinen Leuten, denen er mit großer Liebe und edler Selbstverleugnung nachging, schnellen Eingang, so daß viele verkommene, dem Laster des Branntweintrinkens verfallene Personen ihm ihre Rettung verdankten. In den letzten Jahren dieser seiner Thätigkeit gab er den „Kreuzzug wider den Branntwein“, eine Zeitschrift heraus, welche die Jahre 1855, 1856 und 1857 umfaßte. Als das tolle Jahr 1848 schwere Gefahren auch für Preußen brachte, vertheidigte er, gerade in einer Zeit, wo das Häuflein der Königstreuen sehr zusammengeschmolzen war, mit gewohnter Treue und mit außerordentlicher Hingabe die Rechte des Thrones und der Ordnung. Er verhalf insbesondere bei seinen fortgesetzten Reisen und durch seine hinreißenden Vorträge, sowol in den Städten als auch auf dem flachen Lande, in schwerer Zeit dieser königstreuen Gesinnung zum Durchbruch. Auch besuchte er die Gefängnisse und Zuchthäuser und wies schon damals überzeugend nach, wie die meisten Verbrechen und Vergehen auf das Laster des Branntweintrinkens zurückzuführen seien. Der König Friedrich Wilhelm IV., welcher ebenso wie seine Gemahlin, S. wegen dieser treuen Gesinnung und zugleich wegen der großen Verdienste um die Enthaltsamkeitssache, nicht minder auch wegen seiner [673] glänzenden Begabung schätzte, hat ihn später in seine Nähe nach Potsdam gezogen. Hier wurde er öfter zu den berühmten Theeabenden nach Charlottenburg und Sanssouci befohlen, wo geistvolle und verdiente Männer um den König versammelt wurden. Friedrich Wilhelm IV. ist ihm bis zu seinem Tode ein dankbarer König gewesen. S. war ein ganz eigenartig angelegter Charakter. Sein Hang zur Freiheit, zur Ungebundenheit veranlaßte ihn hauptsächlich, seine juristische Laufbahn aufzugeben. Noch kurz vorher sagte der bekannte Minister v. Kamptz, der seine außerordentliche Begabung erkannt und welcher den König Friedrich Wilhelm III. auf die bedeutenden Geistesgaben Seld’s aufmerksam gemacht hatte, zu ihm: „Sie müssen im Staatsdienst bleiben, in zwölf Jahren sind Sie Chef-Präsident!“ Als darauf S., höchst charakteristisch, erklärte, daß es nicht sein Wunsch sei, was man so nennt, Carriere zu machen, antwortete der Minister entrüstet: „Sie haben keinen Ehrgeiz!“ und war sichtlich überrascht, als S. ihm vollkommen Recht gab.

S. hinterließ außer seiner Wittwe eine Tochter und zwei Söhne. Von seinen Schriften sind bekannt: „Erlebnisse auf dem Gebiet der Strafjustiz und der inneren Mission“ 1860; „Wunderliche Reisen, Bruchstücke aus dem Leben“ 1864, neueste Auflage 1883; „Wenig gekannte Länder und sehr bekannte Menschen“ 1864; „Vertrauliche Mittheilungen vom Preußischen Hofe und aus der Preußischen Staats-Verwaltung“ 1865, zweite Auflage 1866; „Aus der Verbrecherwelt. Erfahrungen“, Bd. 1 u. 2, 1865; „Sechszig Jahre oder ein Leben an Bauern- und Fürstenhöfen, unter Säufern, Kindern und Verbrechern“ 1865.

Karl Schindler.