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Artikel „Schmidt, Georg Friedrich“ von Joseph Eduard Wessely in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 31 (1890), S. 726–728, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Schmidt,_Georg_Friedrich&oldid=- (Version vom 21. November 2024, 18:44 Uhr UTC)
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Schmidt, Georg
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Schmidt: Georg Friedrich S., Maler, Zeichner, Kupferstecher und Radirer, der zu den besten und bahnbrechenden Künstlern der Neuzeit gehört, ist nicht in Berlin, wie bisher irriger Weise angenommen wurde, geboren, sondern im Dorfe Schönerlinde, nicht weit von Berlin, und zwar am 24. Januar 1712 zu derselben Stunde, in der auch Friedrich der Große das Licht der Welt erblickte. Die von ihm radirte Landschaft, fälschlich als Eingang zum Dorfe Pankow benannt, zeigt uns das Geburtshaus des nachmaligen Künstlers. Dieser kam zeitlich nach Berlin, wo sich frühzeitig die Liebe zur Kunst einstellte. Nach Ueberwindung verschiedener Hindernisse kam er zum Kupferstecher Georg Paul Busch in die Lehre. Hier eignete er sich schnell die Technik an, die Handhabung des Grabstichels und der Radirnadel, so daß er bald seinem Lehrer in Arbeiten behülflich sein konnte. Zuerst führte er bei den Platten des Busch die Wappenschilder und Einrahmungen, später auch das Beiwerk aus, dann übte er sich durch das Copiren nach anderen Stichen und endlich war er soweit, ganze bei seinem Lehrer bestellte Bildnisse zu stechen, bei denen er aber nur auf einigen Abzügen seinen Namen setzen durfte, der dann durch die Bezeichnung seines Lehrer ersetzt wurde. Drei Jahre war er bei Busch, dann diente er sechs Jahre als Soldat. Im J. 1736 frei geworden, zeichnete er fleißig an der Akademie und gab Unterricht, um sich das nöthige Reisegeld nach Paris zu verschaffen, auch stach er im Auftrage Illustrationen zur Geschichte der griechischen Christen in der Türkei. Hundert Thaler, der Lohn für diese Arbeit, ermöglichten es, daß sich S. 1737 auf den Weg nach Paris machte, den er von Straßburg aus mit dem Kupferstecher J. G. Wille fortsetzte. Der in Berlin lebende Hofmaler Pesne gab ihm eine Empfehlung an Lancret, nach dem er bereits drei Blätter gestochen hatte. Durch diesen wurde er beim Kupferstecher N. Larmessin eingeführt, der ihn in seine Werkstätte und sein Haus aufnahm. Hier machte er erstaunliche Fortschritte, die elegante Stichweise seines Lehrers trieb ihn zur höchsten Kraftanstrengung an und bald konnte er seinen Meister bei den Stichen nach Lancret zu Lafontaine’s Erzählungen unterstützen. Larmessin erlaubte ihm, die ersten zwölf Abdrücke der von ihm gestochenen Platten mit seinem Namen zu bezeichnen, darauf wurde seines Meisters Name daraufgesetzt. Solche Abdrücke mit Schmidt’s Namen sind sehr selten. Da ihm der Meister keinen Gehalt gab, so mußte S. kleinere Arbeiten für andere Verleger ausführen. Das that er für Odieuvre, der in seinem Werke „l’Europe illustre“ kleine Bildnisse berühmter Personen vereinte. In diesem Werke befinden sich zwanzig Bildnisse, die S. gestochen hat, darunter die von Scarron, Coligny, Parrocel, J. Law, Milton und von den Hofschönheiten, der Marquise de Sevigné, Ninon de Lenclos, der Schauspielerin Lecouvreur u. a. m. Die Stiche Schmidt’s zeichnen sich wesentlich von jenen anderer Kupferstecher aus. Sieben Monate arbeitete S. bei Larmessin. Nun wollte er auf eigenen Füßen stehen, und bat den berühmten Bildnißmaler H. Rigaud, nach dem er bereits für Odieuvre einige Blätter verfertigt hatte, ihm eines seiner Bilder für den Stich anzuvertrauen. Er erhielt das Porträt des Grafen d’Evreux, das [727] er zur Zufriedenheit des Malers wie des Dargestellten trefflich ausgeführt hatte; in der akademischen Ausstellung 1742 fand es ungetheilten Beifall. Durch Rigaud beim Erzbischof von Cambray, Charles Saint-Aubin eingeführt, wurde ihm die Gunst zu theil, auch dessen Bildniß nach Rigaud zu stechen. So entstand ein weiteres Meisterstück, das ihm eine reiche Belohnung einbrachte. In Paris entstand auch der Stich nach Moritz Quentin de la Tour, seinem Freunde, der sich selbst in einer jovialen Auffassung porträtirt hatte. Welchen guten Ruf S. als Künstler besaß, ersieht man daraus, daß er auf den Rath Larmessin’s und durch einen Gnadenact des Königs – weil er Protestant war – sich zur Aufnahme in die Akademie melden durfte. Als Receptionsblatt reichte er das Bildniß des Malers P. Mignard nach Rigaud ein, ein Meisterstück feiner Charakteristik und glänzender Stichweise. Die Aufnahme in die Akademie fand 1744 statt. Sein Ruf drang auch nach Berlin und der König von Preußen ernannte ihn zum Hofkupferstecher mit Gehalt. Vergebens strengten sich seine vielen Pariser Freunde an, ihn, wie den Wille, für Frankreich zurückzuhalten. S. hatte erreicht, was er in Paris erreichen konnte, und zu Ende des Jahres 1744 kehrte er in die Heimath zurück, aus der er sieben Jahre entfernt war. Der schlesische Krieg war schuld, daß der Künstler dem König erst 1746 vorgestellt werden konnte. Nun begann in Berlin eine rastlose Thätigkeit. Im J. 1746 ehelichte S. eine Kaufmannstochter, Dorothea Louise Wiedebandt. Die Ehe war glücklich, wie man es schon an den drei Bildnissen der Frau, die uns der Meister hinterlassen hat, wahrnehmen kann. Zwei noch in Berlin vollendete sind radirt, das dritte 1761 in Petersburg gestochen. Bis zum Jahre 1757 sind in Berlin sechszehn große Porträtstiche entstanden. Wenn man sie neben den in Paris entstandenen aufstellt, die Bildnisse von Burckhardt, Blume, Oertel, Voguell, Görne, Eller, Borck, Splittgerber, so wird man in denselben eine gewisse Nüchternheit zugestehen müssen. Die Stiche selbst sind in gleicher Trefflichkeit behandelt, aber die Bilder, die als Vorlagen dienten, gehören einer Zeit an, deren Persönlichkeiten sich mit den französischen nicht messen konnten. Dagegen ist das Bildniß Friedrich’s II. nach Pesne so fein und elegant geschildert, daß es den strengsten Vergleich mit den in Paris gestochenen aushält. Dasselbe gilt von dem schönen Porträt der Baronesse von Grapendorf. In Berlin hat S. auch mit der Radirnadel viele Blätter vollendet. Sie sind in einer originellen, lebensvollen Manier behandelt, so daß der Künstler auch hier als Meister der Aetzung gehalten werden muß. Für Rembrandt besaß er in diesen Arbeiten eine besondere Vorliebe; indem er ihn aber nachahmte, verleugnete er dabei durchaus nicht seine Originalität, die sich besonders in correctem Zeichnen, in fester Linienführung und in malerischem Helldunkel offenbart. Wie tief er in Rembrandt’s Geist eindrang, zeigt besonders ein von Rembrandt unvollendet gelassenes Blatt, daß S. in des Meisters Manier vollendete. Auch Gemälde Rembrandt’s übertrug er mit der Nadel auf die Platte und brachte eine dem Originale entsprechende Wirkung hervor. So namentlich nach dem Gemälde (jetzt in der Berliner Galerie), das man früher Prinz von Geldern betitelte, das aber Simson darstellt, der von seinem Schwiegervater sein Weib fordert. Auch einzelne Bildnisse radirte er in dieser Zeit, darunter auch sein eigenes, hinter dem Tisch sitzend und zeichnend, wobei man sich selbst als das Object seines scharf beobachtenden Blickes denken mag, eine Auffassung, wie sie für einen Porträtkünstler höchst passend erscheint.

Im J. 1757 berief ihn die Kaiserin Elisabeth nach St. Petersburg, um ihr Bildniß nach L. Tocqué zu stechen, zugleich sollte er als Lehrer russischer Zöglinge den Stich in diesem Lande fördern und heben. Diese Aufgabe nahm S. sehr ernst; talentvolle Zöglinge und selbst ausgelernte Stecher stellten sich [728] unter seine Leitung, um sich zu vervollkommnen. S. hat nicht allein mit Worten unterwiesen, sondern auch bei den Arbeiten thätig eingegriffen und es hat sich die Tradition erhalten, daß der Lehrer an verschiedenen Arbeiten seiner Schüler Antheil hat. Ja, er hat eine von Tschemesoff vorgearbeitete Platte, das Bildniß des Schuwalow nach Rotari vollendet. Viele seiner Schüler sind später berühmte Künstler geworden und man kann unbedenklich S. den Vater des russischen Kupferstichs nennen. Aber auch selbständig war der Meister thätig und es sind in der nordischen Hauptstadt mehrere Meisterwerke des Grabstichels entstanden. Im J. 1761 war das Porträt der Kaiserin vollendet, kurz vor dem Tode derselben. Früher schon waren die Bildnisse von Woronzow und Esterhazy entstanden, im J. 1762 erschienen die kostbaren Porträtstiche von Rasumowsky, Brühl und Mounsey, dann ein radirtes von Schuwalow und sein eigenes, genannt mit der Spinne, ein Meisterstück der Radirnadel. Im Herbst desselben Jahres 1762 war er wieder in Berlin. Nun wurde das große Bildniß des Prinzen Heinrich in Arbeit genommen und es entstanden zahlreiche Illustrationen zu den Werken Friedrich’s des Großen. In dieser Periode führte er auch mehrere Radirungen aus, die als seine besten Leistungen anzusehen sind. Wir heben nur einzelne hervor; nach Rembrandt: „Die Judenbraut“ und „Der Vater der Judenbraut“, „Lot in der Höhle“, „Lot mit seinen Töchtern“, „Tobias von seinem Weibe verspottet“, „Erweckung von Jairi Töchterlein“; nach Sassoferrato: „Die betende Madonna“; nach van Dyck: „Maria mit dem Kinde und dem Johannesknaben“; nach Flinck: „Wilhelm II. von Oranien und sein Lehrer Cats“; nach C. W. E. Dietrich: „Sarah führt Abraham die Hagar zu“ und die „Darstellung Christi im Tempel“. Wir haben eingangs S. auch einen Maler genannt; er hat einzelne Bildnisse für den Stich vorgemalt und ein Bildniß, das von Jac. Staehlin, hat J. Stenglin nach einem Gemälde des Meisters geschabt. Die Zeichnungen, die S. hinterlassen hat, sind sehr geistreich, meist mit dem Röthel ausgeführt und werden hochgeschätzt. Der einzige Sohn desselben, der bereits anfing, sich mit der Kunst zu beschäftigen, starb frühzeitig. Der Meister selbst erlag am 25. Januar 1775 einem Schlagflusse. Was an ihm irdisch war, ist spurlos verschwunden und die Stelle, wo sein Grab war, längst mit Häusern bebaut; sein geistiges Eigenthum hat er aber als kostbares Erbe der Kunstwelt hinterlassen. Wir besitzen 299 Blätter von ihm, die in meinem Verzeichnisse beschrieben sind. Wer in einer öffentlichen Sammlung sein Werk durchblättert, wird uns Recht geben, wenn wir S. für einen Bahnbrecher des modernen Kupferstiches ansehen, zu dem alle neueren Meister der graphischen Kunst wie zu ihrem Ahnherrn emporblicken können.

Siehe Crayen, Cat. raisonné (5 (anonym) 1789. – Jacobi, Schmidt’s Werke, 1815. – Wessely, G. F. Schmidt, 1887.