Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Schmidt, Georg“ von Karl Friedrich Ledderhose in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 31 (1890), S. 728–730, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Schmidt,_Georg&oldid=- (Version vom 13. Oktober 2024, 20:08 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
Nächster>>>
Schmidt, Hans
Band 31 (1890), S. 728–730 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Kein Wikipedia-Artikel
(Stand August 2019, suchen)
Georg Schmidt in Wikidata
GND-Nummer 138149976
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|31|728|730|Schmidt, Georg|Karl Friedrich Ledderhose|ADB:Schmidt, Georg}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=138149976}}    

Schmidt: Georg S , Missionar der Brüdergemeine, oft der Apostel der Hottentotten genannt. Geboren am 30. September 1709 in Kuhnewalde in Mähren und † am 2. Aug. 1785 in Niesky. Ueber seine Eltern und seine Jugend hat er uns nichts Näheres hinterlassen. Als in den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts der Geist der alten böhmischen und mährischen Brüder wieder erwachte, ergriff er auch den sechszehnjährigen Jüngling. Im J. 1726 begegnen wir ihm auf der Flucht nach Herrnhut, wo Zinzendorf den Flüchtlingen aus Böhmen und Mähren ein freundliches und sicheres Asyl eröffnet hatte. Hier konnten sie nach ihrer Ueberzeugung ungehindert leben, aber der Zeugengeist ließ ihm hier keine Ruhe. Er wußte, daß es auch im Salzburgischen von der gesegneten Reformationszeit her Leute genug gab, die mit der römischen Kirche innerlich zerfallen, unter schwerem Drucke an dem Evangelium festhielten. Um [729] sie darin zu bestärken, faßte der noch nicht zwanzigjährige S. mit einem andern jungen Manne Melchior Nitschmann den Entschluß, sich dahin auf den Weg zu machen. Sie hatten aber nicht die Kosten überschlagen. In Herrnhut fanden sie keine besondere Zustimmung, jedoch ließ man sie ziehen. Ihr Weg sollte durch Böhmen führen. Da hielten sie bei einem Bekannten nahe an der mährischen Grenze eine erbauliche Versammlung, aber mitten in der Erbauung trat ein katholischer Kaplan in die Stube. Man nahm ihnen die auf dem Tische liegende Bibel hinweg und brachte sie, in eisernen Ketten und Schienen gefesselt, nach Eisenberg, wo sie vor zwei Dechanten ein rigoroses Examen zu bestehen hatten. Abgesondert saßen die Jünglinge im Gefängnisse, Nachts im Stock eingeschlossen. Ein Jesuit besuchte sie oft, sie wieder zur römischen Kirche zurückzuführen, aber sie widerstanden ihm tapfer mit der Bibel, so daß er zuletzt wegblieb. S. litt im Winter sehr an den in den Stock eingeschlossenen Füßen bei großer Kälte. Es scheint, daß man im Sinne hatte, die Zeugen der Wahrheit auf diese Weise aus der Welt zu schaffen. Nitschmann starb auch wirklich zum Schmerze Schmidt’s. S., in Ketten vor mehrere Geistliche geführt, antwortete auf ihre Frage, ob er sich besonnen hätte, mit glaubensinniger Festigkeit: Ja! Sie verstanden dieses Ja. Von Prag kam das Urtheil, daß er auf dem Spielberg 3 Jahre lang Schanzarbeit thun solle. Drei Jahre hatte er bereits in Schildberg gesessen und nun mußte er noch eben so lange auf dem Spielberg schwere Arbeit thun und litt oft bitteren Mangel. Auf dieser hohen Schule der Leiden in seinem Zeugengeiste nicht gelähmt, sondern vielmehr gefördert kam er mit einem Passierzettel am 22. Juli 1734 in Herrnhut an. Damals von zwei Geistlichen in Amsterdam, die ein Herz für die tiefversunkenen armen Hottentotten hatten, angeregt, beschloß man in Herrnhut eine Mission unter diesen verkommnen Heiden zu versuchen. Und man konnte dazu keinen besseren Mann finden, als den bewährten Georg S. In Amsterdam von einigen Geistlichen geprüft, bestand er aufs beste. Auf dem Schiffe, das ihn nach dem Vorgebirge der guten Hoffnung zu den Hottentotten bringen sollte, gewann er einige Passagiere für den lebendigen Glauben. Erst am 9. Juli 1737 landete er in der Kapstadt. Die Herren der Regierung, an welche er empfohlen war, zeigten sich gegen ihn sehr freundlich. In der Kapstadt ließ es ihm keine Ruhe, zu seinen Hottentotten wollte er. Als er die ersten sah, sagte er: „Ich war recht erpicht auf diese Leute, auch konnte ich mich mit ihnen ein wenig holländisch unterhalten.“ Hatte er sich doch bei seinem längeren Aufenthalt in Holland diese Sprache etwas angeeignet. Die Sprache der Hottentotten war sehr schwer zu erlernen, besonders deshalb, weil dieselbe sehr arm ist und ein Wort oft vielerlei bedeutet und nur durch verschiedenes Schnalzen seine Bedeutung erhält. Ein alter Schriftsteller sagt deshalb, es scheine eine Nation Stammelnder zu sein. Die Holländer hatten sich schon i. J. 1650 in Südafrika festgesetzt, und mit ihnen zu verkehren, mußten sich die Heiden an ihre Sprache anbequemen. Es war ein tief versunkenes Volk, von dem viele wähnten, es sei in christlicher Beziehung nichts mit ihnen anzufangen. Wenigstens hatten die holländischen Geistlichen nichts ausgerichtet. S., von der Liebe Christi getrieben, fühlte tief, daß auch für dieses Volk, wie für die ganze Welt Christus gestorben sei, und daß auch diesen armen Heiden die frohe Botschaft verkündigt werden müsse. So zog er denn am 4. September 30 Stunden tief ins Land hinein an den Fluß Sonderend, da, wo die Compagnie-Post sich befand. Die Hottentotten hatten davon gehört und zogen ihm mit Musik entgegen. Praktisch, wie er war, legte er schon am andern Tage einen Garten an und besäete ihn mit den mitgebrachten Sämereien. In sechs Wochen hatte er sich eine Hütte aus Lehm erbaut, an den [730] Abenden besuchte er die Hottentotten und suchte sie holländisch zu lehren. Ein Hottentotte, Afriko, den er in der Kapstadt kennen gelernt hatte, diente ihm als Dolmetscher. Er begann mit zwei Schülern, die stumpfsinnig genug waren, seinen Unterricht. Aber die Nähe der Post bot seiner Arbeit viele Hindernisse. Deshalb entschloß er sich, tiefer ins Land hinein zu ziehen, es zogen noch 18 Hottentotten mit, die ihn bereits lieb gewonnen hatten. Er ließ sich am Sergeant-River in einer Wüste nieder. Eine Hütte und ein Garten war bald hergerichtet, seine Begleiter lehrte er arbeiten und das Land bauen. Auch fing er wieder seine Schule an. Abends hielt er Versammlungen; ein Schüler Namens Wilhelm hatte tiefere Eindrücke erhalten und bezeugte seinen Landsleuten in ihrer Sprache, daß alles, was der Fremdling sage, Wahrheit sei, und betete mit ihnen. Das war der senfkornartige Anfang einer Gemeine. Es stellten sich manchmal 30 bis 50 Schul- und Abendmahlsbesucher ein, von denen ein und der andere die rührendsten Bekenntnisse ablegte. Nicht blos die Hottentotten hatten großen Respect vor einem Manne, dessen Liebe sie spürten, sondern auch in der Kapstadt hielt man ihn für einen gesegneten Diener Christi. Die Berichte, welche S. an die Aeltesten der Brüdergemeine richtete, waren sehr interessant, Schrautenbach, der Biograph Zinzendorf’s, nennt sie „die Würze der Gemeintage“. Er nahm sich auch der holländischen Ansiedler seelsorgerlich an und nicht ohne Erfolg, stets ging er geradaus ohne Umschweife. Die Finsterniß im Hottentottenlande fing an zu weichen, man fragte und suchte nach der Wahrheit, die man so nahe hatte. S. selber war ein leuchtendes Vorbild. Im Frühjahr 1740 erhielt er schriftlich die Ordination und damit das Recht, die Sacramente zu verwalten. Er machte auch alsbald Gebrauch davon, indem er den schon genannten Wilhelm taufte. Es folgten bald noch mehrere Taufen. Nach der Weise der Brüdergemeine richtete er die kleine Gemeinde ein. Die holländischen Pfarrer waren mit seinem Taufen nicht zufrieden. Sie hatten erwartet, daß er die bekehrten Hottentotten ihnen zur Taufe nach der Kapstadt bringen werde, damit sie die Ehre hätten. Das geschah nicht; daher ihr Haß. In Holland regte sich überhaupt gegen die Sache der Brüder Feindschaft. Als S. die Erlaubniß erhielt, nach Europa zurückzukehren, verabschiedete er sich mit Zugrundlegung der Abschiedsrede Pauli (Ap. 20). Es war ein thränenreicher Abschied. Im J. 1744 kam er nach Marienborn, man hatte nicht im Sinne, den Posten in Afrika aufzugeben, aber auf die Bitte an die ostindische Compagnie um neue Ueberfahrt zu seinen Hottentotten erfolgte eine abschlägige Antwort, ein tiefer Schnitt in das Herz des apostolischen Mannes. Er trat noch in den Ehestand und zog sich in die Brüdergemeine Niesky zurück, aber nicht um zu ruhen. Er bediente die zerstreut wohnenden Brüder und Freunde der Brüderkirche in der Umgegend. War er aber zu Hause, so arbeitete er als Tagelöhner und seine Frau spann ums Geld, ja er schämte sich nicht, der Todtengräber der Gemeine zu sein, was ihm wohl wenige ausgediente Missionare nachthun werden. Am 2. August 1785 sah man ihn noch Morgens in seinem Garten beschäftigt. Als man um 12 Uhr seine Stube betrat, lag der alte Missionar als Leiche da. Er erlebte es nicht mehr, daß die Mission in Südafrika erneuert wurde, was sein Herzenswunsch war. Erst Ende des Jahres 1792 geschah dies. Und wie reich gesegnet ist sie! Da wo einst S. gewirkt hatte, steht Gnadenthal, und noch manche Gemeinden haben sich gebildet bis tief in das Gebiet der Kaffern hinein, ein staunenswerthes Werk Gottes.

Näheres außer den Schriften der Brüdergemeine „Das Büchlein von den Hottentotten und ihrem ersten Apostel Georg Schmidt von K. F. Ledderhose“. Basel 1849.