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Artikel „Cats, Jakob“ von Pieter Lodewijk Muller in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 4 (1876), S. 72–73, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Cats,_Jakob&oldid=- (Version vom 29. März 2024, 15:56 Uhr UTC)
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Cats: Jakob C., niederländischer Staatsmann und Dichter, geb. 10. Nov. 1577 in Brouwershaven in Seeland aus einer der angesehensten Familien des kleinen Städtchens. Als sein Vater eine Frau aus Belgien heirathete, nahm ein Onkel den Knaben zu sich und ließ ihn zuerst in Leyden, später in Orleans Jura studiren, in welcher letzteren Stadt er promovirte. Bald darauf ließ C. sich als Advocat im Haag nieder, wo er einen großen Ruf als Jurist gewann. Als er eine begüterte Frau geheirathet hatte, siedelte er jedoch nach Grypskerke in seiner vaterländischen Provinz über, wo er sich durch Betheiligung an Trockenlegen von Grundstücken ein bedeutendes Vermögen erwarb. Mehr noch beschäftigte er sich mit der Poesie, zu der er schon als Knabe sich hingezogen fühlte; er verspürte immer eine unwiderstehliche Lust, Verse zu machen. Als Dichter entwickelte er eine ungeheure Productivität immer im didaktischen Genre, einer Art, welche dem damaligen niederländischen Volkscharakter besonders zusagte, namentlich insofern sie mit Allegorien und der Spruchform, die C. oft anwendete, verbunden ward. Sein frommer, streng calvinistischer und oft unduldsamer Sinn, seine praktische und hausbackene, dem jetzigen Geschlecht unleidlich langweilige Weisheit, seine Liebe zum Detail, die leicht faßliche, für Jeden verständliche Form machten seine Dichtungen zwei Jahrhunderte lang zu dem populärsten Buche der niederländischen Litteratur, das fast in jeder Wohnung, ja in den Schiffscajüten neben der Bibel zu finden war und welches das Volk [73] auswendig wußte. C. blieb auch, als er 1621, nachdem er einen Ruf als Professor nach Leyden ausgeschlagen, dagegen einen als Pensionär der Stadt Middelburg angenommen hatte und so mitten in die Geschäfte und das staatliche Leben versetzt war, der Dichtung treu und widmete ihr alle seine freien Stunden. Während er, das Haupt der calvinistischen und orangistischen seeländischen Dichtung, mit der liberalen, katholisirenden und arminianischen Dichterschule von Amsterdam, Hooft, Vondel etc. keineswegs in Verbindung trat und nur mit Huyghens (s. d.) und van Baerle in nähere Berührung kam (welcher erstere sein politischer Gesinnungsgenosse und persönlich ein guter Freund war, während van Baerle mehrere seiner Gedichte lateinisch übersetzte) und sein Ruf beim größeren Publicum fortwährend zunahm, ward er 1623 Pensionär von Dordrecht, der ersten Stadt Hollands, und nachdem er als solcher 1629 die Rathspensionarstelle provisorisch anderthalb Jahr geführt, im J. 1636 nach Pauw’s Rücktritt definitiv zum letzteren Amte erhoben. Seine Fähigkeiten als Jurist und Geschäftsmann, seine Fügsamkeit und Vorliebe für die statthalterische Partei, die damals unter Friedrich Heinrich vorherrschte und der auch Cats’ Schwiegersöhne, der berüchtigte Greffier Musch und Aerssens, angehörten, befähigte ihn zu dieser hohen Stelle, in welcher er aber bei weitem nicht die Rolle eines Oldenbarnevelt oder eines seiner ebenso orangistischen Nachfolger, Fagel und Heinsius spielte. Doch konnte er sich rühmen, was sehr viel sagt, er habe nur einen Verwandten aufs Kissen gebracht; und obgleich keineswegs ein hervorragender und energischer, war er gewiß ein ehrlicher Staatsmann. Als Rathspensionar war C. nicht wie so viele, das Haupt, sondern der Diener der Regierung, und so konnte er 1650 bei dem Staatsstreich Wilhelms II. am Ruder bleiben, ohne seine Stelle nach dessen Tode aufgeben zu müssen. Die Eröffnung und Schließung der „Großen Versammlung“ (der Generalstaaten zur Reorganisirung der Republik, einem freilich vergeblichen Anlauf zur Verbesserung der Constitution) neben einer zweiten Ambassade nach England machte seine letzte politische Thätigkeit aus. 1651 legte er alle seine Aemter nieder und zog sich auf sein Gut Zorgvliet zwischen Haag und Scheveningen zurück, nur der Poesie und frommen Uebungen lebend. Er starb 1660, 88 Jahr alt, nachdem er noch das Jahr vorher eine Art Rückblick auf sein Leben herausgegeben, eine poetische oder besser gesagt in Verse gesetzte Betrachtung der von ihm gemachten Erfahrungen in Bezug auf sein inneres Leben. Sonst beziehen sich seine Dichtungen meist auf Liebe und Ehe, oft in sehr roher, jetzt unanständig gefundener Form, und auf das Leben des Menschen in allen Zuständen und in jedem Alter. Sie sind sämmtlich ins Deutsche übersetzt, während sie in Holland in sechs Folioausgaben und zahllosen kleineren Editionen erschienen und noch jetzt gelesen werden, obgleich C. der neueren litterarischen Kritik nicht hat Stand halten können, und als ein Sünder gegen allen ästhetischen Sinn und guten Geschmack verurtheilt ist. Ein rechtschaffener, etwas beschränkter Mensch, nicht frei von Selbstsucht und Selbstbehagen, ein guter Reformirter und strenger, sparsamer Haushalter, ein guter Geschäftsmann, doch als Politiker ziemlich farblos;, wiewol ehrlich und unbescholten, als Dichter volksthümlich, wie keiner, doch ohne die höhere Weihe der Poesie steht C. da als ein echter Holländer des gewöhnlichen Schlages des 17. Jahrhunderts, der Vertreter der Tugenden und auch der Fehler seines Volkes, und wol eben darum so lange der Gefeierte seiner Nation.