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Artikel „Hooft, Pieter“ von Ernst Martin in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 13 (1881), S. 95–97, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Hooft,_Pieter&oldid=- (Version vom 24. November 2024, 08:38 Uhr UTC)
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Hooft: Pieter H., das Haupt der holländischen Dichter, wie sie selbst mit seinem Namen spielend ihn wiederholt genannt haben. Er war geboren am 16. März 1581 zu Amsterdam, wo sein Vater, Cornelis H., Bürgermeister war. Zum Kaufmannsstand bestimmt, erhielt er eine vorzügliche Ausbildung, 1598–1601 auf Reisen durch Frankreich und Italien, wobei er sich besonders lang in la Rochelle, in Venedig und Florenz aufhielt. Sein Reisetagebuch ist uns erhalten und beweist seine Aufmerksamkeit auf die Werke der antiken Kunst, wie sein Interesse für die italienische Poesie älterer und neuerer Zeit. Ihr in [96] der heimathlichen Sprache nachzueifern, ist die Absicht, die er in einem Briefe aus Florenz an die amsterdamische Rederijkerkammer In liefde bloeyende ausspricht. Zurückgekehrt, wandte er sich juristischen Studien zu, und ward 1606 und wiederholt 1607 in Leyden immatriculirt. Schon 1609 erhielt er eine ansehnliche und seinen Neigungen vollkommen entsprechende Anstellung, wesentlich durch die Gunst des Prinzen Moritz von Oranien, welchem sein Vater als ehemaliger Theilnehmer an den Kämpfen gegen Spanien nahe stand und dem er sich selbst noch durch die Dichtung von Schauspielen zu Ehren des Waffenstillstandes im Mai 1609 empfohlen hatte. H. ward Drost von Muyden und hatte als solcher die Landschaft Gooiland östlich von Amsterdam zu verwalten. Er bewohnte das Schloß in Muyden während des Sommers, konnte aber den Winter in Amsterdam zubringen. Gern zog er sich aber auf seinen schönen Landaufenthalt zurück, wo er sich den heftigen Kämpfen zwischen Kirchlichen und Freigesinnten, zwischen den Anhängern der Oranier und der Aristokratenpartei entziehen konnte. War er doch ebenso Prinz Moritz verpflichtet, als er den Fanatismus der ihm zugethanen Prediger verabscheute. Klug wußte er seine Stellung zu bewahren und sie durch Erwerbung des französischen Michaelordens, womit der Adel verbunden war, zu erhöhen. Seine ansehnlichen Mittel verwendete er zu einer prachtvollen Gastlichkeit, welche hauptsächlich musikalische und poetische Talente mit ihm vereinigte. Der berühmteste Lateindichter, der Professor Barlaeus, der größte holländische Tragiker, Vondel, trafen sich dort mit den kunstreichen Töchtern von Roemer Visscher. Auch C. Huyghens, der Secretär der Oranier, verkehrte hier und andererseits Hugo Grotius, mit dem, als er in der Verbannung lebte, H. einen regen Briefwechsel unterhielt. An dieser edlen Geselligkeit Hooft’s hatten wesentlichen Antheil seine Frauen: erst Christina van Erp, die 1610 mit ihm verbunden, 1623 starb und deren Kinder H. sämmtlich früh verlor; dann Eleonore Hellemans, die Wittwe des Antwerpeners Bartelotti, welche H. 1627 heirathete und deren Kinder ihn überlebten. Er starb am 21. Mai 1647 im Haag, wohin er gekommen war, um den Leichenfeierlichkeiten für Prinz Friedrich Heinrich, den milden Nachfolger des Prinzen Moritz, beizuwohnen. Ihm selbst wurden bei der Bestattung große Ehren erwiesen: vor allem durch eine Leichenrede von Gerhard Brandt, welche der Schauspieler Zjermes im Amsterdamer Theater vortrug. „Mit dem Ritter H. ist die holländische Poesie geboren worden“, ruft der Lobredner aus, der nicht müde wird, in den prunkvollsten Wendungen den gestorbenen Dichter zu feiern.

In der That hat H. nicht nur eine große Fruchtbarkeit und Vielseitigkeit bewiesen, er hat auch in einigen Gattungen geleistet, was Niemand vor ihm, und was Spätere vielfach nachgeahmt haben. Er hat vor allem zur Bildung der holländischen Dichtersprache hervorragend beigetragen und ihr eine Reinheit und eine Biegsamkeit gegeben, die von der bisherigen Vernachlässigung glänzend abstachen. Diese Vorzüge kommen allerdings weniger zur Geltung in der dramatischen Dichtung, mit welcher H. frühzeitig begann. Schon vor der italienischen Reise hatte er „Achilles und Polyxena“ gedichtet, 1601 folgte „Ariadne und Theseus“, beide jedoch erst 1614 gedruckt. Sie waren für die Amsterdamer Rederijkergesellschaft bestimmt, von der sich H. jedoch später gänzlich abwandte, um sich der mehr aristokratisch geleiteten „Akademie“ des Dr. Coster zuzuwenden. Diese wurde 1617 mit einem Lustspiel von H. eröffnet, dem Warenar, einer Uebersetzung der Aulularia von Plautus in das Amsterdamische. 1615 war bereits erschienen „Granida“, ein Trauerspiel, aber im Schäfergeschmack des Guarini. Liegt im Emporkommen des Schäfers, der eine Prinzessin heirathet, ein Zug von holländischem Bürgersinn, so gehen noch mehr auf das Vaterländische [97] aus die 1613 und 1626 veröffentlichten Trauerspiele Gheraert van Velzen und „Baeto“, ersteres den Tod des Grafen Floris V., das zweite den Ursprung der Bataver schildernd. Dieser Ursprung wird mit seltsamen Fabeln aus der Medeasage ausgeschmückt; unzweifelhaft liegen politische Allegorien zu Grunde. Hexen und allegorische Wesen treten gespensterhaft auf: die Entwickelung ist dürftig und willkürlich. Das Pathos erscheint übertrieben und hohl. Nur den „Reien“ d. h. Chören ist wenigstens Gefühl und Weichheit des Ausdruckes nachzusagen. Im ganzen macht sich das Vorbild der Tragödien Senecas auf das Widerwärtigste bemerkbar. In den Lustspielen ahmte H. neben den bereits genannten Italienern auch Aretin nach, dessen Ipocrito er unter dem Titel „Schynheiligh“ übersetzte, aber in dieser Uebersetzung unter dem Namen des bereits verstorbenen Brederoo drucken ließ. Die italienische Tändelei ist nun auch der Hauptzug in Hooft’s lyrischen Gedichten. Sie lassen sich durch ihre Datirung in den erhaltenen Handschriften auf die einzelnen Veranlassungen zurückführen und zeigen Talent wie Gemüth des Dichters von der vortheilhaftesten Seite. Sie begleiten denn auch sein ganzes Leben, so daß selbst auf den kurz vor ihm verstorbenen Prinzen Friedrich Heinrich sich Grabgedichte vorfinden. In dieser späteren Zeit hatte H. die Bühnendichtung aufgegeben, um ein ernsteres Gebiet zu bearbeiten, die Geschichtschreibung. Er begann mit einem Leben Heinrichs IV. „des Großen“, wie er ihn nannte, das 1626 erschien. Dann arbeitete er eine Geschichte der „Rampzaligheden der verheffinghe van den huize van Medicis“, wovon jedoch erst 1649 eine Ausgabe veröffentlicht ward. Sein Hauptwerk aber ist die „Geschichte des Krieges gegen Spanien“, wozu er die umfassendsten Studien machte und namentlich die noch lebenden Genossen jener Heldenzeit befragte. Seit 1628 daran thätig, konnte er 1641 die ersten 20 Bücher der „Nederlandsche Historien“ veröffentlichen; noch sieben Bücher, welche die Darstellung bis 1587 fortführten, wurden aus seinem Nachlaß 1654 herausgegeben. Diese Schilderungen, überall auf das Persönliche eingehend, gehören zum Ergreifendsten in der historischen Litteratur. Ihre Wirkung hat H. zu erhöhen gesucht durch den engsten Anschluß an die Manier des Tacitus, dessen Werke er 52 Mal gelesen hatte und für ungelehrte Freunde übertrug. Daher eine Kürze und Kraft der Darstellung, die stellenweise das Verständniß schwierig macht, um so mehr als H. eifrigst nach Reinheit der Sprache strebte und selbst neue Ausdrücke zu bilden sich nicht scheute. Endlich ist seinen Werken noch hinzuzufügen die Sammlung seiner Briefe, die für die gesammte Zeit von größtem Interesse sind.

Vollständige Ausgabe der Gedichte von Leendertz, Amsterdam 1864 ff., der Briefe von Van Vloten, IV, Leiden 1855, wo auch die sonst biographisch wichtigen Stücke, vor allem Brandt’s Leichenrede, zu finden sind. Uebrige Litteratur bei van der Aa, Biogr. Woordenb. Zur litterarhistorischen Würdigung s. auch Jonckbloet, Nederlandsche Letterkunde.