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Artikel „Aerssen, Franz von“ von Joseph Albert Alberdingk Thijm in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 1 (1875), S. 131–132, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Aerssen,_Franz_von&oldid=- (Version vom 13. Dezember 2024, 05:38 Uhr UTC)
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Aerssen: Franz von A., Staatsmann, Sohn des Cornelis v. A. (s. d.), geb. zu Brüssel 1572, † 27. Dec. 1641 im Haag, ein Staatsmann von scharfem Verstand, der aber unter dem äußeren Schein der Gradheit eine gefährliche Zweideutigkeit barg; dabei ein gewandter und feiner Stilist. Nachdem er zu Leiden zum Doctor der Rechte promovirt war, gab ihn der Vater einige Zeit in die Leitung des berühmten französischen Protestantenführers Philipp Duplessis Mornay, wobei er in Frankreich Land und Leute gut kennen lernte. Dann kehrte er nach einer Reise durch Italien 1596 nach Holland zurück. 1598 begleitete er als Secretär die Gesandtschaft, welche unter Olden Barnveld nach Frankreich ging, um Heinrich IV. vom Frieden mit Spanien zurückzuhalten und da eben jetzt der staatische Gesandte in Paris starb, ward der erst 26jährige A. zu seinem Nachfolger ernannt, mit der Instruction, die guten Beziehungen zwischen den Staaten und Frankreich aufs sorgsamste zu pflegen. Indessen machte der zu Vervins am 2. Mai 1598 geschlossene Frieden zwischen Spanien und Frankreich seine Stellung höchst schwierig. Seine Schreiben (herausgegeben von Vreede 1846) geben eine klare und lehrreiche Darstellung der politischen Verhältnisse dieser Zeit. Wenn A. den König Heinrich nicht zur Erneuerung seines Krieges gegen Spanien zu bewegen vermochte, so erwirkte er wenigstens Geldunterstützungen für die Staaten, welche die von diesen letzteren während der Kriege Heinrichs mit Spanien und der Ligue ihm vorgestreckten Summen bei weitem übertrafen. Nur sah der Gesandte, je mehr die Noth der Staaten in ihrem Kriege mit den Spaniern stieg, um so bestimmter bei dem Könige die Absicht, seine Hülfe sich durch territorialen Gewinn bezahlen zu lassen, hervortreten. Seine Berichte über diese Wendung der französischen Politik haben Olden Barneveld in dem Entschlusse bestärkt, mit den Spaniern sich zu vertragen. Als am 9. April 1609 der Waffenstillstand zwischen Spanien und den Niederlanden geschlossen war, blieb A. als Gesandter am französischen Hofe und ward von Heinrich IV. mit Auszeichnung behandelt. Des Königs Tod aber, 1610, erschütterte seine Stellung. Denn Maria v. Medicis, der spanischen Allianz geneigt, mißtraute ihm und dem Staatskanzler Villeroy war er schon durch seine zu tiefen Einblicke in die französischen Angelegenheiten im Wege. Als er daher 1613 seinen Abschied, wol kaum im Ernste, forderte, benutzte man dies gerne, um ihn unter ehrenvollsten Formen zu beseitigen, und als er seine Rücksendung nach Frankreich im Haag durchzusetzen trachtete, ward sie durch offene Schritte des französischen Gesandten du Maurier hintertrieben. Vielleicht maß A. nicht mit Unrecht Olden Barneveld einen Hauptantheil an seinem Fall bei; er tritt [132] seitdem als dessen erbittertster Gegner auf und trug hauptsächlich zu den gewaltsamen Maßregeln gegen ihn bei. Er galt auch für den Verfasser der Pamphlete, welche Olden Barneveld des Einverständnisses mit den Spaniern und des Verrathes am Vaterland anklagten. Olden Barneveld’s Entgegnungen gegen diese und ähnliche Schriften bezichtigten A. wiederum, in Paris das Interesse der Staaten verrathen, ja die Unterwerfung der Staaten unter den König von Frankreich geplant zu haben. Olden Barneveld erlag bekanntlich in diesem Kampfe. A., auf nicht rechtsgültige Weise naturalisirt, ward 1619 vom Prinzen Statthalter nicht nur in die Generalstaaten trotz lebhaften Widerspruchs innerhalb derselben, sondern auch in die Zahl der Richter über den gefangenen Olden Barneveld gebracht, dessen Haupt am 13. Mai 1619 fiel.

Am französischen Hofe war man höchst erbittert gegen A.; ja als dieser 1620 zur Ratification eines Vertrags nach Venedig geschickt, sich zugleich an verschiedenen deutschen Höfen für die Interessen des Königs von Böhmen, Friedrichs v. d. Pfalz, zu verwenden hatte, verbot Ludwig XIII. seinem Gesandten in Deutschland mit A. zusammenzutreffen. Während dieser Abwesenheit vom Haag fiel sogar auf A. der Verdacht, an dem Verbrechen zweier Falschmünzer, die man dort enthauptete, nicht ganz unbetheiligt zu sein. Im J. 1625 finden wir jedoch A. wieder auf seiner Gesandtschaft in Frankreich und von dem inzwischen eingetretenen Richelieu mit allen Ehren empfangen, ohne daß es ihm doch gelang, den Cardinal zu einer Allianz gegen Oesterreich zu bereden.

Seit Moritzens Tod (1625) tritt A. im Uebrigen wenig mehr hervor. Im J. 1640 wählte ihn die holländische Ritterschaft noch einmal in die Generalstaaten, und im Jahre seines Todes (1641) finden wir ihn mit einer Botschaft an den englischen Hof betraut, um für Wilhelm, den Sohn des Statthalters Friedrich Heinrich, um die Hand Maria’s, der Tochter Karls I., zu werben.